Mittwoch, 21. Juni 2017

In anderer Sache - Fachlichkeit und Risiko-Betrachtung in der Wirtschaftsprüfung

Und wieder geht es um ein Thema, das anscheinend so gar nichts mit der Eingliederungshilfe zu tun hat. Es geht um eine Pflicht, die gerade von sozialen Unternehmen, die als eine Körperschaft (z.B. im Sinne des GmbHG) eingetragen sind, jährlich erfüllt werden muss: dem Jahresabschluss.

Hier mal ein paar Gedanken dazu, wie man sich dieser Pflicht ein wenig entledigen kann und wen man dazu braucht – vielleicht kann damit auch ein wenig Verständnis generiert werden für die Leute, die offenbar „nur mit Zahlen“ arbeiten und „nie mit Menschen“ im Kontakt stehen - denn es geht schließlich auch um sehr viel!

Pflicht der Geschäftsführung

In der Rechtsform einer GmbH ist ein soziales Unternehmen verpflichtet, einen Jahresabschluss aufzustellen und diesen zu veröffentlichen. Doch dieser Pflicht entledigt man sich nicht so ohne weiteres, sondern man muss die Hilfe verschiedener Fachleute einholen, damit dies gelingt - z.B. Bilanzbuchhalter und Wirtschaftsprüfer.

Die Geschäftsführung ist verantwortlich für die Richtigkeit des Jahresabschlusses. Um für die Prüfung (auch „Audit“ genannt) gut vorbereitet zu sein, müssen unternehmensinterne Ansprechpartner bereitstehen und Nachweise zusammentragen, mit denen dann qualifiziert und uneingeschränkt eine Auskunft an Prüfer erteilt werden kann (§ 320 HGB). Als interne Ansprechpartner eignen sich sehr gut ausgebildete Bilanzbuchhalter, doch auch andere Fachkräfte des Rechnungswesens mit Wissen über die anwendbaren Rechtsgebiete und Gesellschaftsvertrag / Satzung können die Wirtschaftsprüfer bei ihrer Arbeit zur Verfügung stehen.

Die Wirtschaftsprüfer prüfen die im Jahresabschluss befindlichen Behauptungen und vergeben einen Bestätigungsvermerk darüber, dass die gemachten Angaben plausibel sind. Weil am Ende der Prüfung die Veröffentlichung steht, auf die sich dann Behörden und sonstige Stellen beziehen wollen, ist ein „relativ“ hohes Maß an Genauigkeit vonnöten – „relativ“ deswegen, weil ein Wirtschaftsprüfer keine Total-Prüfung mit 100 %iger Genauigkeit leisten kann, sondern sich auf „wesentliche“ Angaben konzentriert.

Ein System der internen Kontrollen

Ganz besonders wird man sich auf Seiten der Wirtschaftsprüfer für das genutzte System von Kontrollen, Methoden und Grundsätzen interessieren. Von daher ist zu diesen Punkten Auskunft zu erteilen:

- Vorhandenseins eines rechnungslegungsbezogenen, internen Kontrollsystems, mit dem unter Einhaltung der Grundsätze ordnungsgemäßen Buchführung (GOB) Maßnahmen zur Verhinderung und Aufdeckung wesentlicher Täuschungen und Vermögensschädigungen möglich sind.

- mögliche Störungen oder wesentliche Mängel eines solchen internen Kontrollsystems.

- Zugriffsmöglichkeiten auf sämtliche Bücher und Schriften des Unternehmens in Bezug auf die Geschäftsvorfälle, die zum Jahresabschluss geführt haben - hierzu gehören auch IT-gestützte Datenbestände.

- Änderungen des Buchführungssystems und der Anwendung von Buchungsregeln / Methoden / Rechnungslegungsgrundsätzen sowie auch Darlegung, welche Mitarbeiter (und sonstigen Dienstleister) mit dem Buchführungssystem gearbeitet bzw. Einfluss auf die Daten gehabt haben.

Das System der internen Kontrollen bildet eine Grundlage, auf der sich dann ein Vertrauen in die Zahlen des Jahresabschlusses ergeben kann. Für die Wirtschaftsprüfer ist dies sehr wichtig, weil ein erheblicher Anteil an Prüfungsarbeit nicht mehr detailliert und exakt zu erfolgen hat, sondern mit analytischen Methoden unternommen werden kann. Analytisch bedeutet, dass man z.B. die im Lagebericht enthaltenen Informationen für die Plausibilisierung von umfangreichen Datenbeständen verwendet. Man unterstellt sozusagen eine Kausalität zwischen den einzelnen Berichtsteilen.

Rahmenbedingungen und eigentümliche Geschäftsvorfälle

Im Lagebericht sollten dann die wirtschaftlichen Grundlagen dargestellt werden. Es ist hilfreich für Dritte, wenn dabei auch die Rahmenbedingungen, sozusagen der Wirtschaftsbereich bzw. die makroökonomische Vorgaben, beschrieben werden. Doch es ist auch wichtig, den betrieblichen Fortbestand auf der Grundlage der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage darzustellen (§ 264 Abs. 2 HGB) - sowohl für das Berichtsjahr, wie auch im Hinblick auf Zeiten nach dem Abschlussstichtag (aber nur bis zum Beginn der Prüfung geht das).

Vielfach ergeben sich Geschäftsvorfälle, die mit sehr eigentümlichen, aber völlig legalen Mitteln, vertraglich ausgestaltet werden. Es wird in solchen Momenten leider häufig vergessen, dass solche Gestaltungen den Wirtschaftsprüfern zu berichten sind. Es müssen dann umfangreiche Nachweise und ggf. sogar Berechnungen durchgeführt werden, um den Geschäftsvorfall und seine Auswirkungen auf den Jahresabschluss besser zu erläutern. Von daher sollten die internen Ansprechpartner hierüber gut Bescheid wissen:

- relevante Ereignisse nach Abschlussstichtag.

-  verbundene Unternehmen und sonstige Personen.

-  Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten (sogar Eventualverbindlichkeiten) ggü. sowie Geschäfte mit verbundenen Unternehmen und Personen (dazu zählen dann auch Gesellschafter).

-  nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommene (wesentliche) Geschäfte.

-  Bürgschaften, Wechsel und Gewährleistungen

-  Sonstige Verträge (auch zugunsten Dritter), die nicht aus dem Jahresabschluss ersichtlich sind (und die Finanzlage betreffen können).

-  Besicherungen und Pfandrechte auf Vermögensgegenstände.

-  Sonstige Haftungsverhältnisse (vgl. § 285 HGB) und Verträge mit Vertragsstrafen.

-  Rückgabeverpflichtungen auf Vermögensgegenstände (auch Leasing).

-  (Derivative) Finanzinstrumente, auch mit Fremdwährungen (vgl. auch § 254 HGB).

-  Rechtsstreitigkeiten (auch solche, die sich dazu entwickeln können).

-  Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften und Satzungen von Mitarbeitern, des Unternehmens oder seiner Organe.

-  Inanspruchnahme der Schutzklausel nach § 286 HGB bzw. § 160 Abs. 2 AktG.

-  Angaben zu erwarteten Entwicklungen nach § 289 HGB.

-  weitere wesentliche Chancen und Risiken.

Sind die vom sozialen Unternehmen benannten, Auskunft gebenden Personen nicht in der Lage, über diese vorgenannten Punkte zu informieren und zu belegen, würde dies das Risiko für den Prüfer deutlich erhöhen. Und je höher das Risiko oder je vorsichtiger die Risikoeinschätzung, umso höher der Prüfungsumfang und die Kosten.

Audit-Risiko, engl. „Audit-Risk“

Ein Wirtschaftsprüfer wird sich zuerst einmal immer die Frage stellen, wie hoch das Risiko anzusetzen ist für eine "wesentliche, materielle" Fehleinschätzung in Bezug auf das Unternehmen (RMM). Dieses ergibt sich einerseits aus dem inhärenten Risiko (IR) der Vermögensgegenstände oder des Unternehmens und andererseits dem Kontrollrisiko (CR). Ein Beispiel: Bargeld hätte ein höheres IR, weil es begehrt ist und schnell mal gestohlen werden kann. Damit dies nicht passiert, müssen Kassenbestände immer von anderen nach dem Vier-Augen-Prinzip geprüft werden. Wenn eine solche Kontrolle zur Anwendung kommt, verringert sich das CR. Ansonsten hätte man in der Bilanz einen Betrag für die Position "Kasse" ausgewiesen, der nicht stimmt. Ein anderes Beispiel: Ein Produktionsbetrieb unterliegt einem höheren Risiko für Ausfälle und Schwund, als eine Verwaltungsgesellschaft oder ein soziales Unternehmen. Seitens der Prüfer wird also immer ein großes Interesse an den Tag gelegt, wenn es um Kontrollsysteme geht - und hier kann das Unternehmen aktiv an der Reduzierung des Risikos arbeiten, in dem es ein gut funktionierendes Kontrollsystem betreibt.

Die nächste Frage betrifft dann, wie ein möglicher Fehler aufgedeckt werden kann (DR). Hierzu wird der Prüfer einerseits analytisch vorgehen (AP) und andererseits sich Nachweise geben lassen (TD). Die erstere Prozedur ist recht schnell erledigt, weil man hier Annahmen zugrunde legt, Vergleiche zieht und Abweichungen plausibilisiert. Doch die zweite Prozedur ist sehr zeitaufwändig und erfordert eine erhöhte Prüfungstätigkeit, was sich sogleich auf dauerhaft höhere Prüfungsgebühren niederschlägt. In der Regel versucht man als Prüfer den Bedarf an solchen Prüfungshandlungen möglichst gering zu halten. In den ersten Gesprächen kristallisiert sich ohnehin heraus, welche Änderungen zum Vorjahr zu einem wesentlich veränderten Jahresabschluss geführt haben. Von daher sollte ein Unternehmen aktiv an einer verbesserten Belegbarkeit der Geschäftsvorfälle arbeiten und ein sehr gutes Fach- und Arbeitswissen der benannten, Auskunft gebenden Mitarbeiter ermöglichen.

Beides zusammen sollte dann unter dem noch tragfähigen Fehler der Wirtschaftsprüfer liegen (AR, Audit Risk). Ist dies nicht der Fall und wenn das Unternehmen nicht mitarbeiten sollte, wird es keinen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk geben.

Passiert so etwas, dann steht auch die „Gemeinnützigkeit“ auf dem Spiel.

CGS






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