Zum Monatsende sozusagen ein kleiner Rundumschlag.
Am 19.7.2023 ging eine Pressemitteilung von den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege heraus mit dem Titel: Scharfe Kritik an Kürzungsplänen der Bundesregierung. Man zeigte sich alarmiert, und das zu Recht, wie man gleich danach in einer weiteren Rundmeldung lesen konnte. Die Bundesregierung will kürzen. Aber auch die Landesregierungen tun da was, und was es bedeutet.
Verhandlungen werden jedenfalls nicht einfacher. Es braucht ein Wissen, um was es da geht, und es braucht gute Vorbereitung, um die Grenzen zu kennen.
In Schleswig-Holstein gab es vor gar nicht so langer Zeit eine Haushaltssperre, die zwar nicht lange andauerte, allerdings entsetzte sie reihum. Nun sieht man aufgrund einer Ankündigung zur Vorlage eines Entwurfs zum neuen Haushalt erst Ende 2023 (den Beschluss darüber wird es somit erst Anfang 2024 geben können) weiteres Ungemach aufkommen. Ungemach offenbart sich allerdings schon, wenn man in laufenden Verhandlungen steckt und beispielsweise die Tarifeinigung des TVÖD verhandeln muss – auf welcher Rechtsgrundlage eigentlich?
Leistungen auf der Grundlage
eines Rechtsanspruchs vs. Zuwendungen
Grundsätzlich sollte man die Finanzierungsströme aus den
öffentlichen Kassen in zwei Arten unterteilen: laufende Verpflichtungen und
Zuwendungen. Bei den laufenden Verpflichtungen dreht es sich um Leistungen, auf
die bestimmte Personenkreise einen Rechtsanspruch haben und von daher ein
Leistungsträger unbeschränkt leisten muss. Dazu gehören zum Beispiel
Frühförderung, Schulbegleitung (aber nicht die Schulassistenz), ambulante und
stationäre Hilfen für Menschen mit Behinderung oder der Jugendhilfe. Bei den zuwendungsfinanzierten
Leistungen ist es ganz anders, weil die öffentlichen Stellen mithilfe von
privaten Leistungserbringern etwas bewegen wollen (oder wollten). Gerade die
Arbeit in der Flüchtlingshilfe, u.a. Migrationssozialberatung und Asylverfahrensberatung,
scheint sich ein Umdenken anzukündigen. Ebenfalls von Kürzungen betroffen sind
die Freiwilligendienste.
Überhaupt wird alles, was ausdrücklich als eine Leistung
betitelt wird, die „freiwillig“ und „ohne einen Rechtsanspruch“ übernommen
wird, unter Umständen doch nicht umgesetzt werden können, weil nur in Höhe von
verfügbaren Haushaltsmittel geleistet werden kann (vgl. § 44 LHO-SH).
Leistungszwänge werden
kritisch hinterfragt
Auch wenn es erst einmal so scheint, als ob nur die
zuwendungsfinanzierte Wohlfahrtsarbeit betroffen sein wird, die Kürzungen
werden sich ebenfalls auf die ständigen, rechtlich gesicherten Leistungen
auswirken müssen. Alle müssen schon ihren Beitrag entrichten.
Schon in den letzten Vergütungsverhandlungen zeigten sich
ein paar Verschärfungen. Zum Beispiel war der TV Inflationsausgleich, den sich
der öffentliche Dienst in seinen Tarifverhandlungen ausdachte, plötzlich für
viele Leistungserbringer gar nicht durchsetzbar, weil sie formell gar keiner
rechtlichen Verpflichtung zur Ausschüttung eines solchen Geldes unterlagen: sie
waren keine Tarifanwender, sondern hatten den TVÖD immer nur „analog“
angewendet. Wenn diese Arbeitgeber keinem AG-Verband angehört hatten und in
ihren Arbeitsverträgen so etwas stehen hatten wie beispielsweise „in Anlehnung
an den TVÖD/BAT“, entstand nach Ansicht des BAG nicht ohne weiteres ein
Rechtsanspruch auf Gewährung (vgl. dazu Urteil vom 5. Mai 2015, 1 AZR 435/13;
ein weiteres Manko im vorliegenden Urteil ergab sich in den nicht ausreichenden
betrieblichen Vereinbarungen, siehe dazu insb. RZ 19 und weiter in § 87
BetrVG).
Der Zwang zur Beachtung von tariflichen Bestimmungen muss
ein Arbeitgeber, der sich ggü. einem Leistungsträger auf einen Tarifvertrag
beruft, nachvollziehbar sein. Fehlt es an dieser Verpflichtung, kann ein
Leistungsträger die geltend gemachten Erhöhungen nicht anerkennen. Ein
Leistungsträger wäre aber zur Anerkennung der Eingruppierungen wiederum
deswegen verpflichtet, weil eben im individuellen Arbeitsvertrag die
Anlehnungs-Klausel verwendet worden ist. Was wie gesagt allerdings fehlt, ist
der Satz, welche Gratifikationen ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer zahlen
muss.
Und bei den Freiwilligenkräften reicht schon die Rückfrage,
wie viele es in den vergangenen Monaten gegeben hat. Sofern es keine
verpflichtenden Stellenschlüssel gibt, könnte es ebenfalls zu Anpassungen
kommen. Immerhin hatte es dank Corona und nun dem Fachkräftemangel einen
erheblichen Rückgang gegeben an Interessierten.
Methodik für die
Verhandler
Es braucht mehr Vorbereitung für die Verhandlungen. Es
braucht zudem ein Fachwissen in den verschiedenen Teilbereichen wie z.B.
Verwaltungsvorschriften, Vertragsrecht und – ganz besonders –
Betriebswirtschaft. Zu glauben, man sei mit den Protokollen und Sitzungen
bestens informiert, ist ein Irrtum. Man muss ein breiteres Wissen besitzen und
mit Methodik die Partie angehen.
Wie können Sie darlegen, dass Sie zu einer bestimmten
tariflichen Leistung verpflichtet sind?
Wie können Sie glaubhaft machen, dass Ihre Kostenkalkulation
angemessen, wirtschaftlich und sparsam ist?
Wie können Sie der anderen Seite belegen, dass einige
Kostenansätze und Steigerungsraten unabdingbar und unvermeidbar sind?
In Schleswig-Holstein verhandelt man bei den Vergütungen
zu den besonderen Wohnformen (bWF) eigentlich drei verschiedene Kostenarten.
Die Personalkosten kalkulieren sich mittels der Stellenschlüssel und den
vereinbarten Fachkraftquoten, dazu verwendet man natürlich den jeweiligen
Tarifvertrag und die entsprechenden Entgeltordnungen. Weitere Besonderheiten wären
noch zu beachten, wie z.B. die Nettojahresarbeitszeit und Zulagen-Zuschläge,
doch damit hätte man den größten Kostenblock kalkuliert. Die Sachkosten werden
sich dagegen an Durchschnitten orientieren, wobei es trägerindividuelle Eigentümlichkeiten
zu beachten gibt. Schön wäre es, wenn man wüsste, wie es „die anderen so machen“
und was denn so „üblich“ wäre. Die Strukturkosten wiederum sind solche, die man
zwingend mit dem Leistungsträger vorab besprochen haben sollte. Erst aufgrund
dieser Klarstellungen können weitere Kosten, die alle darauf Bezug nehmen müssen,
übernommen werden. Und über alle Dinge sollte tunlichst ein Protokoll geführt
werden.
Am Ende der Verhandlungen steht man eigentlich wieder am
Beginn der nächsten Verhandlungen. Bis dahin allerdings sollten die Ergebnisse
umgesetzt werden – und ob das so funktioniert?!
CGS
Quellen:
BAG-Urteil vom 5. Mai 2015, 1 AZR 435/13
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Kürzungen kommen und verfolgen Verhandlungen