Dienstag, 4. Juni 2019

BTHG: Mit der Gleichstellung eine Deckungslücke schaffen und schließen

Leistungsträger-Verbundenheit
„Leistungsrechtlich erfolgt eine Gleichstellung aller erwachsenen Menschen mit Behinderungen unabhängig von der Wohnform, in der sie leben…“ (S. 4 der Empfehlungen der AG Personenzentrierung, 28.6.2018).

Aufgrund der kurzen Zeit bis zur nächsten Stufe des BTHG, braucht es eine pragmatische Herangehensweise, bis sich tragfähige Grundlagen und Angebote gebildet haben, so das Kalkül. Weil Verlässlichkeit in der Leistungserbringung gegenüber den (jetzt) leistungsberechtigten Menschen wichtig ist, braucht es im § 42a SGB XII eine Regelung, welche die „Kappungsgrenze“ in der Sozialhilfe irgendwie umgeht. Die früher einmal bewilligten und befürworteten Strukturen können schließlich nicht abgeschafft und womöglich die Menschen aus ihren angestammten Heimplätzen vertrieben werden.

(Genau hier entsteht allerdings eine Verbundenheit mit der altbekannten Eingliederungshilfe, die nicht unbeachtet bleiben sollte; dazu später mehr).


Die Gleichstellung würde eine Deckungslücke verursachen

Leistungsrechtlich soll eine Gleichstellung stattfinden. Die Sorge für den Lebensunterhalt soll, so wie bei anderen Beziehern von Sozialhilfe, nach den Regelungen im 3. Kapitel SGB XII (HZL) und dem 4. Kapitel SGB XII (GRUSI) erfolgen. Es soll um Regelbedarfe gehen, während die Eingliederungshilfe zu einer reinen Fachleistung wird und den behinderungsbedingten Mehrbedarf übernimmt.

Am 1.1.2020 wird mit der vierten Stufe des BTHG der Artikel 13 in Kraft treten und den § 42a SGB XII erneut ändern. Einerseits soll eine Deckelung bei den Ansprüchen für das Wohnen bestimmt werden, wobei Orientierungspunkt fast immer der ortsübliche Einpersonenhaushalt ist (Abs. 5 S. 1, in der Fassung bis 2019; und Abs. 5 S. 3, in der Fassung ab 2020); eine derartige „Kappungsgrenze“ wäre auch systemrichtig, weil ja schließlich die Gleichstellung erreicht werden soll. Andererseits ist man sich durchaus bewusst, dass in diesem Moment eine Deckungslücke entstehen würde.

Stets wurden Wohneinrichtungen in enger Absprache mit den Leistungsträgern geplant; ganz getreu dem Grundsatz: „Einer verlangten Erhöhung der Vergütung auf Grund von Investitionsmaßnahmen braucht der Träger der Sozialhilfe nur zuzustimmen, wenn er der Maßnahme zuvor zugestimmt hat“ (§ 76 Abs. 2 S. 4 SGB XII, in der Fassung bis 2019).

In manchen Fällen wurden zum Beispiel Treppenhausgitter, Fahrstühle und andere besondere Baulichkeiten geschaffen. Oder man baute in städtischen Wohnsiedlungen barrierefreie Apartmenthäuser („inklusives Wohnen in der Nachbarschaft“). Wenn solche Wohnstätten nun zu kostengedeckelten „sonstigen Unterkünften“ werden, würde die verlässliche Leistungserbringung erheblich gestört sein. Es muss ein Bestands- und Vertrauensschutz hergestellt werden, wie man dies schon aus dem früheren § 133 a SGB XII als Grundlage für den Zusatzbarbetrag her kennt. 


Die Deckungslücke entsteht aufgrund der Kappungsgrenze und wird zur Eingliederungshilfe

Die Wohnstätten abzuschaffen, wäre sehr sinnlos, um nicht zu sagen völlig abwegig. Stattdessen hat man eine Umbenennung vorgenommen und gleichzeitig eine Regelung geschaffen, mit der der Differenzbetrag oberhalb der „Kappungsgrenze“ von 125 % der angemessenen Kosten übernommen wird von der Eingliederungshilfe. Dieser überschießende Anteil der Kosten wird dann zu einer „unbenannten Leistung zur sozialen Teilhabe“ nach § 102 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX in Verbindung mit § 42a Abs. 6 SGB XII (in der Fassung ab 2020). Oder mit anderen Worten: die zu hohen Aufwendungen sind nicht mehr als Lebensunterhaltsbedarf zu berücksichtigen.

In anderen Fällen, vielleicht sogar in Neufällen, müsste ein Kostensenkungsverfahren betrieben werden, was dazu führt, dass nach Fristablauf solche Mehrkosten nicht mehr übernommen werden.

Weil damit die verlässliche Leistungserbringung quasi sichergestellt ist, verteuern sich die Betreuungsleistungen, die alleine vom Leistungsträger übernommen werden. Es ist allerdings bereits an dieser Stelle so, dass die Kosten für die Fachleistungsflächen wie auch der Anteil an den Mischflächen bereits enthalten sind in den Vergütungen. Nun müssen die gekappten Mehrkosten als Zuschlag hinzugenommen werden. Fachleistungsflächen wären beispielsweise Therapieräume, Werkräume, Büros und Pausenräume für die Mitarbeiter. Mischflächen wären dagegen Räumlichkeiten, die einerseits einen Wohncharakter aufweisen, andererseits von beiden Bereichen genutzt werden; dazu zählen Treppenhäuser und Aufbewahrungsräume, Wirtschafts- und Hausanschlussräume sowie Flure. Für den leistungsberechtigten Menschen sind diese Punkte jedoch nicht sonderlich relevant, weil schließlich die bisher bekannte und gewohnte Leistungserbringung im Vordergrund steht.

Genau an dieser Stelle zeigt sich, dass die Umbenennung in „sonstige Unterkunft / besondere Wohnform“ so gar keine Trennung der Leistungen mit sich bringt. Für die Bewohner bleibt alles beim Alten (mit Ausnahme des neuen Vertrags). Für die Leistungsträger bleibt aber auch alles beim Alten, wenn man schon früher Grundsicherungsleistungen noch vor der Eingliederungshilfe bewilligt und beschieden hat (wie eben die Hamburger Sozialbehörde).

Für die Leistungserbringer wiederum kann sich schon einiges ändern, wie man kürzlich an einigen Meldungen sehen konnte: das Gespenst der „Umsatzsteuer“ geht um.

CGS




Weitere Quellen:


(ein Service von Daniel Liebig, www.buzer.de)

(ein Service von Daniel Liebig, www.buzer.de)

(letzter Aufruf am 2.6.2019)



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Empfehlen Sie ein//gegliedert weiter oder klicken Sie gleich reihum auf die Überschriften oder Seiten dieses Blogs – ersetzt das Applaudieren.

Gibt es was zu meckern?

Schreiben Sie mir eine Email – Ihre Meinung hilft mir, meine Perspektive neu zu überdenken. Meine Email-Adresse finden Sie auf der Seite Über mich.

Wollen Sie Ihre Anonymität wahren, versuchen Sie es mit einem Wegwerf-Email-Dienst. Rechnen Sie aber damit, dass der übergeordnete Dienstanbieter diese blockiert. Die Kommentarfunktion wurde von mir ausgeschaltet, weil die Moderation sehr zeitaufwändig ist.

BTHG: Mit der Gleichstellung eine Deckungslücke schaffen und schließen