Sonntag, 31. Juli 2016

Schulassistenten und Schulbegleiter - Schon wieder werden Anträge abgelehnt – Teil 3

Der Antrag auf Stellung einer Schulbegleitung (Integrationsassistenz) wurde also abgelehnt. Wurde seitens des Antragsstellers schon ein schriftlicher Widerspruch eingereicht? Dafür hat man nur einen Monat Zeit.

Wenn es aber nun „hart auf hart“ geht, wie soll man argumentieren? In der Eingliederungshilfe, also bei denjenigen Schulkindern, die eine Schulbegleitung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Personenkreis nach § 53 SGB XII bzw. § 35 a SGB VIII benötigen, gibt es immer wieder den Grundsatz der Nachrangigkeit. Leistungen werden von den angegangenen Leistungsträgern der Sozialhilfe- oder Jugendhilfeträgern nur dann gewährt, wenn man von keinem anderen Leistungsträger die Leistung erhält (vgl. § 2 Abs. 1 SGB XII).

Es geht um den „Erhalt von Leistungen“ – nicht aber um den „Anspruch“ auf Leistungen. Schon das Bundessozialgericht hatte hierzu bestimmt, dass § 2 SGB XII keine Ausschlussnorm darstellt. Den Sozialhilfeträger trifft sogar die Leistungspflicht selbst dann innerhalb des Kernbereichs der pädagogischen Arbeit der Schule, wenn eine entsprechende Hilfe nicht gewährt bzw. sogar darauf (seitens der Schule) verwiesen wird, sie nicht erbringen zu können (Rz. 26 im BSG Urteil vom 22.03.2012, Az. B 8 SO 30/10 R).

Das Bundessozialgericht geht sogar darüber hinaus und erklärt, dass es für die Leistungsgewährung völlig unerheblich ist, dass (im vorliegenden Fall) die Schule verpflichtet sei (Rz. 26). Kann die Schule den Bedarf decken, dann wäre sie auch verpflichtet, einen Schulbegleiter zu stellen. Ist dies aber nicht möglich, weil die Schule nicht über ausreichend Personal verfügt, dann ist der Sozialhilfeträger in der Pflicht.

Eine schriftliche Bestätigung der Schule sollte im Idealfall beigefügt werden, doch im Widerspruchsverfahren selber reicht es, wenn auf diese Umstände verwiesen wird. Der Sozialhilfeträger ist verpflichtet, seine eigenen Ermittlungen anzustellen (vgl. § 20 SGB X). Doch im späteren Klageverfahren, was man vorsorglich einplanen sollte, empfiehlt es sich, eigene Beweise einzubringen. Vermutlich wird die Schule auf ein solches Verlangen nicht eingehen, weil es „peinlich“ wäre. Von daher muss man als Leistungsberechtigter bzw. als Elternteil eines Schulkindes hartnäckig bei der Behörde / Fachdienst nachfragen, welche Fragen an die Schule gestellt und welche Antworten von der Schule gegeben worden sind.

CGS





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Freitag, 29. Juli 2016

Schulassistenten und Schulbegleiter - Schon wieder werden Anträge abgelehnt – Teil 2

So viel Normalität wie möglich, aber auch so viel Rücksichtnahme wie nötig.

Dies sollte der Leitspruch sein, den die erstangegangenen Leistungsträgern bei der Prüfung von Anträgen auf Schulbegleitung und anderen Hilfen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben berücksichtigen müssten. Doch offenbar gilt ein anderer: Ich bin nicht zuständig.

Weil im schleswig-holsteinischen Landesschulgesetz es heißt: „Das Ziel einer inklusiven Beschulung steht dabei im Vordergrund“ (§ 4 Abs. 13 S. 2 SchulG-SH), sehen sich die Leistungsträger nicht mehr in der Pflicht, irgendwelche Kosten zu übernehmen. Dabei hätten Sie die Möglichkeit, sich bei den tatsächlich Verantwortlichen für die Kostenübernahme sozusagen schadlos zu halten.

Natürlich muss zuerst einmal abgeklärt werden, ob eine antragstellende Person überhaupt leistungsberechtigt ist. Für geistig behinderte Menschen wird dies in § 53 SGB XII beschrieben, für Kinder mit einer seelischen Einschränkung dagegen in § 35 a SGB VIII.

§ 53 Abs. 1 und Abs. 2 SGB XII
§ 35 a Abs. 1 und Abs. 1 a SGB VIII
(1) Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung können Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten.

(2) Von einer Behinderung bedroht sind Personen, bei denen der Eintritt der Behinderung nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dies gilt für Personen, für die vorbeugende Gesundheitshilfe und Hilfe bei Krankheit nach den §§ 47 und 48 erforderlich ist, nur, wenn auch bei Durchführung dieser Leistungen eine Behinderung einzutreten droht.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn

1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und

2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieses Buches sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. § 27 Absatz 4 gilt entsprechend.

(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme

1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,

2.
eines Kinder- und Jugendpsychotherapeuten oder

3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
einzuholen. Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information herausgegebenen deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Die Hilfe soll nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, der die Person angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.

Sobald die Leistungsberechtigung nämlich feststeht (vgl. auch § 40 SGB I), prüfen die erstangegangenen Leistungsträger zwar die Anträge auf ihre eigene sachliche Zuständigkeit, doch sie müssen auf Antrag des Leistungsberechtigten ggf. vorläufige Leistungen erbringen (vgl. § 43 SGB I). Leider wird letzteres vielfach nicht beantragt, so dass die Leistungspflicht auch in streitigen Anspruchsverfahren nicht umgesetzt wird.

In den Landkreisen Stormarn und Herzogtum-Lauenburg wird zudem abgelehnt, weil man sich grundsätzlich nicht zuständig sieht, obwohl die Leistungspflicht besteht. Bislang wurde meiner Kenntnis nach von den Sozialhilfeträgern nicht unter Verweis auf § 2 SGB XII die Ablehnung ausgesprochen, aber es könnte sein, dass hier doch ein Bezug irgendwie hergestellt wird – ganz nach der Überlegung, Sozialhilfe erhält nicht, „wer die erforderlichen Leistungen von anderen, insbesondere … von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält“ (§ 2 Abs. 1 letzter Teilsatz SGB XII).

Sozialhilfe ist nachrangig, wenn ausreichend Einkommen und Vermögen vorhanden ist oder wenn man die Leistung anderweitig „erhält“. Doch genau dies ist das Problem der anspruchsberechtigten Kinder. Sie würden trotz Vorhandensein von Schulassistenten ihren Bedarf nicht abgedeckt bekommen, weil die Schulassistenten nicht für sie persönlich da sind. Die Schulassistenten arbeiten für die Klasse und unterstützen die Lehrkräfte, aber sie sind nicht ausschließlich für die Bedarfsdeckung der behinderten Kinder zuständig.

Im Bereich der Jugendhilfe gibt § 10 SGB VIII das Verhältnis zu anderen Leistungen und Verpflichtungen vor. Demnach bleiben die Verpflichtungen anderer aufgrund der Leistungspflichten, die sich aus diesem Gesetz ergeben, unberührt (Abs. 1). Es wird zudem klargestellt, dass die Jugendhilfe den Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII vorgehen (Abs. 3 und Abs. 4) mit Ausnahme der Eingliederungshilfe (Abs. 4 S. 2). Doch eine Leistungspflicht bleibt grundsätzlich bestehen, selbst wenn in anderen Gesetzen die Zuständigkeiten anders bzw. näher bestimmt sind.

Wenn also die Zuständigkeiten bei anderen liegen, aber diese nicht zahlen wollen oder leisten können, gibt es dann gar nichts?

Weil der Schutzgedanke allem anderen vorgeht, muss die Leistung wie auch immer erbracht werden. Doch die leistenden Träger der Jugend- oder Eingliederungshilfe könnten sich ihre Kosten erstatten lassen von denjenigen, die letztlich zuständig sind. In § 93 SGB XII heißt es z.B., dass bei einer leistungsberechtigten Person, bei der ein „Anspruch gegen einen anderen, der kein Leistungsträger im Sinne des § 12 des Ersten Buches [SGB I] ist, kann der Träger der Sozialhilfe durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht“ (Abs. 1). Und weiter heißt es, dass die schriftliche Anzeige „den Übergang des Anspruchs für die Zeit, für die der leistungsberechtigten Person die Leistung ohne Unterbrechung erbracht wird“, bewirkt (Abs. 2). Den Hinweis auf § 12 SGB I kann man getrost überspringen, weil sich aus dieser Regelung eine grundsätzliche Kostenerstattungspflicht ergibt.

Konkret würde dies bedeuten, dass die Sozialhilfeträger zuerst einmal die Schulbegleitung stellen und bezahlen, sich aber dann einen Teil der Kosten durch die Schulverwaltungen bzw. die Schulträger gem. § 93 SGB XII zurückerstatten lassen (vgl. auch Rz. 17 zu § 93, S. 733, aus Münder et al in LPK-SGB XII, 8. Auflage).

Familien mit schwerbehinderten Kindern sind in einer besonderen Art und Weise hoch belastet. Zwar gibt es Hilfenetze und verschiedene Angebote, doch sie müssen sich alles selbst erarbeiten und, wie man sieht, nun auch noch erstreiten. Es ist leider sehr bedauerlich, dass die Landkreise hier nicht unterstützend eingreifen.

CGS


PS:

Am 7.9.2016 findet eine Veranstaltung der schleswig-holsteinischen Wohlfahrts- und Fachverbände sowie der Diakonie zum Thema „Familien am Limit“ im Landeshaus in Kiel statt. Die Veranstalter wollen mit dieser Veranstaltung ein besonderes Augenmerk auf die Bedarfslagen von Kindern mit Behinderung im Alter von 0 bis 6 Jahren sowie ihre Familien richten. Es geht ganz besonders auch um die Diskrepanz zwischen Anspruch und erlebter Wirklichkeit. Geklärt werden sollen die Fragen, welche Angebotsstrukturen es gibt, wo sich Lücken im System aufzeigen und wie man Weiterentwicklung anstößt.

Das obige Thema Schulassistenten und Schulbegleiter betrifft allerdings nur diejenigen Kinder, die sich im (Grund-) Schulalter befinden. Dennoch ist eine solche Veranstaltung wichtig und führt zu einer Aufmerksamkeit, die dann auch diejenigen begünstigt, die schon älter sind.




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Mittwoch, 27. Juli 2016

Schulassistenten und Schulbegleiter - Schon wieder werden Anträge abgelehnt

Das Thema Schulassistenz und Schulbegleitung (Integrationsassistenz) nimmt rechtzeitig zu Beginn der Schulferien wieder an Fahrt auf. In den schleswig-holsteinischen Landkreisen Herzogtum-Lauenburg und Stormarn werden jetzt Anträge auf Schulbegleitungen negativ beschieden. Die Kreise verweisen auf die neu eingeführten Schulassistenten, sehen somit die Schulverwaltungen in der Pflicht und nicht mehr die Kreise als Träger der Jugend- oder Eingliederungshilfe.

Die Landesregierung von Schleswig-Holstein bekennt sich zur Umsetzung der UN-BRK und hat einen Landesaktionsplan erstellt, an dem sich jedes Ressort beteiligen soll. Chancengleichheit, Akzeptanz, Respekt und Teilhabe müssen sich Schritt für Schritt entwickeln, so die Landesregierung in ihrem Landesaktionsplan 2016. Vielfach bestehen noch „unreflektierte Vorstellungen über Menschen mit Behinderungen“ in den Köpfen der Bürgerinnen und Bürger, wie auch in den Köpfen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltungen. Nachhaltige Veränderung gelingt nur durch Veränderungen in der Gesamtgesellschaft.

Alle schön und gut, doch die Bürokratie orientiert sich nach „klaren“ Richtlinien und nicht nach Bekenntnissen.

Am 20.7.2016 teilte der Bürgerbeauftragte in einer Pressemitteilung mit, dass die beiden o.g. Kreise die Schulbegleitung (Integrationsassistenz) für Kinder mit Behinderung ablehnen, soweit sich der Bedarf auf Selbst- / Fremdaggression, Schutz vor Eigengefährdung durch mangelndes Gefahrenbewusstsein oder zum Beispiel auch Weglaufen bezieht. Diese Bedarfe müssen nach Ansicht der Kreise durch die Schulverwaltungen abgedeckt werden. Grund dafür sei einerseits die Entscheidung des Landessozialgerichts aus 2014 (Az. L9 SO 222/13 B ER; siehe auch meinen Beitrag vom 27.5.2014) und andererseits die Aufgabenbeschreibung für die Schulischen Assistenten der Landesregierung (Quellenangaben weiter unten).

Hintergrund ist der, dass im Landesschulgesetz von Schleswig-Holstein bestimmt ist, dass zu den „pädagogischen Zielen“ der Schule auch die Unterstützung von Schülerinnen und Schüler mit Behinderung gehört. In § 4 Abs. 13 S. 2 SchulG-SH heißt es: „Das Ziel einer inklusiven Beschulung steht dabei im Vordergrund“.

Das LSG hatte damals im Gesetz eine Aufgabe der Schule gesehen, die über die reine Wissensvermittlung hinausging. Die Schule sollte erziehen, fördern und „insbesondere behinderungsbedingte Defizite ausgleichen“, so das LSG in seiner damaligen Begründung. Und weiter erklärte das Gericht: „Hilfen, die gesetzlich vom Schulträger zu erfüllen sind, können nicht vom Sozialhilfeträger verlangt werden (OVG Bremen, Beschluss vom 10. Dezember 1998 – 2 BB 421/98; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. Juli 1997 – 6 S 9/97)“. Zwar gibt es im Landesschulgesetz einen Ressourcenvorbehalt in § 5 Abs. 2, doch das Gericht erklärte, dass die Inklusion ein übergeordnetes Ziel darstellt und somit dieser Ressourcenvorbehalt nicht gilt.

Während viele Fachleute diesen Beschluss des Gerichtes als fehlerhaft und nicht kongruent mit dem Bundesgesetz sahen, erarbeitete die Landesregierung das Konzept der schulischen Assistenten, um wenigstens eine personelle Unterstützung an den Schulen zu etablieren. In einer Stellungnahme vom 12.5.2015 beschrieb das Bildungsministerium die „Eckpunkte zur Zielsetzung zu den Aufgaben Schulischer Assistenz“. Darin steht, dass die Assistenzkräfte „für alle Kinder in einer Klasse die Lernbedingungen“ verbessern und dadurch die Lehrkräfte entlasten sollten (Ziffer 1, S. 1). Diese Zielsetzung richtet sich an die Gesamtheit aller Schülerinnen und Schüler, aber sie ist nicht, wie bei den Schulbegleitungen, einzelnen behinderten Kindern vorbehalten.

In der Stellungnahme wurden dann auch einzelne Aufgaben- und Einsatzfelder aufgelistet und beispielhaft aufgeführt. Darin heißt es u.a., dass eine Unterstützung erfolgen soll „in Konfliktsituationen (z.B. bei Selbst- und Fremdaggression, Verweigerungen, Weglaufsituationen oder Rückzugserfordernissen) durch Kontakt-, Gesprächs- und Handlungsangebote“ (Ziffer 3, S. 1). Bei manchen Kindern mit Behinderung entsteht in Überforderungssituationen ein solches selbst- oder fremdaggressives Reaktionsverhalten. Bisher konnten Schulbegleiter, weil sie sich permanent in der Nähe dieser Kinder aufhalten oder sie im Blick haben, dann steuernd eingreifen. Nun sollen, nach Ansicht der Kreise, die Schulassistenten diese Tätigkeit ausführen.

Damit entsteht wieder ein klassisches Schnittstellenproblem, was aber auch in anderen Bereichen immer wieder vorkommt. Aus Gründen der Ressourcenknappheit oder weil bislang noch gar kein Bedarf von den öffentlichen Stellen festgestellt worden ist, werden Maßnahmen zur Inklusion und Integration behinderter Menschen seitens der primär verantwortlichen Leistungsträger nicht in ausreichendem Maß bereitgestellt. Doch weil der Bedarf bei einem behinderten Menschen vorhanden ist, hat er das Recht auf fachliche Assistenzleistungen (z.B. §§ 53, 54 SGB XII); und dann muss der Sozialhilfeträger (bzw. der Jugendhilfeträger) einspringen und die Kosten übernehmen.

Wenn also die Ressourcen in den Schulen zu knapp bemessen sind, der Bedarf aber unstrittig vorhanden ist, dürfen die Kreise sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Sie sind kraft Gesetzes dazu sogar ausdrücklich verpflichtet, Leistungen zur Teilhabe (und dazu gehört auch der Besuch an einer Schule) „unabhängig von der Ursache der Behinderung“ zu erbringen (§ 4 SGB IX). Denn wenn die Ressourcen nicht ausreichend vorhanden sind, könnten Menschen mit Behinderung am Leben nicht teilhaben – sie wären ausgegliedert.

Die Richtlinien der beiden Landkreise basieren also noch auf dem Gedanken des Ressourcenvorbehalts, der Unterstützung und Teilhabe erst dann ermöglicht, wenn entsprechende Mittel bereitgestellt worden sind. Damit erzielt man aber keine soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit. Ein menschenwürdiges Dasein wird damit überhaupt nicht gesichert und die freie Entfaltung der Persönlichkeit, insbesondere auch für junge Menschen, wird nicht geschaffen (§ 1 Abs. 1 SGB I).

Ich hoffe, dass der Widerstand gegen diese Entscheidungen der Landkreise wächst und endlich zu dem führt, was die Landesregierung in ihrem Landesaktionsplan zum Ziel gemacht hat: Chancengleichheit, Akzeptanz, Respekt und Teilhabe.

CGS



Quellen:







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Sonntag, 24. Juli 2016

Geldanlage – Vorbereitungen zum Gespräch mit dem Finanzberater

In einem früheren Beitrag hatte ich ein Beziehungs-Dreieck mit den drei Spitzen Risikoprofil / Finanzbedarf, Beratung / Anlageentscheidung und Finanzprodukt / Anlage beschrieben. Heute geht es sozusagen um die ersten Schritte, also die Vorbereitung zum Gespräch mit dem Finanzberater. Zwar wäre es hilfreich, wenn man über die einzelnen Finanzprodukte etwas weiß, viel wichtiger ist es meiner Ansicht nach, dass man eine Vorstellung davon hat, was man will.

Wie in allen Unternehmen, ist auch in Sozialunternehmen ausreichende Liquidität zu jeder Zeit immens wichtig. Und gerade heutzutage, in Zeiten von niedrigen Sparzinsen, ist die Aufnahme von Krediten, auch kurzfristige Überbrückungskredite, ein absolutes „No Go“ (bei Hypotheken und langfristigen Darlehen zur Finanzierung von Sozialprojekten ist dagegen i.d.R. eine Refinanzierung über die Vergütungssätze möglich). Geldanlagen können also nur aus solchen Mitteln getätigt werden, die das Unternehmen vorrangig nicht benötigt. Von daher muss die erste Frage, die man für sich beantworten sollte, lauten: Wie viel Geld darf angelegt werden, ohne den Finanzbedarf des Unternehmens – auch in schlechten Zeiten – zu gefährden?

Im anstehenden Beratungsgespräch sollte dieser Punkt penibel abgeprüft werden, aber auch wie viel von diesen Mitteln zu einem späteren Zeitpunkt gebraucht werden. Da Geldanlagen immer mit Risiken behaftet sind, stellt sich zudem die Frage, wie hoch der Verlust im schlimmsten Fall sein darf. Während der Finanzkrise 2009 verloren viele scheinbar „sichere“ Anlagen teilweise 30 bis 40 % ihres Wertes. Mittlerweile haben z.B. einige Investmentfonds diese Wertverluste wieder eingeholt, was aber auch sechs Jahre gedauert hat; sie kommen erst jetzt wieder zurück in die Gewinnzone. Viele andere Finanzprodukte kommen trotz wiedererstarkten Aktienmärkten aufgrund ihrer Konzeption wahrscheinlich erst in 100 Jahren aus der Verlustzone. Dagegen muss jemand, der jetzt Bundeswertpapiere mit zehnjähriger Restlaufzeit erwirbt, bis zum Rückzahlungstermin sogar 55 bis 60 % Abschreibung hinnehmen. Dieser Effekt resultiert ganz einfach daraus, dass der heutige Kurswert bei 155 bis 160 % liegt, aber der garantierte Rückzahlungswert 100 % beträgt. Diese Beispiele zeigen, dass Geldanlagen Risiken in sich tragen, die zuvor nicht gesehen wurden (die berühmte Glaskugel). Daher lautet die zweite Frage, die man für sich beantworten muss: Wie viel Verlust kann ich ertragen?

Von einer Geldanlage verspricht man sich Ertrag und Gewinn. Stiftungen z.B. finanzieren ihre Projekte aus Anlagen, die einen laufenden Ertrag erwirtschaften. Dergleichen agieren auch Pensionsfonds / -kassen, für die ein steter Mittelzufluss attraktiver ist, als ein „Klumpen“-Betrag am Ende einer langjährigen Wartezeit. Einige Finanzprodukte wurden in der Vergangenheit so strukturiert, dass sie eine planbare, laufende Ausschüttung garantierten. Allerdings muss man hiervon diejenigen Fonds abgrenzen, die aus dem Kapital die Ausschüttungen vornahmen und damit dem Ziel des Kapitalerhalts widersprachen. Ein simples Gewinnversprechen reicht dagegen nicht, denn es muss immer in Bezug gesetzt werden zu Laufzeit und Alternativen. Dementsprechend sollte auf Laufzeitgarantien, feste Ausschüttungen und vereinbarte Rückzahlungsbeträge geachtet werden, um ein gewisses Sicherheitsmaß zu erhalten, aber auch die Möglichkeit, die Leistung des Beraters zu kontrollieren. Darum lautet die dritte Frage: Ist ein steter planbarer Ertrag wichtig?

Es gibt auch noch die Frage nach der Rendite, aber sie sollte erst in der zweiten Runde kommen, wenn man die vorgenannten Eckdaten abgeklärt hat. Wenn also die Fragen nach unternehmerischen Finanzbedarf, Verlustrisiko und Ertragsausschüttung geklärt sind, werden Vorschläge zu Geldanlagen unterbreitet, die man untereinander anhand der Rendite vergleicht. Rendite ist aber nicht „die“ Kennzahl, nach der sich alles richten muss – es fehlt in der Rendite der Bezug zum Risiko, über das der Berater am besten aufklären kann. Eine positive Rendite heißt im Übrigen noch lange nicht, dass man eine laufende Ausschüttung erwarten darf. Viele Investmentfonds thesaurieren ganz einfach die Erträge, wobei natürlich die Wiederanlage zu vergünstigten Konditionen vorgenommen wird, aber der Cash-Flow erfolgt erst mit Beendigung der Geldanlage.

Diese Fragen würde ich mir stellen, wenn ich Entscheider wäre. Dabei spielt es zuerst einmal keine Rolle, ob 10.000 oder 100.000 Euro anzulegen sind. Wenn man ein größeres Portfolio verwalten muss, wird es ohnehin andere Fragen geben, auf die man Antworten finden muss. Dann nämlich müssen Depots strukturiert werden, ein Risikomanagement auf Basis eines Kennzahlen-Spektrums wäre zu definieren, zu analysieren und zu kontrollieren – alles das klingt nach einem strategischen und professionellen Ansatz, z.B. einem Vermögensmanagement.

CGS




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Montag, 18. Juli 2016

Weiterführende Gedanken zum zeitbasierten Kalkulationsverfahren in Hamburg (Stationäres Wohnen, Eingliederungshilfe) – Teil 3

Welche Probleme das neue zeitbasierte Kalkulationsverfahren mit sich bringt, muss in den verschiedenen Gremien auf Ebene der Verbände und der Hamburger Sozialbehörde geklärt werden. Nachdem ich in einem früheren Beitrag die Bestandteile des neuen Vergütungsverfahrens kurz skizziert hatte, beschrieb ich in meinem letzten Beitrag vier Punkte, die meines Erachtens nicht unwesentliche Probleme bereiten. Ein solcher Punkt betrifft die sogenannte Gemeinkostenpauschale. Hierfür zeichnet sich aber nun eine Lösung ab.

Mit Einführung des neuen Kalkulationsverfahrens hatte man es sich etwas einfach gemacht und sämtliche Kostengruppen, die nichts mit dem pädagogischen Betreuungspersonal zu tun hatten, zu einem Budgethaufen zusammengeworfen. Die Summe wurde dann durch die Anzahl der Leistungserbringer dividiert, so dass man einen Wert pro Platz und Jahr erhielt, von dem man bestimmte (einheitlich geregelte) Kostenbestandteile abzog. Was übrig blieb, war ein Betrag, der fortan als Gemeinkostenpauschale betitelt wurde. Diese Gemeinkostenpauschale macht – in etwa – 20 % der Vergütung aus; tatsächlich aber rangiert der Anteil je nach Tarifzugehörigkeit.

Bisher wurde der Jahresbetrag der Gemeinkostenpauschale umgerechnet mit den Jahresstunden einer Vollzeitstelle. Doch weil es zwischen den einzelnen Tarifen Abweichungen gibt bei der Bemessung einer Vollzeitstelle, d.h. 38 bis 40 Stunden pro Woche, gab es auch unterschiedliche Nettojahresarbeitszeiten, die berücksichtigt werden mussten bei den einzelnen Trägern. Im jetzigen Verfahren entsteht zudem das Problem, dass die Veränderung der Belegungsstruktur sich unmittelbar auf die zu leistenden Jahresstunden auswirkt, was wiederum zu einem höheren oder niedrigeren Deckungsbeitrag führt. Wenn ein Träger keinen negativen Deckungsbeitrag erzielen will, muss die Belegungsstruktur ständig mitverhandelt werden – wir sprechen also von Einzelverhandlungen.

Warum also nicht diesen letzten Schritt der Umrechnung auf Stunden aus dem Kalkulationsverfahren herausnehmen und stattdessen einen wirklich einheitlichen Betrag festlegen? Mit der erarbeiteten Lösung würde nur noch der Stundensatz der Personalkosten mit Personalnebenkosten pro Leistungsstufe zu einem Monatswert hochgerechnet und die Gemeinkostenpauschale als Festbetrag hinzugerechnet werden.

Nicht alle Träger würden sich über diese Lösung freuen. Für diejenigen, welche eine hohe Belegung in den oberen Leistungsstufen aufweisen, wird es weniger Geld geben – man geht derzeit von rd. 10 % aus. Für die Träger, die eine hohe Belegung in den unteren Leistungsstufen haben, wird es dagegen mehr Geld geben – schätzungsweise 7 %. Für die Sozialbehörde würde sich aber der Wunsch nach echter Vereinheitlichung ein Stück weit erfüllen.

CGS



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