Der im § 2 SGB XII verfasste „Nachrang der Sozialhilfe“,
auch als Nachranggrundsatz oder Nachrangprinzip bekannt, stellt klar, dass
Sozialhilfeleistungen erst dann erbracht werden müssen, wenn der Hilfebedarf
nicht über andere Leistungsträger (z.B. Angehörigen, Unterhaltspflichtiger oder
Trägern anderer Sozialleistungen) abgedeckt werden kann. Das bedeutet, dass
diese anderen Leistungsträger immer zur Bedarfsdeckung vorrangig herangezogen
werden müssen.
Das LSG NRW hat über die Frage zu entscheiden gehabt, ob die Inanspruchnahme von Leistungen
eines rechtlichen Betreuers Vorrang haben vor Leistungen der
Eingliederungshilfe (Urteil vom 22.12.2014, Az. L 20 SO 236/13).
Nach Auffassung des beklagten Sozialhilfeträgers bestand
kein Leistungsanspruch, weil nach § 2
SGB XII Sozialhilfe derjenige nicht erhalte, welcher „die erforderlichen
Leistungen vom Träger anderer Sozialleistungen oder von anderen Personen bzw. Organisationen
erhalten könne.“ Damit bezieht sich der eigentlich zuständige Sozialhilfeträger
auf den rechtlichen Betreuer und seinen Aufgabenbereich (vgl. hierzu auch §§
1901 und 1902 BGB, aber auch BSG-Urteil vom 2.12.2010, Az. III ZR 19/10).
Weiter heißt es: „So sei seit Juli 2007 eine umfangreiche
rechtliche Betreuung einschließlich eines Einwilligungsvorbehalts für
Vermögensangelegenheiten angeordnet. Der Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge
umfasse die Unterstützung bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen
einschließlich der ärztlichen Versorgung und Beratung. In den Aufgabenbereich
des Betreuers falle zudem die Unterstützung des Klägers im Umgang mit Ämtern
und Behörden sowie die Regelung von Formalitäten im Zusammenhang mit dem
geplanten Schulbesuch. Wie im Hilfeplan beschrieben, nehme der Betreuer
schließlich auch die Aufgabe wahr, den Umgang des Klägers mit seinen
finanziellen Mitteln zu verbessern, indem er ihm das Geld einteile.“
Und dann wird seitens des Sozialhilfeträgers noch eins
draufgesetzt: „Ein Motivationsbedarf zum regelmäßigen Schulbesuch oder eine
Unterstützung bei den mit dem Schulbesuch verbundenen Formalitäten sei nicht
erkennbar. Denn dem Kläger sei es schon in der Vergangenheit bei der Nachholung
des Hauptschulabschlusses gelungen, die Formalitäten in Eigenregie zu
bewältigen und selbständig eine Schule zu besuchen.“
Das erstinstanzliche Sozialgericht entschied dagegen,
dass der Aufgabenkreis eines rechtlichen Betreuers ein ganz anderer sei. Für
die Eingliederungshilfeleistung Betreutes Wohnen (abgekürzt „BeWo“) gelten ganz
andere Zielsetzungen: „Der Betreuer sei im Rahmen seines Aufgabenkreises (nur)
der gesetzliche Vertreter des Betreuten. Dabei habe er zwar den Wünschen des
Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderlaufe (§ 1901
BGB). Motivationsgespräche, die Anleitung zu selbständigem Handeln, das
Aufstellen von Reinigungsplänen u.ä. gehörten allerdings nicht zum Aufgabenbereich
eines Betreuers.“
Das zweitinstanzliche Landessozialgericht stellte dann fest,
dass der „…Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 SGB XII bei Bestellung eines
gesetzlichen Betreuers nicht etwa ein genereller Vorrang der Betreuerleistungen
gegenüber Leistungen des [Betreuten Wohnens]“ einzuräumen ist. Sofern es sich
also nicht um eine „eigenständige Ausschlussnorm“ handelt, sind „… Aufgaben und
Ziele der gesetzlichen Betreuung nach §§ 1896 ff. BGB einerseits und der
Leistungen des [Betreuten Wohnens] anderseits grundsätzlich voneinander zu
unterscheiden. Zwar mögen beide Leistungen ihrer Art nach ineinander übergehen
und sich in Teilbereichen auch überlagern können; systematisch ergeben sich
jedoch komplementäre, aber in der konkreten Zuordnung doch zu unterscheidende
Leistungsbereiche.“
Und: „Im Falle des Klägers sind deshalb für die Abgrenzung
zwischen dem [Betreuten Wohnens] zuzurechnenden Hilfestellungen (ebenso wie bei
anderen, ggf. der Eingliederungshilfe zuzurechnenden Tätigkeiten) und solchen,
die der rechtlichen Betreuung zuzuordnen sind, die jeweiligen Aktivitäten in
den Blick zu nehmen, die mit bzw. für den Kläger tatsächlich durchgeführt
wurden und in die Abrechnung der Beigeladenen eingeflossen sind (dazu
sogleich). Weist insoweit die Betreuungsdokumentation der Beigeladenen nicht
ausschließlich Tätigkeiten aus, welche allein der rechtlichen Unterstützung des
Klägers dienten, so können von vornherein jedenfalls nicht sämtliche erbrachten
Leistungen bereits über die rechtliche Betreuung abzudecken gewesen sein.“
Zusammenfassend kann man sagen, dass beide Gerichte
unterschiedliche Aufgabenkreise ausmachten, die sich zwar berührten und
gelegentlich überlappten, aber grundsätzlich unterschiedlichen Zielen dienten.
Der rechtliche Betreuer „betreut“ nicht im Sinne der Eingliederungshilfe,
sondern er kümmert sich um die rechtlichen Belange und um die rechtliche
Vertretung seines Betreuten.
Interessant ist zudem die Fragestellung, dass es sich bei
§ 2 SGB XII nicht um eine „eigenständige Ausschlussnorm“ handelt. Darunter
verstehe ich zuerst einmal einen Grundsatz, der aufgrund einer anders lautenden
gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmung durchbrochen werden muss. Also: Es
ist alles grundsätzlich ausgeschlossen, aber ein bestimmter, konkreter Sachverhalt
nicht. Oder mit anderen Worten: Wenn etwas nicht ausdrücklich geregelt ist, dann
gibt es das nicht.
Was genau mit dem Begriff gemeint ist, muss wohl noch
weiter herausgearbeitet werden.
Quellen:
(Aufruf am 21.5.2015)
CGS
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