LWL - Zuständigkeitsklärung und Arten der Trägerschaft nach §§ 14 und 15 SGB IX - Quelle BAG-Landesjugendämter |
Und wie sieht es in
dem Zusammenhang auch mit den Fristen und der Bearbeitung von Anträgen auf
Leistungen aus? Es scheint sich etwas geändert zu haben, aber in welcher Zeit
kann jemand, der einen Antrag gestellt hat, mit einer Entscheidung rechnen. Und
gerade an dieser Stelle offenbart sich auch ein Risiko für den erstangegangenen
Leistungsträger, wenn Fristen versäumt werden.
Nicht zuletzt
offenbart sich auch eine Regelungslücke zum Recht der Jugendhilfe im SGB VIII.
Die weitere Diskussion wird darüber noch zeigen, inwieweit man hier von
wirklichen Problemen sprechen kann. Vielleicht müssen es aber auch die Gerichte
wieder klarstellen.
Auf die Antragstellung hinwirken als Pflicht für den
Rehabilitationsträger
Mit dem BTHG hat es nun eine Vereinfachung der
Antragstellung für Leistungsberechtigte gegeben. Wesentlicher Punkt ist der,
dass ein Rehabilitationsträger (Leistungsträger) seine Zuständigkeit klären
muss anhand bestimmter Kriterien. Wenn es sich hier auch nur eine
Teilzuständigkeit ergibt, muss eine Entscheidung erfolgen.
Doch es beginnt mit einer Antragstellung seitens des
Leistungsberechtigten (vgl. § 108 SGB IX in der Fassung ab 2020). Diese
Antragstellung kann eher als eine Informierung verstanden werden. Nach § 9 Abs.
1 S. 3 SGB IX müssen die Rehabilitationsträger nämlich sogar „auf eine
Antragstellung [hinwirken]“, damit eine bedarfsgerechte Leistungserbringung
geschehen kann. Und dazu wiederum ist die „frühzeitige Erkennung des
Rehabilitationsbedarfs“ als eine Pflicht des Rehabilitationsträgers vorgegeben
(vgl. § 12 Abs. 1 S. 2 SGB IX).
Um diese Pflicht zu erfüllen, braucht es aber eine erste
Kontaktaufnahme. Über die Bereitstellung von Informationsangeboten könnte dies
schon geschehen: ein erstes Beratungsgespräch zum Beispiel.
Das bekannte „von Amts wegen“ aus dem
Untersuchungsgrundsatz nach § 20 SGB X scheint es so nicht mehr wirklich zu
geben. Doch weil für die Antragstellung keine besondere Form einzuhalten ist,
reicht schon die Kenntnisnahme beim Rehabilitationsträger über einen
„voraussichtlichen Rehabilitationsbedarf“, um ein Verwaltungsverfahren bzw.
eine Prüfung der Zuständigkeit auszulösen (vgl. § 14 Abs. 4 S. 2 SGB IX). Dies
muss auch so sein, weil schließlich einer drohenden Behinderung effektiv
begegnet werden muss – ganz im Sinne einer Prävention.
Fristen für die Bearbeitung und Folgen eines
Fristen-Versäumnisses
Nach wie vor gibt es eine 2-Wochen-Frist, in der ein
Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit prüfen muss (§ 14 Abs. 1 SGB IX). Und
wie immer kann es dann noch eine Weiterleitung geben, so dass sich diese Frist
wiederholt. Zu einem Ping-Pong-Spiel wird es aber nicht kommen dürfen, weil ein
unzuständiger Rehabilitationsträger „innerhalb der … laufenden Fristen“
entscheiden und den Antragsteller informieren muss (Abs. 3). Und wenn sogar
mehrere Rehabilitationsträger zu Leistungen verpflichtet wären, muss „innerhalb
von sechs Wochen nach Antragseingang“ eine Entscheidung getroffen werden (§ 15
Abs. 4 S. 1 SGB IX) bzw. bei Durchführung einer Teilhabeplankonferenz nach § 20
SGB IX dies „innerhalb von zwei Monaten“ (S. 2). Über das gesamte Verfahren
muss der Antragsteller von dem zuständigen (erstangegangenen)
Rehabilitationsträger immer „unverzüglich unterrichtet“ werden (S. 3).
Interessanter Aspekt bei diesem Verfahren ist, dass man
die Verantwortlichkeiten auf nur noch einen Leistungsträger einschränken will.
Wenn nämlich in dem Prozedere ein Rehabilitationsträger mangels sachgerechter
Prüfung heraus leistet, wird er auf den Kosten sitzen bleiben. Der Anspruch auf
Erstattung der Kosten von dem wirklich zuständigen Rehabilitationsträger kann
verloren gehen (vgl. § 16 Abs. 3 und Abs. 4 SGB IX).
Gerade weil jetzt sicherzustellen ist, dass die
Leistungen „zur Teilhabe nahtlos, zügig sowie nach Gegenstand, Umfang und
Ausführung einheitlich erbracht werden“, kann eine Ablehnung des Antrags nur
dann erfolgen, wenn der angegangene Rehabilitationsträger in keiner Weise
zuständig ist (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX). Zuständigkeitskonflikte sollen damit
beseitigt werden. Die begehrten Leistungen sollen „aus einer Hand“ erfolgen.
Reformbedarf im Regelwerk der Jugendhilfe
Bei Anträgen an das Jugendamt kann es nach derzeitiger
Rechtslage doch zu einigen Problemen kommen. Zum einen braucht die Jugendhilfe
eine viel längere Bearbeitungszeit für Anträge, als man es jetzt im SGB IX
vorgesehen hat. Könnten Antragstellende dann von einer „Genehmigungsfiktion“
ausgehen und Kostenersatz verlangen?
Zum anderen fallen unterhaltssichernde und andere
ergänzende Leistungen nicht unter die Trägerschaft der Jugendhilfe (vgl. dazu
§§ 5 Nr. 3 und 6 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX; Zuständigkeiten nach Leistungsgruppen).
Nach derzeitigem Recht können Angebote der Jugendhilfe gem. Landesrecht nach
gestaffelten Kostenbeiträgen den Sorgeberechtigten auferlegt werden (vgl. § 90
SGB VIII). Damit sind wohl maßgeblich genau diese Leistungen gemeint. Und das
lässt nicht gerade von einem abgestimmten Regelwerk sprechen. *)
In der Eingliederungshilfe wird es zukünftig auch keine
unterhaltssichernden Leistungen geben. Aber hier ist
bereits die Trennung zwischen Existenzsicherung (Grundsicherung nach dem 4.
Kapitel SGB XII) und der Eingliederungshilfe als Fachleistung (Teil II SGB IX)
reglementiert. Zwar arbeitet man noch an der praktischen Umsetzung, aber der
Rahmen ist bekannt.
Was noch nicht bekannt ist bzw. weiterhin diskutiert
wird, sind die einheitlichen Bedarfsermittlungsinstrumente. Es handelt sich
dabei um Standards, mit denen der personenzentrierte, individuelle Bedarf
ermittelt werden muss, und zwar nach einheitlichen Grundsätzen (vgl. § 13 SGB
IX). Diese Vorgabe erstreckt sich
allerdings auch auf die Jugendhilfe. Von daher kann man hier einen dritten
Problempunkt ausmachen, weil von Leistungsberechtigten die Einheitlichkeit im
Feststellungsverfahren bezweifelt werden kann.
Es gibt nach wie vor sehr viel zu tun.
CGS
*) =
Zu den unterhaltssichernden und anderen ergänzenden Leistungen
gehören beispielsweise die Kosten für Unterkunft und Verpflegung, aber auch
Hilfen für die Kinderbetreuung und Haushaltshilfe bei einer stationären
medizinischen Rehabilitationsmaßnahme, Übergangs- und Krankengelder,
Reisekosten und noch mehr.
Bitte lesen Sie die Hinweise
zum Rechtsstatus der Webseite, Urheberrechtsbestimmungen und Haftungsausschluss
sowie die Datenschutzerklärung.
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Empfehlen Sie ein//gegliedert weiter oder klicken Sie gleich
reihum auf die Überschriften oder Seiten dieses Blogs – ersetzt das Applaudieren.
Gibt es was zu meckern?
Schreiben Sie mir eine Email – Ihre Meinung hilft mir,
meine Perspektive neu zu überdenken. Meine Email-Adresse finden Sie auf der
Seite Über mich.
Wollen Sie Ihre Anonymität wahren, versuchen Sie es mit
einem Wegwerf-Email-Dienst. Rechnen Sie aber damit, dass der übergeordnete
Dienstanbieter diese blockiert. Die Kommentarfunktion wurde von mir
ausgeschaltet, weil die Moderation sehr zeitaufwändig ist.
Antragstellung, Fristen und Bedarfsermittlung im neuen
Rehabilitationsrecht