Samstag, 10. Juni 2017

Eine (schieflagige) Klarstellung des BMAS zu Führungszeugnissen

In dieser Sache hat es kürzlich eine „Klarstellung“ gegeben. Verbände der Leistungserbringer diskutierten untereinander anscheinend sehr kontrovers, inwieweit Mitarbeiter von Pflegediensten und Pflegeeinrichtungen ein Führungszeugnis benötigen. Die Diskussion kam nun auf in Folge der neuen Vorschrift in § 75 Abs. 2 SGB XII und weil die Hilfen zur Pflege gem. SGB XII von Pflegediensten erbracht und von Sozialhilfeträgern (nicht Pflegekassen) gezahlt werden. Da eine gleichlautende Vorschrift im SGB XI (Soziale Pflegeversicherung) fehlt, wandte man sich an das BMAS und bat um Klarstellung.

(Das Folgende ist leider sehr §-lastig geworden. Ich bedaure, wenn sich dadurch das Lesen erschwert.)

Für den Rechtsbereich der Sozialhilfe hatte der Gesetzgeber mit dem Bundesteilhabegesetz den § 75 Abs. 2 SGB XII erweitert um den Anspruch eines Führungszeugnisses für Mitarbeiter und ehrenamtlich Tätige bei Leistungserbringern. Damit sollte der hohen Schutzbedürftigkeit von Menschen mit geistiger Behinderung, die zum Personenkreis nach § 53 SGB XII gehören, ausreichend Rechnung getragen werden; man erinnere sich nur an die Veröffentlichungen vom „Team Wallraff“.

Seitdem gibt es viel Verwaltungsaufwand, weil alle Beschäftigten, die irgendwie Kontakt zu diesen Menschen haben, sei es Mitarbeiter im Betreuungsdienst, Hauswirtschafter, Hausmeister oder sogar Ehrenamtliche, ein solches Führungszeugnis einholen müssen (vgl. auch meinen Beitrag vom 19.4.2017). Im Rechtsbereich der Pflegeversicherung fehlt dagegen eine solche Vorschrift (vgl. § 71 SGB XI).

Das BMAS hat jetzt ausgeführt, dass zugelassene Pflegedienste und andere Einrichtungen mit Vereinbarungen gem. § 72 SGB XI nicht von dieser Neuregelung betroffen sind. In der „Klarstellung“ des BMAS bezieht man sich auf die sogenannte Hilfen zur Pflege (§§ 61 bis 66 SGB XII), welche von Pflegediensten erbracht werden. Zu diesen Hilfen gehören u.a. die häusliche Pflegehilfe, Verhinderungspflege, Hilfsmittel und Verbesserungen des Wohnumfeldes, Kurzzeitpflege, Teil- und Stationäre Pflege wie auch div. Geldleistungen, mit denen man sich solche Leistungen quasi „einkaufen“ kann. Leistungsträger sind die Kommunen als Träger der Sozialhilfe, soweit für die vorgenannten Leistungen kein Anspruch aufgrund von anderen Rechtsvorschriften (z.B. der Sozialen Pflegeversicherung, SGB XI) gegen andere Leistungsträger (z.B. Pflegekassen) besteht - Sozialhilfe ist schließlich nachrangig.

Was dagegen die Pflegekassen übernehmen, findet sich in § 28 XI. Vieles erscheint in Bezug auf die vorgenannten Hilfen zur Pflege „doppelt“. Man muss jetzt allerdings vorausschicken, dass die Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung eine Art Grundsicherung darstellen, während die Hilfen zur Pflege gem. SGB XII „bedarfsdeckend“ zu leisten sind. Zudem gab es in früheren Zeiten eine „Pflegestufe 0“ insbesondere für Menschen mit besonderen und dauerhaften Einschränkungen, die vielleicht noch zusätzlich Leistungen der Eingliederungshilfe in Anspruch nehmen konnten.

Für diese Leistungserbringung soll der Sozialhilfeträger nun keine eigenen Einrichtungen oder Dienste neu schaffen, sondern Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII mit Trägern von solchen abschließen. Doch entsprechende Vereinbarungen können nur dann abgeschlossen werden, wenn diese Träger als "geeignet" angesehen werden können; d.h. die Leistungsfähigkeit und die Einhaltung der Leistungsgrundsätze sind gesichert. Mit dem Bundesteilhabegesetz wurde an dieser Stelle die sogenannte Geeignetheit weiter ausgeführt und die Bedingung eines Führungszeugnisses eingeführt. Wenn also ein Pflegedienst Hilfen zur Pflege erbringen und abrechnen will, müsste vorher eine Vereinbarung nach diesen Grundsätze abgeschlossen werden mit dem Sozialhilfeträger.

Weil das jetzt nun eine zusätzliche Belastung darstellen würde, und weil man annehmen sollte, dass die Leistungserbringung wie auch die jeweilige Vergütung an sich identisch sein müssten, hatte man (lange vor dem BTHG) die Vorschrift in § 75 Abs. 5 SGB XII als eine Sonderregelung für Pflegedienste geschaffen. Diese Regelung diente der„Einheitlichkeit der Vergütung“; das heißt, die Vergütungsvereinbarung des Pflegedienstes wird jeweils zur Abrechnung der Leistungen herangezogen, damit man nicht von zwei unterschiedlichen Preisen für ein und dieselbe Leistung auszugehen hat (vgl. Münder in LPK-SGB XII, 8. Auflage, Rz. 40 zu § 75).

Doch nun nimmt das BMAS eine etwas andere Position ein, indem gesagt wird:

„Erfolgt die Zulassung und die Vergütung nach den Vorschriften des SGB XI, besteht daher auch keine Notwendigkeit, auf der Grundlage der § 75 Absatz 2 Satz 3 ff. SGB XII die Geeignetheit zu prüfen.“ …

„Soweit dagegen Leistungen der Hilfe zur Pflege durch Leistungserbringer erbracht werden, die nicht nach den Vorschriften des SGB XI zugelassen sind, ist deren Geeignetheit auf der Grundlage der Vorschriften des Zehnten Kapitels des SGB XII zu prüfen, d.h. in diesen Fällen sind die Bestimmungen zum erweiterten Führungszeugnis anzuwenden.“

(Quelle: Wortlaut einer weitergegebenen Email – ohne Datum – BMAS, Leiter Referat Vb 3).

Während alle anderen Leistungserbringer vorab ihre Geeignetheit nachweisen müssen, indem Führungszeugnisse einzuholen sind, kann dies für solche Dienste und Einrichtungen unterlassen werden, die eine Zulassung nach § 72 SGB XI aufweisen. Betroffen sind übrigens auch die Leistungserbringer in anderen Bereichen: z.B. § 72 a SGB VIII für Kinder- und Jugendhilfe,  § 44 AsylG für Asylrecht.

Mein Fazit: Hier ist eine gewisse Schieflage entstanden.

CGS






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