Sonntag, 25. Oktober 2015

Der Mindestlohn als Refinanzierungsproblem (Teil 2)

Das Thema Mindestlohn wird nun zum Verhandlungsgegenstand in den Vertragskommissionen gemacht. Das Problem ist hier, dass in vielen Einrichtungen Bereitschaftsdienste vorgehalten werden, die nun aufgrund der neuen Regelungen mit dem „Mindestlohn“ pro Zeitstunde entgolten werden müssen. Weil diese Kosten bisher nicht Bestandteil der Personalkostenkalkulationen waren, muss eine kalkulatorische Berücksichtigung stattfinden.

In der Vertragskommission Jugendhilfe in Schleswig-Holstein (SGB VIII) gab es erste Gespräche über die Anerkennung der zusätzlichen Kosten, die aus der Anwendung des Mindestlohngesetzes (MiLoG) entstehen. Während die Leistungserbringer argumentiert hatten, dass eine Verpflichtung der Leistungsträger zur Übernahme dieser unabweisbaren, notwendigen und gesetzlich bedingten Kosten in den Vergütungssätzen besteht, nahmen die Leistungsträger eine ganz andere Sichtweise ein. Die Leistungsträger setzten dagegen, dass im Rahmenvertrag als „Berechnungsgrundlage“ zur Ermittlung der Personalkosten der TVÖD festgelegt sei. Und weil im TVÖD sogenannte „Anwesenheitsbereitschaften“ mit einem Zeitanteil von 25% für die erbrachten Zeitstunden lt. Arbeitszeitgesetz gezahlt werden, ist eine zusätzliche Kostenübernahme in die Vergütungssätze nicht nötig. Würde aber diese tarifvertragliche Regelung als rechtswidrig beurteilt werden, so dass dann doch der Mindestlohn von brutto 8,50 Euro zu zahlen wäre (statt der 25 %), könnte man über eine Kostenübernahme neu verhandeln.

Der Jugendhilfe-Rahmenvertrag für Schleswig-Holstein nach § 78 f SGB VIII (JugH-RV), welcher zwischen den kommunalen Spitzenverbände auf Landesebene mit den Verbänden der Träger der freien Jugendhilfe und den Vereinigungen sonstiger Leistungserbringer auf Landesebene im Jahr 2009 vereinbart wurde, enthält tatsächlich eine derartige Bedingung.

In § 8 Abs. 4 JugH-RV ist vorgegeben, dass die Entgelte „einrichtungs- und hilfespezifisch als Pauschalbetrag zu vereinbaren“ sind. Darunter fallen die Aufwendungen für das gemäß Leistungsvereinbarung erforderliche Betreuungspersonal. Weiteren Einzelheiten finden sich in den Verfahrensvereinbarungen Jugendhilfe (VV JugH) in der Anlage A zum Rahmenvertrag.

In Ziffer 4.2 steht, dass die Kalkulation der Personalkosten entweder „unter Anwendung der in der Einrichtung angewandten Vergütungssystematik“ oder „unter Anwendung eines Referenzvergütungssystems im Wege einer pauschalierten Kalkulation“ erfolgt. Der zweite Punkt könnte als Verweis auf einen überörtlich geltenden Tarifvertrag wie den TVÖD verstanden werden, doch klar ist es nicht – zumindest nicht an dieser Stelle. Im Absatz über die Ermittlung von Stundenentgelten, d.h. in Ziffer 4.2.2, ist dagegen ein Verweis auf den TVÖD-VKA enthalten, allerdings bezieht man sich hier auf die Wochenarbeitszeit im öffentlichen Dienst, die im Januar 2009 offenbar 39 Wochenstunden betrug.

In Ziffer 6.2.1 ist dann endlich ein entsprechender Bezug enthalten. Für die Berechnung und Anpassung der Entgelte, werden die „Personalkosten um die prozentuale Rate angepasst, die sich aufgrund der Tarifentwicklung im TVÖD-VKA, gesetzlichen Veränderungen, der Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge ergibt.“

Damit kann jetzt schon mal festgehalten werden, dass die Personalkosten sich zum einen auf der Grundlage der Tarifentwicklung verändern, zum anderen aber auch aufgrund von gesetzlichen Veränderungen (wie es im Falle des MiLoG der Fall sein dürfte) und der Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge. Das MiLoG gibt es erst seit dem 11.8.2014 – und damit kann es nicht als zugehörig zum gesetzlichen und tariflichen Status Quo angesehen werden, der in 2009 noch vorherrschte. Es handelt sich also um eine wirkliche, gesetzliche Veränderung, die es zu berücksichtigen gilt. Darüber hinaus kann man nicht deduzieren, dass der TVÖD-VKA die Obergrenze für Personalkosten darstellt. Nach dem Wortlaut dieser Passage in den Verfahrensvereinbarungen gilt die Ober- und Untergrenze nur für die Ergebnisse der Tarifrunden.

Es gibt aber noch etwas zu beachten. Nach § 24 Abs. 1 MiLoG besteht eine Ausnahme für tarifgebundene Arbeitgeber bis zum 31.12.2017. Wenn abweichende Regelungen in einem Tarifvertrag „repräsentativer Tarifvertragsparteien“ (was heißt das schon wieder?) enthalten sind, greift das MiLoG nicht – mit anderen Worten: ein Arbeitgeber im TVÖD kann einen Stundenlohn von unter 8,50 Euro bezahlen.

Damit hätte man jetzt zwei Interessenlagen im Verband der Leistungserbringer: Tarif- und nicht tarifgebundene Unternehmen, die den Mindestlohn nicht oder gesetzlich zu Zahlung verpflichtet sind. Auf diesen Punkt ist die Seite der Leistungsträger nicht weiter eingegangen, vielleicht war dieser auch nicht bekannt.

Am weiteren Verlauf ändert sich dennoch nichts. Leistungsträger, die mit nicht refinanzierten Kosten rechnen müssen, sollten jetzt in die Einzelverhandlungen gehen und mit dem Hinweis auf die „gesetzlichen Veränderungen“ in Ziffer 6.2.1 der VV-JugH eine Entscheidung herbeiführen. Möglicherweise wird es in den nächsten Monaten zu einer Überarbeitung des MiLoG kommen, doch darauf vertrauen sollte man nicht.  

Stellt sich dann noch die Frage, ob im Bereich der Eingliederungshilfe ähnliche Problemlagen vorhanden sind. Dann wäre aber zuvorderst der jeweilige Landesrahmenvertrag zu prüfen, um in der Vertragskommission entsprechend argumentieren zu können. Es gibt Träger, die alles daran setzen, um das Thema Mindestlohn auf die Tagesordnung zu setzen. Inwieweit tarifgebundene Träger mit dem Begriff „repräsentative Tarifvertragsparteien“ konfrontiert sind und deswegen die Ausnahmefrist in § 24 Abs. 1 MiLoG nicht in Anspruch nehmen können, entzieht sich schlicht meiner Kenntnis (fallen die kirchlichen und paritätischen Arbeitgeber darunter?).


CGS



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Sonntag, 18. Oktober 2015

Der Mindestlohn als Refinanzierungsproblem (Teil 1)

Das Thema Mindestlohn zieht sich quer durch die Sozialwirtschaft. Das Problem ist hier, dass in vielen Einrichtungen Bereitschaftsdienste vorgehalten werden, die nun aufgrund der neuen Regelungen mit dem „Mindestlohn“ pro Zeitstunde entgolten werden müssen. Bisher gab es Regelungen, nach denen nicht die volle Zeitstunde für die Entgeltberechnung zugrunde gelegt wurde, sondern lediglich ein prozentualer Anteil (z.B. 25 %) davon. Durch das Mindestlohngesetz (MiLoG) ändert sich dies nun offenbar.

Nach § 7 des TVÖD-B-VKA wird Bereitschaftsdienst von Beschäftigten geleistet, „… die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen.“ Es handelt sich also um eine Sonderform der Arbeit, die also auf besondere Weise vergütet wird.

In § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz - MiLoG) steht: „Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.“ Die Höhe des Mindestlohns beträgt seit dem 1. Januar 2015 brutto 8,50 Euro je Zeitstunde (Abs. 2 Satz 1). Der Begriff der Zeitstunde ist im Gesetz nicht weiter definiert worden, so dass man davon ausgehen muss, dass tatsächlich eine 60 minütige Zeitdauer gemeint ist.

In § 8.1 TVÖD-B-VKA (bzw. § 46 BT-B-VKA) findet sich dagegen eine Vereinbarung zwischen den Tarifpartnern, wonach die während des Bereitschaftsdienstes geleistete Arbeitszeit nur anteilig als Arbeitszeit bewertet wird. In Absatz 1 lit. a) finden sich demzufolge verschiedene Stufen mit Faktoren, die von 15 % bis 55 % reichen. Wenn also ein Beschäftigter 10 Stunden Bereitschaftsdienst leistete, wurden 1,5 bis 5,5 Stunden, je nach betrieblicher Vereinbarung, mit dem entsprechenden Stundensatz für eine reguläre Zeitstunde vergütet. Auch nicht tarifgebundene Unternehmen haben sich eine solche Verfahrensweise zu eigen gemacht und vergüten i.d.R. 25 % einer regulären Zeitstunde für jede Stunde Anwesenheit während des Bereitschaftsdienstes.

Beträgt der Stundenlohn für eine reguläre Zeitstunde 20,00 Euro, würde der Stundenlohn während des Bereitschaftsdienstes auf 5,00 Euro sinken – also unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns. Wenn an jedem Tag des Jahres in der Zeit von 21 Uhr bis 6 Uhr des Folgetages Bereitschaftsdienst z.B. in einer stationären Wohngruppe von einer Person zu leisten wäre, würden sich jetzt noch, nach der alten Rechnung, Bruttolohnkosten von (3 + 6) Stunden x 20,00 Euro x 25 % x 365 Tage = 16.425 Euro ergeben; in Zukunft wären es dann aber (3 + 6) Stunden x 8,50 Euro x 365 Tage = 27.922,50 Euro.

In Tarifverträgen wurde vielfach auch ein Zeitzuschlag pro Anwesenheitsstunde gezahlt, der bei allen Berechnungen ebenfalls zu berücksichtigen wäre. Er müsste sogar berücksichtigt werden, weil im MiLoG keine Differenzierung vorgenommen wurde, aus welchen Bestandteilen ein Stundenlohn bestehen muss. Geht man von einem Zeitzuschlag von 15 % aus, würde der Stundenlohn von 5,00 Euro auf (20,00 x 15 %) + 5,00 Euro = 8,00 Euro steigen. Von daher würde sich das Problem reduzieren auf die Differenz zwischen Mindestlohn und tatsächlich gezahltem Stundenlohn.

Ein wenig erinnert dieses Problem an ein EuGH-Urteil zur Gleichstellung von Bereitschaftszeit mit Arbeitszeit. In der Folge verhandelten die Tarifpartner darüber, dass Bereitschaftszeit anders zu entlohnen und zu bemessen ist, aber sich dennoch in den Kontext der Arbeitszeitgesetze einfügt, ohne eine Kostenexplosion zu verursachen.

CGS




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Sonntag, 11. Oktober 2015

Leistungsstufen sind keine Maßnahmenpauschalen

Zum 1. Juli 2015 wurde in Hamburg ein neues zeitbasiertes Kalkulationsverfahren im Bereich der klassischen Behindertenhilfe (stationäres Wohnen) eingeführt. Im nachfolgenden Beitrag geht es jetzt um die praktischen Aspekte des neuen Verfahrens und seine Umsetzung.

Seit dem 1. Oktober 2015 werden Leistungsbescheide mit der neuen Leistungsstufe ausgestellt. Weggefallen sind die früheren Begriffe wie „Hilfeempfängergruppe HEG“ und „Hilfebedarfsgruppe HBG“; verschiedentlich sprach man auch von „Bedarfsgruppe“. Doch anscheinend ist der Begriff „Maßnahmepauschale“ ebenfalls entfallen, was zuerst einmal verwundert. Gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 SGB XII besteht nämlich die Vergütung „… mindestens aus den Pauschalen für Unterkunft und Verpflegung (Grundpauschale) und für die Maßnahmen (Maßnahmepauschale) sowie aus einem Betrag für betriebsnotwendige Anlagen einschließlich ihrer Ausstattung (Investitionsbetrag). […] Die Maßnahmepauschale kann nach Gruppen für Leistungsberechtigte mit vergleichbarem Bedarf kalkuliert werden.“ Mit „Gruppen“ sind also die Leistungsstufen gemeint.

In den Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII findet sich weiterhin die korrekte Benennung der einzelnen Vergütungskomponenten. Allerdings steht auch dort, dass die Maßnahmepauschale durch die vier Leistungsstufen differenziert wird. Das kann jetzt so und so verstanden werden: Einerseits kann man annehmen, dass die Maßnahmepauschale in vier Leistungsstufen weiter aufzuteilen ist, andererseits kann es auch bedeuten, dass die Leistungsstufen unterschiedliche Maßnahmepauschalen verlangen. In der bewilligenden Behörde hat man den Begriff Maßnahmepauschale jedenfalls aufgegeben.

Doch das ist nicht das Einzige. Weil man bei einer früheren Datenerhebung festgestellt hatte, dass es kaum Bewilligungen gab für die damalige Hilfebedarfsgruppe 1 (die niedrigste), entschied man zur Einführung des neuen Systems, diese Gruppe ganz aufzugeben. So wurden aus ehemals fünf Gruppen jetzt nur noch vier: HBG 2 wurde zur LS 1, HBG 3 zur LS 2 usw.

Allerdings hat es in der einen Abteilung bereits eine Umstellung auf Leistungsstufen gegeben, in der anderen Abteilung der zuständigen Behörde dagegen nicht. Wenn Befürwortungen beispielsweise mit einer „Bedarfsgruppe 3“ ausgestellt wurden (gemeint war die alte HEG/HBG 3), konnte es passieren, dass die Leistungsstufe 3 bewilligt wurde (statt der neuen LS 2). Zum Glück hat die Behörde schnell reagiert und zur besseren Kontrolle, gerade auch für die rechtlichen Betreuer und Leistungserbringer, entsprechende Hinweise in den neuen Leistungsbescheiden eingefügt. Darüber hinaus wird man auf Jahresabrechnungen drängen, um mögliche Überzahlungen aufzudecken.

CGS




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Freitag, 2. Oktober 2015

Kritik am Kompromiss-Modell (Teil 3, Serie AG Kalkulation)

Es gibt verschiedene Formen von Kalkulationsmodellen, mit denen in einer Arbeitsgruppe „AG Kalkulation“ der Vertragskommission (VK SGB XII) die pauschalen Fortschreibungssätze erarbeitet werden. Im ersten Teil dieser Mini-Serie wurde beschrieben, wie auf einfache Weise ein Kompromiss erzielt werden kann. Im jetzigen zweiten Teil änderte sich der Parameter für den Leistungsumfang. Im dritten Teil folgen nun die Kritik und das Fazit.

Vorrangig ging es um die Einführung einer neuen Leistungsstufe (oder Hilfebedarfsgruppe), bei der die Seite der Leistungsträger eine Reduzierung des Gesamtbudgets erwartete (im ersten Beispiel betrug der Anteil 5 % vom Vorjahres-Budget, im zweiten Beispiel dann 20 %). Dagegen verlangte die Seite der Leistungserbringer, dass zuerst einmal der erwartete Kostenanstieg refinanziert wird (6 %).

Beide Seiten stimmten darin überein, dass eine differenzierte Ausgestaltung von Leistungsformen nötig geworden war (Stichwort: Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe, o.ä.).

Beide Seiten stimmten auch darin überein, dass die Finanzierbarkeit der Leistungserbringung gesichert bleiben muss – in der Praxis hört es dann aber mit der Übereinstimmung auf, denn die Leistungsträger verstehen unter Finanzierbarkeit sinkende Steuereinnahmen und erwarten von den Leistungserbringern einen Finanzierungsbeitrag; umgekehrt erwarten die Leistungserbringer, dass ihre prospektiven Gestehungskosten gedeckt werden, damit auch die Angebotsstrukturen erhalten bleiben. Gerne betont man in solchen Gesprächen auch, dass man sich auch als Fürsprecher der behinderten Menschen versteht, aber solche Äußerungen sind nicht zielführend.

Um doch noch zu einem Abschluss zu kommen, musste ein Interessenausgleich erfolgen. Zuerst wurde ein simples Kompromiss-Modell entwickelt, welches nur im geringen Umfang das alte Leistungsangebot anpasste, gleichzeitig eine Refinanzierung des erwarteten Kostenanstiegs anteilig zusicherte. Zusätzlich stellte man in Aussicht, das neue niedrigschwellige Leistungsangebot auszuweiten bei gleichzeitiger Anpassung der einzelnen, trägerindividuellen Budgets, dabei sollten Bandbreiten ausgenutzt werden, in denen eine Leistungserbringung erfolgte ohne Auswirkungen auf das zu zahlende Budget (Korridorlösung).

Im zweiten Beispiel, mit einem viel höheren Anpassungsbedarf beim Leistungsangebot, sollte die Festschreibung des Vorjahres-Budgets einen kontinuierlichen Anpassungsprozess ermöglichen. Andernfalls hätte die sofortige Umsetzung einen gehörigen Einschnitt für die Leistungserbringer bedeutet, was womöglich die Trägerlandschaft und die damit einhergehenden Angebote verworfen hätte (Konvergenzphase).

Was heißt das nun?

Grundsätzlich müssen beide Seiten ein gemeinsames Ziel formulieren und an den Parametern arbeiten, die so zu ändern sind, damit das gemeinsame Ziel erreicht werden kann. Die richtigen Parameter zu finden ist allerdings entscheidend. In den vorgenannten Beispielen waren es nur zwei, doch es gibt Kalkulationsmodelle mit weit mehr Stellschrauben (vgl. dazu auch meine Diskussion zum Thema Neues Zeitbasiertes Kalkulationsverfahren). Ohne die Akzeptanz des Ziels und der Parameter, wird es auch keine Akzeptanz bezüglich des Ergebnisses geben. Vielmehr werden einzelne Träger, die sich übergangen oder schlecht repräsentiert fühlen, offenen Widerstand leisten und damit den gesamten Entwicklungsprozess gefährden.

Folgende Möglichkeiten sollte man in Betracht ziehen:

Nicht jeder Leistungserbringer ist gleichermaßen von den Veränderungen in der Angebotsstruktur betroffen. Manche Träger haben eine geringe Exposition, weil z.B. in ihrer Region kaum Bedarfe für niedrigschwellige Angebote vorhanden sind. Sie können nach Überschreiten der gesetzten Bandbreiten Nachberechnungen vornehmen (weil es z.B. eine Überschreitung bei den Mengen gegeben hat). Andere Träger haben eine hohe Exposition und müssten mit weiteren Erlösrückgängen rechnen.

Nicht jeder Leistungserbringer erhält den gleichen Stundensatz (Vergütung). Sehr wahrscheinlich bilden die drei Komponenten Grundpauschale, Maßnahmepauschale und Investitionsbetrag (§ 76 Abs. 2 SGB XII) die zuzuordnenden Kostenarten nicht mehr adäquat ab, weil sie seit langem immer nur pauschal fortgeschrieben und nicht mehr einzeln verhandelt wurden. Mit anderen Worten:  das Verhältnis untereinander stimmt nicht mehr, so dass sich die drei Komponenten „gegenseitig“ ausgleichen bzw. decken müssen.

Nicht jeder Leistungserbringer könnte mit der neuen Angebotsstruktur seine Kosten decken.  Die meisten Vergütungssätze bilden lediglich einen Durchschnitt der Gesamtkosten ab, ohne wirklich das Verhalten der Kosten bei unterschiedlichen Auslastungsgraden zu berücksichtigen. Es gibt Kostenarten, die sich fix, sprungfix oder variabel verhalten, die indirekt oder direkt im Zusammenhang mit der Leistungserbringung stehen.

Nicht jeder Leistungserbringer kann seine Personalstruktur flexibel gestalten. Die Aussprache von betriebsbedingten Kündigungen kann langjährige Gerichtsverfahren nach sich ziehen. Ebenso können Leistungserbringer Personalkosten nicht dadurch senken, dass sie einen Tarifaustritt vollziehen. Der Austritt aus einem Tarifvertrag „friert“ gewissermaßen die Gehälter ein, bewirkt aber keine Kostenreduktion.

Nicht jeder Leistungserbringer kann fachlich einer Entscheidung des Sozialhilfeträgers zur Einführung einer neuen Stufe folgen. Da in wahrscheinlich allen Fällen eine systematisierte Form der Bedarfsbemessung fehlt, wird es immer Kritik an der Ausgestaltung der Stufen geben. Auch bei der Zuordnung der Leistungsberechtigten zu den einzelnen Stufen könnte es Probleme geben, weil nicht der Leistungserbringer den Leistungsberechtigten vor der bewilligenden Stelle vertritt – das ist schließlich Sache des Leistungsberechtigten selber bzw. seines rechtlichen Betreuers.

Nicht jeder Leistungserbringer kann gesellschaftsrechtlich sein Angebot erweitern. Trägerindividuelle Besonderheiten können dem Strukturwandeln entgegenstehen.

Den Strukturwandel zu gestalten heißt, bestehende Leistungsvereinbarungen aufzukündigen und neu zu verhandeln. Dieser Prozess kann sehr viel Zeit veranschlagen und Ressourcen auf allen Seiten dauerhaft binden.

Leistungsvereinbarungen blind aufzukündigen zwingt zwar alle Beteiligten an den Verhandlungstisch, doch tragfähige Lösungen können nicht mit brachialer Gewalt durchgesetzt werden; sie müssen gemeinsam entwickelt und umgesetzt werden.

Fazit:

Allem überzuordnen wäre vorrangig die Frage, ob mit jedem neuartigen Kalkulationsmodell eine personenzentrierte Bedarfsdeckung erfolgt. Vielfach sind Kalkulationsmodelle erschaffen worden, um haushaltspolitische Erwägungen zu berücksichtigen. Wenn Gruppen von Leistungsberechtigten gebildet werden, ist der Ressourceneinsatz über die ermittelten Vergütungen tatsächlich abgedeckt? Oder verhindern die Vergütungssätze gar eine ausreichende, am konkreten Einzelfall auszurichtende Bedarfsabdeckung? Lässt sich über Korridorlösungen eine Vereinfachung erreichen?

Je größer die Verwerfungen auf der Seite der einzelnen Leistungserbringer sein können, desto großzügiger muss mit einer Übergangs- oder Konvergenzphase gearbeitet werden. Nicht zuletzt kann es auch nicht im Sinne der Sozialpolitik sein, die Trägerlandschaft auszudünnen.

CGS




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