Viele Eltern misstrauen der öffentlichen Schule und sehen
das Wohl ihres Kindes in einer privaten Schule – dies gilt auch für Eltern „behinderter“
Kinder. Es wird den öffentlichen Schulen nicht nur Kompetenz und Fachlichkeit
abgesprochen, sondern auch Leistungsabbau und mangelnde Motivation unterstellt.
Ob Kinder mit besonderen Unterstützungsbedürfnissen in einer privaten Schule
tatsächlich besser aufgehoben sind, soll in diesem Beitrag nicht untersucht
werden. Es kommt letztlich immer auf den Eindruck an, den die Eltern und das
Kind von dem jeweiligen Beschulungsangebot vor Ort haben. Doch es gibt Aspekte,
die Eltern von behinderten Kindern nicht automatisch voraussetzen sollten, wenn
sie sich für den Besuch einer privaten Schule entschieden haben und diesen
Wunsch dem Sozialhilfeträger vortragen.
Vor mehreren Jahren entschied
das Bundessozialgericht, dass eine Übernahme des Schulgeldes durch die
Eingliederungshilfe nicht erfolgen kann (BSG-Urteil vom 15.11.2012, Az. B 8 SO
10/11 R). In dieser Sache gab es zuvor das Einverständnis des Schulamtes, dass
das Kind mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf eine Privatschule
besuchen konnte. Die Privatschule arbeite nach den Grundsätzen der
anthroposophischen Heilpädagogik und Waldorfpädagogik. Die Kosten für die
Aufnahme und das Schulgeld für den Besuch übernahm das Schulamt dagegen nicht,
weil der Besuch einer öffentlichen Schule dagegen möglich gewesen wäre. Die
Eltern sahen nun das Recht des Kindes auf eine angemessene Schulbildung
gefährdet und klagten (vgl. auch § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII).
Zwar umfassen die Leistungen
der Eingliederungshilfe auch „Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung,
insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch
weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu…“, doch was
dabei zu beachten ist, sind die weiterhin bestehenden Bestimmungen über die
allgemeine Schulpflicht. Das bedeutet, dass zwar das Wunsch- und Wahlrecht
unangetastet bleibt, aber wenn
staatlicherseits zumutbare Ressourcen vorhanden sind, dann müssen keine
zusätzlichen Ressourcen staatlicherseits geschaffen werden.
Dieser Grundsatz ist wichtig.
Wenn Eltern mit dem Besuch
einer öffentlichen Schule nicht einverstanden sind, müssen sie objektive Gründe
anführen, warum der Besuch unzumutbar ist. Ein Beispiel hierfür wäre die „Rampe
für den Rollstuhlfahrer“. Würde eine solche bei der öffentlichen Schule fehlen,
aber die private Schule wäre zugänglich für einen derart behinderten Menschen,
müsste entweder ein barrierefreier Zugang geschaffen werden an der öffentlichen
Schule oder jemand anderes müsste das Schulgeld der privaten Schule übernehmen.
Wer also?
Wenn die Beschulung eines
behinderten Kindes auf einer öffentlichen Schule „gescheitert“ und somit keine
weitere öffentliche Schule „zumutbar“ möglich ist, müsste eine Kostenübernahme durch
das Schulamt erfolgen. Doch wenn das Schulamt keine weiteren Ressourcen
schaffen oder diese Kosten partout nicht übernehmen will, wer dann?
Von dem VG Freiburg wurde einst
beschlossen, dass das Schulgeld in dem dort zu entscheidenden Fall nicht der
Finanzierung des Unterrichts diente, sondern als Teil der unterstützenden
Betreuung. Von daher musste der Sozialhilfeträger das Schulgeld übernehmen (VG
Freiburg Beschluss vom 21.3.2013, Az. 4 K 392/13).
In einem anderen Verfahren
hatten die Eltern ihr Kind auf einer privaten Schule angemeldet – einer
anerkannten Tagesbildungsstätte mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung.
Seitens des Schulamtes bestanden keine Einwände, doch der Sozialhilfeträger verweigerte
die Kostenübernahme. In der ersten Instanz konnten sich die Eltern noch
durchsetzen, doch in der zweiten Instanz scheiterten sie (SG Detmold Urteil vom
26.6.2008, Az. S 6 SO 188/07; LSG NRW Urteil vom 15.5.2013, Az. L 20 SO 67/08).
Das LSG bestätigte, dass der Nachranggrundsatz aus § 2 Abs. 1 SGB XII anwendbar
sei, aber nun geprüft werden muss, ob tatsächlich eine angemessene Schulbildung
möglich ist; es könnte nämlich durchaus sein, dass eine Kostenübernahme für
eine „anderweitige Beschulung durch den Eingliederungshilfeträger“ in Betracht kommen
würde (vgl. S. 185, Rechtsdienst der Lebenshilfe, RD 4/2013). Im vorliegenden
Einzelfall sollte von daher zuerst einmal bestimmt werden, welches Bildungsziel
erreichbar ist. Und dann wäre zu prüfen, ob dieses Ziel mit den Mitteln des
öffentlichen Schulträgers in zumutbarer Weise erreichbar ist.
Im Verfahren vor dem LSG NRW
wurde schließlich geklärt, dass in beiden Schulen der Hauptschulabschluss
erreichbar wäre, der Schulweg zu beiden in etwa gleichlang ist und der Erfolg
der Schulbildung nicht infrage gestellt werden könnte. Demnach konnte nicht
weiter bestimmt werden, dass der Besuch der privaten Schule „angemessen“ sei. Von
den Sachverständigen nicht problematisiert wurden dagegen die möglichen Folgen
einer Umschulung und die Auswirkungen auf das Kind (S. 185, a.a.O.).
Die Bestimmung des
Bildungsziels ist meiner Ansicht nach höchst problematisch. Bei Kindern mit dem
Förderschwerpunkt geistige Entwicklung wird in der Regel unterstellt, dass ein
Hauptschulabschluss nicht erreicht werden kann. Von daher ist anzunehmen, dass
Eltern von Kindern mit diesem Förderschwerpunkt erhöhte Schwierigkeiten haben,
ihr Kind auf eine andere, nicht-staatliche Schule zu bringen und dafür das
Schulgeld refinanziert zu bekommen. Damit dies aber doch gelingt, müssten
Gründe herausgearbeitet werden, die eine Angemessenheit bzw. die Zumutbarkeit
der privaten Schule einerseits und die Unzumutbarkeit und subjektiven
Beeinträchtigung an der öffentlichen Schule andererseits belegen.
Zum Kernbereich der Schule bzw.
der pädagogischen Arbeit gehören nach Ansicht des Bundessozialgerichts alle
Maßnahmen, welche helfen, die staatlichen Lernziele zu erreichen. Dies wäre in
erster Linie die Finanzierung des unentgeltlichen Unterrichts. Diese Kosten
muss das Bildungsministerium bzw. das Schulamt übernehmen. Die Kosten der
unterstützenden Betreuung, die behinderungsbedingt nötig sind und die Teilhabe
am Schulunterricht zu ermöglichen, also einen Nachteil für das Kind abzustellen,
übernimmt die Sozialhilfe oder Jugendhilfe.
Der Sozialhilfe- oder Jugendhilfeträger
muss dagegen erst dann auch das Schulgeld übernehmen, wenn eine angemessene
Schulbildung unter Berücksichtigung objektiver und subjektiver (also
personenbezogene) Gründe nicht möglich ist.
CGS
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