Donnerstag, 5. Juni 2025

Der Notvorstand: Eine komplexe Angelegenheit mit hohen Hürden

Die Bestellung eines Notvorstands bei einem Verein ist ein Thema, das mit vielen Unsicherheiten verbunden ist. Wann ist ein Notvorstand notwendig? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein? Welche Rolle spielt dabei die Satzung des Vereins? Die Beantragung eines Notvorstands ist keineswegs eine Formsache und die Gerichte prüfen solche Anliegen sehr genau. Zwei aktuelle Fälle des OLG Düsseldorf und des OLG Karlsruhe zeigen eindrücklich, welche Kriterien für die Bestellung eines Notvorstands entscheidend sind und wie wichtig eine präzise Antragstellung sowie die Vereinssatzung sind.

(Auch wenn es keinen konkreten Bezug gibt, aber man "hört" und "liest" auf einmal viel über irgendwelche Probleme in der Vereinsarbeit.)


OLG Düsseldorf: Wann ein Gläubiger die Bestellung erwirken kann

Einen Notvorstand zu beantragen beim Amtsgericht bedeutet nicht, dass das Amtsgericht diesem Antrag folgt. In einem Fall kam es nach ablehnender Entscheidung beim Amtsgericht vor das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Mit Beschluss vom 2.8.2024 erklärte das OLG dann, dass gemäß § 29 BGB ein Notvorstand vom Amtsgericht bestellt werden kann, wenn dem Verein die erforderlichen Vorstandsmitglieder fehlen für die Vereinstätigkeit. Eine solche Bestellung ist jedoch nur in dringenden Fällen möglich. Ein solcher liegt vor, wenn der Verein den Mangel nicht selbst beheben kann und dem Verein oder einem Beteiligten (hier war es ein Gläubiger mit einem gültigen Pfändungsbeschluss gegen den Verein) ein Schaden droht oder eine dringend notwendige Handlung nicht durchgeführt werden kann. Ein drohender Schaden besteht, wenn die Rechtsposition eines Beteiligten ernsthaft beeinträchtigt zu werden droht. Es ist wichtig zu beachten, dass das Verfahren nach § 29 BGB nicht dazu dient, Konflikte zwischen Vereinsmitgliedern oder im Vorstand zu lösen.

Das letzte noch amtierende Vorstandsmitglied (von insgesamt drei) verfügte nicht über eine Einzelvollmacht, die für die Ausübung der erforderlichen Vereinsgeschäfte erforderlich gewesen wäre. Zudem weigerte es sich, den Mangel in angemessener Zeit abzustellen und trotz Aufforderungen durch das Registergericht zu reagieren. Die Einberufung einer Mitgliederversammlung blieb somit unbeachtet, ein weiteres Zuwarten für den Beschwerdeführer wertete das OLG als unzumutbar.

Um die Zwangsvollstreckung aus einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu ermöglichen, wurden somit zwei Notvorstände bestellt. Die Bestellung sollte allerdings im Moment der Zweckerfüllung beendet sein, d.h. nachdem das einzutreibende Vermögen an den Gläubiger übergeben wurde. Die Bestellung eines Notvorstands stellt nach herrschender Meinung einen erheblichen Eingriff in die Autonomie des Vereins dar und erfolgt daher nur unter strenger Auslegung der gesetzlichen Vorschriften.


OLG Karlsruhe: Keine Dringlichkeit bei vorhandenen Alternativen

Bei einem Antrag auf Notbestellung vor dem OLG Karlsruhe entschied das Gericht im Beschluss vom 16.7.2024, dass es an der erforderlichen Dringlichkeit mangelte. Das verbliebene einzelvertretungsberechtigte Vorstandsmitglied hatte seinen Rücktritt aufschiebend bedingt bis zur nächsten Mitgliederversammlung erklärt und sich zur kommissarischen Führung der Geschäftsführung bereit erklärt. In der Satzung hieß es aber: “Die Mitgliederversammlung ist beschlussfähig ist, wenn mindestens zwei Vorstandsmitglieder und ein Zehntel aller stimmberechtigten Mitglieder anwesend sind. […] Sind zu einer wirksam einberufenen Versammlung weniger als ein Zehntel aller stimmberechtigten Mitglieder erschienen, so ist vom Vorstand eine zweite Mitgliederversammlung einzuberufen, die ohne Berücksichtigung der Mindestteilnehmerzahl beschlussfähig ist.” Da im vorliegenden Fall der verbliebene Vorstand sich weigerte, eine Mitgliederversammlung einzuberufen, konnte ein zweiter Vorstand nicht gewählt werden.

Das OLG sah die Notwendigkeit nicht und verwies auf die gesetzliche Möglichkeit nach § 37 Abs. 2 BGB. Wird dem Verlangen nach einer Mitgliederversammlung seitens des amtierenden Vorstands nicht entsprochen, so kann das zuständige Amtsgericht die Mitglieder, die das Verlangen gestellt haben, zur Berufung der Versammlung ermächtigen (Satz 1). Die Mitgliederversammlung ist das oberste Organ des Vereins und kann mit einer solchen Ermächtigung satzungsgemäße Beschlüsse fassen.

Die Urteile des OLG Düsseldorf und OLG Karlsruhe zeigen klar: Ein Notvorstand ist die Ausnahme, nicht die Regel. Gerichte greifen nur dann in die Vereinsautonomie ein, wenn die Handlungsfähigkeit des Vereins akut gefährdet ist und keine anderen Lösungen (wie die Einberufung einer Mitgliederversammlung nach § 37 Abs. 2 BGB) greifen. Das OLG Düsseldorf bestätigte einen Notvorstand, da ein Gläubiger durch ein blockierendes Vorstandsmitglied an der Zwangsvollstreckung gehindert wurde. Das OLG Karlsruhe hingegen lehnte ab, da die Mitglieder selbst die Möglichkeit hatten, über eine Versammlung die Probleme zu lösen. Dies betont zugleich die Wichtigkeit der Satzung und Eigenverantwortung der Mitglieder.

CGS

 

 

Eigener Beitrag:

„Einen Verein mit dem Status Gemeinnützigkeit gründen - ein Erlebnisbericht (Teil 5)“ vom 2.6.2025

 

Quellen:

Oberlandesgericht Düsseldorf, 3 Wx 123/24, Beschluss vom 02.08.2024

OLG Karlsruhe 19. Zivilsenat, 19 W 29/24 (Wx), Beschluss vom 16.07.2024

(letzter Aufruf am 4.6.2025)

 

 

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