Montag, 31. Juli 2023

Kürzungen kommen und verfolgen Verhandlungen

Zum Monatsende sozusagen ein kleiner Rundumschlag.

Am 19.7.2023 ging eine Pressemitteilung von den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege heraus mit dem Titel: Scharfe Kritik an Kürzungsplänen der Bundesregierung. Man zeigte sich alarmiert, und das zu Recht, wie man gleich danach in einer weiteren Rundmeldung lesen konnte. Die Bundesregierung will kürzen. Aber auch die Landesregierungen tun da was, und was es bedeutet.

Verhandlungen werden jedenfalls nicht einfacher. Es braucht ein Wissen, um was es da geht, und es braucht gute Vorbereitung, um die Grenzen zu kennen.  

In Schleswig-Holstein gab es vor gar nicht so langer Zeit eine Haushaltssperre, die zwar nicht lange andauerte, allerdings entsetzte sie reihum. Nun sieht man aufgrund einer Ankündigung zur Vorlage eines Entwurfs zum neuen Haushalt erst Ende 2023 (den Beschluss darüber wird es somit erst Anfang 2024 geben können) weiteres Ungemach aufkommen. Ungemach offenbart sich allerdings schon, wenn man in laufenden Verhandlungen steckt und beispielsweise die Tarifeinigung des TVÖD verhandeln muss – auf welcher Rechtsgrundlage eigentlich?


 

Leistungen auf der Grundlage eines Rechtsanspruchs vs. Zuwendungen

Grundsätzlich sollte man die Finanzierungsströme aus den öffentlichen Kassen in zwei Arten unterteilen: laufende Verpflichtungen und Zuwendungen. Bei den laufenden Verpflichtungen dreht es sich um Leistungen, auf die bestimmte Personenkreise einen Rechtsanspruch haben und von daher ein Leistungsträger unbeschränkt leisten muss. Dazu gehören zum Beispiel Frühförderung, Schulbegleitung (aber nicht die Schulassistenz), ambulante und stationäre Hilfen für Menschen mit Behinderung oder der Jugendhilfe. Bei den zuwendungsfinanzierten Leistungen ist es ganz anders, weil die öffentlichen Stellen mithilfe von privaten Leistungserbringern etwas bewegen wollen (oder wollten). Gerade die Arbeit in der Flüchtlingshilfe, u.a. Migrationssozialberatung und Asylverfahrensberatung, scheint sich ein Umdenken anzukündigen. Ebenfalls von Kürzungen betroffen sind die Freiwilligendienste.

Überhaupt wird alles, was ausdrücklich als eine Leistung betitelt wird, die „freiwillig“ und „ohne einen Rechtsanspruch“ übernommen wird, unter Umständen doch nicht umgesetzt werden können, weil nur in Höhe von verfügbaren Haushaltsmittel geleistet werden kann (vgl. § 44 LHO-SH).


Leistungszwänge werden kritisch hinterfragt

Auch wenn es erst einmal so scheint, als ob nur die zuwendungsfinanzierte Wohlfahrtsarbeit betroffen sein wird, die Kürzungen werden sich ebenfalls auf die ständigen, rechtlich gesicherten Leistungen auswirken müssen. Alle müssen schon ihren Beitrag entrichten.

Schon in den letzten Vergütungsverhandlungen zeigten sich ein paar Verschärfungen. Zum Beispiel war der TV Inflationsausgleich, den sich der öffentliche Dienst in seinen Tarifverhandlungen ausdachte, plötzlich für viele Leistungserbringer gar nicht durchsetzbar, weil sie formell gar keiner rechtlichen Verpflichtung zur Ausschüttung eines solchen Geldes unterlagen: sie waren keine Tarifanwender, sondern hatten den TVÖD immer nur „analog“ angewendet. Wenn diese Arbeitgeber keinem AG-Verband angehört hatten und in ihren Arbeitsverträgen so etwas stehen hatten wie beispielsweise „in Anlehnung an den TVÖD/BAT“, entstand nach Ansicht des BAG nicht ohne weiteres ein Rechtsanspruch auf Gewährung (vgl. dazu Urteil vom 5. Mai 2015, 1 AZR 435/13; ein weiteres Manko im vorliegenden Urteil ergab sich in den nicht ausreichenden betrieblichen Vereinbarungen, siehe dazu insb. RZ 19 und weiter in § 87 BetrVG).

Der Zwang zur Beachtung von tariflichen Bestimmungen muss ein Arbeitgeber, der sich ggü. einem Leistungsträger auf einen Tarifvertrag beruft, nachvollziehbar sein. Fehlt es an dieser Verpflichtung, kann ein Leistungsträger die geltend gemachten Erhöhungen nicht anerkennen. Ein Leistungsträger wäre aber zur Anerkennung der Eingruppierungen wiederum deswegen verpflichtet, weil eben im individuellen Arbeitsvertrag die Anlehnungs-Klausel verwendet worden ist. Was wie gesagt allerdings fehlt, ist der Satz, welche Gratifikationen ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer zahlen muss.

Und bei den Freiwilligenkräften reicht schon die Rückfrage, wie viele es in den vergangenen Monaten gegeben hat. Sofern es keine verpflichtenden Stellenschlüssel gibt, könnte es ebenfalls zu Anpassungen kommen. Immerhin hatte es dank Corona und nun dem Fachkräftemangel einen erheblichen Rückgang gegeben an Interessierten.

 

Methodik für die Verhandler

Es braucht mehr Vorbereitung für die Verhandlungen. Es braucht zudem ein Fachwissen in den verschiedenen Teilbereichen wie z.B. Verwaltungsvorschriften, Vertragsrecht und – ganz besonders – Betriebswirtschaft. Zu glauben, man sei mit den Protokollen und Sitzungen bestens informiert, ist ein Irrtum. Man muss ein breiteres Wissen besitzen und mit Methodik die Partie angehen.

Wie können Sie darlegen, dass Sie zu einer bestimmten tariflichen Leistung verpflichtet sind?

Wie können Sie glaubhaft machen, dass Ihre Kostenkalkulation angemessen, wirtschaftlich und sparsam ist?

Wie können Sie der anderen Seite belegen, dass einige Kostenansätze und Steigerungsraten unabdingbar und unvermeidbar sind?

In Schleswig-Holstein verhandelt man bei den Vergütungen zu den besonderen Wohnformen (bWF) eigentlich drei verschiedene Kostenarten. Die Personalkosten kalkulieren sich mittels der Stellenschlüssel und den vereinbarten Fachkraftquoten, dazu verwendet man natürlich den jeweiligen Tarifvertrag und die entsprechenden Entgeltordnungen. Weitere Besonderheiten wären noch zu beachten, wie z.B. die Nettojahresarbeitszeit und Zulagen-Zuschläge, doch damit hätte man den größten Kostenblock kalkuliert. Die Sachkosten werden sich dagegen an Durchschnitten orientieren, wobei es trägerindividuelle Eigentümlichkeiten zu beachten gibt. Schön wäre es, wenn man wüsste, wie es „die anderen so machen“ und was denn so „üblich“ wäre. Die Strukturkosten wiederum sind solche, die man zwingend mit dem Leistungsträger vorab besprochen haben sollte. Erst aufgrund dieser Klarstellungen können weitere Kosten, die alle darauf Bezug nehmen müssen, übernommen werden. Und über alle Dinge sollte tunlichst ein Protokoll geführt werden.

Am Ende der Verhandlungen steht man eigentlich wieder am Beginn der nächsten Verhandlungen. Bis dahin allerdings sollten die Ergebnisse umgesetzt werden – und ob das so funktioniert?!

CGS

 

 

 

 

Quellen:

BAG-Urteil vom 5. Mai 2015, 1 AZR 435/13

 

 

 

Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die Dinge dar. Und eine solche Sicht kann sich immer noch ändern. Brauchen Sie rechtliche Unterstützung, wenden Sie sich an die zuständigen Behörden, Sozial- und Betroffenenverbände oder rechtskundige Dritte. Lesen Sie bitte ebenfalls die Hinweise zum Rechtsstatus der Webseite, Urheberrechtsbestimmungen und Haftungsausschluss sowie die Datenschutzerklärung.

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