Bekanntermaßen wird der Lebensunterhalt von Menschen, die
aus eigener Kraft heraus nicht mehr in der Lage sind, diesen zu bestreiten, aus
Mitteln der Sozialhilfe gedeckt. Es wird auf der Basis eines regelhaften
Bedarfes (= Regelbedarf) dann ein Betrag (= Regelsatz) gezahlt.
Die Sozialhilfe übernimmt den notwendigen Lebensunterhalt
eines Leistungsberechtigten. Was diesen notwendigen Lebensunterhalt ausmacht,
ist ständig in der Diskussion, denn es handelt sich um nicht weniger als den
Maßstab für das Existenzminimum. Hierzu gehören „…insbesondere Ernährung,
Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und
Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile, persönliche Bedürfnisse des
täglichen Lebens sowie Unterkunft und Heizung“ (§ 27 a Abs. 1 S. 1 SGB XII).
Unter dem Begriff „persönliche Bedürfnisse des täglichen
Lebens“ versteht man „… eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der
Gemeinschaft; dies gilt in besonderem Maß für Kinder und Jugendliche“ (§ 27 a
Abs. 1 S. 2 SGB XII). Der Umfang soll dabei „vertretbar“ sein, wobei hier
Leistungsberechtigter und Leistungsträger ganz unterschiedliche Ansichten haben
werden.
Die vorgenannte Aufzählung schließt die Liste nicht ab.
Je nach den persönlichen Lebensumständen können Besonderheiten vorkommen, welche
dann ebenfalls angemessen zu berücksichtigen wären. Diese Lebensumstände können
zum Beispiel das Bewohnen einer eigenen Wohnung sein wie auch das Leben in
einer stationären Wohneinrichtung. Obwohl der Bedarf in beiden Umgebungen in
etwa als gleichartig angenommen wird (!), zahlt im ersten Fall der
Sozialhilfeträger einen Regelsatz aus, im zweiten Fall wird dagegen eine
Sachleistung verschafft.
Nochmal: Während Leistungsberechtigte, die als
Selbstversorger im eigenen Wohnraum leben, einen Anspruch nach § 27 a SGB XII
geltend machen können, haben Leistungsberechtigte in stationären Einrichtungen
einen Anspruch nach § 27 b SGB XII. Diese Differenzierung erscheint zuerst
einmal nicht nachvollziehbar:
§ 27 a SGB XII
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§ 27 b SGB XII
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Vergleich
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(1)
Der für die Gewährleistung des Existenzminimums notwendige Lebensunterhalt
umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat,
Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser
entfallenden Anteile, persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens sowie
Unterkunft und Heizung. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens
gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben
in der Gemeinschaft; dies gilt in besonderem Maß für Kinder und Jugendliche.
Für Schülerinnen und Schüler umfasst der notwendige Lebensunterhalt auch die
erforderlichen Hilfen für den Schulbesuch.
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(1)
Der notwendige Lebensunterhalt in Einrichtungen umfasst den darin erbrachten
sowie in stationären Einrichtungen zusätzlich den weiteren notwendigen
Lebensunterhalt. Der notwendige Lebensunterhalt in stationären Einrichtungen
entspricht dem Umfang der Leistungen der Grundsicherung nach § 42 Nummer 1, 2
und 4.
(2)
Der weitere notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere Kleidung und
einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung; § 31 Absatz 2 Satz 2
ist nicht anzuwenden. [betrifft: Einmalige Bedarf] …
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In
§ 27 b Abs. 1 wird lediglich auf den in der Einrichtung „erbrachten“
Lebensunterhalt verwiesen. Eine Aufzählung, wie sie in § 27 a Abs. 1
stattfindet, entfällt. Grund wird sein, dass die Sozialhilfeträger Leistungsvereinbarungen
mit den Trägern der Wohneinrichtungen abschließen, in denen Art, Inhalt und
Umfang der Leistungen beschrieben sind.
Die
Herausstellung, dass ein weiterer notwendiger Lebensunterhalt darüber hinaus
gewährt wird, erfolgt, weil diese Posten eben nicht Bestandteil der
Leistungsvereinbarungen sind.
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(2)
Der gesamte notwendige Lebensunterhalt nach Absatz 1 mit Ausnahme der Bedarfe
nach dem Zweiten bis Vierten Abschnitt ergibt den monatlichen Regelbedarf.
Dieser ist in Regelbedarfsstufen unterteilt, die bei Kindern und Jugendlichen
altersbedingte Unterschiede und bei erwachsenen Personen deren Anzahl im
Haushalt sowie die Führung eines Haushalts berücksichtigen.
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In
Wohneinrichtungen gibt es keine weiteren Haushalte, was es erforderlich
macht, hier differenzierte Regelsätze zur Auszahlung zu bringen. Von daher
muss in § 27 b eine entsprechende Regelung fehlen.
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(3)
Zur Deckung der Regelbedarfe, die sich nach den Regelbedarfsstufen der Anlage
zu § 28 ergeben, sind monatliche Regelsätze zu gewähren. Der Regelsatz stellt
einen monatlichen Pauschalbetrag zur Bestreitung des Regelbedarfs dar, über
dessen Verwendung die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich entscheiden;
dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu
berücksichtigen.
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(2)
… Leistungsberechtigte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, erhalten
einen Barbetrag in Höhe von mindestens 27 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1
nach der Anlage zu § 28. Für Leistungsberechtigte, die das 18. Lebensjahr
noch nicht vollendet haben, setzen die zuständigen Landesbehörden oder die
von ihnen bestimmten Stellen für die in ihrem Bereich bestehenden
Einrichtungen die Höhe des Barbetrages fest.
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Hier
gibt es eine Unterscheidung in der Höhe des auszuzahlenden Regelsatzes bei
Leistungsberechtigten, die in einer stationären Wohneinrichtung leben, aber
keine Unterscheidung bei der eigenverantwortlichen Verwendung.
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(4)
Im Einzelfall wird der individuelle Bedarf abweichend vom Regelsatz
festgelegt, wenn ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist oder
unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf
abweicht. Besteht die Leistungsberechtigung für weniger als einen Monat, ist
der Regelsatz anteilig zu zahlen. Sind Leistungsberechtigte in einer anderen
Familie, insbesondere in einer Pflegefamilie, oder bei anderen Personen als
bei ihren Eltern oder einem Elternteil untergebracht, so wird in der Regel
der individuelle Bedarf abweichend von den Regelsätzen in Höhe der
tatsächlichen Kosten der Unterbringung bemessen, sofern die Kosten einen
angemessenen Umfang nicht übersteigen.
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(2)
… Der Barbetrag wird gemindert, soweit dessen bestimmungsgemäße Verwendung
durch oder für die Leistungsberechtigten nicht möglich ist.
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Hier
finden sich in beiden Vorschriften Möglichkeiten für Leistungsträger, wie der
Barbetrag „abweichend vom Regelsatz“ (§ 27 a) oder „gemindert“ (§ 27 b) festgelegt
werden kann.
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Als Selbstversorger muss der Leistungsberechtigte es
hinnehmen, dass der Regelbedarf durch die monatliche Zahlung des einheitlichen
Regelsatzes pauschal abgegolten wird. Dabei ist die weitere Verwendung gem. §
27 a Abs. 3 S. 2 SGB XII nicht vorgeschrieben. Der Leistungsberechtigte kann
„eigenverantwortlich entscheiden“, muss aber selbst darüber wachen, dass
„unregelmäßig anfallende Bedarfe“ entsprechend berücksichtigt werden. Dem
Leistungsberechtigten, welcher in einer stationären Wohneinrichtung lebt, fehlt
diese Eigenständigkeit, denn er wird umfänglich versorgt.
Es ist natürlich denkbar, dass mittels eines Persönlichen
Budgets nach § 57 SGB XII auch ein Leistungsberechtigter in stationären
Einrichtungen die gleiche Eigenständigkeit erwirbt, doch dies ist eine eher
seltene Konstellation in der Praxis.
Bei stationären Wohneinrichtungen schließen Sozialhilfeträger
und Leistungserbringer eine Gesamtvereinbarung nach § 75 SGB XII ab, wonach die
Versorgung der in der Wohneinrichtung lebenden Menschen gesichert ist. Dafür
erhält der Leistungserbringer eine Vergütung. Allerdings deckt diese einen eher
verallgemeinerten und nicht persönlichen Bedarf von Leistungsberechtigten ab.
So kann es durchaus sein, dass ein Leistungserbringer eine
Anspruchsgeltendmachung durch Bewohner abwehrt, weil die Leistungsvereinbarung
hierüber keine Regelung enthält bzw. der Anspruch außerhalb des Grundbedarfes
liegt. Außerdem enthält die Vergütung, die sich aus der Leistungsvereinbarung
und den Kalkulationsgrundlagen ableiten lässt, nicht alle Bestandteile, die
eine Bedarfsdeckung der Bedarfe ausmacht. Es gibt also durchaus
Abgrenzungsprobleme, die wie folgt dargestellt werden können:
Teilbedarfe
(§ 27 a Abs. 1 SGB XII)
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Vergütung
(§ 76 Abs. 2 SGB XII)
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Leistungserbringer
(Wohneinrichtung)
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Leistungsträger
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Ernährung
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Grundpauschale
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Ja (ggf. sogar Diätnahrung)
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vergütet
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Kleidung
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Nein
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Ja, gem. § 27 b SGB XII
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Körperpflege
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Grundpauschale
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Ja (nur
Grundwaschmittel)
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vergütet
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Hausrat
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Investitionsbetrag
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Teilweise (z.B. Bett,
Schrank)
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Ja, gem. § 31 SGB XII
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Haushaltsenergie
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Grundpauschale
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Ja
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vergütet
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Persönliche Bedürfnisse
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Maßnahmenpauschale
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Nur der Betreuungsanteil
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Ja, gem. § 27 b SGB XII
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Unterkunft und Heizung
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Investitionsbetrag
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Ja
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vergütet
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Diese Lücke wird durch einen Barbetrag geschlossen, den
nur Leistungsberechtigte erhalten, die in einer stationären Wohneinrichtung
leben. Der Träger der Sozialhilfe übernimmt somit und zahlt aus einen Betrag
„insbesondere [für] Kleidung und einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen
Verfügung“ (§ 27 b Abs. 2 SGB XII). Auch hier wieder ist die Aufzählung nicht
abschließend, was nahe legt, dass weitere, darüber hinausgehende persönliche
Bedürfnisse zu einer Anhebung führen können.
Hintergrund für einen Barbetrag zur persönlichen
Verfügung ist der, dass einerseits dem Leistungsberechtigten der Umgang mit
Geld nahe gebracht werden soll, andererseits zu einem selbstbestimmten Leben
auch die freie und uneingeschränkte Verfügung und Verwendung von „eigenem“ Geld
ermöglicht werden soll. Erst mit der Verschaffung eines solchen Maßes an
Verantwortung und Freiheit wird ein Leben in Würde ermöglicht, was ja auch ein
geschütztes Grundrecht darstellt (§ 1 Abs. 1 SGB I i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG).
Andererseits erfolgt die Grundbedarfsdeckung durch den Leistungserbringer, was
die Höhe des auszuzahlenden Barbetrages deckelt.
Der Barbetrag wird in Höhe von „mindestens“ 27 % der
Regelbedarfsstufe 1, die sich aus der Anlage zu § 28 SGB XII ergibt, gezahlt.
Das bedeutet, dass unter Umständen auch ein höherer Betrag gezahlt werden kann,
wie es jetzt z.B. das SG Regensburg in einem Beschluss vom 3.4.2014 (Az. S 16
AS 4/14 ER) ausgeführt hat. Wenn nämlich noch weitere notwendige Ausgaben
anfallen und ein anderer Leistungsträger nicht vorrangig leisten muss, wird der
Betrag entsprechend erhöht. Im zugrunde gelegten Fall ging es um Fahrtkosten zu
einer ambulanten Zahnbehandlung. Für solche Fahrten kann dann auch eine Art
Beförderungspauschale gewährt werden, mit der sämtliche Kosten in einem Monat
ohne weiteren Nachweis durch den Leistungsberechtigten abgedeckt werden. Eine
andere denkbare Konstellation könnte sich aus den Eigenanteilen für
sicherheitstechnische Prüfungen an Elektro-Geräten (z.B. BGV A3) ergeben –
versucht hat es bislang m.W. noch keiner.
Dennoch ist zu beachten, dass der Beschluss des SG
Regensburg nicht den bisher „freien“ Anteil von 27 % in Frage stellt und zu
einer Anhebung führt, sondern es wird vielmehr auf der Grundlage eines zusätzlichen
Bedarfs der sogenannte „weitere notwendige Lebensunterhalt“ für den klagenden
Leistungsberechtigten neu festgestellt.
Der Barbetrag muss vom Leistungsberechtigten nicht
verwendet werden für Leistungen, die vom Träger der stationären Wohneinrichtung
erbracht werden müssen (siehe oben). Hierfür erhält der Leistungserbringer eine
Vergütung nach § 76 Abs. 2 SGB XII. Gehören dann Marken-Cremes oder Seifen zum
persönlichen Mehr-Bedarf oder dem vergüteten Grundbedarf?
CGS