Mittwoch, 31. Oktober 2018

Behandlungspflege in Einrichtungen der Behindertenhilfe


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Leistungsverantwortung bei Pflege
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) arbeitete an seiner Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie (HKP) weiter hinsichtlich der Erbringung von Behandlungspflege in vollstationären Einrichtungen. Dieses Thema ist ein besonderes Thema für Träger von Stationären Wohneinrichtungen, in denen Menschen mit Behinderung wohnen, leben und versorgt werden (nunmehr auch als besondere Wohnformen bekannt).

Wenn Bewohner dieser Einrichtungen mal krank sind, müssen sie ja nicht nur für die Zeit des Daheimbleibens betreut werden, es muss unter Umständen auch eine pflegerische Leistung erbracht werden. Und das verlangt ggf. eine besondere personelle Ausstattung bei den Leistungserbringern.


Pflegebedarf in stationären Einrichtungen angestiegen

Ein solcher Bedarf verlangt viel ab. In einer am 17.9.2014 veröffentlichten Umfrage zur „Eingliederungshilfe / Pflege und Interne Tagesstruktur“ gaben 14 % der befragten Leistungserbringer an, dass der Pflegebedarf in den letzten fünf Jahren „gleich geblieben“ ist (9,5 %). Im Umkehrschluss heißt es, dass der Pflegebedarf durch die Bank angestiegen ist. Mehrere der Befragten gaben an, der Pflegebedarf sei zwar erhöht, aber eine „offizielle Höherstufung“ fand nicht stattfand (S. 2 der Umfrageergebnisse).

Wie auch. Eine solche Höherstufung müsste über ein Pflegegutachten erfolgen, doch eine höhere Pflegeleistung käme trotzdem nicht zustande: Gemäß § 43 a S. 2 SGB XI sind die Aufwendungen der Pflegekasse begrenzt auf 266 Euro im Monat (Stand 2018). Empfänger dieser Leistungen ist aber weder der Bewohner noch der Träger der Wohneinrichtung, sondern der (Kosten-) Träger der Sozialhilfe / Eingliederungshilfe. Was die Pflegekasse zu zahlen hat, ändert sich nicht. Und von daher hat auch ein nachrangiger Leistungsträger kein Interesse daran, hier noch etwas zu bewirken.

Als Ursache für den gestiegenen Pflegebedarf werden Erhöhtes Alter (95,6 %) und eine gestiegene Anzahl an schwerst-mehrfach behinderten Menschen, die in stationären Einrichtungen leben, (62,5 %) in den Ergebnissen der Umfrage genannt (S. 4). Für den Leistungserbringer steigt der Aufwand damit enorm, so dass man schon ein Interesse daran hat, diesen Aufwand vergütet zu bekommen.


Pflegeleistungen in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe

Eigentlich sind diese Leistungserbringer der Behinderungshilfe für ganz andere Leistungen als die Pflege prädestiniert. Doch wenn ein Mensch in einer stationären Wohneinrichtung lebt und der Eingliederungshilfe bedarf, sind nun mal Leistungen in Form einer Behandlungspflege unumgänglich. Dank einer Sonderregelung in § 55 SGB XII wird gesetzlich sichergestellt, dass auch Pflegeleistungen von genau so einem Träger dieser Wohnform erbracht werden. Die konkrete Ausgestaltung wiederum schlägt sich dann nieder in den Landesrahmenverträgen für diese Leistungserbringer (noch § 79 SGB XII) sowie den einzelnen Leistungsvereinbarungen (vgl. dazu auch § 75 Abs. 3, § 76 Abs. 1 und Abs. 2 SGB XII).

Aber das kann sich ändern, weil die einzelnen Verbände der Leistungserbringer wie auch die jeweiligen überörtlichen Leistungsträger für Eingliederungs- und Sozialhilfe in die Verhandlungen gehen. Ab dem Jahr 2020 müssen neue Grundlagen geschaffen sein, damit die Leistungserbringung weiterhin gesichert und auch angemessen vergütet wird. Behandlungspflege wird Gegenstand der Verhandlungen über die Leistungen nach dem SGB IX sein (§ 123 SGB IX n.F., Eingliederungshilfe), auch wenn die Hilfen zur Pflege weiterhin Bestandteil der Sozialhilfe bleiben (7. Kapitel SGB XII).

Der G-BA hat seine Richtlinie dahingehend geändert, dass nun „eine Verordnung von Behandlungspflege ist auch für Versicherte in vollstationären Einrichtungen … zulässig, wenn ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege … besteht“ (Änderung zu § 1 Abs. 6). Dies würde auch für einen „vorübergehenden“ Bedarf gelten, wie er beispielsweise für die Zeit nach einem Krankenhausaufenthalt sein würde. Wie gesagt, hier wäre die Notwendigkeit einer ständigen Überwachung und Versorgung gegeben. Wenn dies aber nicht „ständig“ und „durch eine qualifizierte Pflegefachkraft“ erforderlich ist, „ist eine Erbringung von Behandlungspflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege nur zulässig, wenn die Leistungserbringung nicht zu den Aufgaben der Einrichtung … gehört.“ Und nicht verordnungsfähig sind in der Regel „einfachste Maßnahmen der Behandlungspflege“.


Behandlungspflege als Entscheidungskriterium

Medizinische Behandlungspflege stellt eine Besonderheit dar; Kriterium ist also der Bedarf an einer „ständigen Überwachung und Versorgung“. Bei der häuslichen Krankenpflege (einfache Behandlungspflege) wird ein solcher Bedarf nicht vorausgesetzt. Doch es kommt dann darauf an, ob die jeweilige Leistungsvereinbarung diese Tätigkeit mit einschließt oder nicht. Wenn das nicht der Fall ist, wird jede Form der Behandlungspflege eine Leistung der Krankenkasse darstellen – die Maßnahmen richten sich dann nach dem SGB V und nicht nach dem SGB IX.

Für den Menschen, der in einer besonderen Wohnform lebt und eine solche Pflegeleistung möglicherweise benötigt, muss die Krankenkasse in einem Genehmigungsverfahren prüfen. Bei Menschen mit einem Bedarf z.B. an regelmäßiger Medikamentengaben oder Blutzuckermessungen ergibt sich damit ein weiteres Qualitätsmerkmal bei der Auswahl geeigneter Wohnformen, wenn sie in solchen Einrichtungen der Behindertenhilfe leben wollen.

CGS



Quellen:

Umfrage: „Eingliederungshilfe / Pflege und Interne Tagesstruktur“
Veröffentlicht am 17.9.2014
Bezug über die Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. (www.lebenshilfe.de)


Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)
Beschluss zur Änderung der HPK-Richtlinie:
Verordnung von Behandlungspflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für
behinderte Menschen



Abs. 1 S. 1
Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird.

Abs. 1a S. 1
Versicherte erhalten an geeigneten Orten im Sinne von Absatz 1 Satz 1 wegen schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung, soweit keine Pflegebedürftigkeit mit Pflegegrad 2, 3, 4 oder 5 im Sinne des Elften Buches vorliegt, die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung.

Abs. 2 S. 1
Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.

Abs. 6
Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in Richtlinien nach § 92 fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können.

(Fettdruck von mir)

(letzter Aufruf für alle Links am 28.10.2018)




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