Vor einiger Zeit gab es ein Urteil vom Finanzgericht in Düsseldorf über die Steuerbarkeit von vermeintlich steuerfreien Umsätzen aus dem § 4 UStG. Ein Unternehmer hatte Budgetassistenz ohne Umsatzsteuer abgerechnet an Menschen mit Behinderung, die ihren Leistungsbedarf mithilfe eines Persönlichen Budgets abgedeckt hatten. Aufgrund des Urteils drohte eine Nachberechnung, die bei den Budgetnehmern zur Unsicherheit über mögliche Umsatzsteuer-Nachforderungen führte.
Es können an diesem
Beispiel mehrere Lehren gezogen werden. Unter anderem sind Beratungs- und
Betreuungsleistungen, auch wenn sie sich an einen besonderen Personenkreis
richten, nicht unbedingt umsatzsteuerfreie Leistungen. Und die Vereinbarung
eines Persönlichen Budgets muss nicht immer kostendeckend ausfallen. Dieses
Instrument für mehr Eigenverantwortung und selbstbestimmte Lebensführung bürdet
den Menschen auch das Risiko von Fehlbeträgen auf. Kann man vielleicht mit
einer “Sicherheitsmarge” arbeiten?
Budgetassistenzleistungen nicht steuerbefreit
Das Finanzgericht Düsseldorf urteilte im Jahr 2022, dass
sogenannte Budgetassistenzleistungen im Zusammenhang mit einem Persönlichen
Budget (§ 29 SGB IX) nicht von der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 UStG begünstigt
sind und demzufolge eine Umsatzsteuer vom Leistungserbringer (Kläger im
Verfahren) abzuführen wäre. In den Jahren 2012 bis 2015 war der Kläger als
Unternehmer (§ 2 Abs. 1 UStG) im Inland tätig (§ 3a UStG) und erbrachte gegen
Entgelt Leistungen, die als steuerbare Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
UStG zu werten sind (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 14.12.2022 - 5 K 2911/18
U).
Der Kläger bot Beratungs- und Begleitungsleistungen für
Menschen mit Behinderung und rechnete diese als “Budgetassistenz”
umsatzsteuerfrei ab. Die Abrechnung erfolgte an die Klienten, die die
Leistungen im Wege ihres Persönlichen Budgets (seit 2020: § 29 SGB IX) als
Auftraggeber übernahmen und bezahlten. Der bewilligende Leistungsträger erklärte,
dass die angemessenen Kosten der Budgetassistenz berücksichtigt werden, solange
die Kosten des Gesamtbudgets im Vergleich zu anderen Leistungsanbietern (Kap. 8
SGB IX) nicht überschritten werden. Diese Aussage bedeutet jedoch nicht, dass
die Budgetassistenz tatsächlich Bestandteil des Hilfebedarfs ist, auch wenn bei
der Umsetzung Verwaltungs- und Regiekosten anfallen könnten (siehe weiter
unten).
Der Kläger argumentierte, dass seine Dienstleistungen gem. §
4 Nr. 16 UStG zu den “eng mit der Betreuung oder Pflege körperlich, kognitiv
oder psychisch hilfsbedürftiger Personen verbundenen Leistungen” gehören. Zu
seinem Kundenstamm gehörten anscheinend 45 Personen, so dass eine
Schwerpunktarbeit in diesem Personenkreis mit dem entsprechenden Bedarf gesehen
werden konnte. Allerdings agierte er nicht als eine juristische Person des öffentlichen
Rechts (Buchst. a) oder sonstige Einrichtung (Buchst. b bis m; zu Buchst. n später),
wie es im Gesetz steht. Das Gericht stellte jedoch fest, dass der Begriff “Einrichtung”
weit genug gefasst ist, um auch natürliche Personen und private Einheiten mit
Gewinnerzielungsabsicht einzuschließen (Rd. 154). Eine Anwendung dieser
Steuerbefreiungsvorschrift wäre also möglich, doch das blieb offen.
Des Weiteren wurde vom Gericht erklärt, dass der Kläger “unstreitig”
keine Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. b bis j UStG sei, und
nach dem Wortlaut der Bestimmung in Buchst. n (seit 1.7.2013) nur dann eine wäre,
wenn “im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- und Pflegekosten in
mindestens [25] Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der
Sozialversicherung [usw.] vergütet worden” wären (Rd. 158 - 164). Das war,
insbesondere nach Prüfung der Faktoren, die für die Sozialgrenze von 25 Prozent
von Bedeutung sind (Rd. 171), nicht der Fall. Doch selbst wenn das möglich
gewesen wäre, ist zu bezweifeln, dass der budgetgebende Leistungsträger einen
Etat für die Budgetassistenz zur Verfügung gestellt hatte (Rd. 176). Das
bedeutet, dass die Budgetassistenz vom Bezieher des Persönlichen Budgets frei
und ohne ausdrückliche Anerkennung durch den Leistungsträger beauftragt wurde.
Und es kann darüber hinaus angenommen werden, dass das Persönliche Budget diese
Beauftragung in seiner Höhe ermöglichte.
Da hier keine Steuerbefreiungsvorschrift eingreift, sind die
Umsätze des Klägers umsatzsteuerpflichtig, stellte das Gericht zwar fest, ließ
aber die Revision aufgrund eines beim BFH anhängigen Verfahrens mit dem Az. V R
1/22 zu.
Nachforderungen möglich, Rückgriff unmöglich
Nicht alle vermeintlich steuerfreien Leistungen sind tatsächlich
steuerfrei. Der leistende Unternehmer (Kläger) musste somit die nicht erhobene
Umsatzsteuer abführen. Die allgemeine Verjährungsfrist für steuerliche Ansprüche
beträgt vier Jahre und beginnt mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem die
Steuer entstanden ist.
Aufgrund der Steuerbarkeit mussten demzufolge auch die später
erbrachten Leistungen der Umsatzsteuer unterworfen werden, was vermutlich zu
Nachberechnungen an die Auftraggeber (nämlich die Budgetnehmer bzw.
leistungsberechtigten Menschen) führte. Weil aber gegenüber privaten
Verbrauchern / Auftraggebern die regelmäßige Verjährungsfrist für Ansprüche
drei Jahre beträgt, wäre von daher Eile geboten.
Es besteht durchaus die berechtigte Sorge, dass ein Budgetnehmer als Auftraggeber bei Erhalt einer Rechnung ohne Umsatzsteuer später zur Kasse gebeten wird – sei es, weil sich der leistende Unternehmen vertan hat in den Steuerbefreiungstatbeständen nach § 4 UStG, oder es stellt sich heraus, dass der Unternehmer kein Kleinunternehmer nach § 19 UStG ist. Ein Rückgriff auf den Leistungsträger wird wiederum nicht möglich sein, da mit Auszahlung des Persönlichen Budgets der Anspruch als erfüllt anzusehen ist (vgl. § 29 Abs. 2 Satz 2 SGB IX).
Also am besten gar kein Persönliches Budget vereinbaren? Warum auch?! Man ist nicht dazu gezwungen, man kann einen Antrag stellen. Wenn man irgendwie doch ein Persönliches Budget vereinbaren muss, sind zwei Punkte an der Stelle von Bedeutung:
1. Die Höhe des Persönlichen Budgets “soll [...] die Kosten aller bisher individuell festgestellten Leistungen nicht überschreiten, die ohne das Persönliche Budget zu erbringen sind” (§ 29 Abs. 2 Satz 5 SGB IX). Dieses “soll” verhindert, dass in der Kostenabwägung zwischen den Alternativen keine Deckelung vorherrscht.
2. Die Zielsetzung aus dem allerersten Satz, dass mit dem Persönlichen Budget den leistungsberechtigten Menschen “in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben [ermöglicht wird]”, geht dem Wirtschaftlichkeitsgebot voraus (Abs. 1 Satz 1). Und das bedeutet, dass mögliche Risiken ebenfalls eingepreist werden dürfen.
Wagniszuschläge für Leistungserbringer von besonderen Wohnformen sind ja schließlich auch verhandelbar. Eine „Sicherheitsmarge“ hinzuzunehmen bzw. diese als „Regiebedarf“ oder Verwaltungskosten zu berücksichtigen, sollte schon eine Bedingung sein. Allerdings sind solche Fälle, wie sie vor Gericht verhandelt wurden, nicht die Regel – pauschal gleich 19 Prozent auf derartige Leistungen zu erheben, wäre dann doch wieder etwas vermessen.
CGS
Quellen:
OpenJur
Rechtsprechung: FG Düsseldorf, Urteil vom 14.12.2022 - 5 K
2911/18 U
BMF: Umsatzsteuer-Handausgabe
UStH 2020-2021 - 4.16.3. Einrichtungen nach § 4 Nr. 16 Satz 1…
(letzter Zugriff am 10.4.2025)
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