Montag, 11. April 2016

Fristen bei der Bearbeitung von Anträgen im Geltungsbereich SGB V und SGB IX

Das Bundessozialgericht entschied in einem Fall über den Anspruch auf Kostenerstattung für vom Kläger „selbst beschaffte 24 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie“ (Ziffer 4 des Terminberichts Nr. 8/16 vom 8. März 2016, Link und Quellenangabe weiter unten). Interessant an dieser Entscheidung sind natürlich nahezu alle Aspekte (d.h. genehmigungsfähiger Antrag, Fortbestand der Erforderlichkeit im Zeitpunkt des Leistungsbezugs, Genehmigungsfiktion usw.), doch besonders wichtig erscheint mir die Feststellung, dass die Krankenkasse (Beklagte) über den eingegangenen Antrag weder fristgemäß entschieden noch den Versicherten (Kläger) ordentlich informiert hatte. Daraufhin wurde die Krankenkasse zur Erstattung der Kosten für die selbstbeschafften Leistungen verurteilt.

Somit stellt sich die Frage, welche Fristen es gibt für die Bearbeitung von Anträgen?

Gemäß § 13 Abs. 3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, d.h. „spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen“ nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Darüber hinaus muss sie den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe „rechtzeitig“ und „schriftlich“ informieren, wenn eine Entscheidung in dieser Frist nicht getroffen werden muss, weil ein medizinisches Gutachten einzuholen ist (Satz 5). Wenn aber keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes erfolgt, so gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6).

Wenn eine gutachterliche Stellungnahme erforderlich ist, verlängert sich die Frist zur Entscheidung auf „fünf Wochen nach Antragseingang“ (Satz 1); bei zahnärztlichen Gutachterverfahren beträgt die Frist für die Krankenkasse „sechs Wochen“ (Satz 4).

Bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation muss dagegen vorweg erst einmal die Zuständigkeit festgestellt werden, wofür der erstangegangene Leistungsträger zwei Wochen Zeit hat (vgl. § 14 Abs. 1 SGB IX). Erklärt sich dieser für unzuständig, muss der Antrag „unverzüglich“ weitergeleitet werden an den zuständigen Leistungsträger. Dieser hat dann über den Antrag „innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang“ zu entscheiden (vgl. § 14 Abs. 2 SGB IX). Wird dagegen der Antrag nicht weitergeleitet, muss der erstangegangene Leistungsträger „unverzüglich“ entscheiden, aber darf dies innerhalb der vorgenannten drei Wochen tun.

Ist eine gutachterliche Stellungnahme erforderlich, muss das Gutachten „innerhalb von zwei Wochen nach Auftragserteilung“ erstellt werden (Abs. 5), so dass dann eine Entscheidung „zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens“ (Abs. 2) getroffen werden kann.

Schon der Vergleich zeigt, dass in etwa die Fristen für die Bearbeitung von Anträgen sowohl im Geltungsbereich des SGB V wie auch im SGB IX gleich sind. Zwei Wochen sind für die Zuständigkeitsprüfung zu bemessen, drei Wochen für die Bearbeitung des Antrags ab Antragseingang. Die Fristen verlängern sich bei Gutachterverfahren, doch dann ist eine Entscheidung nach fünf bzw. sechs Wochen nach Antragseingang (SGB V) oder zwei + zwei Wochen nach Auftragserteilung (SGB IX) mitzuteilen. Antragseingang heißt aber nicht zwingend, dass der Antrag beim zuständigen Leistungsträger eingegangen sein muss. Anträge auf Sozialleistungen sind von allen Leistungsträgern entgegenzunehmen. In § 16 Abs. 2 SGB I heißt es: „Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, sind unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der in Satz 1 genannten Stellen eingegangen ist.

Doch weil es in der Praxis eher schlecht läuft mit der Einhaltung der Fristen, müssen Leistungsberechtigte die Bearbeitung der Anträge anmahnen und selbst Fristen setzen (vgl. hierzu § 15 Abs. 1 SGB IX), um sich nötigenfalls die Leistungen selbst zu beschaffen. Für die Leistungsträger gibt es dabei kein Risiko, denn bei der Erstattung von Aufwendungen sind die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten.

Und einen Antrag auf Erbringung von vorläufigen Leistungen zu stellen, kommt nur dann in Betracht, wenn es Probleme bei der Zuständigkeitsklärung gibt (vgl. § 43 SGB I).


CGS

Quelle:
Bundessozialgericht-Urteil vom 08.03.2016 – Az. B 1 KR 25/15 R
Ziffer 4 im Terminbericht Nr. 8/16
Vorinstanzen waren das SG Saarland – S 23 KR 563/14 – sowie das LSG Saarland – L 2 KR 180/14.





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