Eine neue Form der Leistungserbringung? |
Und genau das wird
nun als Problem gesehen, weil die existenzsichernden Leistungen Wohnen und
Leben nicht mehr Bestandteil der Eingliederungshilfe-Leistungen sind. Über
letztere wird es einen Landesrahmenvertrag und
Leistungs-/Vergütungsvereinbarungen mit dem zuständigen Träger dieser Leistungen
geben, nicht aber für die anderen Leistungen. Ergo wird es die Begünstigung der
Steuerbefreiung für diese anderen Leistungen – vielleicht nicht mehr geben?
Auch die obersten Landessozialbehörden
sehen eine mögliche Umsatzsteuerpflicht für den Bereich der Versorgung, heißt
es in den Empfehlungen der Länder-Bund-Arbeitsgruppe zur Umsetzung des BTHG vom
18. Oktober 2018 (S. 8). „[… Es] bedarf einer intensiven Prüfung auf Landes-
und Bundesebene mit dem Ziel, dass keine steuerrechtliche Benachteiligung
aufgrund der Personenzentrierung erfolgt“, so der letzte Satz in dieser
Unterlage.
Bisher Steuerfrei
Bisher war es so, dass „die mit dem Betrieb von
Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch
hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen" von der Umsatzsteuer
befreit waren (§ 4 Nr. 16 UStG). Es gab jedoch immer wieder Leistungen, die
zwar unter dem Schirm des begünstigten Betriebs stattfanden, aber mit dem
eigentlichen Zweck der Körperschaft nichts zu tun hatten. In diesen Fällen
schmälerte sich sozusagen die Begünstigung und es musste eine Umsatzsteuer von
7 % berechnet werden (§ 12 Nr. 8a S. 1 UStG). Tritt die gemeinnützig anerkannte
Körperschaft in Konkurrenz zu anderen Wirtschaftsbetrieben, müssen 19 %
verwendet werden.
Weil aber nun die Betreuungsleistungen im Bereich des SGB
IX geregelt werden und nach § 131 SGB IX ein besonderer Landesrahmenvertrag
(bisher § 79 SGB XII) darüber geschrieben wird, gehören das Wohnen und die
Versorgung nicht mehr zu den begünstigten Leistungen nach § 4 Nr. 16 UStG.
Die Einrichtungen müssen den Wohnraum an die Bewohner
vermieten. Sie müssen ein Angebot für die Verpflegung unterbreiten, weil die
Bewohner nunmehr das Recht haben, sich selbst und je nach Bedarf zu verpflegen
oder verpflegen zu lassen. Dafür müssen neue Verträge her, die zwar mit der
eigentlichen Fachleistung gekoppelt sein können, im Grunde genommen werden es eigenständige
Leistungen sein.
Würden diese Leistungen Bestandteil eines Vertrags oder
einer Vereinbarung „nach Sozialrecht“ sein, oder die Vergütung an die
jeweiligen Leistungserbringer bezieht sich genau auf die vertragliche
Komplexleistung, dann könnte man eine „enge Verbundenheit“ unterstellen und die
Begünstigung wäre anzunehmen. Gerade jetzt verhandeln aber die Leistungsträger
für Eingliederungshilfe-Leistungen Rahmenverträge über die Fachleistung. Das
Wohnen richtet sich nach den ortsüblichen Mieten und wird, so wie die
Lebensmittelversorgung, aus den Grundsicherungsleistungen, die an den
Leistungsberechtigten direkt gezahlt werden, von ihm auch bezahlt. Dafür
braucht es keine Rahmenverträge, dafür gibt es im SGB XII entsprechende
Regelungen.
Nicht mehr steuerfrei
Das Wohnen ist allerdings aufgrund von § 4 Nr. 12 UStG
begünstigt. Das schließt auch Möblierungen und zu den Räumlichkeiten gehörende
Anlagen ein. Wenn ein Hausrat gegen Entgelt überlassen wird, kommt es darauf
an, ob die Überlassung dauerhaft geschieht. In solchen Fällen könnte man von
einem engen Zusammenhang mit der Vermietung der Räumlichkeiten ausgehen (vgl.
BFH-Urteil, Az. V R 37/14).
An diesem Punkt zeigt sich nun schon wieder eine Besonderheit.
Sofern nämlich eine kurzfristige und zeitliche vorübergehende Beherbergung
stattfindet, ist die Begünstigung ausgeschlossen. Bei einer gastweisen Unterbringung,
selbst wenn sie zum Ausprobieren passiert, wäre das Wohnen plötzlich
umsatzsteuerpflichtig.
Was jetzt die übrigen Entgelte anbelangt, z.B.
Lebensmittel-Versorgung und Haushaltsgeld, da such man vergebens eine
begünstigende Regelung. Von daher würden diese Entgelte der Umsatzsteuerpflicht
nach § 3 UStG unterliegen.
In § 12 UStG ist geregelt, welche Steuersätze zu
verwenden wären. Grundsätzlich sind es „19 %“, doch auch hier findet sich eine
Begünstigung in Abs. 2 Nr. 8a für Leistungen von Körperschaften, die
ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke
im Sinne der Abgabenordnung verfolgen (§§ 51 bis 68 AO). Diese Unternehmen können
für ihre Leistungen einen reduzierten Satz in Höhe von „7 %“ verwenden.
Natürlich gibt es wieder Ausnahmen, z.B. wenn man in
unmittelbarer Konkurrenz zu den Leistungen anderer, nicht begünstigter
Wettbewerber eintreten würde. Doch weil diese Leistungen an einem Ort angeboten
werden, der für sich eine Besonderheit darstellt und nicht in Konkurrenz zu
gleichartigen Anbietern steht, kann dennoch eine Begünstigung gerechtfertigt
werden.
Unsteuerbar
Die bisher umsatzsteuerlich begünstigten
Leistungserbringer müssen ihre Verwaltung sowie das Rechnungswesen
entsprechend ausrichten. Die Erlöse sind vielleicht relativ einfach zu
gliedern. Schwieriger wird es mit den Aufwendungen aufgrund der vielen
Überlappungen und Ko-Existenzen. Es wird sehr wahrscheinlich eine neue Struktur
an Kostenstellen und (Kosten-) Bereiche geben müssen, damit sozusagen in einer
zweiten Dimension eine Zuordnung nach umsatzsteuerlich-relevanten Sparten
gelingt.
Viel wichtiger wird es aber sein, eine
Umsatzsteuer-Voranmeldung als laufendes Verfahren zu etablieren. Dazu braucht
es allerdings nicht zwingend eine Umsatzsteuer Identifikationsnummer (USt-ID).
Eine solche wird nur dann benötigt, wenn man als Unternehmen innerhalb der
Europäischen Union geschäftlich tätig sein möchte; für grenznahe
Leistungserbringer ganz bestimmt ein Muss (vgl. ansonsten auch § 27a UStG sowie
Informationsmaterial vom Bundeszentralamt für Steuern).
Nach § 18 UStG ist die Umsatzsteuer-Voranmeldung
monatlich oder vierteljährlich abzugeben. Maßgebend ist dafür die Höhe der
Steuer aus dem Vorjahr, doch im ersten Jahr wird es grundsätzlich der
Kalendermonat sein (Abs. 2). Das bedeutet, dass schon am 10. Februar 2020 die
erste Umsatzsteuer-Voranmeldung zu geschehen hat.
Für viele Leistungserbringer stellt das eine fast „unsteuerbare“
Herausforderung dar. Ressourcen wird man nicht so ohne weiteres zur Verfügung haben,
zumal die Vorbereitungszeit sehr kurz ausfällt. Viele Führungskräfte haben sich
bislang sehr mit der Frage nach dem Teilhabeplanverfahren beschäftigt und wenig
mit dem Thema der Verwaltungsorganisation (Verwaltung ist ja nicht primärer
Betriebszweck und schafft keinen Mehrwert). Damit handeln die
geschäftsführenden Organe allerdings fahrlässig und leichtfertig (§ 26a UStG,
Bußgeldvorschriften).
CGS
Weitere Informationen:
(letzter Aufruf am 9.6.2019)
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BTHG: Umsatzsteuerpflicht für die neuen Leistungen?