Der Paritätische Wohlfahrtsverband Schleswig-Holstein
informierte am 5.1.2015 über ein neues Sozialgerichtsurteil zum Einsatz eines
Integrationsassistenten (Integrationshelfer oder Schulbegleitung) in der
Nachmittagsbetreuung an einer Offenen Ganztagesschule (SG Detmold, Urteil vom
28.10.2014 – SO 285/12). Im Wesentlichen ging es weniger darum, ob es eine
Leistungsberechtigung gab, der Kläger gehörte unzweifelhaft zum Personenkreis
nach §§ 53 ff. SGB XII, sondern vielmehr um die Kostenbeteiligung nach § 92
Abs. 2 SGB XII.
Der Sozialhilfeträger verlangte vom Kläger bzw. seinen
unterhaltspflichtigen Eltern einen Kostenbeitrag hinsichtlich des Einsatzes
einer Integrationsassistenz am Nachmittag und begründete sein Verlangen wie
folgt:
„Der Kläger gehöre
aufgrund seiner Behinderung unbestritten zum Personenkreis der Leistungsberechtigten
der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII. Bei der OGS (= Offenen
Ganztagesschule, eig. Anm.) handle es sich nicht
um eine Maßnahme der angemessenen Schulausbildung, sondern um eine Maßnahme
zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.“ (Rz. 7)
Nach Ansicht des beklagten Sozialhilfeträger unterlag der
Besuch der Offenen Ganztagesschule am Nachmittag nicht der allgemeinen
Schulpflicht. Es handelte sich also um eine freiwillige Teilnahme an einer
Unterrichtsveranstaltung (vgl. auch Rz. 22). Entsprechend sollten die
unterhaltspflichtigen Eltern gem. § 92 Abs. 2 SGB XII eigene Mittel aufbringen,
um den Integrationsassistenten zu bezahlen.
Das Gericht hat allerdings den Begriff der „angemessenen
Schulbildung“ weiter verstanden. Demzufolge begrenzt sich eine angemessene
Schulbildung nicht auf die Schulbesuchszeiten, welche im Rahmen der allgemeinen
Schulpflicht anfallen. Das Gericht sagt:
„Erforderlich ist
aber, dass im Rahmen der in Rede stehenden Förderung Maßnahmen erfolgen, die
den Schulbesuch erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen (vgl. LSG
Schleswig-Holstein, Urteil vom 06.10.2008, Az.: L 9 SO 8/08). Ausgangspunkt ist dabei, dass die Betreuung
speziell auf die schulischen Maßnahmen abgestimmt ist und zu einer noch zu
erreichenden gewissen Schulbildung führt. Es muss ein überwiegender Bezug zur
schulischen Ausbildung bestehen. Nicht ausreichend ist dagegen, dass im
Rahmen einer Maßnahme positive Nebeneffekte auch für die schulische Entwicklung
eintreten können.“ (Rz. 23)
Und weiter:
„Zwar besteht keine
schulrechtliche Pflicht zur Teilnahme an der OGS, worauf die Beklagte abstellt,
das könnte dagegen sprechen, dass es sich kurz gesagt um "Schule"
handelt. Allerdings handelt es sich um
eine freiwillige Schulveranstaltung, die letztlich den wesentlichen Schulalltag
abbildet, wie heutzutage "Schule" angeboten werden soll. Unter
Beachtung des besonderen Sinn und Zwecks der Eingliederungshilfe, gerade dem
jungen, behinderten Menschen zu ermöglichen, seinen optimalen Platz im Leben in
der Gemeinschaft zu finden, ist die OGS eine regelmäßige schulische Veranstaltung
und somit "Schule" im alltäglichen Sinne, wie bereits auch der
Alltagsbegriff "Offene Ganztagsschule" deutlich zeigt.“ (Rz. 24)
Und schließlich ganz klar und deutlich:
„Eine enge
Auslegung des Begriffs der angemessenen Schulausbildung ist hier nicht geboten.“
(Rz. 29)
Fazit:
Die Leistungen der Eingliederungshilfe, insbesondere
bezogen auf die Erlangung einer angemessenen Schulbildung, beschränken sich
nicht nur auf „Pflichtteil“, sondern können unabhängig von der Schulpflicht
auch auf den Besuch einer Offenen Ganztagesschule angewendet werden.
Das Gericht hat hier eine Entkoppelung vorgenommen, die
sicherlich auch auf andere Bereiche anzuwenden wäre, die bislang immer mit dem
Hinweis auf die Grenzen der Erforderlichkeit und Angemessenheit ablehnend
beschieden worden sind.
Nicht in Frage gestellt wurde seitens des
Sozialhilfeträgers, ob die antragstellende Person überhaupt ein Anrecht auf
einen Integrationsassistenten hatte oder nicht. Vielmehr ging es hier im
Verfahren um die Pflicht der Eltern zur Beteiligung an den Kosten.
CGS
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