Montag, 2. September 2019

BTHG: Lebensmittelversorgung könnte wieviel kosten?


In einem letzten Beitrag hatte ich über die Kritik der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e.V. (BAG WfbM) am Geldbetrag berichtet. Für die tägliche Versorgung mit Lebensmitteln sollten lediglich 3,30 Euro zur Verfügung stehen. Viel zu wenig, so die Interessenvertreter.

Es gibt jetzt ein paar weitere Geldbeträge, mit denen man sich eine mögliche Bandbreite an Kosten für die Lebensmittel-Versorgung besser veranschaulichen kann.  

Schon bald wird man allerdings bessere Daten haben, weil dann alle Leistungserbringer ihre Preismodelle den Klienten vorstellen werden. Die ersten Verträge sind bereits im Umlauf.


Versorgungsmodelle

Es gibt anscheinend schon erste Vertragsunterlagen hinsichtlich der Verpflegung von Bewohnern in vollstationären Wohnstätten (bald besondere Wohnformen genannt). Einerseits will man eine Versorgung „wie bisher“ anbieten, andererseits möchte man den Bewohnern die Möglichkeit der Eigenversorgung anbieten. Bei ersterem wird man unterscheiden müssen, ob eine Versorgung den ganzen Tag und an allen Tagen stattfinden muss oder ob die Bewohner tagsüber bei einem anderen Leistungserbringer, wie z.B. einer Werkstatt oder einer Tagesförderstätte, beschäftigt sind.

Im Grunde zeichnen sich jedoch drei Modelle und eine Entscheidung für „Nichts“ ab:

-          Vollversorgung (d.h. Frühstück, warmes Mittag, Abendessen, Getränke) an allen Tagen

-          Versorgung ohne ein warmes Mittagessen an Werktagen, aber Vollversorgung an den Wochenenden, Feiertagen, krankheitsbedingter Anwesenheit und/oder Urlaub

-          Versorgung mit Eigenleistungen

-          Nur Eigenversorgung / reine Selbstversorgung (wie Persönliches Budget)

Für welches Versorgungsmodell man sich letztlich entscheiden will, hängt zuerst einmal an den individuellen Besonderheiten und Möglichkeiten. Aber weil eine solche Entscheidung Geld kostet, muss man sich ansehen, wo es wie viel kostet.


Die Kosten der Versorgung

Ganz oben, an erster Stelle, stehen die Sachbezugswerte, zuerst einmal als Orientierungsgröße. Wie man sieht, findet sich dort in der Spalte für die Mittagsverpflegung gleich der Betrag, den die BAG-WfbM zuletzt kritisiert hatte (siehe dazu auch meinen Beitrag vom 7.8.2019). Man könnte jetzt annehmen, dass als Monatsbudget dieser Betrag als angemessen gilt.

In Nr. 2 wäre somit beispielhaft eine Vollversorgung mit Beschäftigungszeiten in einer WfbM abgebildet. Die Wohnstätten-Versorgung an den Werktagen (ohne Samstage) würde 77,88 Euro kosten (inkl. Umsatzsteuer), für die Wochenenden und Feiertage sowie sonstige Anwesenheitszeiten wären es dann 57,73 Euro pro Monat. Insgesamt würden die Aufwendungen dann zusammen 208,21 Euro ergeben.

Weil ein WfbM-Beispiel bekannt ist und es im Jahr 2013 eine Umfrage unter verschiedenen Leistungserbringern in Hamburg gab über einzelne Kostenbestandteile, insbesondere der Aufwand für Lebensmittel, ist an dritter Stelle ein Beispiel aufgeführt inklusive einem möglichen Inflationsausgleich. Die dort ausgewiesenen 5,33 Euro wurden tatsächlich für alle Tage eines Monats gezahlt, sodass sich in so einem Beispiel die Kosten beider Versorgungen auf insgesamt 257,37 Euro summieren.

In Nr. 4 wurden dagegen Werte aus einem Preismodell in einer bald neu entstehenden „besonderen Wohnform“ verwendet. Und in Nr. 5 dagegen Beträge aus einer Tagesförderstätte / Einrichtung für tagesstrukturierende Leistungen übernommen. Wie man sieht, liegen die Gesamtkosten bei 202,88 Euro bzw. 207,28 Euro.

Würde man als Bezieher von Leistungen der Grundsicherung wirklich gleichgestellt, müsste man mit einem Budget von 168,00 Euro (Basis 2016) bzw. 171,38 Euro auskommen. Einer Unterlage aus der Hamburger Sozialbehörde zufolge sollte der Anteil für Nahrungsmittel und alkoholfreien Getränken im Regelbedarfssatz bei 166,80 Euro im Monat liegen.


Was gilt als angemessen?

Diese Rechenbeispiele sollen erst einmal nur einen groben Anhaltspunkt liefern, damit man ungefähr die Bandbreite abschätzen kann. Der jetzt bekannte Regelsatz von 166,80 Euro wird aller Wahrscheinlichkeit nach die unterste Grenze darstellen, bei einer Mit-Versorgung durch eine Beschäftigungsstätte könnten dagegen schnell etwas über 200,00 Euro zusammenkommen. Die 257,37 Euro werden mit Sicherheit nur in ganz besonderen Einzelfällen akzeptiert – meiner Einschätzung nach.

In jedem Fall wird es immer auf den individuellen Versorgungsbedarf ankommen. Und sehr wahrscheinlich werden die Leistungsträger mit einer Vielzahl an Mehrbedarfs-Anträgen konfrontiert werden, weil aufgrund der neuen Rahmenbedingungen mit einer Minderversorgung gerechnet wird – auch wenn sich faktisch nichts ändert.

CGS




Notizen:

1.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft überörtlicher Sozialhilfeträger (BAGüS) verwies in einer „Orientierungshilfe zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab 01.01.2018“ darauf, „… dass die Grundsicherung (existenzsichernde Leistungen) auch Mehrkosten enthalten soll, die aufgrund der Zubereitung entstehen (Personal, Miete)“ (ab Zeile 32, S. 1). Die Fachleistung, die eigentlich für die behinderungsbedingten Bedarfe zuständig ist, soll verbilligt werden. Die Grundsicherung ist dagegen gedeckelt und könnte diese Bedarfe eben nicht übernehmen.

2.
Aufgrund der großen Zahl an Haushalte, die in die Statistiken einfließen, gehen besondere Nahrungsmittelbedarfe als Wert schlichtweg unter. Besteht ein solcher Bedarf, soll nur in begründeten Fällen dieser anerkannt werden (§ 42b Abs. 2 SGB XII-2020). Doch auch hier findet mal wieder eine Deckelung statt, die ein Problem bereitet (Abs. 2 S. 2 mit Bezug auf § 2 Abs. 1 S. 2 Sozialversicherungsentgeltverordnung – SvEV).

In der Gesamtplankonferenz sollten von daher alle Verträge, die ein Entgelt für die Lebensmittelversorgung beinhalten, von den Leistungsträgern begutachtet werden. Eine Kürzung und Verrechnung dürfte es nicht geben, wenn Eigenmittel beim Leistungsberechtigten nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind.





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