Das sind schöne
Worte. Die Bundesregierung veröffentlicht nun sogenannte Engagementberichte, in
denen „empirische Befunde und Trends vorgestellt und zentrale gesellschaftliche
Debatten aufgegriffen“ werden. Um aber über berichten zu können, braucht es
Menschen, die etwas verändern wollen. Umfrageergebnisse einer
„Freiwilligensurvey“ zeigten im Vergleich der Jahre 1999, 2004 und 2009 einen
relativ abnehmenden Trend an „nicht zum Engagement bereiten“-Befragten (aus einer
Präsentation des Pari-SH und Generali Versicherungen, kein Datum).
Das ist alles recht
erfreulich. Wie man in einem Bericht zum
Projekt „Bürgernetzwerke für Schleswig-Holstein“ allerdings lesen kann, können
solche Engagements jedoch schnell zum Erliegen kommen. Was kann man tun? Welche
Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden?
Sozialraum
entsteht mit bürgerschaftlichen Engagement
Vor einigen Jahren war das Wort „Sozialraum“ in aller
Munde. Diesen zu gestalten, wurde zu einem obersten Ziel gemacht, weil man sich
durch ein Mehr an gesellschaftlicher Anteilnahme eine gute Unterstützung von
Menschen mit Behinderung erhoffte. Eine Besonderheit daran ist, dass das
Gemeinwesen viel Schutzraum und (nachbarschaftliche) Hilfe bieten kann, für die
ansonsten langwierige Anträge und Bewilligungsverfahren nötig sind. Und darüber
hinaus ist eine solche Ressource fast kostenlos.
Das Team Bürgerschaftliches Engagement,
Gemeinwesenarbeit, Inklusion und Selbsthilfe im Paritätischen
Schleswig-Holstein unter Federführung von Holger Wittig-Koppe hat sich hier
eingebracht und nun Bilanz gezogen nach sechs Jahren Arbeit im Projekt
„Bürgernetzwerke für Schleswig-Holstein“. *)
Es geht bei diesem Bericht jedoch weniger um die
verschiedenen Schwerpunkte und Themen des bürgerschaftlichen Engagements an
sich, vielmehr wird über das „Spannungsfeld“ berichtet, in dem sich jeder Engagierte
plötzlich befinden kann. Die Autoren wollen über ihre Erfahrungen berichten, damit
die Leserschaft versteht, wie eine „effektive Unterstützungsstruktur für
zivilgesellschaftliches Engagement und einer Engagementpolitik“ gelingen kann
(S. 6) – es geht um Rahmenbedingungen.
Verschiedene
Arten von Engagement und seine Grenzen
Ein solches freiwilliges Engagement entsteht natürlich aufgrund
eines Interesses bzw. weil man als Gesellschafter etwas beobachtet hat, was
nicht richtig ist. Ein solches Interesse kann natürlich von außen wie eine
Modeerscheinung betrachtet werden; es kommt und geht, wie in „Wellen“ (siehe
hierzu S. 11 im Bericht).
Damit grenzt es sich allerdings ab vom „traditionellen,
langfristigen Engagement und dem projektförmigen, zeitlich befristeten
Engagement“ (S. 12). Dies wäre auch anzuerkennen und zu unterstützen, wenn es
ein „demokratisches, inklusives Zusammenleben stärkt“, so die Autoren. Gerade
an dieser Stelle zeigen sich zwei bedeutende Punkte: Bürgerschaftliches
Engagement durchläuft ein Wechselbad an Entwicklungen, die sich aus der
Aufmerksamkeit der Beteiligten speist; lässt das ursprüngliche Interesse nach,
kommen die Aktivitäten zum Erliegen. Der zweite Punkt verlangt nach einer
Unterstützung, um die Aktivitäten zu erhalten, doch gleichzeitig kann eine
entsprechende Hilfe nur dann angeboten werden, wenn alles den
verfassungsmäßigen Grundsätzen entspricht.
Schon immer gab es die „Ehrenamtlichen“, die bei
etablierten Leistungsanbietern mitmachten und Lücken füllten. Ganz aktuell
zeigt sich aber auch, dass ein bürgerschaftliches Engagement eine „Ressource
zur Lösung gesellschaftlicher Problemlagen“ darstellt. Die Autoren stellen das
sogar heraus, als etwas, was „zurzeit Konjunktur“ hat (S. 13). Eine solche
Ressource kann durch Profis quasi ausgebeutet werden, in dem man sich das
Engagement für eigene Zwecke nutzbar macht. Das muss an sich noch keine
Widrigkeit sein. Und wenn man diese Freiwilligkeit mit kleinen Zuwendungen
entschädigt, entsteht daraus noch keine Gefahr. Das Professionalisieren dieser
Entwicklung birgt dagegen eine Gefahr für ein mögliches Nachlassen.
Professionalisiertes
Engagement
Wenn Menschen wie Zielgruppen angesprochen werden, um sie
für ein bürgerschaftliches Engagement bzw. „zur Übernahme fremdbestimmter
Aufgaben“ zu „rekrutieren“, kann sehr schnell Frust entstehen (S. 14).
Knackpunkt ist für mich hier das „Freiwilligen-Marketing“ und das Überreden. Es
wird eine Kulisse aufgebaut, die vielleicht sogar bedrohlich wirken kann, die
den Zweck verfolgt, die Zeit und die Mittel des Engagierten auszunutzen – aber
eben ohne Arbeitsvertrag.
Ein anderes Problem zeigt sich, wenn man die gleichen
Maßstäbe an die Freiwilligen stellt, wie sie die Profis für sich selbst sehen.
Die Autoren stellen heraus, dass zwei Lebenswelten aufeinander treffen, bei
denen die Wertvorstellungen voneinander abweichen. Die Arbeit der Freiwilligen
entwickelt sich vor einem ganz anderen Hintergrund („subjektive Zeitökonomie“,
S. 15).
Der Bericht hebt dann auch noch „Unprofessionalität als
Stärke“ hervor und appelliert damit an die Profis, diese Besonderheit des
bürgerlichen Engagements zu achten und zu schätzen. Mit einer solchen
Sichtweise kann einerseits ein Bewusstsein geschaffen werden für das
Aufeinandertreffen von Freiwilligkeit und Professionalität, andererseits gewinnt
man „Sozialraumkompetenz“ der freiwillig Engagierten (S. 16). Genau darin
definiert meines Erachtens der Sozialraum, weil kein bestimmtes Ziel (im Sinne
einer Ergebnisqualität) von den Beteiligten verfolgt wird; es wird „Lebensqualität“
gewonnen (im Sinne von Strukturqualität).
Was man weniger als Hindernis und mehr als
Gefährdungspunkt versteht, ist die „Monetarisierung“ (Monetisieren) der
Freiwilligkeit. Die Kritik im Bericht stellt dabei heraus, dass damit ein
„schleichender Übergang … hin zur regulären Erwerbsarbeit“ passieren kann (S.
17). Man spricht sogar von einem „Formalisieren“ und „Verrechtlichen“, womit
ein Stück weit Professionalisierung und Strukturierung geschieht. Solche
Faktoren führen nach meinem Dafürhalten tatsächlich zu einer Erwartungshaltung,
die man bei einer anderen Prioritätensetzung leicht verfehlen kann. Wenn sich daraus
dann wiederum Enttäuschung bildet, geht das Engagement verloren. Das Lockmittel
der „Monetarisierung“ wird also genutzt, um ein Engagement zu fördern. Aber es
besteht die Gefahr, dass der eigentliche Zweck einer selbstlosen Leistung
verloren und es „schlicht ums Geldverdienen“ geht (S. 18).
Engagement als
Garant für den Sozialraum
Wenn man sich allerdings gefunden hat und Struktur
braucht, bietet sich als weitere Organisationsform der Verein an. Man muss sich
allerdings immer wieder verdeutlichen, dass die Beteiligung schon sehr
eingegrenzt und eingerahmt wird durch eine Satzung; also eine Formalität, die wiederum
eine bürokratische Hürde darstellt. Von daher stellt sich im weiteren
Entwicklungsprozess die Frage, ob aus dem ungeregelten Engagement einer
privaten Initiative ein Verein werden soll. In dem Moment wird aus einer
zeitlosen und ungeplanten Handlung eine dauerhafte und sich verstetigende
Grundlage, die ein Garantie-Versprechen beinhaltet: ein Ort der Leistungserbringung, wo man
garantiert bedarfsdeckende Unterstützung bekommen kann.
Wie auch immer dieser Prozess weitergehen wird, durch die
Befassung mit einer sozialen Aufgabe wird ein Sozialraum geschaffen, in dem
Menschen mit Unterstützungsbedarfen mitgetragen werden – vielleicht nur vorübergehend,
aber insoweit, dass eine teure Angebotsstruktur mittels professionellen
Leistungserbringern und einer bürokratischen Leistungsträgerschaft unnötig
sind.
CGS
Quellen:
PARITÄTISCHER Wohlfahrtsverband Schleswig-Holstein e.
V.
Veröffentlicht am 12.04.2019
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend
Veröffentlicht am 11.11.2015
Engagement stärken
Veröffentlicht am 23.2.2018
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Bürgerschaftliches Engagement und Sozialraum-Arbeit