Donnerstag, 28. Mai 2015

Schulassistenten und Schulbegleitungen – vorerst wie gehabt?!

Was Schulbegleitungen anbelangt, soll es weitergehen wie bisher, so die zuständige Sozialministerin Frau Kristin Alheit. Zuvor gab es noch einen Offenen Brief der Landes-Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände vom 21.5.2015, der an die zuständigen Landesministerinnen Kristin Alheit (Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung) und Britta Ernst (Ministerium für Schule und Berufsbildung) verschickt und in dem einige Problemfelder angesprochen wurden. In einer Pressemitteilung vom 22.5.2015 wurde dann seitens des Ministeriums für Schule und Berufsbildung endlich das Thema Schulbegleitung und Schulassistenz angesprochen und eine „Lösung“ vorgestellt.

Im besagten Offenen Brief der LAG vom 21.5.2015, wird die jetzige teilweise sehr unterschiedliche Situation an den Schulen des Landes (auf dem Weg zur Inklusiven Schule) wie auch der gestiegene Unterstützungsbedarf für Kinder mit Einschränkungen beschrieben. Es wird zudem bemängelt, dass einzelne Landkreise den Rechtsanspruch auf eine Schulbegleitung in Frage stellen und damit zur Verunsicherung der Eltern beitragen. Bei der Schulsozialarbeit wiederum gibt es wohl endlich Sicherheit bei der Finanzierung, doch die Landesmittel werden den Schulträgern zugewiesen, welche auch die inhaltliche Ausgestaltung bestimmen und somit zu einer uneinheitlichen Handhabung führen. Ein weiteres Thema betrifft die gegenwärtige Diskussion um schulische Assistenz, die zwar eingeführt werden soll, aber es noch immer viele Unklarheiten gibt. Ein anderer Punkt betrifft die unbefriedigende Situation von Schulkinder-Betreuung außerhalb des Unterrichts – für viele vollberufstätige Eltern z.B. eine schwere Belastung. Die freien Wohlfahrtsverbände wünschen sich, dass auch freien Trägern, d.h. Nicht-Schulträgern, die Möglichkeit gegeben wird, entsprechende Leistungsangebote in Kooperation mit den Schulen anzubieten. Hierfür müssen natürlich Rahmenbedingungen ausgearbeitet werden auf Landesebene. Insgesamt betrachtet führt der Aktivismus von Politik und Regierung wohl nicht zum Ziel einer Inklusiven Schule. Die LAG der freien Wohlfahrtsverbände wünscht sich eine kooperative Zusammenarbeit, um dieses Ziel zu erreichen.

Verweigerung von Leistungen, Rechtsunsicherheit, uneinheitliche Ausgestaltung und differierende Konzepte, Schnittstellenprobleme und so weiter und so fort – die Bedarfe steigen, doch die Lösungen erscheinen wie Flickwerk.

Die LAG macht vier Arbeitsbereiche aus (nämlich Schulbegleitung, Schulassistenz, Schulsozialarbeit und außerschulische Betreuungsangebote), die zusammengeführt werden könnten. Und statt dass solche Leistungen vom Schulträger organisiert und bereitgehalten werden müssen, sollen freie Träger mit Erfahrung in der Behindertenhilfe personenzentrierte und bedarfsorientierte Leistungen erbringen. Weil die Leistungen sich auf den jeweiligen, individuellen Bedarf abstellen lassen, müssen die Ressourcen nicht beim Schulträger vorgehalten werden („für den Fall des Falles“), sondern darum kümmern sich die freien Träger – d.h. man bedient sich aus einem Pool von Fach- und Nichtfachkräften, welche ohnehin im Bereich der Behindertenhilfe (Eingliederungshilfe) oder Pflege zur Verfügung stehen.

Hierzu sollen konkret Arbeitsgemeinschaften auf Ebene der Schulbezirke gegründet werden, um die regionalen Bedarfe in den vier vorgenannten Arbeitsbereichen auszumachen und Lösungskonzepte zu entwickeln. Die Leistungen sollen somit gebündelt werden und „aus einer Hand“ erfolgen. Wer Teilnehmer an diesen Arbeitsgemeinschaften wird, bleibt noch ungeklärt. Es wären natürlich mindestens die freien Träger als Leistungserbringer, doch was ist mit der Seite der Leistungsträger bzw. Kostenträger? Schulbegleitung gilt als eine Leistung der Jugend- oder Sozialhilfe, so dass eine gewisse Einflussnahme auf die Ausgestaltung der Maßnahmen zu erwarten wäre. Zudem kann nur dann das Schnittstellenproblem zur pädagogischen Arbeit gelöst werden und auf die Wünsche und Bedürfnisse der Schulen und Lehrer Rücksicht genommen werden, wenn eine entsprechende Beteiligung erfolgt. Nicht vertreten wären sehr wahrscheinlich die Eltern bzw. Betroffene; sie müssten ihre Wünsche und Bedürfnisse über den Umweg der Leistungsträger oder als Mitglieder von Elternvereinigungen oder Träger der freien Wohlfahrtspflege geltend machen.

Am 22.5.2015 folgte dann eine Medien-Information / Pressemitteilung des schleswig-holsteinischen Ministeriums für Schule und Berufsbildung. Es gibt nun eine Verständigung mit dem Gemeindetag und dem Städteverband auf ein gemeinsames Vorgehen. Ab dem 1. August 2015 werden  „überall im Land an den Grundschulen Schulische Assistenzkräfte tätig werden“, heißt es. Die Schulen sollen „im Rahmen eines Optionsmodells“ befähigt werden, solche Kräfte „direkt oder über Träger“ einstellen können. Eine solche Lösung stellt nach Ansicht der zuständigen Ministerin auf die regionalen Verhältnisse ab, erlaubt also an die regionalen bzw. schulischen Bedarfe angepasste Lösungen. Die Sozialministerin Frau Kristin Alheit wird zudem zitiert, dass dabei der Unterstützungsbedarf für jedes Kind verlässlich geschaffen wird, sei es als Schulische Assistenz oder Schulbegleitung oder beides kombiniert. Es heißt weiter:

„Für die Zukunft der Schulbegleitung hat es eine Verständigung über die Fortsetzung des Moratoriums gegeben. Diese wird von den Kreisen und kreisfreien Städten als Sozialhilfe- und Jugendhilfeträger bewilligt.“

Kurz gesagt: Anträge auf Schulbegleitung dürfen weiterhin gestellt und müssen im Bedarfsfall auch genehmigt werden.

Doch jetzt kommt es darauf an, was als Bedarf anzusetzen ist. Die neuen Schulischen Assistenzen sollen nämlich folgendes leisten:

Unterstützung von Schülern im sozialen und emotionalen Bereich mit dem Ziel der Förderung des sozialen Verhaltens und der besseren Integration in den Klassenverband sowie schulischen Teilhabe;

Unterstützung von Lehrkräften sowie Schülern während des Unterrichts;

Unterstützung von Lehrkräften sowie Schülern während des gesamten Schulvormittags einschließlich der Pausen;

Unterstützung von Lehrkräften sowie Schülern bei besonderen Projekten, Ausflügen oder Klassenfahrten, Sporttagen, Schul- und Klassenfesten sowie generell beim Lernen am anderen Ort;

Unterstützung von einzelnen Schülern bei unterrichtsergänzenden Angeboten, um deren Teilnahme zu ermöglichen (z.B. Ganztag, Betreuung, Hausaufgabenhilfe, Arbeitsgemeinschaften);

Punktuelle Unterstützung von Schülern in belastenden Situationen.

Geplant ist eine Abfrage seitens des Bildungsministeriums bei den Schulen, inwieweit diese entsprechende Vorkehrungen treffen können. Ich vermute, dass hierzu die Schulen Gespräche führen müssen mit ihren eigenen Rechtsträgern, den bezirklichen Aufsichten sowie mit den möglichen Leistungs-Anbietern in der Region. Ob es dann zu Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen kommen wird, wie man sie aus dem SGB-XII-Bereich her kennt, ist wahrscheinlich noch gar nicht angedacht worden geschweige denn ausgestaltet.

Es stellt sich auch die Frage, inwieweit die zuständigen Sozialhilfeträger Kostenübernahmen bescheiden werden, wenn die Schulen keine diesbezüglichen Vorkehrungen getroffen haben und entsprechende Landesmittel abgerufen haben – man denke an den vorjährigen LSG-Beschluss!

Und letztlich bleibt noch unklar, wie Eltern für ihre Kinder einen Rechtsanspruch geltend machen können. Sollen sie Leistungen der Eingliederungshilfe bei einem unzuständigen Träger, nämlich der Schule, geltend machen? Kann überhaupt ein individueller Leistungsanspruch formuliert werden und muss dieser wie es in § 9 SGB XII heißt „nach der Besonderheit des Einzelfalles“ erbracht werden?

Meiner Ansicht nach reichen die Lösungsansätze überhaupt nicht aus. Die wichtigste Frage, nämlich wie bekommt man Hilfe zu denjenigen gebracht, welche Hilfe bedürfen, bleibt offen. Und dann weiß noch immer niemand, welche Qualifikationsanforderungen an die Schulischen Assistenten gestellt werden – sollen es Erzieher und / oder sozialpädagogische Assistenten sein? Was ist dann mit den bisherigen Schulbegleitungen, die eine entsprechende Ausbildung gar nicht vorweisen können?

Ich will aber nicht nur kritisieren, sondern schlage nun folgende Lösung vor, weil sie mir probat erscheint.

In einer Gesamtplankonferenz (§ 58 SGB XII) werden Sozialhilfeträger und Schulträger für die Seite der Leistungsträger, der freie Träger als Leistungserbringer sowie die Eltern als rechtliche Betreuer und Sorgeberechtigten des Leistungsberechtigten zusammengebracht. Der Gesamtbedarf wird beschrieben, die Leistungen benannt und die Hilfemaßnahmen geplant (z.B. 10 Wochenstunden Assistenzkraft). Anschließend erfolgt eine Kostenverteilung zwischen Sozialhilfe und Schule, ähnlich der Vorschriften gem. § 92 SGB XII.

CGS



Quellen:

Offener Brief der LAG vom 21.5.2015

Pressemitteilung des schleswig-holsteinischen Ministeriums für Schule und Berufsbildung vom 22.5.2015





Wollen Sie mit mir in Kontakt treten oder Ihre Meinung sagen? Hinterlassen Sie einen Kommentar.


Donnerstag, 21. Mai 2015

Kann Eingliederungshilfe verwehrt werden im Falle eines rechtlichen Betreuers (LSG NRW)?

Der im § 2 SGB XII verfasste „Nachrang der Sozialhilfe“, auch als Nachranggrundsatz oder Nachrangprinzip bekannt, stellt klar, dass Sozialhilfeleistungen erst dann erbracht werden müssen, wenn der Hilfebedarf nicht über andere Leistungsträger (z.B. Angehörigen, Unterhaltspflichtiger oder Trägern anderer Sozialleistungen) abgedeckt werden kann. Das bedeutet, dass diese anderen Leistungsträger immer zur Bedarfsdeckung vorrangig herangezogen werden müssen.

Das LSG NRW hat über die Frage zu entscheiden  gehabt, ob die Inanspruchnahme von Leistungen eines rechtlichen Betreuers Vorrang haben vor Leistungen der Eingliederungshilfe (Urteil vom 22.12.2014, Az. L 20 SO 236/13).

Nach Auffassung des beklagten Sozialhilfeträgers bestand kein Leistungsanspruch, weil nach  § 2 SGB XII Sozialhilfe derjenige nicht erhalte, welcher „die erforderlichen Leistungen vom Träger anderer Sozialleistungen oder von anderen Personen bzw. Organisationen erhalten könne.“ Damit bezieht sich der eigentlich zuständige Sozialhilfeträger auf den rechtlichen Betreuer und seinen Aufgabenbereich (vgl. hierzu auch §§ 1901 und 1902 BGB, aber auch BSG-Urteil vom 2.12.2010, Az. III ZR 19/10).

Weiter heißt es: „So sei seit Juli 2007 eine umfangreiche rechtliche Betreuung einschließlich eines Einwilligungsvorbehalts für Vermögensangelegenheiten angeordnet. Der Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge umfasse die Unterstützung bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen einschließlich der ärztlichen Versorgung und Beratung. In den Aufgabenbereich des Betreuers falle zudem die Unterstützung des Klägers im Umgang mit Ämtern und Behörden sowie die Regelung von Formalitäten im Zusammenhang mit dem geplanten Schulbesuch. Wie im Hilfeplan beschrieben, nehme der Betreuer schließlich auch die Aufgabe wahr, den Umgang des Klägers mit seinen finanziellen Mitteln zu verbessern, indem er ihm das Geld einteile.“

Und dann wird seitens des Sozialhilfeträgers noch eins draufgesetzt: „Ein Motivationsbedarf zum regelmäßigen Schulbesuch oder eine Unterstützung bei den mit dem Schulbesuch verbundenen Formalitäten sei nicht erkennbar. Denn dem Kläger sei es schon in der Vergangenheit bei der Nachholung des Hauptschulabschlusses gelungen, die Formalitäten in Eigenregie zu bewältigen und selbständig eine Schule zu besuchen.“

Das erstinstanzliche Sozialgericht entschied dagegen, dass der Aufgabenkreis eines rechtlichen Betreuers ein ganz anderer sei. Für die Eingliederungshilfeleistung Betreutes Wohnen (abgekürzt „BeWo“) gelten ganz andere Zielsetzungen: „Der Betreuer sei im Rahmen seines Aufgabenkreises (nur) der gesetzliche Vertreter des Betreuten. Dabei habe er zwar den Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderlaufe (§ 1901 BGB). Motivationsgespräche, die Anleitung zu selbständigem Handeln, das Aufstellen von Reinigungsplänen u.ä.  gehörten allerdings nicht zum Aufgabenbereich eines Betreuers.“

Das zweitinstanzliche Landessozialgericht stellte dann fest, dass der „…Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 SGB XII bei Bestellung eines gesetzlichen Betreuers nicht etwa ein genereller Vorrang der Betreuerleistungen gegenüber Leistungen des [Betreuten Wohnens]“ einzuräumen ist. Sofern es sich also nicht um eine „eigenständige Ausschlussnorm“ handelt, sind „… Aufgaben und Ziele der gesetzlichen Betreuung nach §§ 1896 ff. BGB einerseits und der Leistungen des [Betreuten Wohnens] anderseits grundsätzlich voneinander zu unterscheiden. Zwar mögen beide Leistungen ihrer Art nach ineinander übergehen und sich in Teilbereichen auch überlagern können; systematisch ergeben sich jedoch komplementäre, aber in der konkreten Zuordnung doch zu unterscheidende Leistungsbereiche.“

Und: „Im Falle des Klägers sind deshalb für die Abgrenzung zwischen dem [Betreuten Wohnens] zuzurechnenden Hilfestellungen (ebenso wie bei anderen, ggf. der Eingliederungshilfe zuzurechnenden Tätigkeiten) und solchen, die der rechtlichen Betreuung zuzuordnen sind, die jeweiligen Aktivitäten in den Blick zu nehmen, die mit bzw. für den Kläger tatsächlich durchgeführt wurden und in die Abrechnung der Beigeladenen eingeflossen sind (dazu sogleich). Weist insoweit die Betreuungsdokumentation der Beigeladenen nicht ausschließlich Tätigkeiten aus, welche allein der rechtlichen Unterstützung des Klägers dienten, so können von vornherein jedenfalls nicht sämtliche erbrachten Leistungen bereits über die rechtliche Betreuung abzudecken gewesen sein.“

Zusammenfassend kann man sagen, dass beide Gerichte unterschiedliche Aufgabenkreise ausmachten, die sich zwar berührten und gelegentlich überlappten, aber grundsätzlich unterschiedlichen Zielen dienten. Der rechtliche Betreuer „betreut“ nicht im Sinne der Eingliederungshilfe, sondern er kümmert sich um die rechtlichen Belange und um die rechtliche Vertretung seines Betreuten.

Interessant ist zudem die Fragestellung, dass es sich bei § 2 SGB XII nicht um eine „eigenständige Ausschlussnorm“ handelt. Darunter verstehe ich zuerst einmal einen Grundsatz, der aufgrund einer anders lautenden gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmung durchbrochen werden muss. Also: Es ist alles grundsätzlich ausgeschlossen, aber ein bestimmter, konkreter Sachverhalt nicht. Oder mit anderen Worten: Wenn etwas nicht ausdrücklich geregelt ist, dann gibt es das nicht.

Was genau mit dem Begriff gemeint ist, muss wohl noch weiter herausgearbeitet werden.

Quellen:



(Aufruf am 21.5.2015)


CGS





Wollen Sie mit mir in Kontakt treten oder Ihre Meinung sagen? Hinterlassen Sie gerne einen Kommentar.


Freitag, 15. Mai 2015

Schulassistenten und Schulbegleitungen - Diskussionsstand Februar 2015

Es wird allgemein beklagt, dass in der sozialwirtschaftlichen Praxis immer öfter Tendenzen ausgemacht werden hin zu einer Entprofessionalisierung bei den Berufen und Trivialisierung bei den Aufgaben. Dies zeigt sich derzeit auch in den KITA-Streiks, bei denen die Gewerkschaften insbesondere eine Verbesserung der Situation der Erzieher und anderen Fachkräften fordern. Überhaupt versucht man, die Außendarstellung aller Beschäftigten in den Sozialberufen zu stärken, so wie man vor einigen Jahren dies für die pflegerischen Berufe angegangen hatte.

In der jetzigen Debatte um die Einführung des Berufs „Schulassistenten“ an schleswig-holsteinischen Schulen wird ebenfalls um fachliche Qualität gerungen, wie auch um eine Auflistung der Aufgaben, die vom Schulassistenten zu übernehmen sind.

Es gibt Vorstellungen, dass der Zugang zu diesem Beruf nur Akademikern oder Fachabsolventen mit dreijähriger Ausbildung vorbehalten sein muss, gerade weil die Arbeit mit Grundschulkindern eine so herausgehobene Stellung einnehmen muss. Die pädagogische Assistenz bzw. die Unterstützung der Lehrer wird dabei als Ziel herausgestellt. Doch dabei geht es nicht mehr einfach nur um eine technische Hilfe, so wie es bislang im Berufsbild auf Berufenet beschrieben steht. Der Beruf ist gedacht als eine personelle Aufstockung bestehender pädagogischer Strukturen, um dem steigenden Bedarf aus den Zugängen von Kindern mit Behinderungen an Regelschulen besser begegnen zu können.

Dass die Regelschulen für die inklusive Teilnahme behinderter Schüler verantwortlich sind und entsprechende Strukturen bereithalten müssen, hatte in 2014 das Landessozialgericht in Schleswig-Holstein in einem aufsehenerregenden Beschluss seinerzeit so festgestellt. Es sei nicht Aufgabe der Eingliederungshilfe (Sozialhilfe) Maßnahmen zu finanzieren, wenn, wie im damaligen Fall, die Schulbegleitung pädagogisch tätig ist bzw. im Kernbereich pädagogischer Arbeit mitwirkt. In der Folge dieses Beschlusses sahen sich einige Landkreise dazu genötigt, Anträge auf Schulbegleitung pauschal abzulehnen und verwiesen zurück an die Schulträger bzw. das Land. Eine Diskussion entstand, was denn nun die Aufgaben sein sollen und welche Qualität Schulassistenz haben soll.

Schulbegleitung und Schulassistenz sollen jedenfalls nicht miteinander konkurrieren, sind sich viele einig. Es wäre sinnvoll, wenn Schulassistenten die pädagogischen Fachkräfte entlasten und pädagogische Aufgaben übernehmen. Gleichzeitig sollen sie aber in die Lage versetzt werden, eigenverantwortlich und in einem eigenen Teilbereich der pädagogischen Arbeit tätig zu sein.

Sind dann ihre Klienten „nur“ die behinderten Schüler oder richtet sich ihre Arbeit auf die gesamte Klasse? Es drohen Doppelstrukturen und bürokratische Fallstricke, die nicht gewollt sind. Und nicht zuletzt wäre zu bedenken, dass in Zeiten leerer Kassen oder bei einem Lehrer-Mangel schnell auf die Schulassistenten zurückgegriffen werden würde, die dann trotz aller gesetzlich legitimierter Inklusion eben keine Inklusions-Arbeit leisten könnten.

Schulbegleitung wird nicht durch Schulassistenz ersetzt. Auf Schulbegleitung besteht ein Rechtsanspruch einzelner Kinder. Die Maßnahme Schulbegleitung soll das Recht dieser Kinder auf Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sicherstellen und eine angemessen Schulausbildung ermöglichen (vgl. § 53 SGB XII). Schulassistenz als pädagogische Verstärkung des Unterrichts wird dagegen anders zu gestalten sein und sie wird nicht die Aufgaben der Eingliederungshilfe übernehmen können. Von daher werden die beruflichen Zugangsvoraussetzungen ggf. abweichen müssen.

Wen hat die Schulbegleitung zum Ziel?
Die Unterstützung eines behinderten Kindes mit seinen persönlichen Bedarfen; und diese können variieren hinsichtlich der Einschränkungen bei den körperlichen Funktionen, geistigen Fähigkeiten oder der seelischen Gesundheit (vgl. § 2 Abs. 1 SGB IX). Entsprechend sind Schulbegleitungen Pfleger, Heilpädagogen oder auch einfach nur Nichtfachkräfte.

Wen hat die Schulassistenz zum Ziel?
Die Unterstützung einer pädagogischen Fachkraft oder Mitwirkung bei der Unterrichtung einer Klasse. Dementsprechend ist eine pädagogische, erzieherische Ausbildung nötig.

Bei der ganzen Diskussion zeigen sich Definitionsprobleme, nicht zuletzt auch an den verschiedenen Tätigkeitsbezeichnungen (z.B. Integrationsassistenz, Inklusionsbegleiter einerseits, Pädagogische Assistenz, Schulhelfer andererseits). Die Wunschliste ist lang, doch es fehlt die Entscheidung, ob die Schulassistenten die Arbeit der Schulbegleitungen übernehmen werden. Wenn Eltern eine Schulbegleitung beantragen wollen beim jeweiligen Sozialdienst, werden sie u.U. weiterverwiesen an das Land. Das mag dann richtig sein, wenn es um rein pädagogische Hilfen geht. Doch Hilfen zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung sind Sache der Eingliederungshilfe; dazu zählen u.a. Unterstützte Kommunikation, Ermöglichung der Teilhabe und Teilnahme am Bildungsgeschehen (d.h. Unterricht und sonstige Aktivitäten im Schulleben), Unterstützung bei der Strukturierung des Schulalltags, Hilfestellung in Stresssituationen, Begleitung bei der sozialen Teilhabe am Gruppengeschehen und grundpflegerische Hilfen.

CGS






Wollen Sie mit mir in Kontakt treten oder Ihre Meinung sagen? Hinterlassen Sie einen Kommentar.

Mittwoch, 13. Mai 2015

Noch mehr Störfeuer zum BTG

Am 19.3.2015 hatte ich über ein Vorhaben aus dem Bundesfinanzministerium (BMF) geschrieben, was wohl allen politischen Aktivitäten zu einem Bundesteilhabegesetz (BTG) ein Ende bereiten könnte. In der Folge sahen sich einige Interessenverbände aufgerufen, den politischen Willen zur Entstehung eines solchen Gesetzes zu beschwören. Und tatsächlich bereitet wohl das Bundesarbeitsministerium (BMAS) einen ersten Gesetzentwurf vor. Nun schreibt der Tagesspiegel unter der Überschrift „Wolfgang Schäuble rückt vom Koalitionsvertrag ab“ (Quellenangabe weiter unten):

„Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist von einem sozialpolitischen Kernpunkt des Koalitionsvertrages abgerückt. Es geht dabei um die Eingliederungshilfe für Behinderte. In einem Positionspapier des Finanzministeriums, das als Verhandlungsgrundlage für die laufenden Bund-Länder-Gespräche zu einem neuen Finanzausgleich dient, heißt es, die 'Finanzierungsverantwortung für die Eingliederungshilfe bleibt vollständig dezentral bei Ländern und Kommunen'. Zudem schlägt Schäuble vor, dass die Länder eine 'beschränkte Gesetzgebungskompetenz' bei der Eingliederungshilfe und anderen Sozialleistungen bekommen, bei denen sie Finanzierungsverantwortung haben, wie es in dem Papier weiter heißt.“

Dazu schreibt der Autor weiter, dass der Koalitionsvertrag damit „konterkariert“ wird, und zwar in mehrfacher Hinsicht: Erstens wollte die Koalition die Eingliederungshilfe in ein eigenes Gesetz einbringen und grundlegend neu organisieren (immerhin finanzierten die Länder und Kommunen die Ausgaben hierfür), und zweitens wird eine wenn auch „beschränkte“ Gesetzgebungskompetenz den Wert eines Bundesgesetzes „deutlich mindern“. Dass die angepeilte finanzielle Entlastung von 5 Mrd. Euro noch nicht gelaufen ist, hat anscheinend verwaltungstechnische Gründe. Man plant eine „zielgenaue“ Entlastung, was aber bei der Vielzahl unterschiedlicher Finanzierungskonstruktionen in den Ländern und Kommunen problematisch erscheint. Und weil hier nichts passiert, gibt es aus einigen Ländern entsprechende Kritik.

Am Beispiel von Schleswig-Holstein (Beitrag vom 21.11.2014) hatte ich schon einmal über die gesetzliche Finanzierung der Eingliederungshilfe berichtet. Im Ausführungsgesetz zur Sozialhilfe (AG-SGB XII-SH) ist geregelt, wer in Schleswig-Holstein örtlicher oder überörtlicher Träger der Sozialhilfe ist (§ 1 AG-SGB XII-SH), wer wofür sachlich zuständig ist (§ 2 AG-SGB XII-SH). Dass das aber so ist, hängt ganz entscheidend mit § 3 SGB XII zusammen, in dem steht, dass die Sozialhilfe von Örtlichen und Überörtlichen Trägern zu leisten ist. Hierzu gehören kreisfreie Städte und Kreise, „soweit nicht nach Landesrecht etwas anderes bestimmt wird“ (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB XII).

Im Bereich der Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) gibt es eine finanzielle Erstattungsregelung. In § 46 a Abs. 1 SGB XII ist bestimmt, dass der Bund ab 2014 jeweils 100 % der geldlichen Nettoausgaben für Grundsicherungsleistungen erstattet. Die Länder gewährleisten, dass die Ausgaben „begründet und belegt“ sind und sie liefern einen Nachweis an das BMAS.

Damit stellt sich die Frage, was in dem Vorschlag des BMF stehen wird. Plant man eine Regelung analog zu den Bestimmungen im 4. Kapitel? Und was spricht denn gegen eine völlige Herauslösung aus dem SGB XII?

Noch immer wird argumentiert, dass die Eingliederungshilfe eine „hohe Kostendynamik“ entfalte. Der Artikel verweist auf den Deutschen Städtetag, welcher die Kosten bis 2020 auf 21,6 Mrd. Euro einschätzt – in 2012 zahlten Länder und Kommunen insgesamt 16,5 Mrd. Euro, d.h. im Durchschnitt wurden pro Leistungsberechtigten 16.000 Euro im Jahr aufgewendet (Bandbreite 9.000 bis 25.000 Euro).

Schätzungen sind legitim, doch keiner kann derzeit sagen, ob sich die Zahlen wirklich so entwickeln. Schon vor langer Zeit hatte ich mir diese Frage gestellt und eigene Berechnungen angestellt (nachfolgend nur die groben Ergebnisse aus meinem Beitrag vom 21.8.2014: „Die Kosten der Eingliederungshilfe steigen. Stimmt das?“). Betrachtet man die Gesamtausgaben von 2000 und 2010, ergibt sich eine Ausgabensteigerung um knapp 50 %. Doch weil gleichzeitig auch der Kreis der Leistungsberechtigten um 52 % gestiegen ist, hat man im Durchschnitt eine Kostensenkung – und die Auswirkungen von Inflation und Gehaltssteigerungen sind in den Ergebnissen noch gar nicht berücksichtigt worden!

Könnte also an dem kommenden Vorschlag möglicherweise etwas „Gutes“ sein oder handelt es sich um den letzten Versuch, die Debatte um ein Bundesgesetz, welches möglicherweise die Umsetzung der Forderungen aus der UN-BRK beschleunigt, abzuschaffen? Ein Störfeuer.

CGS









Montag, 11. Mai 2015

Stunden sind nicht gleich Stunden

Es entspinnt sich ein Streit darüber, ob die „bewilligten“ Stunden, auf die ein Leistungsberechtigter ausweislich des Leistungsbescheids des Sozialhilfeträgers (Leistungsträgers) Anspruch haben soll, tatsächlich vom Träger der Einrichtung (Leistungserbringer) zu leisten sind. Hierüber entstehen heftige Debatten u.a. zwischen Eltern von Leistungsberechtigten und den Einrichtungsleitungen. Wer hat Recht?

Es geht zuerst einmal um Bedarfe, die in der Gesamtplankonferenz nach § 58 SGB XII festgestellt werden. Es ist dabei Sache des Sozialhilfeträgers, den Gesamtplan zur Durchführung der einzelnen Leistungen aufzustellen, wobei der Leistungsberechtigte die Möglichkeit erhält, seine persönlichen Wünsche einzubringen. Dass es überhaupt zu einer Gesamtplankonferenz kommt, hat etwas damit zu tun, dass der Leistungsberechtigte einen gesetzlich verankerten Leistungsanspruch geltend machen kann gegenüber dem Sozialhilfeträger (§§ 53, 54 SGB XII).

Es geht in solchen Konferenzen aber nicht um Quantitäten, sondern um qualitative Inhalte. Als Leistungsberechtigter hat man keineswegs einen Anspruch auf eine bestimmte Menge an Leistung, sondern an die Bedarfsdeckung eines Hilfebedarfes. Darum heißt es in § 9 Abs. 1 SGB XII: 
„Die Leistungen richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt.“
Alles zusammen wird dann in einem Individuellen Hilfeplan (IHP) beschrieben und mit einem Leistungsumfang seitens des Sozialhilfeträgers bemessen. Dieser Leistungsumfang richtet sich nach den Einschätzungen, die der Sozialhilfeträger aus der Gesamtplankonferenz gewonnen hat und die mit ähnlich gelagerten Fällen verglichen werden können – d.h. Gruppen von Leistungsberechtigten mit vergleichbaren Bedarfen (vgl. auch § 76 Abs. 2 SGB XII).

Während bis zum Übergangsdatum 30.6.2015 noch sogenannte Hilfeempfänger- oder Hilfebedarfsgruppen (bisher 5) als probate Kategorisierungen herhalten mussten, werden es demnächst Leistungsstufen bzw. Leistungsgruppen (nunmehr 4) sein. Wesentliche Neuerung ist bei dieser Änderung, dass man von Tagessätzen auf Stundensätzen wechselt.

Anscheinend wurde nun bekannt, wie viele Stunden sich hinter jeder Leistungsstufe bzw. Leistungsgruppe verbergen. Die Eltern von Leistungsberechtigten folgern daraus, dass diese Stundenzahl, umgerechnet in Wochenstunden, direkt vom Träger der Einrichtung zu erbringen ist. Einen solchen Anspruch gibt es nicht, retournieren die Einrichtungsleitungen, da auch sogenannte Hintergrund- und Allgemeindienste abgedeckt werden müssen. Dahinter verbergen sich wiederum solche Dienste, zu denen die Bereitstellung, Organisation, Dokumentation und Planung  der Leistungen gehören. Außerdem muss eine jede Einrichtung Personalressourcen so verwalten, damit über das Jahr gesehen Urlaubs- und Krankheitszeiten, auch die plötzliche Bereithaltung eines Notdienstes bei Krankheit des Bewohners, abgedeckt werden. Würde man starr und unflexibel verfahren und beständig beispielsweise 14 Wochenstunden „am Mann“ ableisten, könnten akute Hilfebedarfe nicht mehr abgedeckt werden.

Es handelt sich also bei diesen Stunden-Mengen um standardisierte Kalkulationsgrößen, die so auch vom Gesetzgeber in § 76 Abs. 2 SGB XII gewollt worden sind. Dies hat etwas mit gegenseitiger Deckungsfähigkeit zu tun. Zu diesem Begriff heißt es in der Wikipedia: 
„Deckungsfähigkeit ist ein Begriff aus dem Haushaltsrecht und bedeutet, dass Ausgaben ist im Haushaltsrecht öffentlicher Haushalte ein Instrument, mit dessen Hilfe die sachliche Bindung einzelner Ausgaben an den vorgegebenen Ausgabentitel durchbrochen werden kann, um bei einem Haushaltstitel mehr Ausgaben zu leisten als im Haushaltsplan veranschlagt oder zugewiesen wurde, was jedoch Einsparungen bei einem oder mehreren anderen Titeln voraussetzt.“
(Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Deckungsfähigkeit)


Also:

Die so bewilligten Stunden sind als eine Kalkulationsgröße für die Ermittlung der Vergütung zu verstehen und nicht als die tatsächlich zu erbringende Leistungsmenge, ausgedrückt in Stunden am Leistungsberechtigten.

Es ist verständlich, dass viele Eltern dies anders sehen wollen, denn eine bestimmte Menge kann leichter kontrolliert werden, als ein umschriebener (abstrakter) Hilfebedarf.

CGS





Freitag, 8. Mai 2015

Die Behindertenhilfe wird ebenfalls bestreikt (Tarifrunde 2015)

Seit heute, 8.5.2015, werden neben Kindertagesstätten und der schulischen Ganztagsbetreuung nun auch Einrichtungen der Behindertenhilfe unbefristet von VERDI bestreikt. Notdienste werden, soweit es geht, eingerichtet und die Versorgung gesichert.

VERDI sieht sich aufgrund eines hohen Zuspruchs von 93,44 % (Angabe der Gewerkschaft) bei der Urabstimmung gut unterstützt. Es geht um nicht weniger als eine Steigerung der Gehälter von rd. 10 % bei den Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienstes. Doch wie teuer diese Forderung die kommunalen Arbeitgeber kommen wird, lässt sich nur sehr grob schätzen und nicht auf die vorgenannte Erhöhung reduzieren. Die Gewerkschaft fordert z.B., dass eine Anrechnung von einschlägiger Berufserfahrung, auch aus anderen Arbeitsverhältnissen erfolgen soll und dass bestimmte Berufe in höhere Entgeltgruppen eingruppiert werden (z.B. Kinderpfleger).

Der Verband der kommunalen Arbeitgeber (VKA) kontert mit den üblichen Vergleichen: Erzieher  würden dann viel besser bezahlt werden, als Handwerker mit einer dreijährigen Ausbildung, Feuerwehrmänner / -frauen und staatlich geprüfte Techniker.

Problematisch an solchen Arbeitskämpfen sind weniger die Streikfolgen und zeitlich befristeten Ausfälle, sondern die bisher nicht refinanzierten Personalkostensteigerungen in den Vergütungen für z.B. die aktuell bestreikten Einrichtungen der Behindertenhilfe. Eine lineare Tabellenentgeltsteigerung könnte man noch ohne weitere Mühen über die Maßnahmepauschale in die Vergütung übernehmen, doch bei Veränderungen in den Eingruppierungsregeln gestaltet sich die Angelegenheit schwieriger. Und dann muss noch bedacht werden, dass die Verhandler in der Vertragskommission SGB XII Vergütungssätze zum 1. Januar eines neuen Jahres verhandelt haben wollen, aber mit unterjährigen Anpassungen nicht umgehen mögen.

CGS


PS:

Bei den bestreikten Einrichtungen der Behindertenhilfe sollte es sich um Tagesförderstätten und Werkstätten für behinderte Menschen handeln, aber nicht um Wohnstätten und Ambulante Dienste. Auch sind aktuell nur drei Anbieter dieser Einrichtungen betroffen.