Und damit ergibt
sich ein zweiter Punkt, dem man ebenfalls ein wenig Aufmerksamkeit schenken sollte:
der Sache mit der Umstellung zum 1.1.2020.
+++ Nachtrag vom
6.6.2019 +++
Die Zuständigkeit
für die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen (4. Kapitel SGB XII) liegt
bei den Grundsicherungsämtern der Kommunen, von denen die Bewohner
vollstationärer Wohneinrichtungen schon jetzt ihre Eingliederungshilfe-Leistungen
bekommen; dies ist auch dann der Fall, wenn die Wohnstätten in einem ganz
anderen Bundesland oder der Kommune liegen, zum Beispiel befindet sich die
Wohnstätte in Schleswig-Holstein, der bisherige Leistungsträger wäre ein
Fachamt in Süddeutschland.
Vorsichtshalber
sollte aber vom Antragsteller der Hinweis erfolgen, dass der Antrag auf
Leistungen nach dem 3. oder 4. Kapitel SGB XII „ansonsten an die zuständige
Stelle weitergeleitet werden soll“.
+++
Die Reform der
Eingliederungshilfe hat einen besonderen Grund
Mit der Reform der Eingliederungshilfe trennt man die
bisherige Komplexleistung auf in drei Leistungsbereiche: die Fachleistung, das
Wohnen und den Lebensunterhalt.
Diese Trennung hatte dereinst die Arbeitsgruppe im
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) als erforderlich angesehen, um
wegzukommen von der (angeblich) „einrichtungszentrierten“ Leistung und hin zu
einer wirklich „personenzentrierten“ Bedarfsdeckung. Man wollte also bestimmte
Wohnformen, zu denen die vollstationären Wohnstätten gehörten, herausnehmen aus
der Arbeit der bewilligenden Stellen (Leistungsträger), damit sich die
Leistungsbewilligung nur noch am „notwendigen individuellen Bedarf“ ausrichtete
bzw. man sich als Leistungsträger voll auf die Fachleistung konzentrierte: „Daher ist es konsequent, den Bedarf des
Menschen mit Behinderungen an existenzsichernden Leistungen zum Lebensunterhalt
und seinen Bedarf an Leistungen der Eingliederungshilfe wegen der Behinderung
zu trennen, entsprechend zuzuordnen und umfassend zu decken; das Sondersystem
Lebensunterhalt in Einrichtungen wird beseitigt“ (S. 16 des
Abschlussberichts Teil A der BTHG-Arbeitsgruppe).
Mit der Aufspaltung können nun diese existenzsichernden
Leistungen zwei anderen Teil-Bereichen der Sozialhilfe zugeordnet werden: den
Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (4. Kapitel SGB
XII) sowie den Hilfen zum Lebensunterhalt (3. Kapitel SGB XII). Dies führt
wiederum dazu, dass die bisherigen Ausgaben für Eingliederungshilfen (bisher 6.
Kapitel SGB XII) sinken.
Richtig „billig“ wird es aber dadurch, dass der Bund
aufgrund Artikel 104 a Abs. 3 GG an den Geldleistungen zur Existenzsicherung
beteiligt ist *). Seit 2014 erstattet der Bund den Kommunen jedenfalls zu 100
Prozent die Nettoausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung (4. Kapitel SGB XII). Was dagegen die Hilfen zum
Lebensunterhalt und die Eingliederungshilfe anbelangt, gibt es keine Erstattung
an die örtlichen Sozialhilfe- und Eingliederungshilfeträger.
Werden
Grundsicherungsleistungen sofort geleistet?
Zum 1.1.2020 sollte es eine recht unbürokratische
Umstellung geben. Man bekommt aber zu hören, dass Sozialhilfeträger
umfangreiche Anträge sehen wollen, weil die leistungsberechtigten Menschen ja
nun „erstmalig“ Hilfen zum Lebensunterhalt (3. Kapitel SGB XII) oder Grundsicherungsleistungen
im Alter und bei Erwerbsminderung (4. Kapitel SGB XII) verlangen. Diese Träger
nehmen es mit der Trennung der Leistungsbereiche anscheinend sehr genau.
Grundsätzlich müssen natürlich immer die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse im Einzelfall untersucht werden. Und bei den
Grundsicherungsleistungen braucht es gemäß § 45 SGB XII normalerweise eine Prüfung
des zuständigen Rentenversicherungsträgers hinsichtlich der dauerhaften vollen
Erwerbsminderung. Die zuständigen Leistungsträger könnten es sich etwas einfacher
machen und auf die gesonderte Antragstellung verzichten. Wenn bereits ein
Barbetrag zur persönlichen Verfügung bewilligt worden war, könnte dieser Umstand
als ausreichend erachtet werden, um eine Umstellung vornehmen zu können. Man
könnte es sogar so formulieren, dass wer jetzt schon eine Form der Sozialhilfe
bezieht, keinen weiteren Antrag stellen muss. Im Gegenteil müsste ein
Sozialhilfeträger von Amts wegen prüfen (§ 20 SGB X).
Anders könnte es aussehen, wenn solche Leistungen bisher
nicht bezogen wurden (beispielsweise kann es sich um einen jungen Menschen
handeln, der erst ab 2020 in eine vollstationäre Wohnstätte einziehen möchte).
Diese Menschen sollten in jedem Fall einen Antrag auf Leistungen nach dem 4.
Kapitel SGB XII (Grundsicherungsleistungen) stellen, wenn es sein kann, dass
eine „dauerhafte volle Erwerbsminderung“ besteht. Es braucht dafür wiederum ärztliche
Feststellungen, doch nicht immer muss das so sein: Insbesondere dann nicht, wenn
ein Träger der Rentenversicherung hierzu bereits eine Feststellung getroffen
hat oder sich der Leistungsberechtigte im Arbeitsbereich einer Werkstatt für
Menschen mit Behinderung beschäftigt ist bzw. ein Mindestmaß an „verwertbarer
Arbeitsleistung“ als eine solche Voraussetzung nicht vorliegt (§ 45 S. 3 SGB
XII).
Ansonsten gibt es noch die Leistungen nach dem 3. Kapitel
SGB XII (Hilfen zum Lebensunterhalt). Wenn wie gesagt schon jetzt ein
Leistungsbezug stattfindet, wie eben beim Barbetrag nach § 27b SBG XII, braucht
es keine besondere Antragstellung mehr und die Umstellung kann sofort erfolgen.
Dies scheint aber nicht bei jeder Kommune so bewusst zu
sein.
CGS
*) = Im Jahr 2017 beliefen sich die Nettoausgaben für die
Eingliederungshilfe auf 17,2 Mrd. Euro, für die Grundsicherungsleistungen auf
6,3 Mrd. Euro und die Hilfen zum Lebensunterhalt auf 1,5 Mrd. Euro (Pressemitteilung
Nr. 298 vom 13. August 2018 der DESTATIS).
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BTHG: Die Reform der Eingliederungshilfe hat ihre Gründe
und Auswirkungen