Dienstag, 27. Juni 2017

Leistungsbescheide der Hamburger Sozialbehörde an Menschen mit dem Bedarf an Eingliederungshilfe

Leistungsbescheide an Menschen, die aufgrund ihrer besonderen Einschränkungen einen dauerhaften Bedarf an Eingliederungshilfe haben, sind von Landkreis zu Landkreis und Bundesland zu Bundesland höchst „individuell“. In vielen Fällen scheint man sich es einfach zu machen und versendet einen zweiseitigen Verwaltungsakt. Doch die Hamburger machen es anders, denn da werden sehr häufig 7 Seiten Text verschickt.  

Aus datenschutzrechtlichen Gründen schickt die Hamburger Sozialbehörde Bescheide über bewilligte Sozialleistungen (speziell jetzt zu Leistungen der Eingliederungshilfe) nicht an die Träger von Einrichtungen im Hamburger Stadtgebiet – den sogenannten Leistungserbringern. In einigen (und doch vielen) Fällen kommt es dennoch vor.

Was sich im Leistungsbescheid findet

Der Leistungsbescheid stellt einen Verwaltungsakt dar, der klar benennt, bis wann eine Leistung von der Behörde bewilligt wird. Allerdings kommt es häufig genug vor, dass das Ablaufdatum im Bescheid auf dem Monatsletzten des Folgemonats liegt. Das bedeutet zwar nicht, dass in einem solchen Fall die Bewilligung tatsächlich endet, vielmehr will die Behörde nur herausstellen, dass die Bewilligung automatisch enden kann, wenn der Hilfebedarf des Leistungsberechtigten nicht mehr besteht. Ein Leistungsberechtigter soll nicht erwarten, dass die Hilfeleistung bis in alle Ewigkeit so weitergeht.

Es gibt allerdings auch Leistungsbescheide, die über einen sehr langen Zeitraum ausgestellt worden sind. Warum hier die Praxis eine andere ist, hat wohl mit vielen Faktoren zu tun, die dem Außenstehenden nicht bekannt gemacht werden sollen. Man kann vermuten, dass die bewilligende Stelle eine gewisse Dauerhaftigkeit sieht und sich so den Papierkram erspart.

Parallel zum Leistungsbescheid wird eine Fristenmitteilung an den Leistungserbringer versendet, damit klar gestellt wird, wann ein Sozial- und Verlaufsbericht (SVB) / Entwicklungs- und Teilhabebericht von diesem eingereicht werden muss. Üblicherweise liegt die Frist bei sechs Wochen vor dem eigentlichen Ablaufdatum der Leistungsbewilligung. Letzteres ist aber nicht zwingend bekannt und es kann sogar sein, dass das Ablaufdatum auf dem Leistungsbescheid quasi „unmittelbar“ endet, während das Berichtsdatum weit in der Zukunft liegt.

Mitwirkung im Verfahren

Im Leistungsbescheid steht, dass der Leistungsberechtigte zur Mitwirkung gesetzlich verpflichtet ist und eine Kopie des Bescheids an den Leistungserbringer geben soll. Und tatsächlich benötigt der Leistungserbringer den Leistungsbescheid, weil nur aus dem der Umfang der Leistungserbringung abgelesen werden kann bzw. sich im Vergleich zum Gesamtplan (§ 58 SGB XII) bestätigt. Es kann schließlich vorkommen, dass trotz Kenntnis des Gesamtplans – aus vielleicht technischen Gründen – eine Änderung in der Hilfebedarfsgruppe / Leistungsstufe stattgefunden hat.

Der Leistungsbescheid ist als die entscheidende Unterlage anzusehen für den „Geldfluss“. Wurde ein Ablaufdatum erreicht oder gab es eine Änderung im bewilligten Leistungsumfang, reduziert sich prompt die Zahlung an die Leistungserbringer (bei AWG und klassisch stationär). Weil sich dann aus solchen Begebenheiten viele Rückfragen ergeben, müssen die Leistungserbringer „hinterher“ sein und ständig die Leistungsbescheide abfordern.

Im Leistungsbescheid findet sich der Hinweis, dass eine weitere Bewilligung  eine „erneute Antragstellung“ voraussetzt. Der Antrag soll zusammen mit dem Bericht über den Leistungsbezug (Leistungsnachweis) bzw. einem Bericht „hinsichtlich der mit der Hilfe erreichten (Teil-) Ziele“ (das ist der Sozial- und Verlaufsbericht bzw. Entwicklungs- und Teilhabebericht) eingereicht werden. Auch wenn dieser Bericht vom Leistungsberechtigten mit unterschrieben wird, es handelt sich nicht um einen gemeinsamen Antrag! Antragsteller ist ausschließlich der Leistungsbezieher, also der behinderte Mensch, welcher bestenfalls von seinem rechtlichen Betreuer vertreten wird, aber keinesfalls der Leistungserbringer.

Der Antrag soll gestellt werden „spätestens 6 Wochen vor Ablauf des Bewilligungszeitraums“. Das ist eine Standard-Floskel, die eigentlich mit der Fristenmitteilung (von oben) an den Leistungserbringer übereinstimmen soll. Wenn der Bericht vom Leistungserbringer erstellt worden ist, hat der Leistungsberechtigte bzw. sein rechtlicher Betreuer diesen zu unterschreiben und einzuschicken (in einigen Fällen geschieht das Verschicken durch den Leistungserbringer, hin und wieder sogar ohne Einsichtnahme und Unterschrift des Leistungsberechtigten).

Das Hin- und Herschicken erfolgt manchmal direkt an den Leistungserbringer, wobei im Adressfeld häufig nur „c/o“ eingetragen ist, der Empfänger aber – ganz oben – der Leistungsberechtigte ist. Hier ist das Briefgeheimnis  zu beachten (§ 202 StGB). Ein behördliches Schreiben darf keinesfalls von Mitarbeitern der Einrichtung ohne ausdrückliches Einverständnis des Leistungsberechtigten oder des rechtlichen Betreuers geöffnet und eingesehen werden.

Die formlose Weiterbewilligung?

Wenn neue Leistungsbescheide mit abweichenden Daten erstellt werden, müssten die alten Bescheide, bei denen es sich auch um Verwaltungsakte handelt, formal aufgehoben werden. Weil aber übergeordnet immer der Bedarf zu sehen ist und die Bewilligung somit nicht „automatisch“ enden darf, handelt es sich in der Praxis um einen Formfehler ohne wesentliche Auswirkungen. Allenfalls bei Änderungen, die sich auf den Umfang der Leistungen beziehen, wäre ein solcher Formfehler vielleicht relevant.

Dass überhaupt neue Leistungsbescheide ausgestellt werden, ist nicht zwingende Voraussetzung für die kontinuierliche Leistungserbringung. Nach § 33 SGB X können Verwaltungsakte schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise (z.B. „stillschweigend“) erlassen werden. Was es dazu braucht, ist lediglich ein berechtigtes Interesse und ein unverzügliches Verlangen des Betroffenen (Abs. 2). Doch auch selbst das wird häufig genug in der Praxis ganz einfach angenommen.

Auf der letzten Seite findet sich dann endlich der Leistungsumfang, der eigentlich keine verständlichen Informationen bereithält. Bei ambulanten Leistungen, die auf Stundenbasis erfolgen, wird noch ein Stundensatz und die Anzahl der wöchentlichen Stunden bekannt gegeben, doch bei Leistungen, die monatlich abgerechnet werden, findet sich allenfalls die Hilfebedarfsgruppe oder eine Leistungsstufe. Was diese Angaben konkret bedeuten, kann nur jemand einschätzen, der den Gesamtplan und die Kalkulationsgrundlagen kennt.

Der Gesamtplan enthält zwar Angaben zu den Leistungsarten, bestenfalls auch etwas zur Intensität der Leistungsbemessung, wie viele Stunden wöchentlich wirklich bewilligt sind, kann man höchsten durch Kenntnis der Kalkulationsgrundlagen ableiten. Da aber die Leistung immer personenzentriert und bedarfsorientiert erbracht werden muss, ist dieses Hintergrundwissen nicht wirklich hilfreich.

Es kommen somit vier Blatt Papier zusammen, auf dem viel steht und sehr viel sich stets wiederholt. Allerdings findet sich auf einer der vielen Seiten ein kleiner Absatz, der vielleicht den Grund bekannt gibt, warum ein neuer Leistungsbescheid notwendig war. Betitelt ist dieser Absatz mit dem Hinweis: „Bitte die nachstehenden Angaben unbedingt beachten“. Und das sollte man dann auch tun.


CGS



PS:

Die o.g. „datenschutzrechtlichen Gründe“ sind mir im Detail unbekannt – und damit auch nicht so richtig schlüssig – muss man vielleicht auch nicht wirklich verstehen, denn letztlich kommt es doch auf Hilfeleistung an, oder?

Wer sich aber unter dem Stichwort „Sozialdatenschutz“ etwas zusammenlesen möchte, wird mit Sicherheit auf diese Normen stoßen: §§ 35 SGB I und 78 SGB X.


Und noch ein PS:

Das Thema Gesamtplan wird im nächsten Beitrag behandelt.





Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Helfen Sie mit und bewerten sie diesen.

Wollen Sie mir Ihre Meinung sagen? Ihre Kritik interessiert mich. Vielleicht können Sie mir sogar eine neue Perspektive aufzeigen. Darüber würde ich mich freuen. Meine Email-Adresse finden Sie auf der Seite Über mich.

Empfehlen Sie den Blog weiter.


Leistungsbescheide der Hamburger Sozialbehörde an Menschen mit dem Bedarf an Eingliederungshilfe – eingegliedert.blogspot.com