Montag, 21. März 2016

Weiterführende Gedanken zum Beschluss der ASMK

In meinem letzten Beitrag hatte ich den Beschlusspunkt 5 der 92. ASMK nur kurz gestreift:

5. Einführung eines bundesgesetzlichen Rahmens für ein partizipatives und trägerübergreifendes Bedarfsermittlungs- und –feststellungsverfahren, mit dem System- und Leistungsschnittstellen im Interesse der Leistungsberechtigten überwunden und zu einem wirkungsorientierten Leistungsgeschehen wie aus einer Hand zusammengeführt werden,

Dahinter steckt viel mehr, als man auf dem ersten Blick ahnen mag.

Bei Antragstellung (der an dieser Stelle noch kein Leistungsberechtigter ist) bei einem sog. „erstangegangen Leistungsträger“ wird im ersten Schritt bei diesem die Zuständigkeit geprüft (§ 14 Abs. 1 SGB IX). Wenn dieser feststellt, dass er nicht zuständig ist, leitet er den Antrag „unverzüglich“ weiter, und zwar an den nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger. Muss für den Rehabilitationsbedarf ein Gutachten erstellt werden, so entscheidet der Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang (§ 14 Abs. 2 SGB IX). Wichtig sind zwar zum einen die gesetzlich festgestellten Fristen, entscheidend ist aber, dass der Antragsteller sich nicht um die Frage der Zuständigkeit kümmern muss. Dies übernimmt nicht nur der ggf. leistende, aber unzuständiger Leistungsträger, er muss den Leistungsberechtigten (der es nun geworden ist) sogar unterrichten (§ 14 Abs. 6 SGB IX).

In der Praxis läuft es eher schlecht mit der Einhaltung der Fristen. Da wird Personalknappheit geltend gemacht oder man muss noch auf die Entscheidung von „oben“ warten – kurzum: Fristen werden nicht eingehalten.

Für die Leistungsberechtigten stellt dies ein erhebliches Problem dar, denn in der Notlage müssen sie ihren Bedarf abgedeckt bekommen. Kann über den Antrag nicht innerhalb der in § 14 Abs. 2 SGB IX genannten Fristen entschieden werden und teilt der Rehabilitationsträger dies dem Leistungsberechtigten nicht oder nur unzureichend mit, kann der Leistungsberechtigte nach erfolgloser Fristsetzung sich die Leistungen selbst beschaffen (§ 15 Abs. 1 SGB IX). Problem dabei ist nur, dass (1) meistens keine Mittel vorhanden sind, mit denen die Notlage beseitigt werden kann, und (2) Aufwendungen ggf. nicht oder nur zum Teil erstattet werden (man beachte zudem die Ausnahmen, die für Träger der Sozialhilfe, Jugendhilfe und Kriegsopferfürsorge gelten). Hinzu kommt dann auch noch die Gefahr, dass der zu entscheidende Leistungsträger die Notlage anzweifelt, wenn man sich vorübergehend oder mit der Hilfe anderer behelfen konnte – für Schulden kommt die Sozialhilfe nicht auf. Diese Regelung birgt also ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit, was zur Folge hat, dass Leistungsberechtigte in der Notlage verharren.

Diese Regelungen in §§ 14 und 15 sind an sich notwendig und richtig. Dem unkundigen Antragsteller soll ein unwürdiger Behördenmarathon (zynisch auch als Behörden-Ping-Pong bekannt) erspart bleiben, andererseits müssen Behörden erst einmal prüfen, ob der Antrag in ihren Zuständigkeitsbereich hineinfällt. Wenn der Prüfungsvorgang aber zu lange dauert, dann müssen sie leisten, denn die Notlage des Antragstellers muss abgestellt werden. Das muss aber für den Antragsteller durchsetzbar sein. Über die Gerichte zu gehen, ist zeitaufwändig und ressourcenbindend. Hinzu kommt, dass ein unkundiger Antragsteller regelmäßig überfordert ist. Es wäre hilfreich, wenn eine Vertrauensperson oder sogar ein fachkundiger Berater zur Seite gestellt werden kann. Doch wer trägt die Kosten?

Ein strukturiertes Verfahren der Bedarfsermittlung und Bedarfsfeststellung schafft Rechtssicherheit und Vertrauen. Hinzu kommt auch noch, dass im Verfahren evtl. sogar weitere Zuständigkeiten aufgedeckt werden könnten. Ideal wäre es, wenn die Leistungsträgerschaft weiterhin „aus einer Hand“ erfolgen könnte, im Hintergrund aber der leistende, unzuständige Leistungsträger sich die Kosten von den anderen erstatten lässt.

Warum also nicht eine zentrale Stelle einführen, an die sämtliche Anträge in welcher Form auch immer gerichtet werden? Zusammen mit dem Antragsteller werden die noch fehlenden Angaben ermittelt und dann an einen Rehabilitationsträger weitergeben. Dieser ist dann vorrangiger Leistungsträger, die zentrale Stelle bleibt aber erster Ansprechpartner. Wenn im weiteren Verlauf festgestellt wird, dass die Leistungsträgerschaft woanders anzusiedeln ist, dann kümmert sich die zentrale Stelle darum. 

CGS






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Samstag, 19. März 2016

Die ASMK zum Vorhaben BTG

Die Reform der Eingliederungshilfe soll voranschreiten. Im vergangenen Jahr beendete die Arbeitsgruppe Bundesteilhabegesetz (AG BTG) ihre Zusammenkünfte. Ihre Ergebnisse finden sich jetzt auf der Webseite http://www.gemeinsam-einfach-machen.de/.

Geht es nun weiter?

Der Zeitplan scheint ein wenig aus der Spur gekommen zu sein. Die Gesetzesvorlage sollte ursprünglich im Januar 2016 ins Kabinett gebracht werden, zum 1.7.2016 dann die Verkündigung mit möglicherweise späterem In-Kraft-Treten (vgl. auch meinen Beitrag vom 25.7.2014). Noch im Ergebnisprotokoll der 91. Konferenz der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder (91. ASMK), die am 26. und 27. November 2014 in Mainz stattfand, hielt man ein In-Kraft-Treten zum 1.1.2017 für möglich (vgl. auch meinen Beitrag vom 22.2.2015). Ein Jahr später, auf der 92. ASMK, die am 18./19. November 2015 (Ergebnisprotokoll, Seite 11) abgehalten wurde, spricht man eher von einem „Vorhaben“ und man „erwartet“ einen Gesetzentwurf.

Was da so erwartet wird, haben die Mitglieder der Konferenz dann wie folgt beschlossen (kursive Schrift):

1. Stärkung von Autonomie und Selbstbestimmung der auf Leistungen der Eingliederungshilfe angewiesenen Menschen durch partizipative Bedarfsfeststellung und Leistungsorganisation, Personen- und Wirkungsorientierung der Fachleistungen sowie die Möglichkeit von Geldpauschalleistungen.

Letzter Punkt ermöglicht dem Leistungsträger, die Bedarfsdeckung über Geldpauschalen dem Leistungsberechtigten zu überlassen. Dies klingt nach Befähigung und Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Eigenregie. Es klingt aber auch nach etwas, was schon erprobt und normiert ist: Das persönliche Budget (vgl. § 57 SGB XII).

Man könnte auch glauben, dass sich der Leistungsträger ein wenig aus der Verantwortung zu ziehen versucht, in dem er den leistungsberechtigten Menschen zwar die Geldmittel gibt, für die Bedarfsdeckung aber nicht mehr sorgen muss. Durch die Befähigung des Menschen, als Verbraucher mit Wirtschaftskraft aufzutreten, sollen Leistungsanbieter um diese „potenten“ Kunden werben und gegeneinander in Konkurrenz treten. Doch das geht nur, wenn Märkte und Angebotsstrukturen bestehen und Angebot mit Nachfrage zusammenfällt.

2. Ermöglichung einer qualifizierten ergänzenden Beratung, die als eine von den Leistungsträgern und Leistungserbringern unabhängige Beratung durchgeführt werden soll und dem Prinzip des Peer Counseling Rechnung trägt,

Ein Vorschlag, der schon seit Jahren immer wieder diskutiert wird und von den Leistungsträgern kritisch gesehen wurde. Früher sollten Beratungsbüros von den Trägern der Einrichtungen geschaffen und betrieben werden, doch die Finanzierung sollte aus öffentlichen Mitteln erfolgen. Hier, so die berechtigte Kritik, hätten sich die Träger ihre „eigene“ Kundschaft geschaffen.

3. Inklusive Systementwicklung, d.h. Stärkung und Ertüchtigung der Regelsysteme, z.B. Grundsicherung, soweit möglich, Eintritt der weiterhin nachrangigen Eingliederungshilfe soweit nötig,

Was bedeutet das „soweit nötig“? In diversen Entscheidungen des Bundessozialgerichts (z.B. Urteil vom 15.11.2012, Az. B 8 DO 10/11 R, Abgrenzung der Aufgaben zwischen pädagogischer Arbeit und Sozialhilfe) zeichnete sich ab, dass die Verantwortung für eine inklusive Leistung immer den jeweiligen Bereichen obliegt und die Eingliederungshilfe nur für die Hilfen zur Teilhabe nach § 54 SGB XII verantwortlich ist. Wird es jetzt dazu kommen, dass die Eingliederungshilfe tatsächlich die behinderungsbedingten Mehrkosten übernimmt und damit eine echte Teilhabe ermöglicht? Und wo sind die Grenzen?

4. Verbesserungen beim Einkommens- und Vermögenseinsatz, insbesondere für erwerbstätige Menschen mit hohem Assistenzbedarf und ihre Ehe- und Lebenspartner,

Noch immer müssen erwerbstätige Menschen mit Behinderung (vgl. § 19 Abs. 3 SGB XII), wenn sie Eingliederungshilfe beziehen, ihr Einkommen und Vermögen einsetzen (vgl. 11. Kapitel SGB XII). Dies gilt auch für diejenigen, deren Einkommen unter den Einkommensgrenzen liegen (vgl. § 88 SGB XII). Es werden ihnen zwar ein einheitlicher Grundbarbetrag und ggf. auch Zusatzbarbeträge gewährt, doch eine Rücklagenbildung insbesondere für höherwertige Anschaffungen ist ihnen mit solchen Mitteln nicht möglich.

Es wird sehr wahrscheinlich keine wesentlichen, grundlegenden Änderungen an dieser Systematik geben, doch schon mit geringen Verbesserungen und Erleichterungen kann echte Selbstbestimmung geschaffen werden. Wenn Menschen mit Behinderung einen Teil ihres Einkommens und Vermögens für höherwertige Anschaffungen oder Freizeitmaßnahmen verwenden können, ist mehr Teilhabe am Leben in der Gesellschaft möglich.

Dabei geht es aber nicht um die Rücklagenbildung aus Sozialhilfemitteln, sondern um selbstverdientes Geld oder sogar um ererbtes Vermögen.

5. Einführung eines bundesgesetzlichen Rahmens für ein partizipatives und trägerübergreifendes Bedarfsermittlungs- und –feststellungsverfahren, mit dem System- und Leistungsschnittstellen im Interesse der Leistungsberechtigten überwunden und zu einem wirkungsorientierten Leistungsgeschehen wie aus einer Hand zusammengeführt werden,

Dass es bisher kein solches System gibt, ist äußerst befremdlich und zeigt, wie sehr die Bundesländer die Gefahr einer Kostenexplosion aufgrund berechtigter Bedarfe fürchten. Zeitbedarfe und Qualität der Leistungserbringung sollen offenbar in vergleichbarer und nachvollziehbarer Weise zusammengebracht werden.

6. Vermeidung von Ungerechtigkeiten durch Leistungsunterschiede in den Bundesländern. Die länderspezifischen Spielräume auf Basis bundeseinheitlicher Grundsätze sollen bei der näheren Ausgestaltung und Umsetzung des Teilhaberechts in den Ländern erhalten bleiben,

Welche Überlegungen genau dahinter stecken, müsste man in den Protokollen der Arbeitsgruppe Bundesteilhabegesetz nachlesen. Ob behinderte Menschen tatsächlich eine Art von „Ungerechtigkeit“ empfinden oder Leistungen vergleichen, lässt sich derzeit für mich nicht nachvollziehen. Dass es aber weiterhin länderspezifische Sonderwege gibt, muss man voraussetzen, denn Stadtstaaten und Flächenländer haben höchst unterschiedliche Infrastrukturen und Leistungsmöglichkeiten / Bedarfe.

7. Stärkung der Steuerungsfähigkeit des Eingliederungshilfe-Leistungsträgers auf der Strukturebene durch ein personen-, leistungs- und wirkungsorientiertes Leistungserbringungsrecht, mit dem nicht mehr Institutionen gefördert, sondern personenbezogene, qualitätsgesicherte und wirtschaftliche Leistungen generiert und finanziert und sozialraumorientierte, neue Finanzierungswege wie z. B. Budgets ermöglicht werden,

Aus Sicht der Leistungsträger, und die ASMK nimmt naturgemäß genau diese Rolle wahr, ist eine Steuerungsfähigkeit absolute Voraussetzung. Was genau gesteuert werden soll, wenn doch Bedarfsermittlung und Bedarfsfeststellung vereinheitlicht werden sollen (siehe Punkt 5), bleibt unerwähnt. Bei dem Preis der Fachleistungsstunde müssten sich Leistungsträger an die gesetzlichen und höchstrichterlichen Vorgaben halten – eigentlich. Das BSG hatte schon einmal geurteilt, dass trotz externen Vergleichs, die Wirtschaftlichkeit gegeben ist, wenn Personalkosten auf der Basis eines Tarifvertrags zustande gekommen sind. Herausgestellt wurde, dass die Einhaltung der Tarifbindung und die Zahlung ortsüblicher Gehälter dabei immer als wirtschaftlich angemessen zu werten sind (BSG-Urteil vom 29. 1. 2009 - B 3 P 7/08 R).

Neue Finanzierungswege zielen vermutlich auf sogenannte Trägerbudgets, wenn nicht sogar auf Sozialraumbudgets. Berlin hat bereits seine Erfahrungen machen müssen, Hamburg befindet sich gerade jetzt am Ende des zweiten Jahres in Sachen Trägerbudgets.

8. Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung und insbesondere am allgemeinen Arbeitsmarkt. Hierzu gehört u.a. die Verbesserung der Übergänge von der WfbM zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung durch das Budget für Arbeit und weitere geeignete Maßnahmen und

9. Lösung der Schnittstellenproblematik, insbesondere zur Kranken- und Pflegeversicherung, im Interesse der Menschen mit Behinderung im Rahmen der Reformprozesse zum Bundesteilhabegesetz und zur Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes.

Mit diesen Eckpunkten soll der Gesetzentwurf zum Bundesteilhabegesetz ausgestattet sein, um durch den Bundesrat zu gelangen. Mit den sich dahinter befindlichen Reformen sollen „Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsreserven über verbesserte Struktur- und Fallsteuerung gehoben werden“. Die Hoffnung besteht, dass sich dadurch „Leistungsverbesserungen“ ermöglichen lassen, wobei doch eher die Ausgabenentwicklung gemeint ist. Dass durch das neue Gesetz nicht noch mehr Kosten entstehen sollen, ist nachvollziehbar. Die Verbände der Menschen mit Behinderungen sehen dies selbstverständlich anders – wohlgemerkt: die oben beschriebenen Eckpunkte resultieren aus der Diskussion der Arbeits- und Sozialminister und Senatoren der Bundesländer.

Einsparungsziel sind 5 Mrd. Euro jährlich bei den Kosten der Eingliederungshilfe. Der Bund soll sich dabei maßgeblich beteiligen und auch in Zukunft einen dynamisierten Beitrag leisten. Wenn Leistungen verbessert werden sollen, dann sind diese, wie auch der Aufbau neuer Strukturen, vom Bund zu finanzieren.

CGS





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Samstag, 12. März 2016

Erste Gedanken zum Thema Geldanlage (Vermögensanlage)

Im Januar 2016 berichteten einige Zeitungen über aufkommende Probleme bei Stiftungen – als Ursache wurde das bestehende Niedrigzinsumfeld angeführt. Gleichzeitig wurde eine Studie der PWC Unternehmensberatung zu den Auswirkungen des bestehenden Niedrigzinsumfelds veröffentlicht. Wie stehen Stiftungen sieben Jahre nach der Finanzkrise da? Wie erfolgreich waren Stiftungen in der Vermögensanlage? Wie sehen die Vermögensstrategien der Stiftungen an? Alles Fragen, die so eigentlich diesen Blog nicht betreffen – und doch…

Warum beschäftigt sich dieser Blog mit dem Thema Geldanlage (Vermögensanlage)?

- Weil Geldanlagen in der täglichen Arbeit als Unternehmenslenker vorkommen. Sozialunternehmen müssen, wie andere Wirtschaftstreibende, ihre Liquidität steuern und den Finanzbedarf planen.

- Und weil Vergütungssätze i.d.R. für ein Gesamtjahr kalkuliert werden, finden sich naturgemäß auch solche Kostenbestandteile, die ungleichmäßig im Jahresverlauf anfallen: Versicherungsprämien, Verbandsbeiträge und Weihnachtsgeld / Jahressonderzahlung. Unterjährig können sich Überschuss-Effekte ergeben, die erst zum Jahresende abgebaut wurden.

- Wenn durch die Bewirtschaftung von Stellen oder aufgrund einer günstigen Auslastung ein positives Jahresergebnis erzielt wird, muss man sich spätestens am Jahresende Gedanken machen, wo das Geld angelegt werden soll.

- Weitsichtige Unternehmensführung (Going Concern), aber auch gesetzliche Vorgaben im Falle von Kapitalgesellschaften, verlangen eine maßvolle Rücklagenbildung. Rücklagen werden zwar in der Bilanz auf der Passiv-Seite als solche ausgewiesen, aber auf der Vermögens- oder Aktiv-Seite verstecken sie sich im Anlagevermögen – womöglich sogar im Finanzanlagevermögen.

Wie man sieht gibt es Gründe genug, warum man sich für Geldanlagen (nachfolgend auch Finanzanlagen oder Vermögensanlage genannt) interessieren sollte. Nicht zuletzt hat auch eine Umfrage unter Stiftungen zu eben diesem Thema der PWC Unternehmensberatung aus dem Januar 2016 einige besorgniserregende Einsichten geliefert.

Hier, in diesem Blog, möchte ich aber keine Geldanlage-Tipps verteilen – das wäre ja Finanzberatung. Vielmehr möchte ich mich mit den Geldanlage-Tipps der Finanzberatung befassen und sehen, ob sie als Alternative etwas taugen. Hierzu muss man natürlich auch eine Vorstellung entwickeln, welche Kriterien erfüllt sein müssen und welches Risiko akzeptiert wird bzw. wann die Gelder wieder benötigt werden. Und schlussendlich sind die sogenannten Beratungen von Interesse, denn viele Entscheider sind schlichtweg überfordert oder haben eine vage Kenntnis vom Kapitalmarkt. Was verspricht die Branche, und was können die angepriesenen Produkte einhalten?

Aus dem Vorgenannten könnte man ein Beziehungs-Dreieck zeichnen, ähnlich dem sozialrechtlichen Dreieck, allerdings mit den drei Spitzen Risikoprofil / Finanzbedarf, Finanzprodukt / Anlage und Beratung / Anlageentscheidung. Weitere Ausdifferenzierungen wären möglich, würden aber den Rahmen dieses Blogs sprengen. Ganz offen und ehrlich: Hier soll nur ein Überblick verschafft werden.

Wie kompliziert die Verhältnisse sein können, hatte ich schon in einem Beitrag am 5.12.2015 versucht darzustellen. Damals ging es eher darum eine Begründung zu finden, warum in Zukunft mit höheren Tarifabschlüssen zu rechnen ist. Zugegeben, die Ableitung erscheint zwar sehr abenteuerlich und weit hergeholt, doch wer aktuell die Kapriolen am deutschen Finanzplatz Nr. 1 in Frankfurt sieht und verstehen will, was da passiert, wird an den Themen Öl / Rohstoffmärkte und China nicht vorbeikommen.

Bank- bzw. Finanzberater müssen so etwas verstehen und werden in ihren Präsentationen über Konjunkturaussichten, Umlaufrenditen und Volatilität sprechen, das solche Informations-Lawinen schnell die Entscheider überfordern können, ist nachvollziehbar. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass manche Berater es genau darauf absehen. Von daher sind Entscheider gut beraten, wenn sie sich vorab schon eine Vorstellung erarbeitet haben, wie viel Geld angelegt werden kann, mit welchem Risikoprofil und mit welchen Ertragsaussichten.

Die Finanzkrisen der letzten Jahre haben einiges darüber offenbart, was manche Banken ihren Kunden zumuteten. Vieles wird wohl schon vergessen worden sein, doch das unbestimmte Gefühl, dass nicht alle Finanzprodukte etwas taugen, ist geblieben. Nun sind neue Produkte hinzugekommen und alte nicht mehr verfügbar. Doch taugen die jetzt verfügbaren Anlagemöglichkeiten den eigenen Ansprüchen? Immerhin muss man hier „fremdes“ Geld anlegen, von dem das Unternehmen in später zehren soll.

Sehen wir mal, wohin uns dieses Thema bringen wird.


CGS




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Sonntag, 6. März 2016

Das Strukturbildungsgebot abgeleitet für die Eingliederungshilfe

Soziale Leistungen sind eigentlich ein Leistungsversprechen des Sozialstaates an den bedürftigen Bürger. Dem entgegen steht immer wieder die Leistungsfähigkeit des Sozialstaates, was auch als Ressourcenvorbehalt bekannt ist. Denn was nützt es, wenn einem bedürftigen Menschen die Hilfe zwar zuerkannt wird, aber Hilfe nicht geleistet werden kann, weil die nötigen Versorgungsstrukturen schlichtweg fehlen. Der Sozialstaat muss von daher gefordert sein, entsprechende Strukturen zu schaffen, doch geht das nur über konkretes, einklagbares Recht. Somit stellen sich zwei Fragen: Wie leitet sich der Anspruch des leistungsberechtigten Menschen aus dem Gesetz ab? Und wo findet sich, wenn überhaupt, ein Strukturbildungsgebot?

§ 1 SGB I gibt vor, dass das Recht auf soziale Leistungen dazu geschaffen wurde: „ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, gleiche Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit, insbesondere auch für junge Menschen, zu schaffen, die Familie zu schützen und zu fördern, den Erwerb des Lebensunterhalts durch eine frei gewählte Tätigkeit zu ermöglichen und besondere Belastungen des Lebens, auch durch Hilfe zur Selbsthilfe, abzuwenden oder auszugleichen“ (Abs. 1). Im Folgeabsatz findet sich aber schon ein eingetragenes Recht, wonach „die zur Erfüllung der in Absatz 1 genannten Aufgaben erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen“ sollen (Abs. 2). Schon sehr frühzeitig bestimmt das Gesetz Ansprüche und Pflichten – allerdings an dieser Stelle noch nicht konkret formuliert.

In § 2 SGB I wird nunmehr Bezug genommen auf die zuvor genannten Aufgaben und auf die „nachfolgenden sozialen Rechte“ verwiesen (Abs. 1 S. 1). Überhaupt liest sich dieser Absatz, wie eine Einschränkung der Ansprüche aus § 1; denn wenn die im Sozialgesetz genannten weiteren Rechte keine entsprechenden Vorgaben liefern, können keine Ansprüche verwirklicht werden. Auch wenn diejenigen Stellen, welche verantwortlich sind für die Feststellung des individuellen Leistungsbedarfs (Leistungsträger, § 12 SGB I), bei ihrer Ermessensausübung dazu angehalten sind, „die sozialen Rechte möglichst weitgehend“ zu verwirklichen, so sind Ressourcen, wenn sie nicht vorhanden sind, nicht notwendigerweise zu erschaffen.

Für die Schaffung der Ressourcen sind die Leistungsträger zuständig, die gem. § 12 in den §§ 18 bis 29 SGB I genannt sind. Ob es allerdings ein Gebot bzw. eine gesetzliche Verpflichtung für diese gibt, entsprechende Versorgungsstrukturen zu schaffen, muss sich aus den einzelnen Vorschriften ergeben. Zum Beispiel ist in den Regelungen für behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen, das Schwerbehindertenrecht, besondere Rechtsstellung dieser Leistungsberechtigten im Sozialgesetzbuch Neunten (SGB IX) tatsächlich eine solche Verpflichtung enthalten. So heißt es in § 19 Abs. 1 S. 1 SGB IX (Leistungen zur Teilhabe): „Die Rehabilitationsträger wirken gemeinsam unter Beteiligung der Bundesregierung und der Landesregierungen darauf hin, dass die fachlich und regional erforderlichen Rehabilitationsdienste und -einrichtungen in ausreichender Zahl und Qualität zur Verfügung stehen.“ (Fettdruck von mir).

Rehabilitationsträger sind im Einzelnen in § 6 SGB IX aufgeführt und übernehmen die in § 5 SGB IX definierte Leistungsgruppen.


§ 6 SGB IX
§ 5 Ziff. 1 SGB IX
§ 5 Ziff. 2 SGB IX
§ 5 Ziff. 3 SGB IX
§ 5 Ziff. 4 SGB IX

Rehabilitationsträger
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen
Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft
1.
gesetzlichen Krankenkassen
Ja
--
Ja
--
2.
Bundesagentur für Arbeit
--
Ja
Ja
--
3.
gesetzlichen Unfallversicherung
Ja
--
--
Ja
4.
gesetzlichen Rentenversicherung und Alterssicherung der Landwirte
Ja
--
Ja
--
5.
Träger der Kriegsopferversorgung und die Träger der Kriegsopferfürsorge im Rahmen des Rechts der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden
Ja
--
--
Ja
6.
Träger der öffentlichen Jugendhilfe
Ja
Ja
--
Ja
7.
Träger der Sozialhilfe
Ja
Ja
--
Ja

Sozialhilfe wird von den überörtlichen und örtlichen Trägern gem. § 3 SGB XII geleistet. Zu den örtlichen Trägern zählen die Kreise und kreisfreien Städte, soweit durch Landesrecht nichts anderes bestimmt worden ist. Demzufolge würde die Pflicht zur Schaffung von ausreichenden Versorgungsstrukturen auf die Bundesländer übergehen.

Eingliederungshilfe ist eine spezielle Form der Sozialhilfe. § 8 Ziff. 4 SGB XII verweist auf die entsprechenden Regelungen im 6. Kapitel bzw. auf die §§ 53 bis 60 SGB XII. Diese bestimmen die Ansprüche auf Leistungen für Menschen, „die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind“ (§ 53 Abs. 1 SGB XII).

Aus § 13 SGB XII kann leider nun keine Pflicht zur Schaffung von Versorgungsstrukturen herausgelesen werden. Die Vorschrift bezieht sich zwar auf „Leistungen für Einrichtungen“, doch damit ist eher gemeint, wie die Prioritäten gesetzt werden müssen in der Abfolge der Leistungsbewilligungen. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass in der Bewilligungspraxis die ambulanten Leistungen den stationären vorgehen. Es besteht die Annahme, dass die Kosten für ambulante Leistungen niedriger ausfallen, weil nur noch die Fachleistungen benötigt werden für die Bedarfsdeckung; strukturell bedingte Kosten, wie z.B. die einer Einrichtung, entfallen (Grundsatz  „Ambulant vor Stationär“).   

Dagegen finden sich im 10. Kapitel, in den §§ 75 bis 81 SGB XII, genau die Vorschriften, die man hinsichtlich der Frage nach dem Strukturbildungsgebot verorten würde. Während in § 75 Abs. 1 SGB XII ein Rückverweis auf den vorgenannten § 13 SGB XII zu finden ist, werden im selben Absatz zugleich Dienste in die Vorschriften mit einbezogen. In Abs. 2 S. 1 heißt es: „Zur Erfüllung der Aufgaben der Sozialhilfe sollen die Träger der Sozialhilfe eigene Einrichtungen nicht neu schaffen, soweit geeignete Einrichtungen anderer Träger vorhanden sind, ausgebaut oder geschaffen werden können“ (Fettdruck von mir).

Anders ausgedrückt: Wenn Einrichtungen vorhanden sind, sollen diese genutzt werden. Und wenn Einrichtungen nicht vorhanden sind, sollen die Träger der Sozialhilfe (siehe oben zu § 3 SGB XII) diese neu schaffen.

Dies alles ist meine Interpretation, und sie erfolgt abseits der Lehr- und Praxis-Kommentare. Es gibt aber auch andere, die ebenfalls ein (noch vorhandenes) Strukturbildungsgebot (manchmal auch als Strukturbildungsprinzip benannt) erkennen wollen. Da wird zum einen von einem „Sicherstellungsauftrag“ des Sozialstaates gesprochen, zum anderen leitet man aus Artikel 26 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) eine Verpflichtung gegenüber Menschen mit Behinderungen ab. Dem allen entgegen steht aber der sogenannte Ressourcenvorbehalt, der seinerzeit vom Bundesverfassungsgericht formuliert wurde und bereits mehrere Male von mir kritisiert wurde – allerdings in einem anderen Zusammenhang. Sofern Landesrecht diesen Ressourcenvorbehalt weiter vorsieht (z.B. im Schulrecht des Landes Schleswig-Holstein), könnte es hier einen Konflikt geben, der nur zugunsten des höheren Rechts (Bundesrecht bricht Landesrecht) aufgelöst werden kann. Weil aber mit der Reform des Bundessozialhilfegesetzes (§ 93 BSHG) marktwirtschaftlicher Wettbewerb eingeführt wurde, werden viele Gegner des Strukturbildungsgebots den staatlichen Auftrag zur Verfügungsstellung „geeigneter Einrichtungen“, so wie es in der 1961-Fassung des BSHG stand, verneinen.

Wie immer man dazu stehen will, letztlich stellt sich die Frage, was man mit diesem Wissen in Entgeltverhandlungen bewirken kann. Sind Leistungsträger dazu angehalten, die bestehenden Strukturen nicht zu gefährden? Wie viel Leistungsfähigkeit muss vorgehalten werden?

CGS



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