Mittwoch, 28. Dezember 2016

Eine Liste zur Verbesserung der Krankenhausversorgung von Menschen mit Behinderung

Das Thema „Schnittstellen“ kennt man im Bereich der Sozialleistungen sehr gut. Gerade weil Sozialleistungen viel Geld kosten, versuchen viele Akteure, die Verantwortung bzw. die Kosten- und Leistungsträgerschaft zulasten anderer hin und her zu schieben. Und weil das Gesetz in manchen Fällen nicht klar geschrieben oder der einzelne Bereich sehr komplex ist, finden sich eben sehr viele „Schnittstellen“. Von daher müssen sich die Beteiligten zusammenfinden und ihre Zusammenarbeit oder Kooperation beschreiben, damit Unklarheiten beseitigt und die Hilfeleistung effektiver gestaltet werden.

Vor kurzem veröffentlichten die Fachverbände für Menschen mit Behinderungen (dazu gehören Caritas, Lebenshilfe, BVKM u.a.) eine Liste von Gesichtspunkten für Abstimmung und Absprachen, mit der die Schnittstelle zwischen Diensten und Einrichtungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung einerseits und Krankenhäusern andererseits verdeutlicht und besser kontrolliert werden kann.

Oberstes Ziel ist es, den behinderten Menschen mit seinem Assistenzbedarf bestmöglich zu unterstützen und dabei die Versorgung vor, während und nach dem Krankenhausaufenthalt zu gewährleisten. Beteiligte an der Erbringung dieser Versorgungsleistung wären der jeweilige Dienst oder die Einrichtung der Eingliederungshilfe wie auch das Krankenhaus, manchmal vor- und nachbereitend, manchmal auch überlappend und indirekt. Weiterer Beteiligter wären zwar die gesetzlichen Betreuer, doch weil vermutlich die Umsetzbarkeit in der Praxis schwierig ausfällt, wären diese nur am Rande involviert. In jedem Fall soll diese Liste dabei helfen, den Assistenzbedarf des behinderten Menschen (und gleichzeitig dann Patienten) wie auch die jeweiligen Interessen und Anliegen der Beteiligten ausreichend zu berücksichtigen und zu systematisieren.

In der Unterlage wird herausgestellt, dass es eine Vielzahl von konkreten Gegebenheiten vor Ort geben kann. Statt einer detaillierten Musterkooperationsvereinbarung soll diese Liste allerdings verstanden werden als ein Leitfaden für den Dialog zwischen den (beiden) Leistungserbringern. Und somit kann diese Liste auch nicht als Prüfungsrichtlinie verstanden werden, wohl aber als Grundlage für bilaterale Aushandlungen.

Doch es ist nur eine einseitig erstellte Liste von den Fachverbänden. Was jetzt fehlt, ist die breite Akzeptanz und Zustimmung der Krankenhausverbände, so dass man sich im ersten Kontakt auf diese Grundlage beziehen könnte. Die Liste ist trotzdem wertvoll und wichtig, denn sie berücksichtigt Hinweise und Verbesserungsvorschläge verschiedener Krankenhausverbände in Deutschland.

Ob Dienste und Einrichtungen der Eingliederungshilfe diese Liste in ihre Arbeit übernehmen können, ist allerdings differenziert zu betrachten. Grundsätzlich sollte dies der Fall sein, ganz aus fachlichen und qualitätsorientierten Gründen, doch nicht jedes Krankenhaus wird dem Anliegen zum Abschluss einer bilateralen Kooperationsvereinbarung aufgeschlossen begegnen. Wahrscheinlich bestehen Annahmen über die „Leistungspflicht“ der anderen Seite und Erwartungshaltungen, die schlichtweg unzutreffend sind. Was wirklich benötigt wird, müsste anhand dieser Liste herausgearbeitet werden, damit auch im Notfall die Betreuungsleistenden die richtigen Informationen weitergeben und Maßnahmen einleiten können.

Von den herausgebenden Fachverbänden wird empfohlen, dass die Fragestellungen der Kooperation und der Kommunikation zwischen den beiden Beteiligten möglichst verbindlich geregelt und schriftlich fixiert werden sollten. Zu beachten wäre dabei, dass bestehende gesetzliche Vorschriften zum Datenschutz, Rechtsanspruch auf Krankenhausbehandlung oder den ärztlichen Behandlungs- und Beratungspflichten u.a. durch diese Kooperationsvereinbarung nur ergänzt werden. Doch ganz besonders wichtig ist es, dass die gesetzlichen Leistungspflichten des Krankenhauses klar beschrieben sind, damit die Bedarfslücke zu den Leistungspflichten des Dienstes oder der Einrichtung der Eingliederungshilfe deutlicher wird – dann zeigt sich ein erhöhter Hilfebedarf, der aus Mitteln der Sozialhilfe gedeckt werden muss.

CGS



Quelle:

„Bessere Krankenhausversorgung von Menschen mit Behinderung!“

Liste von Gesichtspunkten für Abstimmung und Absprachen zur Verbesserung der Kooperation zwischen Diensten und Einrichtungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung einerseits und Krankenhäusern andererseits

Herausgeber:
Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V.
Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V.
Bundesverband anthroposophisches Sozialwesen e.V.
Bundesverband evangelische Behindertenhilfe e.V.
Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderter Menschen e.V.

Erarbeitet vom AK Gesundheitspolitik der Fachverbände für Menschen mit Behinderung unter Leitung von Prof. Michael Seide und verabschiedet von der Konferenz der Fachverbände in Berlin am 1.11.2016.




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Montag, 28. November 2016

Die Zeit läuft. Am 1. Dezember wird der Bundestag abschließend über das neue Bundesteilhabegesetz und das Dritte Pflegestärkungsgesetz beraten.

Das neue Bundesteilhabegesetz (BTHG) und das Dritte Pflegestärkungsgesetz (PSG III) kommen. Am 1.12.2016 findet im Bundestag eine abschließende Beratung statt. Die Opposition hat wohl schon Anträge formuliert und eingereicht, die Koalition wird jetzt ihre Anträge formulieren – hört man.

Ob sich noch Wesentliches ändern wird zum bekannten Regierungsentwurf Bundesteilhabegesetz (RegBTGH, Stand 22.6.2016, 14 Uhr 26) ist zweifelhaft.

Der Regierungsentwurf sieht im Artikel 12 Nr. 8 (neuer § 139 SGB XII) eine Regelung vor, die es zum Beispiel Leistungserbringern unmöglich macht, ihre Vergütungen für die Jahre 2018 und 2019 anzupassen. Konkret bedeutet diese Regelung, dass die für das kommende Jahr 2017 vereinbarten Vergütungssätze (d.h. Maßnahmenpauschale, Grundpauschale und Investitionsbetrag) bis zum 31.12.2019 fortgelten sollen. Zwar stehen schon z.B. im Anwendungsbereich des TVÖD die Steigerungsraten für 2017 fest (+ 2,35 % ab 1.2.2017), doch es gibt noch keine Gespräche für die Folgejahre – ja, es müsste sogar schon bis in das Jahr 2020 jetzt etwas vereinbart werden.

Für Träger von vollstationären Einrichtungen könnte die Kostenentwicklung zum Beispiel so aussehen:

Jetzt
2017
2018
2019
2020
Fortgeschrieben mit Zinseszins-Effekt
Tatsächlicher Anteil in der Vergütung
Löhne und Gehälter
Anteil 70 %

Basis = 100 %


+ 2,35 %


+1,2 %


+1,0 %


+2,5 %


107,23 %


75,06 %
Sachkosten
Anteil 20 %

Basis = 100 %


+ 1,6 % *)


+ 2,0 %


+ 2,0 %


+ 2,0 %


107,82 %


21,56 %
Investitionsbetrag
Anteil 10 %

Basis = 100 %


+ 1,0 %


+ 1,0 %


+ 1,0 %


+ 1,0 %


104,06 %


10,41 %
*) =
Sachverständigenrat Konjunkturprognose März 2016 = 1,4 %
Neueste Kapitalmarktschätzungen = 1,6 %

107,03 %

Die oben angegebenen Prozentwerte sind nur Beispiele und beruhen allenfalls auf ganz groben Einschätzungen. Was diese Zahlen allerdings aufzeigen ist, dass ein umfangreiches Verlustrisiko entstehen kann; bei Anbietern voll- und teilstationärer Leistungen in etwa dieser Zusammensetzung, bei reinen ambulanten Diensten leicht höher.

Darum müssen sich die Leistungserbringer und ihre Verbände mit einigen Fragen auseinandersetzen:

Soll man als Leistungserbringer jetzt schon in Verhandlungen gehen oder doch lieber abwarten, bis die Prognosen für 2018 veröffentlicht sind?

Gibt es trotzdem die Möglichkeit, etwas hinein verhandelt zu bekommen?

Mit diesem Thema muss man sich auseinandersetzen.

CGS



Quelle:





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Freitag, 25. November 2016

Schulassistenten und Schulbegleiter - Land und Kommunen einigen sich, doch ist der Streit damit endgültig beigelegt?

Am 7. November 2016 vereinbarten das Bundesland Schleswig-Holstein, „endvertreten“ durch den Ministerpräsidenten, und die kommunalen Landesverbände (KLV) eine Beteiligung des Bundeslandes an den Kosten der Integration auf kommunaler Ebene sowie weitere finanzielle Entlastungsmaßnahmen. In der Vereinbarung findet sich ein Abschnitt zum Streitpunkt „Schulbegleitung im Grundschulbereich“. Die Vertreter der Kommunen erreichten jetzt, dass ein Teil der Kosten nun vom Land übernommen werden – bei den Schulbegleitungen sehen sich die Kommunen nämlich „zu Unrecht“ mit diesen Kosten belastet. Sollte damit der Streit endgültig begraben sein?

In einem Moratorium vom 19.6.2015 (Nichtberücksichtigung bei der Nachfinanzierung) hatte man offenbar eine Ausgleichszahlung an die Kreise und kreisfreien Städte des Landes vereinbart gehabt, die möglicherweise von den KLVs als nicht ausreichend angesehen wurde. Bei der Nachfinanzierung handelt es sich übrigens um einen „nachträglichen Ausgleich“, welcher sich auf die Mehrausgaben eines Jahres für Leistungen der Sozialhilfe ohne Ausgaben für Geldleistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) bezieht.

In der Vereinbarung heißt es nun, dass das Land diese „vereinbarte Ausgleichssumme um 1,5 Mio. Euro für die Schuljahre 2016 / 2017 (und 2017 / 2018)“ erhöht (vgl. Ziffer IV der Vereinbarung).

Doch das Ganze kommt nicht ohne Bedingung, und es ist derzeit noch nicht bekannt, ob die Kommunen letztlich diese Bedingungen annehmen werden, auch wenn der KLV alles für die Akzeptanz unternehmen wird.

Im Gegenzug verlangt das Land, dass die Annahme dieser Gelder eine Abgeltung für alle Ansprüche aus der Gewährung von Maßnahmen zur Schulbegleitung durch die Jugend- und Sozialhilfeträger bedeutet, und zwar dort, wo „Förderung und Unterstützung nicht auf andere Weise sichergestellt ist“.

Offenbar gab es in den Verhandlungen eine Verständigung darüber, dass eine „trennscharfe Abgrenzung zwischen den Zuständigkeitsbereichen der Schule und der Eingliederungshilfe nach SGB XII und SGB VIII nicht möglich ist.“ Das Problem sieht man im schleswig-holsteinischen Landesschulgesetz, denn dort heißt es in § 4 Abs. 13 S. 2 SchulG-SH:

Das Ziel einer inklusiven Beschulung steht dabei im Vordergrund.

Somit sehen sich die Kommunen als Leistungsträger nicht mehr in der Pflicht, irgendwelche Kosten für Inklusionsmaßnahmen an den Schulen zu übernehmen (z.B. Schulbegleitung für Kinder mit einer geistigen oder seelischen Behinderung, §§ 35 a SGB VIII oder 53 SGB XII).

Tatsächlich müssten staatlicherseits entsprechende Ressourcen geschaffen werden bzw. es müssten die einzelnen Schulträger dafür Sorge tragen, dass auch Kinder mit Einschränkungen am Schulunterricht teilnehmen können. Doch wenn dann ein – tatsächlicher – „Erhalt von Leistungen“ seitens des Schulträgers nicht geschieht, besteht eine Leistungspflicht beim Sozialhilfeträger – dies hatte schon einmal das Bundessozialgericht so entschieden, als es erklärte, dass § 2 SGB XII keine Ausschlussnorm darstellt (Rz. 26 im BSG Urteil vom 22.03.2012, Az. B 8 SO 30/10 R). Außerdem traf das Verwaltungsgericht Schleswig in einem Eilverfahren eine Grundsatzentscheidung zur Kostenübernahme bei der Schulbegleitung (Az.: 15 B 97/16). Das Gericht soll "deutlich" gemacht haben, dass "Unzuständigkeit bzw. nachrangige Zuständigkeit" den beklagten Jugendhilfeträger nicht von der bedarfsgerechten Bewilligung von Schulbegleitungen befreit. Mit anderen Worten: Die Kosten müssen übernommen werden, wenn die Unterstützungsleistungen der Schule tatsächlich nicht erbracht werden. In einem anderen Verfahren vor einem Sozialgericht wurde dagegen ein Vergleich im Sinne der klagenden Eltern vereinbart.

In der Verhandlung zwischen dem Land und den KLVs wurde der Streit als eine Art „Schnittstellenproblem“ benannt. Es ist richtig, dass die notwendigen Ressourcen zuerst einmal von denjenigen geschaffen werden müssen, die diese besonderen Aufgaben der Inklusion und Barrierefreiheit übernommen haben. Doch es ist nicht richtig, Hilfen zu versagen, weil eine Zuständigkeit nicht besteht. Vielmehr sollten sich dann, wie nun geschehen, diejenigen, die jetzt zahlen müssen (und somit ihren Bürgern helfen), mit denjenigen „streiten“, die ihre Zahlungspflicht nicht einsehen wollen.

Nun verpflichten sich die KLVs im Namen der (sich beteiligenden) Kommunen, auf die „noch abschließend zu verabredenden Handlungsempfehlungen hinzuwirken und Schulbegleitung in den Fällen zu bewilligen, in denen Förder- und Unterstützungsbedarf festgestellt wird und die Förderung und Unterstützung nicht auf andere Weise sichergestellt ist“. Dies liest sich, also ob nun endlich ein Schlussstrich unter die anhaltende Problematik mit den Ablehnungsbescheiden zu Schulbegleitungen bzw. Integrationsassistenten in einigen Landkreisen gezogen wird.

Man könnte auch sagen, dass sich das Land freikauft. Doch auch dies geschieht nicht ganz bedingungslos. Es besteht nämlich Einvernehmen darüber, so die Vereinbarung, dass die Ausgleichszahlung von 1,5 Mio. Euro auf die Nachfinanzierungsmittel gem. § 10 AG-SGB XII angerechnet wird, wenn eine Doppelfinanzierung vorliegen könnte. Die Ausgestaltung sei noch zu verabreden, steht damit noch nicht fest. Es ist jetzt schon klar, dass das Land nur die Nachfinanzierung für die Mehrausgaben übernehmen will, bei denen (sozusagen im Wege der Kulanz?) die Kommunen die Kosten für die Inklusionsmaßnahmen übernommen haben, weil ein anderer Leistungsträger (also die Schulträger) diese Leistungen nicht übernehmen konnten.

Für die Eltern behinderter Schulkinder wird dies sicherlich eine gewisse Erleichterung bringen, doch wie lange? Der Beschluss des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 17.2.2014 über Schulbegleitungen und den „Kernbereich der pädagogischen Arbeit“ kann als Auslöser für die vielen Ablehnungsbescheide und jetzigem Gezanke der Kommunen mit dem Land um finanziellen Ausgleich angesehen werden. Dieser Streit scheint nun beigelegt zu sein, doch was passiert nach Ablauf des Schuljahres 2017/2018?

Und worauf können Kinder mit Hilfebedarf zählen, wenn sie die Grundschule verlassen? Die nun von beiden Seiten getroffene Vereinbarung spricht nicht über den Bereich der weiterführenden Schulen, sondern nur über den Grundschulbereich.

CGS




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Samstag, 12. November 2016

Barbeträge zur persönlichen Verfügung für behinderte Menschen in stationären Wohneinrichtungen

Vor längerer Zeit hatte ich bereits zum Thema „Barbeträge“ einiges zusammengeschrieben. Doch auch wenn es sich um ein nicht besonders aktuelles Thema handelt, es gibt dennoch immer wieder Entwicklungen oder Ereignisse, die zeigen, dass alle Beteiligten ihre Schwierigkeiten damit haben.

Einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung erhält nur die Person, welche leistungsberechtigt ist gem. § 19 Abs. 1 SGB XII / § 27 Abs. 1 SGB XII. Der Barbetrag gehört zu den Hilfen zum Lebensunterhalt, die nach dem 3. Kapitel des SGB XII nur an solche Personen gezahlt wird, die „ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln … bestreiten können“ (Abs. 1).

Wenn solche Menschen allerdings in einer vollstationären Wohneinrichtung leben, wird der Lebensunterhalt vom Betreiber der Einrichtung erbracht. Die an den Betreiber gezahlte Vergütung enthält u.a. Pauschalen für Unterkunft und Verpflegung, welche in etwa die Grundsicherungs-Leistungen abdecken sollen (vgl. auch § 76 Abs. 2 SGB XII). Was aber nicht in den Vergütungen enthalten ist, ist der sogenannte „weitere notwendige Lebensunterhalt“ nach § 27 b Abs. 2 SGB XII. Darin enthalten ist z.B. die Bekleidung eines behinderten Menschen, aber auch der eingangs genannte Barbetrag zur persönlichen Verfügung in angemessener Höhe.

Dieser Barbetrag entspricht 27 % der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII und wird häufig auch als Grundbarbetrag tituliert, um zwischen weiteren Barbeträgen zu differenzieren.

Zusätzlich zum Barbetrag wird nämlich in einigen Fällen auch ein Zusatzbarbetrag gezahlt, der als eine Art Besitzstand anzusehen ist. Es handelt sich hierbei um eine Übergangsregelung für Leistungsberechtigte gem. § 133 a SGB XII, welche am 31. Dezember 2004 einen Anspruch auf einen zusätzlichen Barbetrag nach § 21 Abs. 3 Satz 4 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) hatten. Dieser Betrag wird heute unverändert fortgeschrieben in Höhe seiner Differenz zum damaligen Grundbarbetrag. Voraussetzung für die Fortgewährung ist das Anspruchsbestehen im Dezember 2004. Hatte der Leistungsberechtigte (damals noch Hilfeempfänger) einen Teil der Kosten seines Aufenthaltes in der Einrichtung selbst getragen, erhielt er diesen Zusatzbarbetrag.

Normalerweise wird ein Barbetrag nur dann unvermindert ausgezahlt, wenn eine „bestimmungsgemäße Verwendung“ möglich ist (vgl. § 27 b Abs. 2 Satz 4 SGB XII). Dies könnte sich auch auf andere Barbeträge erstrecken, da über allem der Grundsatz der Erforderlichkeit schwebt. Dass der Zusatzbarbetrag bislang unverändert fortgeschrieben wird, lässt vermuten, dass eine Prüfung im Einzelfall (noch?) nicht unternommen wurde.

Dann gibt es noch Abzugsbeträge, bei denen es sich, wie der Name vermuten lässt, um negative Barbeträge handelt. Sie mindern die Leistungen, weil der Sozialhilfeträger für den Leistungsberechtigten einen Aufwand übernimmt, der normalerweise von den Regelbedarfssätzen abgedeckt wird, aber nicht ist (vgl. § 37 Abs. 1 SGB XII). Bei Menschen, die in stationären Wohneinrichtungen leben und Leistung nach § 27 b SGB XII erhalten, übernimmt der Sozialhilfeträger z.B. die Zuzahlungen an Krankenkassen in Form eines ergänzenden Darlehens (vgl. § 37 Abs. 2 SGB XII). Ein solches Darlehen wird im Wege des Abzugs vom Grundbarbetrag „in gleichen Teilbeträgen über das ganze Kalenderjahr“ zurückgezahlt. Damit entfällt die Zuzahlungspflicht für den Leistungsberechtigten, da diese pauschal vom Sozialhilfeträger einbehalten wird.

Die Pflicht zur Rückzahlung eines Darlehens entsteht sofort, wenn der Anspruch auf Sozialhilfe endet.

Weil in vielen Fällen die Leistungsberechtigten über kein eigenes Bankkonto verfügen, zahlen die Sozialhilfeträger die Gelder an die Leistungserbringer oder Betreiber der Wohneinrichtungen aus. Diese sollen die Barbeträge an die Bewohner dann weiterleiten (an ein Girokonto überweisen, welches vom rechtlichen Betreuer verwaltet wird) oder über die Hauskasse / Kasse vor Ort direkt auszahlen (siehe hierzu auch meinen Beitrag vom 28.11.2014 zur Pflicht des Einrichtungsträgers über die Verwahrung von Bewohnergeldern).

Dieses Geld soll den Leistungsberechtigten zum Monatsanfang bzw. zu Perioden-Beginn zur Verfügung stehen, doch das ist nur dann möglich, wenn der Leistungserbringer sofort bei Zahlungseingang die Mittel auszahlt. Dies ist in der Regel nicht möglich, weil der Leistungserbringer zuerst einmal prüfen muss, was vom Sozialhilfeträger überhaupt ausgezahlt wurde. Damit es allerdings zu keiner Verzögerung kommt, werden Barbeträge zur Auszahlung gebracht, selbst wenn noch keine Klarheit über die eingegangenen Gelder besteht. Mit anderen Worten: Die Auszahlung erfolgt auf die Gefahr hin, dass der Leistungsträger die Zahlungen eingestellt hat.

Dass die Barbeträge nicht ausgezahlt werden, kann z.B. dann vorkommen, wenn eine Frist zur Antragstellung für eine Weiterbewilligung überschritten wurde. Ob eine solche Einstellung rechtlich überhaupt gestattet ist, darf angezweifelt werden. Auch wenn die Mitwirkungspflicht seitens der Einrichtung oder des rechtlichen Betreuers verletzt wird, so bleibt die Notlage des Leistungsberechtigten dennoch bestehen und es muss Abhilfe geschaffen werden – an den Grundvoraussetzungen hat sich ja nichts verändert.

CGS




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Notizen:
  
Leistungen der Sozialhilfe
2. Kapitel SGB XII

§ 19 Abs. 1 SGB XII
Hilfe zum Lebensunterhalt
3. Kapitel SGB XII

§ 27 Abs. 1 SGB XII
(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.
(1) Hilfe zum Lebensunterhalt ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können.



Sonntag, 6. November 2016

Wenn das Renteneintrittsalter zu einem Grund wird, den Leistungsumfang in Tagesförderstätten zu kürzen

Weil das Renteneintrittsalter erreicht ist, soll ein älterer Mensch mit (geistiger) Behinderung nur noch eine „Tagesstruktur“ erhalten, so die bewilligende Sozialbehörde (Fachdienst Soziales). Diese Begründung erscheint problematisch, zumal damit auch das Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten eingeschränkt wird.

Gemeint ist in Wirklichkeit ein sehr niedrigschwelliges Betreuungsangebot, dass weniger kostet, als z.B. die Betreuung in einer Tagesförderstätte. Doch auch wenn man dem Leistungsträger gerne pauschal Kostenkürzung unterstellen mag, ein solches Angebot, dass sich an behinderte Menschen richtet, die schon überfordert sind, wenn sie eine Tagesförderstätte besuchen, ist sinnvoll – die Begründung im Leistungsbescheid dagegen problematisch.

Für Leistungserbringer kann dies zu einem Vergütungsausfall und / oder personellen Mehrkosten führen, weil immer mehr Menschen mit Behinderung das Alter für den Eintritt in die Altersrente erreichen. Wenn die bewilligende und kostenübernehmende Stelle das Renteneintrittsalter als Grund nennt, eine weitere Leistungsbewilligung abzulehnen, wo findet dann die Betreuung statt? In einer stationären Wohneinrichtung muss dies durch das Personal vor Ort sichergestellt werden. Ist diese Wohneinrichtung klein, eigentlich sogar tagsüber geschlossen, muss extra Personal eingesetzt werden. Doch lebt der behinderte Mensch in einer eigenen Wohnung, muss die rechtliche Betreuung die notwendigen Maßnahmen organisieren. Man kann dann auch nicht einfach auf einen Pflegedienst zugreifen, weil hierfür ein Pflegebedarf festgestellt werden muss, was tatsächlich nicht der Fall ist.

Wenn zukünftig die Flexi-Rente möglich ist, so dass Arbeitnehmer, die das Renteneintrittsalter erreichen, sich entscheiden können, weiter zu arbeiten, müsste doch auch behinderten Menschen dieses Recht zuteil kommen (Art. 3 Abs. 3 GG). Damit wäre es Leistungsträgern untersagt, eine Ablehnung wegen Erreichen des Renteneintrittsalters auszusprechen. Leistungsberechtigte dürften dann sogar verlangen, dass sie noch (weit) über diese Altersgrenze eine Tagesförderstätte mit umfangreichen Betreuungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten besuchen dürfen.

Doch auch heutzutage kann mit der bewilligenden Stelle über den Hilfebedarf und das tatsächlich vorhandene regionale Angebot gesprochen werden. Man muss es nur in vernünftiger Weise versuchen.

CGS






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Samstag, 22. Oktober 2016

Was die Kündigung eines Wohnstättenvertrags für den Träger der Wohneinrichtung bedeutet

Soziale Leistungen sind ein Leistungsversprechen des Sozialstaates an den bedürftigen Bürger. Versprochen wird immer nur die Deckung des jeweiligen Hilfebedarfs – alles andere, also das, was über diesen objektiv festgestellten Hilfebedarf hinausgeht, ist „Luxus“ und darf nicht vom Sozialstaat übernommen werden. Mit der Einführung des Bundesteilhabegesetzes wird man noch viel deutlicher der Instituts- und Einrichtungsfinanzierung (Stichwort: Strukturbildung) begegnen und das Leistungsversprechen des Sozialstaates auf die tatsächliche ziel- und personenorientierte Bedarfsdeckung beschränken. Doch bereits jetzt schon zeigen sich an mancher Stelle „Schnittstellenprobleme“ zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer. Wenn nun der Wohnstättenvertrag gekündigt wird, aber der Auszug schon vor dem Monatsletzten stattfindet, was bedeutet es für den Leistungserbringer?

Ein behinderter Mensch (Leistungsberechtigter), der in einer stationären Wohneinrichtung lebt und nun ausziehen möchte, kündigt den mit dem Träger der Wohneinrichtung (Leistungserbringer) abgeschlossenen Wohnstättenvertrag. Der Träger bestätigt die Kündigung zum Monatsende. Der Bewohner zieht aber nun ein paar Tage früher aus, was vom Träger der Wohneinrichtung auch an den Sozialhilfeträger (Leistungsträger) gemeldet wird.

Bis zu welchem Termin bezahlt der Sozialhilfeträger? Den Monatsletzten oder bis zum Tag des Auszugs, der ja nun davor liegt?

Weil der Bedarf tatsächlich nicht mehr bis zum Monatsletzten beim Leistungsberechtigten besteht, braucht der Leistungsträger ggü. dem Leistungsberechtigten keine weitere Kosten zu tragen bzw. Zahlungen an den Leistungserbringer vorzunehmen. Wenn der Leistungsberechtigte sogar in einer anderen stationären Wohneinrichtung umzieht, wird der Bedarf von dem anderen Leistungserbringer gedeckt, so dass eine Doppelzahlung unbegründet wäre.

Der Leistungserbringer hat aber tatsächlich strukturelle Kosten, die mit dem Auszug des Bewohners nicht sofort abgestellt werden können. Wenn im Landesrahmenvertrag oder in der Vergütungsvereinbarung hier keine Vereinbarung getroffen wurde, kann der Anspruch auf Deckung der Kosten nur noch ggü. dem ehemaligen Bewohner als Vertragspartner des Wohnstättenvertrags geltend gemacht werden.

Nochmal:

Mit dem Austritt des Bewohners hört i.d.R. die Zahlungspflicht auf – spätestens am Tag des Austritts. Und nur weil der Leistungsberechtigte im Wohnstättenvertrag Vertragspartner des Leistungserbringers ist, ist der Bewohner primär für die Zahlung bis zum Vertragsende in der Pflicht.

Und:

Der Bewohner ist nur dann leistungsberechtigt, wenn es um seinen Bedarf geht. Weil aber nun zwei Wohnplätze genutzt werden, der Bedarf aber nur auf einen Wohnplatz besteht, bezieht sich diese Leistungsberechtigung dann auch nur auf den aktuellen Wohnplatz; für den alten, nicht mehr genutzten Wohnplatz ist der Bewohner plötzlich nicht mehr leistungsberechtigt. Weil zudem der Bewohner ein Sozialhilfeempfänger ist, verfügt er ganz bestimmt nicht über Mittel zur Tilgung von Schulden bzw. sonstigen vertraglichen Erfüllungspflichten.

Damit bleibt der Leistungserbringer effektiv auf seinen Kosten sitzen.

Einzige Lösung für den Leistungserbringer besteht darin, einen Risikozuschlag bzw. eine Auslastungsquote unterhalb der Vollbelegung verhandelt zu bekommen. In Vergütungsverhandlungen sollte nach Möglichkeit die Dauer der Leerstände von Wohnplätzen und die Anzahl der Kündigung von Wohnstättenverträgen untersucht werden, um dieses Risiko zu qualifizieren. Es könnte dann auch sein, dass der Leistungsträger Kosten übernimmt, die gar nicht angefallen sind.

CGS




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Montag, 10. Oktober 2016

Schulassistenten und Schulbegleitungen – Was mit Poolen oder Pooling gemeint ist

Wie können die Rahmenbedingungen für eine gelungene schulische Inklusion weiter verbessert werden? Indem die verschiedenen Integrationshilfen rechtssicher „gepoolt“ werden, nach Ansicht der Kostenträger. Nur: Was ist damit gemeint?

In 2015 gab es  im Bundesrat einen Beschluss (937. Sitzung am 16.10.2015, Drucksache 309/15), in dem die Bundesregierung gebeten wurde, im Rahmen des Gesetzesvorhabens zum Bundesteilhabegesetz die derzeitigen Vorschriften für Hilfen zur angemessenen Schulbildung weiter zu entwickeln. Vornehmlich ging es um den Bereich der Integrationshilfe und Schulbegleitungen (Integrationsassistenz) von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung an Regelschulen und Förderschulen (vgl. § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII bzw. § 35 a SGB VIII). Integrationshelfer und Schulbegleitungen sind Erwachsene, die als Assistenzkräfte behinderten Schülern während des Schulalltags Unterstützung geben.

Der Beschluss leitete sich aus Artikel 24 der UN-BRK ab. Der darin enthaltene Rechtsanspruch, nämlich wohnortnahen Zugang zu inklusivem Unterricht in Grund- und weiterführenden Schulen zu gewähren, sollte im neuen BTHG berücksichtigt werden.

Der Bundesrat sah das Problem, dass durch „zu viele Erwachsene im Schulalltag“, was sich aus der Gestellung von nicht-pädagogischem Assistenzpersonal und pädagogischer Fachkraft (Lehrer) ergibt, der Unterrichtsablauf sehr gestört wird. Weil die Teilhabe aller Schüler gesichert werden muss und damit ein Gemeinsames Lernen stattfinden kann, sollten alle Unterstützungsbedarfe in einem „Pool“ zusammengeführt und dann von nur noch wenigen nicht-pädagogische Assistenzkräfte abgedeckt werden.

Der Bundesrat sah die Erforderlichkeit, dass die Aufgaben der Jugend- und Sozialhilfe im Rahmen der Eingliederungshilfe bei Hilfen zur angemessenen Schulbildung „in Abgrenzung zur Verantwortung der Schule im Kernbereich ihrer pädagogischen Aufgaben“ klargestellt werden. Weiterhin sprach man davon, dass eine „systemübergreifende Verantwortung“ vorliegt, die besser „zu verankern“ sei. Der Bundesrat forderte, dass die vorhandenen Integrationshilfen (in einer Klasse) zusammengebracht werden („Poolen von Integrationshilfen“).

Gemeint ist damit, dass man die Anzahl der nicht-pädagogischen Assistenzkräften, die als Integrationshilfe / Integrationsassistenz oder Schulbegleitung im Unterricht dabei sind und ein behindertes Kind unterstützten, kürzt. Mehrere Kinder mit Unterstützungsbedarf in der Klasse sollen sich dann eine nicht-pädagogische Assistenzkraft teilen.

Mit „Poolen / Pooling“ gemeint ist die Mehrfachbetreuung.

Doch wo könnte es ein Problem geben?

Theoretisch erfolgt die Leistungsbewilligung nur für tatsächlich benötigten Unterstützungsbedarf, also nur für Zeit der Anwesenheit des Kindes und seiner Schulbegleitung. Würde das Kind krank werden, müsste die Schulbegleitung nicht kommen und der Leistungsträger bräuchte den Einsatz nicht bezahlen.

Wenn zwei Kinder in einer Klasse einen Unterstützungsbedarf haben, könnte der Leistungsträger prüfen, ob eine Schulbegleitung für beide Kinder gleichzeitig ausreichend wäre. Die Kosten würden sich dann rechnerisch halbieren. Doch wenn ein Kind aus Krankheit oder anderen Gründen mal ausfällt, würde plötzlich ein „doppelter“ Bedarf entstehen – der Bedarf für das anwesende Kind. Von daher muss der Leistungsträger diesen „Mehrbedarf“ akzeptieren, auch wenn die Bewilligung zuvor einen „halben“ Bedarf vorausgesetzt und genehmigt hat.

Wenn beide Kinder von unterschiedlichen Leistungsträgern kommen, müssen sich beide Leistungsträger über ihren Anteil an den Kosten am besten vorab einigen. Doch dies geht nur, wenn es sich um zwei Leistungsträger handelte, die Sozialleistungen nach den Sozialgesetzbüchern leisten müssen. Was ist nun, wenn andere, nicht mit einem anerkannten Unterstützungsbedarf, kurzfristig eine Hilfe benötigen?

Schulbegleitungen sind keine Schulassistenten. Sie dienen nicht als pädagogische Hilfen, sie unterstützen nicht die pädagogischen Fachkräfte. Ihre Aufgabe richtet sich primär an die Schülerinnen und Schüler mit Behinderung bzw. mit dem vom Jugendhilfe- oder Sozialhilfeträger geprüften Leistungsanspruch. Würden die Schulbegleitungen andere Aufgaben, die sich aus dem Unterrichtsablauf ergeben, übernehmen, müssten die Leistungsträger nicht bezahlen. Das ist zwar ein Problem, aber mit dem Bundesrat-Beschluss nicht gemeint.

In Schleswig-Holstein ist das Verfahren der Mehrfachbetreuung (neudeutsch: Poolen oder Pooling) schon gängige Praxis. Neu hinzugekommen sind die Schulassistenten, welche die pädagogische Fachkraft im Unterrichtsalltag unterstützen sollen, aber derzeit die Schulbegleitungen nicht ersetzen dürfen oder können. Was da praktiziert wird, steckt zwar noch ein wenig in den „Kinderschuhen“, aber es entwickelt sich. Die Kreise würden gerne eine Abgrenzung zwischen den Aufgaben der Schulbegleitungen und der Schulassistenten sehen. So fordert man von den Schulträgern konkrete Auskünfte über den Anteil der Mehrfachbetreuungen, um einen Teil der Kosten von den Schulträgern erstattet zu bekommen. Warum also für die Abdeckung des Hilfebedarfs bei einem behinderten Kind bezahlen, wenn die Leistung auch nicht behinderten Schülern zugutekommt?

CGS




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Samstag, 8. Oktober 2016

Neben dem Bundesteilhabegesetz wird es auch eine SGB VIII-Reform geben, welche die Eingliederungshilfe ebenso betreffen wird.

In die breite Diskussion einbezogen wird auch die sogenannte „SGB VIII-Reform“, die eigentlich zum Ziel haben sollte, die bisherige sozialrechtliche Zuständigkeit für alle Kinder und Jugendlichen mit und ohne Behinderung im SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) zu bündeln. Anscheinend wird es aber nicht ein „Mehr“ an Inklusion geben, sondern einige gravierende Nachteile. Welche das genau sind, kann derzeit an dieser Stelle noch nicht dargestellt werden. Doch die ersten Informationen kommen an und lösen ein Nachdenken aus.

Vorgesehen ist eine Auflösung der individuellen Rechtsansprüche der Eltern auf „Hilfe zur Erziehung“. Die öffentlichen Träger sollen ein ausgeweitetes Ermessen erhalten und damit die Hilfesuchenden auf Regelangebote verweisen können. Das bedeutet eine deutliche Standardisierung und somit eine Abkehr der zielführenden, personen- und bedarfsorientierten Hilfeleistung.

Vorgesehen ist auch eine Neuregelung im Finanzierungsrecht, mit der die öffentlichen Träger in die Lage versetzt werden, Ausschreibungen vorzunehmen. Damit besteht die Gefahr, dass bestehende Vereinbarungen mit Trägern von Einrichtungen und Diensten gekündigt werden, wenn die öffentlichen Träger glauben, sie seien zu teuer – oder es geht auch billiger. Träger von Einrichtungen und Diensten würden so gezwungen werden, Angebote einzureichen und sich um die öffentlichen Aufträge zu bewerben.

Es wird kritisiert, dass die jetzigen Arbeitsentwürfe weder in einem fachlichen noch jugendhilferechtlichen Diskurs entwickelt worden sind. Es scheint, als ob weder die Seite der (bisherigen Leistungsberechtigten), noch die Seite der Leistungserbringer mit den Fach- und Sozialverbänden an der Entwicklung beteiligt waren.

Dem muss begegnet werden, weil sich damit auch ein Problem für Eltern von Kindern mit Behinderungen ergibt, die eine Schulbegleitung / Integrationsassistenz sowie andere Hilfen nach dem SGB XII erhalten. Nicht nur, dass Schulbegleitungen ohnehin immer früh zu beantragen sind und die Entscheidung darüber erst in der Mitte der Sommerferien oder sogar erst bei Schulbeginn getroffen wird, jetzt droht durch die möglichen, neuen Strukturen die Angebotsverknappung und eine Zerstörung von wichtigen Unterstützungsleistungen.

Wenn tatsächlich Leistungen verknappt werden aufgrund der sozialrechtlichen Änderungen, aber die Schulen (unverändert) gesetzlich verpflichtet sind, Inklusion zu betreiben, müssten die Schulträger rechtzeitig zur Entwicklung der Haushaltspläne einen höheren Ressourcenbedarf geltend machen. Dies setzt voraus, dass die Schulträger Pläne entwickelt haben, was zielführend und bedarfsdeckend geschehen soll – und dies verlangt eine interne Diskussion, wobei es noch besser wäre, wenn man die Diskussion mit den (Noch-) Leistungsberechtigten führen würde.

Alles in allem ist die öffentliche Diskussion nötig, damit ein gutes Verständnis entsteht und sich Leistungsberechtigte und ihre Angehörigen sowie die Leistungserbringer mit den Fach- und Sozialverbänden diesen gravierenden Änderungen gegenüber aufgeschlossen zeigen.

CGS



Notiz:

Zu den neuen Strukturen und Angeboten könnte man auch das „Poolen“ von Leistungen zählen. Doch in Wirklichkeit handelt es sich nicht um eine Neuerung. Der Begriff des „Poolen“ kommt aus dem Englischen und steht für „bündeln, gruppieren und zusammenfassen“. Damit ist eine personenzentrierte, direkte Leistungserbringung gemeint, die sich gleichzeitig an mehrere Leistungsberechtigte richtet. Mit dem Bundesteilhabegesetz wird diese besondere Form der Leistungserbringung kodifiziert und damit rechtlich bedeutsam (vgl. § 136 Abs. 1 Nr. 2 BTHG-Entwurf-2015). In Schleswig-Holstein werden aktuell z.B. Schulassistenten und Schulbegleiter für ein oder mehrere Kinder mit Hilfebedarf eingesetzt, und in Hamburg gibt es Vergütungsvereinbarungen, die eine Abrechnung nach Gruppen und nicht nach einzelnen Leistungsberechtigten ermöglichen, d.h. es ist nur ¼ des normalen Stundensatzes abzurechnen bei Gruppenmaßnahmen.





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Dienstag, 27. September 2016

Das Bundesteilhabegesetz wird in den Deutschen Bundestag eingebracht

Der Gesetzgeber möchte einen „Quantensprung schaffen“, so die Bundesministerin für Arbeit und Soziales Frau Andrea Nahles in der 190. Sitzung des Bundestages am 22.9.2016. Es geht weg von der Fürsorge und hin zur Teilhabe – damit ist zwar auch gemeint, dass Menschen mit Behinderung an der Gestaltung von Vorschriften und Richtlinien beteiligt werden, doch die Abkehr vom Fürsorge-Gedanken bedeutet, dass Menschen mit Behinderung für sich selbst verantwortlich und stärker sich selbst beteiligen müssen.

Die Bundesministerin bringt das Bundesteilhabegesetz mit dem Versprechen ein: „Niemandem soll es mit dem Bundesteilhabegesetz schlechter gehen. Im Gegenteil: Den meisten wird es – dessen bin ich mir sicher [Frau Nahles] – besser gehen.“

In ihrer Ansprache benennt sie 4 Punkte, die den „Kern“ des Gesetzes ausmachen sollen:

1.
Bei den Leistungen zur Teilhabe, so die Ministerin, stehen künftig die Menschen im Mittelpunkt und diese müssen sich nicht mehr darum kümmern, wie die Träger „hintereinander oder untereinander“ diese Leistungen organisiert bekommen.

2.
Dann betont sie, dass die Einkommen und Vermögen von Ehe- und Lebenspartnern von Menschen, die Eingliederungshilfe-Leistungen erhalten, nicht mehr herangezogen werden und die Grenzen zum Einsatz des eigenen Einkommens und der eigenen Vermögen um ein vielfaches vergrößert werden.

3.
Als dritten Punkt stellt sie heraus, dass die Chancen auf Arbeit, insbesondere auf dem „allgemeinen Arbeitsmarkt“ verbessert werden. Dies soll mittels sogenannter Budgets bewerkstelligt werden, die interessierten Arbeitgebern dann zugänglich gemacht werden. Somit also „den Schritt aus der Werkstatt zu wagen“ und hin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, aber mit einem Recht auf Rückkehr, „wenn er nicht gelingt“ – der Schritt.

4.
Und schließlich soll es darüber hinaus noch „ein vom Bund finanziertes Netzwerk unabhängiger Beratung geben“, was sich wahrscheinlich aber nur auf ein Expertentum „in eigener Sache“ beziehen soll.

Alles das soll vergleichbar sein mit einem Quantensprung?

Die allgemeine Kritik ist recht groß. Man kann zudem erwarten, dass im Bundestag und im Bundesrat (erste Beratung war am 23.9.2016) unterschiedliche Interessenlagen dominieren. Von daher ist mit einer heftigen Diskussion zu rechnen und vermutlich wird es noch gesetzliche Nachbesserungen geben. Ganz wesentlicher Punkt ist m.E. die Abweichung zur UN-BRK, die von vielen Interessenverbänden und ganz besonders von der Monitoring-Stelle zur UN-BRK des Deutschen
Instituts für Menschenrechte (DIM) gesehen wird.

Wahrscheinlich werden die weiteren Diskussionen noch zu Nachbesserungen führen, doch es gibt ein paar Dinge, die unausweichlich auf alle Beteiligten zukommen werden. Die Aufgabe des Fürsorge-Gedankens wird zu einem Prinzip – ganz ähnlich dem seinerzeitigen „Paradigmen-Wechsel“ und die Einführung von differenzierten Leistungsgruppen. Aber es wird ganz bestimmt kein Quantensprung.


CGS



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Samstag, 24. September 2016

Was ist eine angemessene Schulbildung für einen Menschen mit Behinderung?

Viele Eltern misstrauen der öffentlichen Schule und sehen das Wohl ihres Kindes in einer privaten Schule – dies gilt auch für Eltern „behinderter“ Kinder. Es wird den öffentlichen Schulen nicht nur Kompetenz und Fachlichkeit abgesprochen, sondern auch Leistungsabbau und mangelnde Motivation unterstellt. Ob Kinder mit besonderen Unterstützungsbedürfnissen in einer privaten Schule tatsächlich besser aufgehoben sind, soll in diesem Beitrag nicht untersucht werden. Es kommt letztlich immer auf den Eindruck an, den die Eltern und das Kind von dem jeweiligen Beschulungsangebot vor Ort haben. Doch es gibt Aspekte, die Eltern von behinderten Kindern nicht automatisch voraussetzen sollten, wenn sie sich für den Besuch einer privaten Schule entschieden haben und diesen Wunsch dem Sozialhilfeträger vortragen.

Vor mehreren Jahren entschied das Bundessozialgericht, dass eine Übernahme des Schulgeldes durch die Eingliederungshilfe nicht erfolgen kann (BSG-Urteil vom 15.11.2012, Az. B 8 SO 10/11 R). In dieser Sache gab es zuvor das Einverständnis des Schulamtes, dass das Kind mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf eine Privatschule besuchen konnte. Die Privatschule arbeite nach den Grundsätzen der anthroposophischen Heilpädagogik und Waldorfpädagogik. Die Kosten für die Aufnahme und das Schulgeld für den Besuch übernahm das Schulamt dagegen nicht, weil der Besuch einer öffentlichen Schule dagegen möglich gewesen wäre. Die Eltern sahen nun das Recht des Kindes auf eine angemessene Schulbildung gefährdet und klagten (vgl. auch § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII).

Zwar umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe auch „Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu…“, doch was dabei zu beachten ist, sind die weiterhin bestehenden Bestimmungen über die allgemeine Schulpflicht. Das bedeutet, dass zwar das Wunsch- und Wahlrecht unangetastet bleibt, aber wenn staatlicherseits zumutbare Ressourcen vorhanden sind, dann müssen keine zusätzlichen Ressourcen staatlicherseits geschaffen werden.

Dieser Grundsatz ist wichtig.

Wenn Eltern mit dem Besuch einer öffentlichen Schule nicht einverstanden sind, müssen sie objektive Gründe anführen, warum der Besuch unzumutbar ist. Ein Beispiel hierfür wäre die „Rampe für den Rollstuhlfahrer“. Würde eine solche bei der öffentlichen Schule fehlen, aber die private Schule wäre zugänglich für einen derart behinderten Menschen, müsste entweder ein barrierefreier Zugang geschaffen werden an der öffentlichen Schule oder jemand anderes müsste das Schulgeld der privaten Schule übernehmen.

Wer also?

Wenn die Beschulung eines behinderten Kindes auf einer öffentlichen Schule „gescheitert“ und somit keine weitere öffentliche Schule „zumutbar“ möglich ist, müsste eine Kostenübernahme durch das Schulamt erfolgen. Doch wenn das Schulamt keine weiteren Ressourcen schaffen oder diese Kosten partout nicht übernehmen will, wer dann?

Von dem VG Freiburg wurde einst beschlossen, dass das Schulgeld in dem dort zu entscheidenden Fall nicht der Finanzierung des Unterrichts diente, sondern als Teil der unterstützenden Betreuung. Von daher musste der Sozialhilfeträger das Schulgeld übernehmen (VG Freiburg Beschluss vom 21.3.2013, Az. 4 K 392/13).

In einem anderen Verfahren hatten die Eltern ihr Kind auf einer privaten Schule angemeldet – einer anerkannten Tagesbildungsstätte mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Seitens des Schulamtes bestanden keine Einwände, doch der Sozialhilfeträger verweigerte die Kostenübernahme. In der ersten Instanz konnten sich die Eltern noch durchsetzen, doch in der zweiten Instanz scheiterten sie (SG Detmold Urteil vom 26.6.2008, Az. S 6 SO 188/07; LSG NRW Urteil vom 15.5.2013, Az. L 20 SO 67/08). Das LSG bestätigte, dass der Nachranggrundsatz aus § 2 Abs. 1 SGB XII anwendbar sei, aber nun geprüft werden muss, ob tatsächlich eine angemessene Schulbildung möglich ist; es könnte nämlich durchaus sein, dass eine Kostenübernahme für eine „anderweitige Beschulung durch den Eingliederungshilfeträger“ in Betracht kommen würde (vgl. S. 185, Rechtsdienst der Lebenshilfe, RD 4/2013). Im vorliegenden Einzelfall sollte von daher zuerst einmal bestimmt werden, welches Bildungsziel erreichbar ist. Und dann wäre zu prüfen, ob dieses Ziel mit den Mitteln des öffentlichen Schulträgers in zumutbarer Weise erreichbar ist.

Im Verfahren vor dem LSG NRW wurde schließlich geklärt, dass in beiden Schulen der Hauptschulabschluss erreichbar wäre, der Schulweg zu beiden in etwa gleichlang ist und der Erfolg der Schulbildung nicht infrage gestellt werden könnte. Demnach konnte nicht weiter bestimmt werden, dass der Besuch der privaten Schule „angemessen“ sei. Von den Sachverständigen nicht problematisiert wurden dagegen die möglichen Folgen einer Umschulung und die Auswirkungen auf das Kind (S. 185, a.a.O.).

Die Bestimmung des Bildungsziels ist meiner Ansicht nach höchst problematisch. Bei Kindern mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung wird in der Regel unterstellt, dass ein Hauptschulabschluss nicht erreicht werden kann. Von daher ist anzunehmen, dass Eltern von Kindern mit diesem Förderschwerpunkt erhöhte Schwierigkeiten haben, ihr Kind auf eine andere, nicht-staatliche Schule zu bringen und dafür das Schulgeld refinanziert zu bekommen. Damit dies aber doch gelingt, müssten Gründe herausgearbeitet werden, die eine Angemessenheit bzw. die Zumutbarkeit der privaten Schule einerseits und die Unzumutbarkeit und subjektiven Beeinträchtigung an der öffentlichen Schule andererseits belegen.

Zum Kernbereich der Schule bzw. der pädagogischen Arbeit gehören nach Ansicht des Bundessozialgerichts alle Maßnahmen, welche helfen, die staatlichen Lernziele zu erreichen. Dies wäre in erster Linie die Finanzierung des unentgeltlichen Unterrichts. Diese Kosten muss das Bildungsministerium bzw. das Schulamt übernehmen. Die Kosten der unterstützenden Betreuung, die behinderungsbedingt nötig sind und die Teilhabe am Schulunterricht zu ermöglichen, also einen Nachteil für das Kind abzustellen, übernimmt die Sozialhilfe oder Jugendhilfe.

Der Sozialhilfe- oder Jugendhilfeträger muss dagegen erst dann auch das Schulgeld übernehmen, wenn eine angemessene Schulbildung unter Berücksichtigung objektiver und subjektiver (also personenbezogene) Gründe nicht möglich ist.


CGS




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Dienstag, 13. September 2016

Geldanlage - Dem Entscheidungsprozess auf der Spur

In meinem letzten Beitrag hatte ich von der zweiten Spitze des Beziehungs-Dreiecks der Geld- und Vermögensanlage Beratung und Anlageentscheidung nur über die Beratungen gesprochen. Dieser Teil war zugegebenermaßen sehr negativ formuliert, was aber angesichts der weiterhin bestehenden Probleme im Bankenwesen nicht überraschen sollte. Im Beratungsgespräch werden verschiedene Themen angesprochen, deren Inhalte nun ausgewertet und in einen Entscheidungsprozess münden sollen. Am Ende steht dann die Entscheidung, was im Einzelnen geschehen soll. Wie ein solcher Entscheidungsprozess aussehen kann bzw. welche Fragen dabei zu beantworten sind, möchte ich nachfolgend ein wenig näher betrachten.

Vorab aber noch ein weiteres Negativ-Beispiel:

Die Geschäftsführung eines sozialen Unternehmens entspricht dem Wunsch des Bankberaters der Hausbank zu einem Finanzberatungsgespräch und lädt ihn ein. Mit Begeisterung und Hingabe gibt der Bankberater über drei Stunden lang eine hübsche Kapitalmarkt-Geschichte zum Besten. Erst in den letzten fünf Minuten seiner Zeit und seines Redeflusses präsentierte er noch schnell seine beiden Anlageideen, welche von der Geschäftsführung selbstzufrieden genehmigt werden – für einige Jahre festgelegt werden etwa 5 % der Bilanzsumme.

Vor vielen Jahren war der Entscheidungsprozess für Anlageentscheidungen eher simpel. Weil es damals noch keine negativen Zinsen gab bei risikoarmen Unternehmensanleihen, konnten Gelder gut untergebracht werden. Doch mittlerweile zahlen Anleger selbst beim Kauf von risikoträchtigen Unternehmensanleihen einen Aufpreis, der über die Laufzeit der Anlage abzuschreiben ist. Wollte man in die gleiche (Risiko-) Klasse an Unternehmensanleihen investieren, wie früher noch, müssen noch viel höhere Abschreibungen hingenommen werden. Will man dies nicht, muss man den möglichen Totalverlust als Risiko tragen.

So wie früher, geht es auf keinen Fall. Doch sich allein auf den Bankberater verlassen?

Die beiden Anlageideen aus dem oben genannten Finanzberatungsgespräch gingen noch mal gut, man sollte aber dazu wissen, dass die eine Anlage eine Anleihe war, die an der Kreditwürdigkeit einer deutschen Großbank gekoppelt war – kurz nach ihrer Fälligkeit wäre diese Anleihe zum Problemfall geworden.

Das kann natürlich auch absolutes Können gewesen sein. Die erste Frage sollte aber eher sein, was mit den jetzt zur Verfügung stehenden freien Mitteln geschehen soll.

Ideal wäre es, wenn das soziale Unternehmen statt der Geldanlage die Re-Investition der nicht benötigten Mittel vornehmen würde (Mittelverwendung). Immerhin versteht die Geschäftsführung etwas von der sozialen Arbeit und könnte somit ihren öffentlichen Auftrag besser wahrnehmen.

Utopisch wäre es, wenn das soziale Unternehmen in anstehenden Vergütungsverhandlungen eine Herabsetzung seiner Vergütungen vereinbaren (oder hinnehmen) würde. Immerhin hat es offenbar in der Vergangenheit gut verdient und könnte somit schwer begründen, dass weitere Erhöhungen erforderlich sind (Erforderlichkeitsprinzip).

Unvorstellbar wäre es, wenn das soziale Unternehmen eine Ausschüttung der nicht benötigten Mittel an die Gesellschafter vorschlägt. Immerhin handelt es sich bei solchen Maßnahmen um übliche Verfahren bei z.B. Kapitalgesellschaften; und börsennotierte Unternehmen kaufen sogar einen Teil ihrer ausstehenden Aktien, um den Kurs schön hoch zu halten.

Vernünftig ist es, wenn das soziale Unternehmen seine nicht benötigten Mittel so anlegt, dass ein planbares Einkommen entsteht, mit dem man vorübergehende Unter-Auslastungen abdecken kann. Vergütungen sind i.d.R. höchst variabel kalkuliert, was bedeutet, dass Personal bei Schwankungen in der Auslastung aufgestockt oder abgebaut – und zwar schnellstmöglich – werden muss. Weil das nicht geht, und weil mit den Leistungsträgern in den Vergütungen keine Personal-Abfindungszahlungen kalkuliert und vereinbart werden können, werden freie Mittel benötigt, die weitsichtig und einkommensträchtig (kapitalerhaltend) angelegt werden müssen. Man kann auch sagen, dass mit Hilfe von Geldanlagen betriebliche Strukturen abgesichert werden müssen, damit die Erfüllung der sozialen Aufgabe langfristig, prompt und verlässlich gewährleistet werden kann.

Die zweite Frage sollte dagegen sein, ob man selbst eine Geldanlage tätigen kann, die das vorgenannte Ziel erfüllt.

Geldanlage in Eigenregie ist nicht schwierig, aber sie ist auch weder kostenlos, noch zwingend gewinnbringend oder risikolos. Wenn man stattdessen einen Finanzberater, die eigene Hausbank oder sogar eine Kapitalanlagegesellschaft (Investment-Manager) beauftragt, verschiebt man zwar den Entscheidungsprozess für Einzelanlagen auf diese, doch die verlangen dafür eine Management- und Verwaltungsgebühr. Was Gewinne und Risikolosigkeit angehen, werden die neuen Macher auf keinen Fall Garantien abgeben. Auf Unternehmensseite (Geldgeber) sollte zudem geklärt werden, wer im Verlustfall wann mit wie viel haftet. Ein Entscheidungsprozess.

Die Alternative zur eigenen Vermögensverwaltung und Anlageentscheidung ist somit die Beratung und Geldanlage durch Profis. Man selbst ist was Geldanlagen angeht immer ein Laie, und ganz bestimmt hat man nicht die Ressourcen und Informationsquellen, über welche die Profis verfügen. Zudem werden professionelle Vermögensverwalter (meistens) schneller und konsequenter durchgreifen, wenn entsprechende Warnungen registriert werden.

Die Bandbreite der Vermögensverwaltung ist dabei immens. Spezielle Vermögensmanagementfonds, die sogar an den Börsen frei gehandelt werden können, bieten sehr standardisierte Anlagemöglichkeiten an. Doch auch Hausbanken haben mittlerweile neben den kundenberatenden Wertpapierspezialisten sogar ganze Abteilungen, die sich rein um Vermögensverwaltung kümmern. Hier finden sich allerdings Modelle, die einerseits stark den ordinären Fonds ähneln, andererseits mit bunten Übersichten, Grafiken und vielen Ausdrucken einen guten Eindruck über die Handelsaktivitäten liefern. Es gibt für die ganz großen Vermögen sogar „eigene“ Investmentfonds, bei denen man schon von unternehmerischer Beteiligung sprechen kann (dies sollte sehr genau geprüft werden, weil für die soziale Unternehmung dabei ein hohes Risiko entstehen kann).

Die dritte Frage zielt dann schon darauf ab, wie viel „Unruhe“ und „Risiko“ akzeptiert werden soll.

An dieser Stelle geht es nicht mehr um die Strukturierung der Vermögensanlage, d.h. den Anteil von Aktien, Renten und Rohstoffen oder anderen Vermögensklassen. Dies ist wahrscheinlich an früherer Stelle schon mal geklärt worden. Jetzt sollte es um die konkrete Einzelanlage gehen.

Hatte man sich überlegt, dass man 60 % der freien Mittel konservativ anlegt und 40 % in Aktien, dann ist jetzt zu prüfen, ob diese Grenzen mit dem Angebot der Bank ggf. nicht mehr eingehalten werden können.

Hat man die Einkommensziele dank der bestehenden Anlagen vorzeitig erreicht, sollte jetzt geprüft werden, ob das Angebot der Bank das bestehende Risiko vergrößert.

Hat man sich Klarheit darüber verschafft, welche Bedingungen mit der Einzelanlage verbunden sind oder inwiefern die Einzelanlage möglichen ethischen Richtlinien widerspricht?

Viele Stiftungen bedienen sich sogenannter Anlagerichtlinien, dergleichen auch börsennotierte Investmentfonds. Wie solche Anlagerichtlinien konkret aussehen, wird häufig als Betriebsgeheimnis abgetan. Von daher lohnt sich ein Blick darauf, wenn man als soziales Unternehmen vor der Frage steht, was mit den freien Mitteln nun geschehen soll. Wenn das soziale Unternehmen versteht, wie und worin Anlagen getätigt werden, ob die professionell geführte Vermögensverwaltung überhaupt eine Anlagestrategie verfolgt, dann kann auch der eigene Entscheidungsprozess fundiert erfolgen.

Die vierte Frage sollte sich damit beschäftigen, wie man die gemachten Entscheidungen bzw. die professionelle Vermögensverwaltung effektiv kontrollieren kann. Selbst wenn die Vermögensverwaltung in Eigenregie erfolgt, es muss eine neutrale Kontrolle und Besprechung wie auch immer erfolgen.

Noch vor vielen Jahren war der Entscheidungsprozess für Anlageentscheidungen simpel, weil es damals noch keine negativen Zinsen gab bei risikoarmen Unternehmensanleihen. Nun müssen Entscheidungen darüber getroffen werden, ob man die freien Mittel risikolos anlegen will oder ein stetes Einkommen erzielen möchte. Zwar kann man sich der Hilfe professioneller Vermögensverwalter bedienen, doch auch diese müssen regelmäßig geprüft werden – der Vergleich mit Benchmarks ist hilfreich, aber nicht umfassend genug.

CGS





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