Freitag, 11. April 2025

Benötigte QPA-Leistungen durch günstigere EA-Leistungen ersetzen?

Eine gerade stattfindende Diskussion zwischen den Verbänden der Leistungserbringer und der Hamburger Sozialbehörde könnte eine unerwartete Wendung nehmen. Es scheint, dass die Umstellung von stundenbasierten QPA-Leistungen auf die kostengünstigeren EA-Leistungen nur in wenigen Fällen erfolgt ist. QPA steht für Qualifizierte (fach-) pädagogische Assistenz, und mit EA ist eine Einfache Assistenz gemeint.

Doch worum geht es und, ganz besonders, warum ist die Unterscheidung zwischen Anleitung und Übung sowie kompensatorischer Unterstützung so wichtig?

Vielleicht sollten sich die Beteiligten mit dem Gesamtplan auseinandersetzen und den tatsächlichen Bedarf des Menschen herausarbeiten?

 

 

Qualifizierte Pädagogische Assistenz ist eigentlich keine kompensatorische Leistung

Ein möglicher Streitpunkt zwischen den Verbänden der Leistungserbringer und der Hamburger Sozialbehörde könnte sich “in Luft” auflösen, wenn es stimmt, dass die Bewilligungen zu stundenbasierten QPA-Leistungen nur in Einzelfällen abgeändert wurden auf EA-Leistungen. QPA steht für die Qualifizierte Pädagogische Assistenz, die zum Ziel hat, Menschen mit Behinderungen zur eigenständigen Alltagsbewältigung zu befähigen und ggf. in einem begrenzten Zeitraum wie auch klar definierten Bereich Handlungen zur Alltagsbewältigung zu übernehmen. Übernahmen, muss man allerdings hinzufügen, sollten zur Anleitung und zur Übung erfolgen. Sobald dieser Aspekt nicht mehr gegeben ist, braucht es keine qualifizierte Assistenz, sondern eine (günstigere) Einfache Assistenz wäre zu bewilligen. Mit der Einfachen Assistenz wird das nicht vorhandene, aber zur Lebensführung erforderliche Handeln des behinderten Menschen kompensiert.

Die einzelnen Leistungen in den beiden Vereinbarungen gleichen sich, aber die Zielsetzungen sind andere: Anleitung und Übung versus kompensatorische, stellvertretende Übernahme von Erledigungen. Und QPA-Stundensätze sind wiederum höher (teurer) als EA-Stundensätze – da könnte man durchaus was unterstellen.

In beiden Fällen wird die Sicherstellung der Erforderlichkeit nach den Besonderheiten des Einzelfalls herausgestellt. Das heißt, dass “nach der Art des Bedarfes, den persönlichen Verhältnissen, dem Sozialraum und den eigenen Kräften und Mitteln” sowie Würdigung der “Wohnform” die jeweiligen Leistungen bestimmt werden (§ 104 Abs. 1 SGB IX). Ebenso ist den angemessenen Wünschen des leistungsberechtigten Menschen zu entsprechen (Abs. 2 Satz 1), wobei es wieder Konkretisierungen gibt, was denn nun angemessen ist (Abs. 2 Satz 2).

Was angemessen ist, muss in drei Schritten geprüft werden. Zuerst müssen mit dem Leistungsberechtigten die Teilhabeziele und alle zur Zielerreichung benötigten Leistungen betrachtet werden. Sofern es jedoch Alternativen zu den gewünschten Leistungen gibt, muss die Vergleichbarkeit geklärt, die Verfügbarkeit geprüft und die Zumutbarkeit festgestellt werden (fehlt es daran, sollte man das Nicht-Vorhandensein bzw. die Unzumutbarkeit dokumentieren). Zwischen den gewünschten Leistungen und den vergleichbaren, verfügbaren und zumutbaren Alternativen wäre dann per Kostenvergleich abzuwägen. Nur wenn die gewünschten Leistungen unverhältnismäßig die Kosten für die Alternativen übersteigen (Abs. 2 Satz 2 Nr. 1), wäre die Bewilligung auf die niedrigeren Kosten zu begrenzen.

Verfügbar bezieht sich übrigens auf Leistungen von Leistungserbringern, die nach Kapitel 8 SGB IX eine Vereinbarung genau darüber haben (vgl. § 13 SGB IX a.F. zum Grundsatz “ambulant vor stationär”).

 

Qualifizierte Pädagogische Assistenz ist eigentlich eine zeitlich befristete Leistung

In der Fachanweisung zu § 113 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX (Stand 20.1.2021) zur Qualifizierten Pädagogischen Assistenz (ehemals PBW) hatte die Hamburger Sozialbehörde zu den Zielen der Leistung geschrieben, dass QPA-Leistungen „befristet [sind] auf bis zu zwei Jahre“ (Ziffer 1). Und  weiter heißt es, dass diese Leistungen “den baldigen Bezug oder das Wohnen in einer Wohnung bzw. einem Haus” voraussetzen sowie “eine selbstständige und unabhängige Lebensweise im eigenen Wohnraum erreicht werden soll”. Darum ist diese höherwertige Leistung auf zwei Jahre befristet. Würde es sich um ein Wohnen in einer Wohngemeinschaft handeln, bei der eine längerfristige bzw. dauerhafte Unterstützung der Menschen zu sichern ist, würde eine andere Fachanweisung zu beachten sein. Damit wird herausgestellt, dass QPA-Leistungen nur vorübergehend sein sollen und nicht auf Dauer ausgelegt sein können.

Wenn aber die zwei Jahre verstrichen sind und der Bedarf nach wie vor besteht, kann es dann noch eine Folgebefürwortung geben? Eine Fristsetzung kann eigentlich nicht die Leistungsziele aus dem Gesamtplanverfahren „übertrumpfen“. Ein solches Denken würde den übergeordneten Zielen des SGB IX zuwider sprechen und eine Drucksituation für die leistungsberechtigten Menschen bedeuten. Übergeordnetes Ziel der Eingliederungshilfe ist es, leistungsberechtigten Menschen eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht (vgl. dazu§ 90 Abs. 1 SGB IX und Fachanweisung zu § 90 SGB IX). Solange also der vorhandene Gesamtplan keine neuen Zielsetzungen benennt, kann ein Wechsel in die andere Leistung nicht begründet werden.

Auch die Leistungserbringer hätten ein Problem, weil sie den Klienten weiterhin begleiten und unterstützen wollen, aber bei einem Wechsel zu den (billigeren) EA-Leistungen nicht die Bezahlung für die Fachkraft erhalten werden.

Es soll sich wohl um Einzelfälle handeln, heißt es. Und dann wieder kennt man Geschichten, da haben einige langjährige Klienten quasi einen Besitzstand zuerkannt bekommen.

CGS

 

 

P.S.

In der Leistungsvereinbarung zur einfachen Assistenz (Stand 20.2.2025) findet sich zudem noch der Absatz, dass bei gleichzeitiger Wohnraumvermietung durch den Leistungserbringer die Verträge zum Mietvertrag und Betreuung nicht gekoppelt werden dürfen. Das war schon vor etwa dreieinhalb Jahren ein großes Thema, ist aber von den Verbänden nicht gelöst worden – die Sozialbehörde hat sich wohl durchgesetzt.

Eine Kopplung dieser Verträge könnten sich soziale Unternehmen immer dann wünschen, wenn man mit der Vermietung des Wohnraums keine Kostendeckung erzielt, sie aber für die Unterstützung des Klienten benötigt.

Mit dem WBVG hat der Gesetzgeber den Verbraucherschutz gestärkt, wenn eine Abhängigkeit zwischen den beiden Leistungen des Wohnens (zur Miete) und der Pflege- oder Betreuungsleistung (Fachleistung) vorhanden ist. Selbst wenn es zwei unterschiedliche Verträge gibt, wenn bei der Gesamtbetrachtung der Umstände ein Eindruck entsteht, dass der eine Vertrag nur deswegen besteht, weil es den anderen gibt, hat man eine Kopplung. Von einer Kopplung kann man jedoch nicht sprechen, wenn die vermietende Partei „ausschließlich die Erbringung von allgemeinen Unterstützungsleistungen wie die Vermittlung von Pflege- oder Betreuungsleistungen, Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung oder Notrufdienste zum Gegenstand hat.“ (§ 1 Abs. 1 S. 3 WBVG).

Das wiederum passt in das Bild, welches die Leistungsvereinbarung über einfache Assistenz verfolgt. Doch weil es dann im Abschnitt bei § 2 heißt, dass eine Koppelung der Verträge “nicht zulässig” ist, ist es schon eine sehr merkwürdige Formulierung, die nicht wirklich hilft.

 

 

Weitere Quelle:

Eigener Beitrag vom 16.9.2021

Neue Mustervereinbarung zu Leistungen der Eingliederungshilfe in Hamburg – vorerst letzte Fortsetzung

 

 

 

Bild zum Beitrag eigene Aufnahme.

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