Mittwoch, 16. April 2025

Das Persönliche Budget und die Tücken der Umsatzsteuer

Vor einiger Zeit gab es ein Urteil vom Finanzgericht in Düsseldorf über die Steuerbarkeit von vermeintlich steuerfreien Umsätzen aus dem § 4 UStG. Ein Unternehmer hatte Budgetassistenz ohne Umsatzsteuer abgerechnet an Menschen mit Behinderung, die ihren Leistungsbedarf mithilfe eines Persönlichen Budgets abgedeckt hatten. Aufgrund des Urteils drohte eine Nachberechnung, die bei den Budgetnehmern zur Unsicherheit über mögliche Umsatzsteuer-Nachforderungen führte.

Es können an diesem Beispiel mehrere Lehren gezogen werden. Unter anderem sind Beratungs- und Betreuungsleistungen, auch wenn sie sich an einen besonderen Personenkreis richten, nicht unbedingt umsatzsteuerfreie Leistungen. Und die Vereinbarung eines Persönlichen Budgets muss nicht immer kostendeckend ausfallen. Dieses Instrument für mehr Eigenverantwortung und selbstbestimmte Lebensführung bürdet den Menschen auch das Risiko von Fehlbeträgen auf. Kann man vielleicht mit einer “Sicherheitsmarge” arbeiten?


Budgetassistenzleistungen nicht steuerbefreit

Das Finanzgericht Düsseldorf urteilte im Jahr 2022, dass sogenannte Budgetassistenzleistungen im Zusammenhang mit einem Persönlichen Budget (§ 29 SGB IX) nicht von der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 UStG begünstigt sind und demzufolge eine Umsatzsteuer vom Leistungserbringer (Kläger im Verfahren) abzuführen wäre. In den Jahren 2012 bis 2015 war der Kläger als Unternehmer (§ 2 Abs. 1 UStG) im Inland tätig (§ 3a UStG) und erbrachte gegen Entgelt Leistungen, die als steuerbare Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG zu werten sind (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 14.12.2022 - 5 K 2911/18 U).

Der Kläger bot Beratungs- und Begleitungsleistungen für Menschen mit Behinderung und rechnete diese als “Budgetassistenz” umsatzsteuerfrei ab. Die Abrechnung erfolgte an die Klienten, die die Leistungen im Wege ihres Persönlichen Budgets (seit 2020: § 29 SGB IX) als Auftraggeber übernahmen und bezahlten. Der bewilligende Leistungsträger erklärte, dass die angemessenen Kosten der Budgetassistenz berücksichtigt werden, solange die Kosten des Gesamtbudgets im Vergleich zu anderen Leistungsanbietern (Kap. 8 SGB IX) nicht überschritten werden. Diese Aussage bedeutet jedoch nicht, dass die Budgetassistenz tatsächlich Bestandteil des Hilfebedarfs ist, auch wenn bei der Umsetzung Verwaltungs- und Regiekosten anfallen könnten (siehe weiter unten).

Der Kläger argumentierte, dass seine Dienstleistungen gem. § 4 Nr. 16 UStG zu den “eng mit der Betreuung oder Pflege körperlich, kognitiv oder psychisch hilfsbedürftiger Personen verbundenen Leistungen” gehören. Zu seinem Kundenstamm gehörten anscheinend 45 Personen, so dass eine Schwerpunktarbeit in diesem Personenkreis mit dem entsprechenden Bedarf gesehen werden konnte. Allerdings agierte er nicht als eine juristische Person des öffentlichen Rechts (Buchst. a) oder sonstige Einrichtung (Buchst. b bis m; zu Buchst. n später), wie es im Gesetz steht. Das Gericht stellte jedoch fest, dass der Begriff “Einrichtung” weit genug gefasst ist, um auch natürliche Personen und private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht einzuschließen (Rd. 154). Eine Anwendung dieser Steuerbefreiungsvorschrift wäre also möglich, doch das blieb offen.

Des Weiteren wurde vom Gericht erklärt, dass der Kläger “unstreitig” keine Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. b bis j UStG sei, und nach dem Wortlaut der Bestimmung in Buchst. n (seit 1.7.2013) nur dann eine wäre, wenn “im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- und Pflegekosten in mindestens [25] Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung [usw.] vergütet worden” wären (Rd. 158 - 164). Das war, insbesondere nach Prüfung der Faktoren, die für die Sozialgrenze von 25 Prozent von Bedeutung sind (Rd. 171), nicht der Fall. Doch selbst wenn das möglich gewesen wäre, ist zu bezweifeln, dass der budgetgebende Leistungsträger einen Etat für die Budgetassistenz zur Verfügung gestellt hatte (Rd. 176). Das bedeutet, dass die Budgetassistenz vom Bezieher des Persönlichen Budgets frei und ohne ausdrückliche Anerkennung durch den Leistungsträger beauftragt wurde. Und es kann darüber hinaus angenommen werden, dass das Persönliche Budget diese Beauftragung in seiner Höhe ermöglichte.

Da hier keine Steuerbefreiungsvorschrift eingreift, sind die Umsätze des Klägers umsatzsteuerpflichtig, stellte das Gericht zwar fest, ließ aber die Revision aufgrund eines beim BFH anhängigen Verfahrens mit dem Az. V R 1/22 zu.

 

Nachforderungen möglich, Rückgriff unmöglich

Nicht alle vermeintlich steuerfreien Leistungen sind tatsächlich steuerfrei. Der leistende Unternehmer (Kläger) musste somit die nicht erhobene Umsatzsteuer abführen. Die allgemeine Verjährungsfrist für steuerliche Ansprüche beträgt vier Jahre und beginnt mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Aufgrund der Steuerbarkeit mussten demzufolge auch die später erbrachten Leistungen der Umsatzsteuer unterworfen werden, was vermutlich zu Nachberechnungen an die Auftraggeber (nämlich die Budgetnehmer bzw. leistungsberechtigten Menschen) führte. Weil aber gegenüber privaten Verbrauchern / Auftraggebern die regelmäßige Verjährungsfrist für Ansprüche drei Jahre beträgt, wäre von daher Eile geboten.

 Es besteht durchaus die berechtigte Sorge, dass ein Budgetnehmer als Auftraggeber bei Erhalt einer Rechnung ohne Umsatzsteuer später zur Kasse gebeten wird – sei es, weil sich der leistende Unternehmen vertan hat in den Steuerbefreiungstatbeständen nach § 4 UStG, oder es stellt sich heraus, dass der Unternehmer kein Kleinunternehmer nach § 19 UStG ist. Ein Rückgriff auf den Leistungsträger wird wiederum nicht möglich sein, da mit Auszahlung des Persönlichen Budgets der Anspruch als erfüllt anzusehen ist (vgl. § 29 Abs. 2 Satz 2 SGB IX). 

Also am besten gar kein Persönliches Budget vereinbaren? Warum auch?! Man ist nicht dazu gezwungen, man kann einen Antrag stellen. Wenn man irgendwie doch ein Persönliches Budget vereinbaren muss, sind zwei Punkte an der Stelle von Bedeutung:

1. Die Höhe des Persönlichen Budgets “soll [...] die Kosten aller bisher individuell festgestellten Leistungen nicht überschreiten, die ohne das Persönliche Budget zu erbringen sind” (§ 29 Abs. 2 Satz 5 SGB IX). Dieses “soll” verhindert, dass in der Kostenabwägung zwischen den Alternativen keine Deckelung vorherrscht. 

2. Die Zielsetzung aus dem allerersten Satz, dass mit dem Persönlichen Budget den leistungsberechtigten Menschen “in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben [ermöglicht wird]”, geht dem Wirtschaftlichkeitsgebot voraus (Abs. 1 Satz 1). Und das bedeutet, dass mögliche Risiken ebenfalls eingepreist werden dürfen.

Wagniszuschläge für Leistungserbringer von besonderen Wohnformen sind ja schließlich auch verhandelbar. Eine „Sicherheitsmarge“ hinzuzunehmen bzw. diese als „Regiebedarf“ oder Verwaltungskosten zu berücksichtigen, sollte schon eine Bedingung sein. Allerdings sind solche Fälle, wie sie vor Gericht verhandelt wurden, nicht die Regel – pauschal gleich 19 Prozent auf derartige Leistungen zu erheben, wäre dann doch wieder etwas vermessen. 

CGS


 

Quellen:


OpenJur

Rechtsprechung: FG Düsseldorf, Urteil vom 14.12.2022 - 5 K 2911/18 U


BMF: Umsatzsteuer-Handausgabe 

UStH 2020-2021 - 4.16.3. Einrichtungen nach § 4 Nr. 16 Satz 1…

 

(letzter Zugriff am 10.4.2025)

 

 

Bild zum Beitrag eigene Aufnahme.

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