Donnerstag, 13. Juni 2019

BTHG: Umsatzsteuerpflicht für die neuen Leistungen?

Eine neue Form der Leistungserbringung?
„Soweit diese [begünstigten Einrichtungen] im Rahmen ihrer sozialrechtlichen Anerkennung Betreuungs- und Pflegeleistungen ausführen (vgl. auch Absatz 8 und 9), fallen ihre Leistungen in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung.“ (Abschnitt 4.16.1 Umsatzsteuer-Anwendungserlass)

Und genau das wird nun als Problem gesehen, weil die existenzsichernden Leistungen Wohnen und Leben nicht mehr Bestandteil der Eingliederungshilfe-Leistungen sind. Über letztere wird es einen Landesrahmenvertrag und Leistungs-/Vergütungsvereinbarungen mit dem zuständigen Träger dieser Leistungen geben, nicht aber für die anderen Leistungen. Ergo wird es die Begünstigung der Steuerbefreiung für diese anderen Leistungen – vielleicht nicht mehr geben?

Auch die obersten Landessozialbehörden sehen eine mögliche Umsatzsteuerpflicht für den Bereich der Versorgung, heißt es in den Empfehlungen der Länder-Bund-Arbeitsgruppe zur Umsetzung des BTHG vom 18. Oktober 2018 (S. 8). „[… Es] bedarf einer intensiven Prüfung auf Landes- und Bundesebene mit dem Ziel, dass keine steuerrechtliche Benachteiligung aufgrund der Personenzentrierung erfolgt“, so der letzte Satz in dieser Unterlage.


Bisher Steuerfrei

Bisher war es so, dass „die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen" von der Umsatzsteuer befreit waren (§ 4 Nr. 16 UStG). Es gab jedoch immer wieder Leistungen, die zwar unter dem Schirm des begünstigten Betriebs stattfanden, aber mit dem eigentlichen Zweck der Körperschaft nichts zu tun hatten. In diesen Fällen schmälerte sich sozusagen die Begünstigung und es musste eine Umsatzsteuer von 7 % berechnet werden (§ 12 Nr. 8a S. 1 UStG). Tritt die gemeinnützig anerkannte Körperschaft in Konkurrenz zu anderen Wirtschaftsbetrieben, müssen 19 % verwendet werden.

Weil aber nun die Betreuungsleistungen im Bereich des SGB IX geregelt werden und nach § 131 SGB IX ein besonderer Landesrahmenvertrag (bisher § 79 SGB XII) darüber geschrieben wird, gehören das Wohnen und die Versorgung nicht mehr zu den begünstigten Leistungen nach § 4 Nr. 16 UStG.

Die Einrichtungen müssen den Wohnraum an die Bewohner vermieten. Sie müssen ein Angebot für die Verpflegung unterbreiten, weil die Bewohner nunmehr das Recht haben, sich selbst und je nach Bedarf zu verpflegen oder verpflegen zu lassen. Dafür müssen neue Verträge her, die zwar mit der eigentlichen Fachleistung gekoppelt sein können, im Grunde genommen werden es eigenständige Leistungen sein.

Würden diese Leistungen Bestandteil eines Vertrags oder einer Vereinbarung „nach Sozialrecht“ sein, oder die Vergütung an die jeweiligen Leistungserbringer bezieht sich genau auf die vertragliche Komplexleistung, dann könnte man eine „enge Verbundenheit“ unterstellen und die Begünstigung wäre anzunehmen. Gerade jetzt verhandeln aber die Leistungsträger für Eingliederungshilfe-Leistungen Rahmenverträge über die Fachleistung. Das Wohnen richtet sich nach den ortsüblichen Mieten und wird, so wie die Lebensmittelversorgung, aus den Grundsicherungsleistungen, die an den Leistungsberechtigten direkt gezahlt werden, von ihm auch bezahlt. Dafür braucht es keine Rahmenverträge, dafür gibt es im SGB XII entsprechende Regelungen.


Nicht mehr steuerfrei

Das Wohnen ist allerdings aufgrund von § 4 Nr. 12 UStG begünstigt. Das schließt auch Möblierungen und zu den Räumlichkeiten gehörende Anlagen ein. Wenn ein Hausrat gegen Entgelt überlassen wird, kommt es darauf an, ob die Überlassung dauerhaft geschieht. In solchen Fällen könnte man von einem engen Zusammenhang mit der Vermietung der Räumlichkeiten ausgehen (vgl. BFH-Urteil, Az. V R 37/14).

An diesem Punkt zeigt sich nun schon wieder eine Besonderheit. Sofern nämlich eine kurzfristige und zeitliche vorübergehende Beherbergung stattfindet, ist die Begünstigung ausgeschlossen. Bei einer gastweisen Unterbringung, selbst wenn sie zum Ausprobieren passiert, wäre das Wohnen plötzlich umsatzsteuerpflichtig.

Was jetzt die übrigen Entgelte anbelangt, z.B. Lebensmittel-Versorgung und Haushaltsgeld, da such man vergebens eine begünstigende Regelung. Von daher würden diese Entgelte der Umsatzsteuerpflicht nach § 3 UStG unterliegen.

In § 12 UStG ist geregelt, welche Steuersätze zu verwenden wären. Grundsätzlich sind es „19 %“, doch auch hier findet sich eine Begünstigung in Abs. 2 Nr. 8a für Leistungen von Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke im Sinne der Abgabenordnung verfolgen (§§ 51 bis 68 AO). Diese Unternehmen können für ihre Leistungen einen reduzierten Satz in Höhe von „7 %“ verwenden.

Natürlich gibt es wieder Ausnahmen, z.B. wenn man in unmittelbarer Konkurrenz zu den Leistungen anderer, nicht begünstigter Wettbewerber eintreten würde. Doch weil diese Leistungen an einem Ort angeboten werden, der für sich eine Besonderheit darstellt und nicht in Konkurrenz zu gleichartigen Anbietern steht, kann dennoch eine Begünstigung gerechtfertigt werden.


Unsteuerbar

Die bisher umsatzsteuerlich begünstigten Leistungserbringer müssen ihre Verwaltung sowie das Rechnungswesen entsprechend ausrichten. Die Erlöse sind vielleicht relativ einfach zu gliedern. Schwieriger wird es mit den Aufwendungen aufgrund der vielen Überlappungen und Ko-Existenzen. Es wird sehr wahrscheinlich eine neue Struktur an Kostenstellen und (Kosten-) Bereiche geben müssen, damit sozusagen in einer zweiten Dimension eine Zuordnung nach umsatzsteuerlich-relevanten Sparten gelingt.

Viel wichtiger wird es aber sein, eine Umsatzsteuer-Voranmeldung als laufendes Verfahren zu etablieren. Dazu braucht es allerdings nicht zwingend eine Umsatzsteuer Identifikationsnummer (USt-ID). Eine solche wird nur dann benötigt, wenn man als Unternehmen innerhalb der Europäischen Union geschäftlich tätig sein möchte; für grenznahe Leistungserbringer ganz bestimmt ein Muss (vgl. ansonsten auch § 27a UStG sowie Informationsmaterial vom Bundeszentralamt für Steuern).

Nach § 18 UStG ist die Umsatzsteuer-Voranmeldung monatlich oder vierteljährlich abzugeben. Maßgebend ist dafür die Höhe der Steuer aus dem Vorjahr, doch im ersten Jahr wird es grundsätzlich der Kalendermonat sein (Abs. 2). Das bedeutet, dass schon am 10. Februar 2020 die erste Umsatzsteuer-Voranmeldung zu geschehen hat.

Für viele Leistungserbringer stellt das eine fast „unsteuerbare“ Herausforderung dar. Ressourcen wird man nicht so ohne weiteres zur Verfügung haben, zumal die Vorbereitungszeit sehr kurz ausfällt. Viele Führungskräfte haben sich bislang sehr mit der Frage nach dem Teilhabeplanverfahren beschäftigt und wenig mit dem Thema der Verwaltungsorganisation (Verwaltung ist ja nicht primärer Betriebszweck und schafft keinen Mehrwert). Damit handeln die geschäftsführenden Organe allerdings fahrlässig und leichtfertig (§ 26a UStG, Bußgeldvorschriften).

CGS



Weitere Informationen:

(letzter Aufruf am 9.6.2019)




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