Samstag, 8. März 2014

Trägerbudgets kommen

Vor vielen Jahren begann ich diesen Blog mit diesem Beitrag – meine Nummer 1.

Es hat sich seitdem sehr viel weiterentwickelt in Hamburg und in Deutschland. Was das Thema anbelangt, sind Trägerbudgets jetzt nicht mehr so sehr „am kommen“, wie es mal aussah. Zwei Leistungserbringer hatten sich entschlossen, ihre Rahmenvereinbarungen (in einem Fall sogar mit dem viel zitierten Trägerbudget) zu veröffentlichen. Das war notwendig und auch richtig, da man mit dieser Form der Transparenz jeglicher Spekulation begegnen konnte (auch meiner).

Der folgende Beitrag gibt diese Entwicklung somit nicht wieder.

Es wird derzeit eine „neue Idee“ zum Thema Vergütungen diskutiert, nachdem bereits einige große Träger von Einrichtungen und Diensten im Bereich der Eingliederungshilfe entsprechende Vereinbarungen mit der Stadt Hamburg abgeschlossen haben. Es handelt sich hierbei um sogenannte Trägerbudgets, bei der anstelle von einzelnen Vergütungssätzen pro Hilfebedarfsgruppe und Leistungsberechtigten (m.a.W. die Empfänger von Hilfeleistungen) ein trägerspezifisches und fixes Budget gezahlt wird.

Diese Idee ist nicht ganz so neu, da schon in der Vergangenheit, und nicht nur in Hamburg, sondern auch in anderen Bundesländern, regelmäßig solche Budgets Bestandteil der Haushaltsplanung und Träger-Vergütung gewesen sind und weiterhin sein werden. Neu daran ist allenfalls, dass auch kleinere Träger sich für eine solche Lösung interessieren (das gewusst-wie, also ob sich mehrere kleinere Träger zusammenschließen werden, bleibt noch ungewiss).

Hintergrund ist, die Stadt Hamburg hat (soweit mir bekannt ist) sämtliche Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII zum 31.12.2013 gekündigt und versucht nun über ein neues Kalkulationsmodell durchschnittlich niedrigere Vergütungen zu vereinbaren (zum neuen Kalkulationsmodell an späterer Stelle etwas mehr). In welcher Höhe die Reduzierung ausfallen wird, ist derzeit nicht bekannt. Nach meinem Dafürhalten wird man bei den Wirtschaftsaufwendungen, die sich größtenteils in der bisherigen Grundpauschale wiederfinden, den Rotstift ansetzen. Die Personalkosten werden formal nicht abgesenkt, trotzdem wird man Wege suchen und finden, wie man an dieser Stelle ebenfalls einsparen kann.

Wer sich als Träger auf das neue Kalkulationsmodell einlässt, wird also einen Rabatt hinnehmen müssen. Ohne Akzeptanz des neuen Kalkulationsmodells wird es aber auch keine Leistungsvereinbarung geben. Und ohne eine solche Leistungsvereinbarung ist man als Träger von Einrichtungen und Diensten der Eingliederungshilfe schlichtweg nicht schiedsstellenfähig. Was dann bleibt, ist nur noch der beschwerliche Weg über die Gerichte.

Angesichts drohender Verluste und Erlösausfälle ist die Akzeptanz nicht sehr ausgeprägt. Da aber die großen Träger, wie eingangs gesagt, bereits Alternativen gefunden haben, mit denen sie über mehrere Jahre sogar gut leben können, beginnen sich die kleinen Träger dieser Idee eines festen Trägerbudgets zuzuwenden. Es ist so, als ob man ein kleines Übel hinnimmt, um nicht mit dem großen Übel sitzen zu bleiben.

Ein solches Trägerbudget ist zuerst einmal ein feststehender Betrag, der in regelmäßigen Zahlungen an die jeweiligen Träger erfolgt. Dass dabei der bisherige Grundsatz der personenzentrierten Leistungsfinanzierung aufgegeben und ein „Salto (mortale) rückwärts“ geschlagen wird in die tiefste Vergangenheit der Einrichtungsfinanzierung, interessiert offenbar niemanden wirklich. Zumindest die kleinen Träger versuchen auch die Sicht der Leistungsempfänger / Leistungsberechtigten einzunehmen und diskutieren mögliche Szenarien. Letztlich werden die kleinen Träger einknicken müssen, glaube ich, es sei denn, einer traut sich den Weg über die Gerichte (und sowas kann lange dauern!).

Da das Trägerbudget wie eine sehr große Pauschale angesehen werden kann, erscheint der weitere Grundsatz zur Vereinbarung von leistungsgerechten Vergütungen nicht gefährdet zu sein. Vergütungen bzw. die Leistungen müssen getreu dem Motto: „… ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“ (§ 76 Abs. 1 Satz 3 SGB XII).

Gegen Pauschalen ist nichts einzuwenden, denn sowohl die gesetzlichen Vorgaben wie auch die höchstrichterlichen Rechtsprechungen verweisen immer wieder darauf hin, dass nachträgliche Ausgleiche für Verluste, wie es in der Vergangenheit üblich war, nicht mehr vorkommen. Das früher praktizierte Selbstkostenprinzip besteht seit langem nicht mehr. Die Vergütungen müssen aber „… mindestens aus den Pauschalen für Unterkunft und Verpflegung (Grundpauschale) und für die Maßnahmen (Maßnahmepauschale) sowie aus einem Betrag für betriebsnotwendige Anlagen einschließlich ihrer Ausstattung (Investitionsbetrag)“ bestehen (§ 76 Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Eine Aufteilung des Trägerbudgets in diese drei Komponenten ist also notwendig, um zumindest formal den gesetzlichen Anforderungen zu genügen.

Das bisherige Kalkulationsverfahren, Tages- oder Stundensätze zu ermitteln, wird entfallen, ist aber auch nicht nötig. In § 76 Abs. 2 Satz 3 SGB XII heißt es: die „Maßnahmepauschale kann nach Gruppen für Leistungsberechtigte mit vergleichbarem Bedarf kalkuliert werden.“ Es handelt sich um eine „Kann“-Vorschrift! Vergütungen müssen nicht nach Gruppen für Leistungsberechtigte kalkuliert werden.

Problematisch ist hier nur die Verbindung zwischen dem vom Träger der Einrichtung vorzuhaltenden Leistungsangebot nach Absatz 1 und der darauf eigentlich basierenden Vergütung in Absatz 2. Beides wird so nicht mehr gelingen, es sei denn, das Leistungsangebot wird, wie die Vergütung, pauschaliert.

Die rechtlichen Anforderungen sprechen von Qualität und nicht von Quantität (siehe auch § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Im Wege von Zielvereinbarungen, die ja mit den Förderplänen erfüllt werden, wird die Leistung individuell für jeden Leistungsberechtigten verpflichtend für den Träger der Einrichtung vereinbart. Von daher bestätigt der Träger der Einrichtung, dass mit der Aufnahme eines Leistungsberechtigten der im Förderplan beschriebene Leistungsbedarf erbracht wird – koste es, was es wolle. Von daher kann die Zielvereinbarung gar keine konkreten Ziele beinhalten; dies erfolgt erst auf der darunter liegenden Ebene mit den Förderplänen in der Gesamtplankonferenz. Stattdessen wird eine eher abstrakte Vereinbarung getroffen, die aber umso mehr mit einer ebenfalls vereinbarten Vertragsstrafe sanktioniert werden kann.

Die weiteren Vorgaben in § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, dass die betriebsnotwendigen Anlagen, personelle und sächliche Ausstattung festgelegt werden, verlangen ebenfalls keine genauen Festlegungen hinsichtlich der jeweiligen Mengen. Es muss zumindest eine Art Beschreibung erfolgen, also wieder in abstrakter Form. Insbesondere beim Personaleinsatz wird der Träger der Einrichtung darauf achten müssen, kein „unqualifiziertes“ Personal einzusetzen. Eine bestimmte Personalmenge in Form von Stellen ist nicht vorgeschrieben. Fehlt also eine Personalmenge in der entsprechenden Leistungsvereinbarung, dann kann der Träger der Einrichtung seine Personalmenge flexibler steuern. Hauptsache ist, dass die Ziele gemäß den Förderplänen erreicht werden.

Wird ein Trägerbudget vereinbart, muss der Einrichtungsträger das volle wirtschaftliche Risiko tragen. Andersherum ist nur die Leistung zu erbringen, die erst auf der Ebene der Leistungsbedarfe der einzelnen Leistungsberechtigten anfallen. Was also notwendig und erforderlich ist, verschiebt sich jetzt in die Beziehung Einrichtungsträger und Leistungsberechtigter. Mögliche Ansprüche zwischen diesen beiden und der Stadt Hamburg wird es zukünftig nicht mehr geben.

Rechtlich sind Trägerbudgets meiner Ansicht nach möglich. Welche praktischen Auswirkungen sie haben werden, muss an anderer Stelle noch einmal beleuchtet werden. Fragt man sich aber, ob es vom Trägerbudget eine Rückkehr zum individuellen Tages- oder Stundensatz geben wird, wird man sich mit alten Problemen konfrontiert sehen.

Ich persönlich glaube, dass eine solche Rückkehr zwar nicht ausgeschlossen ist, aber ohne weiteres nicht gehen wird. Vermutlich wird man dann feststellen, dass die Leistungen mit einer viel niedrigeren Stellenzahl als bisher erbracht werden können. Die Senkung von altbekannten Standards wird damit erfolgreich vollzogen werden können, so dass man tatsächlich in dieser Phase des Übergangs eine dauerhafte Kostensenkung erreichen kann. Ob es dann aber eine heterogene Trägerlandschaft mit vielen kleinen Einrichtungen geben wird, bezweifle ich. Vermutlich könnte hier die Stadt Hamburg ein zweites Ziel verfolgen, nämlich die Trägerlandschaft auszudünnen, um mit wenigen Trägern effiziente Kostensenkung und Umgestaltung der hamburgischen Eingliederungshilfe zu erreichen.

CGS




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