Freitag, 24. April 2015

Wer übernimmt die Kosten für einen Integrationsassistenten in einer Offenen Ganztagesschule?

Der Paritätische Wohlfahrtsverband Schleswig-Holstein informierte am 5.1.2015 über ein neues Sozialgerichtsurteil zum Einsatz eines Integrationsassistenten (Integrationshelfer oder Schulbegleitung) in der Nachmittagsbetreuung an einer Offenen Ganztagesschule (SG Detmold, Urteil vom 28.10.2014 – SO 285/12). Im Wesentlichen ging es weniger darum, ob es eine Leistungsberechtigung gab, der Kläger gehörte unzweifelhaft zum Personenkreis nach §§ 53 ff. SGB XII, sondern vielmehr um die Kostenbeteiligung nach § 92 Abs. 2 SGB XII.

Der Sozialhilfeträger verlangte vom Kläger bzw. seinen unterhaltspflichtigen Eltern einen Kostenbeitrag hinsichtlich des Einsatzes einer Integrationsassistenz am Nachmittag und begründete sein Verlangen wie folgt:

„Der Kläger gehöre aufgrund seiner Behinderung unbestritten zum Personenkreis der Leistungsberechtigten der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII. Bei der OGS (= Offenen Ganztagesschule, eig. Anm.) handle es sich nicht um eine Maßnahme der angemessenen Schulausbildung, sondern um eine Maßnahme zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.“ (Rz. 7)

Nach Ansicht des beklagten Sozialhilfeträger unterlag der Besuch der Offenen Ganztagesschule am Nachmittag nicht der allgemeinen Schulpflicht. Es handelte sich also um eine freiwillige Teilnahme an einer Unterrichtsveranstaltung (vgl. auch Rz. 22). Entsprechend sollten die unterhaltspflichtigen Eltern gem. § 92 Abs. 2 SGB XII eigene Mittel aufbringen, um den Integrationsassistenten zu bezahlen.

Das Gericht hat allerdings den Begriff der „angemessenen Schulbildung“ weiter verstanden. Demzufolge begrenzt sich eine angemessene Schulbildung nicht auf die Schulbesuchszeiten, welche im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht anfallen. Das Gericht sagt:

„Erforderlich ist aber, dass im Rahmen der in Rede stehenden Förderung Maßnahmen erfolgen, die den Schulbesuch erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 06.10.2008, Az.: L 9 SO 8/08). Ausgangspunkt ist dabei, dass die Betreuung speziell auf die schulischen Maßnahmen abgestimmt ist und zu einer noch zu erreichenden gewissen Schulbildung führt. Es muss ein überwiegender Bezug zur schulischen Ausbildung bestehen. Nicht ausreichend ist dagegen, dass im Rahmen einer Maßnahme positive Nebeneffekte auch für die schulische Entwicklung eintreten können.“ (Rz. 23)

Und weiter:

„Zwar besteht keine schulrechtliche Pflicht zur Teilnahme an der OGS, worauf die Beklagte abstellt, das könnte dagegen sprechen, dass es sich kurz gesagt um "Schule" handelt. Allerdings handelt es sich um eine freiwillige Schulveranstaltung, die letztlich den wesentlichen Schulalltag abbildet, wie heutzutage "Schule" angeboten werden soll. Unter Beachtung des besonderen Sinn und Zwecks der Eingliederungshilfe, gerade dem jungen, behinderten Menschen zu ermöglichen, seinen optimalen Platz im Leben in der Gemeinschaft zu finden, ist die OGS eine regelmäßige schulische Veranstaltung und somit "Schule" im alltäglichen Sinne, wie bereits auch der Alltagsbegriff "Offene Ganztagsschule" deutlich zeigt.“ (Rz. 24)

Und schließlich ganz klar und deutlich:

„Eine enge Auslegung des Begriffs der angemessenen Schulausbildung ist hier nicht geboten.“ (Rz. 29)

Fazit:

Die Leistungen der Eingliederungshilfe, insbesondere bezogen auf die Erlangung einer angemessenen Schulbildung, beschränken sich nicht nur auf „Pflichtteil“, sondern können unabhängig von der Schulpflicht auch auf den Besuch einer Offenen Ganztagesschule angewendet werden.

Das Gericht hat hier eine Entkoppelung vorgenommen, die sicherlich auch auf andere Bereiche anzuwenden wäre, die bislang immer mit dem Hinweis auf die Grenzen der Erforderlichkeit und Angemessenheit ablehnend beschieden worden sind.

Nicht in Frage gestellt wurde seitens des Sozialhilfeträgers, ob die antragstellende Person überhaupt ein Anrecht auf einen Integrationsassistenten hatte oder nicht. Vielmehr ging es hier im Verfahren um die Pflicht der Eltern zur Beteiligung an den Kosten.

CGS








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