Mittwoch, 19. Juli 2023

Was ist die Fachkraftquote in den bWF-Vereinbarungen für Schleswig-Holstein?

Das mit der Fachkraftquote wäre eigentlich ganz einfach. Ist es aber nicht, weil man sich klar werden muss, worauf sich das mit der Quote eigentlich bezieht.

Zuerst einmal geht es vielmehr um die Frage, welche Assistenzleistungen gebraucht werden für diese Sache mit der Eingliederungshilfe (§ 78 SGB IX). Da einige Tätigkeiten nicht nur von sogenannten Assistenzfachkräften ausgeführt werden müssen, kommt so ein Mix von verschiedenen beruflichen Qualifikationen und Eigenschaften zustande.

Eine solche Quote wird üblicherweise in der Leistungsvereinbarung spezifisch festgelegt. Das verlangt wiederum, dass sich Leistungsträger und Leistungserbringer darüber besprechen, welche Leistungen von dieser Quote angesprochen werden. In Schleswig-Holstein hatte man nun festgelegt, dass die besonderen Leistungen aus § 78 Abs. 6 herausgenommen werden --- weil es sich um Hintergrund- bzw. Vorhalteleistungen handelt.

Derartige Leistungen werden zwar für den zu betreuenden Personenkreis insgesamt erbracht, sie gehören damit allerdings nicht zu den personenabhängigen Leistungen. Und demzufolge lautet der Merksatz:

Vorhalteleistungen zählen nicht zur Fachkraftquote. 

 

Die Fachkraftquote einfach und simpel

Die Eingliederungshilfe hat zum Ziel, Menschen mit Behinderung eine möglichst selbstbestimmte Teilhabe am Leben zu bieten. Selbstbestimmt bedeutet, dass auf die einzelne Person bezogene Leistungen erbracht werden, um Selbstständigkeit und Eigenverantwortung zu fördern. Je nachdem, welche Bedarfe (personenzentriert) nun vorliegen, wird die eigentliche Leistungserbringung von einer  einfachen oder einer qualifizierten Assistenz kommen (vgl. § 78 Abs. 2 SGB IX).

Bei der einfachen Assistenz geht es vielmehr darum, die Hilfen kompensatorisch und stellvertretend zu leisten. Damit gemeint sind Handlungen zur Alltagsbewältigung, die teilweise oder sogar vollständig erfolgen, sowie die Begleitung des leistungsberechtigten Menschen (Satz 2 Ziffer 1). Eine solche Aufgabe kann von Personen übernommen werden, die höchstens eine Fachausbildung mit in der Regel zweijähriger Dauer und staatlichem Abschluss vorweisen.

Bei der qualifizierten Assistenz steht die Befähigung des Leistungsberechtigten zur eigenständigen Alltagsbewältigung im Vordergrund (Satz 2 Ziffer 2). Diese Tätigkeit wird von Personen erwartet, die mindestens eine dreijährige, fachbezogene Berufsausbildung absolviert haben; man spricht dann auch von Fachkräften, während andere Beschäftigte als Assistenz-, Hilfs- oder Nichtfachkräfte eingeordnet werden. 

Je nach Leistungsvereinbarung bzw. den Personenkreis mit seinen Bedarfen, wird der Anteil der Fachkräfte bestimmt (§ 124 Abs. 2 S. 1). In früheren Zeiten war dies ein ganz bestimmter Stellenanteil für die Fach- und Nicht-Fachkräfte; zusammen dann das pädagogische Betreuungspersonal (pBP). Heutzutage werden Personalschlüssel (P) und ein Prozentsatz (FK-Quote) festgelegt. Bezogen auf die Anzahl der Klienten (K), würde dann eine Menge an Stellenanteilen (St oder VZÄ; Vollzeitäquivalenz) für die Fachkräfte oder Assistenzfachkräfte (AFK) errechnet werden können sowie ein Stellenanteil für die Nicht-Fachkräfte oder Assistenzkräfte (AK).

Die einfache Rechnung wäre dann wie folgt:

K x [1:P] x FK-Quote = AFK

K x [1:P] x [1 - FK-Quote] = AK

AFK + AK = pBP

 

Leistungen zur Erreichbarkeit sind eine Vorhalteleistung

Weil der Bundesgesetzgeber allerdings im § 78 Abs. 6 etwas von Erreichbarkeit und Ansprechbarkeit unabhängig von einer konkreten Inanspruchnahme geschrieben hat, muss man unterscheiden.

Diese Leistungen werden in Schleswig-Holstein zusammengefasst als Hintergrund- oder Vorhalteleistungen bzw. sind in den Kalkulationsblättern als Basisleistung enthalten. Man muss sich dabei bewusst machen, dass es sich um eine Assistenzleistung handelt, die nichts mit dem individuellen Teilhabeplan zu tun hat, sondern sich an den gesamten, betreuten Personenkreis (die Klienten) richtet. Vorhalteleistungen sollen im Bedarfsfall einfach nur da sein; beispielsweise die Rufbereitschaft bei Krisen oder Nachtwachen in Wohngruppen.

Vorhalteleistungen wären also unabhängig vom individuellen Bedarf der Klienten, so dass sie damit nicht mehr zum Komplex der personenabhängigen Leistungen (paL) zählen. Stattdessen hat man sie der Basisleistung (BL) zugerechnet. Und das bedeutet, dass es sich bei diesen Stellen nicht mehr um solche handelt, die zum pädagogischen Betreuungspersonal (pBP) im engeren Sinne zählen – dazu gleich mehr.

Eine Besonderheit findet sich in Schleswig-Holstein in der Festlegung, bei welcher Anzahl an Klienten in einer stationären Einrichtung (seit 2020 umgewandelt in besondere Wohnformen) mindestens die Hälfte des mit den Leistungsträgern vereinbarten Personals für Betreuung und Pflege aus Fachkräften bestehen muss (vgl. § 10 SbStG-DVO). Grundsätzlich wäre es eine Fachkraft bei bis zu 4 pflegebedürftigen oder höchstens 20 nicht pflegebedürftigen Bewohnern. Liegt die Anzahl der Klienten jedoch darüber, müsste es mindestens ein 50%iger Fachkräfteanteil sein. Ein Beispiel mit K = 4, und P = 3,75 sowie FK-Quote = 50 % ergibt für AFK diesen Wert:

4 x (1/3,75) x 50 % = 0,533 Stellenanteil für die Fachkraftstelle

Die Bestimmung in § 10 SbStG-DVO sagt nichts darüber, dass es sich um eine Vollzeitstelle handeln muss. Von daher bräuchte man nur noch eine weitere 0,5333 Stelle, die mit einer Nicht-Fachkraft / einfache Assistenzkraft besetzt wäre (pB = 4 x (1/3,75) minus 0,5333 AFK = 0,533 AK).

 

Vorhalteleistungen werden nicht mitgerechnet

Die wirkliche Besonderheit ergibt sich aus dem Verweis auf das „vereinbarte Personal für Betreuung und Pflege“ (Abs. 1 S. 2); ein anderer Begriff wäre dafür der des pädagogischen Betreuungspersonals (pBP), welches nunmehr, in Zeiten der direkten Leistungen am Menschen mit Behinderung, eine fachliche Arbeit erbringt, die nichts mit der Basisleistung zu tun hat. Rufbereitschaft, Nachtwache oder ähnliches werden im Sinne von § 78 Abs. 6 SGB IX einfach nur vorgehalten und stehen nicht im Zusammenhang mit der pädagogischen Assistenzleistung.

Dementsprechend sind die Personalkosten dafür nicht zu den Kosten für die Zeitkorridore (in Hamburg: Hilfebedarfsgruppe oder Leistungsstufe) kalkuliert, sondern sie befinden sich in den Kosten der Basisleistung.

Wenn also eine Einrichtung eine Stellenplanung unternimmt für so etwas wie Rufbereitschaft und Nachtwachen, muss das in der Leistungsvereinbarung separat bestimmt werden. Die Stellenanteile für Fach- und sonstige Kräfte hierfür werden somit auch nicht zur Fachkraftquote gezählt, wie man sie für die pädagogische Assistenzleistung benötigt.

Stellt sich damit nur noch die Frage, wie die Verteilung der Assistenzfachkräfte und der einfachen Assistenz in den Zeitkorridoren gestrickt ist. Sofern die Fachkraftquote in der Leistungsvereinbarung nicht einzeln und differenziert pro Zeitkorridor festgeschrieben wurde, gilt sie für alle gleichermaßen. Ob sie dann aber auch geprüft werden kann von der Aufsichtsführenden Stelle bzw. dem jeweiligen Fachdienst für Gesundheit (früher: Heimaufsicht), ist fraglich.

CGS

 

 

 

 

Quellen:

Selbstbestimmungsstärkungsgesetz / für Schleswig-Holstein

 

 

 

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