Freitag, 5. Dezember 2025

Vergütungsvereinbarungen Eingliederungshilfe in Hamburg für 2026

Die Anpassung von Vergütungen ist kein einfacher Rechenvorgang. Gedacht war das Hamburger Kalkulationsmodell als perfekter Brückenschlag zwischen der Vergütung von tariflich verursachten Personalkosten (§ 124 SGB IX) und grober Pauschalierung. Mit den Tarifklassen wurde zwar differenziert zwischen verschiedenen Tarifen, die in der Szene der Leistungserbringer angewendet werden, und mit einem Herbstgutachten brauchte es keine kleinliche Argumentation über die Steigerung der Sachkosten. Doch nicht immer kommt man mit Prozentwerten weiter, da nicht alle Kostenbestandteile sich so verhalten, wie es die Tarifparteien ausgehandelt haben. Und dann sind nicht alle Steigerungen auf alle Leistungsarten gleichermaßen anwendbar. 

Nun kommt auch noch eine Änderung im Rechenweg zu den Vergütungssätzen hinzu, die vermutlich nicht zwischen den Beteiligten vereinbart worden war. 


Zur Systematik der Herleitung

Die Vertragskommission beschloss kürzlich die Steigerung der Vergütungen auf Grundlage der Ergebnisse aus den Verhandlungen im System der Tarifanwender (Hamburger Kalkulationsmodell). Die in diesem System vereinbarten pauschalen Fortschreibungssätze werden anschließend für die weiteren Leistungsarten im Bereich der Eingliederungshilfe angewendet, wobei die Vergütungen der besonderen Wohnformen nunmehr mit Festwertkorrekturen arbeiten, um Änderungen bei den Zulagen, die in diesen Arbeitsfeldern vorkommen, besser abzubilden. Verhandelt wird zwischen der Hamburger Sozialbehörde und den Verbänden der Leistungserbringer, die wiederum die Ergebnisse an ihre Mitglieder zur Annahme weitergeben. 

Gearbeitet wird offiziell mit zwei Excel-Tabellen, allerdings braucht man für die Herleitung so mancher Kostensteigerungen eine weitere Tabelle. Vereinfacht hat sich damit das Vorgehen nicht, was aufgrund der Komplexität wiederum verständlich ist. 

In der ersten Tabelle versucht man die Fortschreibungssätze der Personalkosten und der Sachkosten zu ermitteln. Bei den Sachkosten ist es relativ einfach, da man sich lediglich das Herbstgutachten (Gemeinschaftsdiagnose) ansehen muss und sowohl die erwartete Inflationsrate wie auch die für das bisherige Wirtschaftsjahr ermittelte Teuerung abliest. Bei den Personalkosten ist es schwieriger, da die Tarifparteien sehr viele Stellschrauben bedienen, um eine passgenaue Erhöhung vereinbart zu bekommen; dazu gehören neben einer Mindeststeigerung mittlerweile ein Sockelbetrag vor der Anhebung, Einmalzahlungen, Zulagen und sogar zusätzliche Freizeiten. 

In Prozessen zu den Personal- und Sachkosten wird mit einer Basiskorrektur gearbeitet, die eine Übervorteilung oder Benachteiligung der Vertragspartner ausschließen soll. Diese Vorgehensweise widerspricht nicht unbedingt dem Grundsatz der prospektiven Vergütung (vgl. § 123 Abs. 2 Satz 3 und § 126 Abs. 3 Satz 5 SGB IX). Die Zukunftsbezogenheit der Vergütungsvereinbarung insgesamt wird aber nicht angefasst, da für die Vergangenheit keine neue Vergütung festgesetzt wird. Wird dagegen ein Irrtum über eine frühere Annahme in den gemeinsamen Verhandlungen korrigiert, zeigt sich auf diese Weise ein gemeinsames Interesse zur Beseitigung von Fehlern. Ein Rechtsanspruch lässt sich daraus nicht ableiten. 


Zu den Zahlen 

Der Ausgangswert für die Ermittlung der neuen Tarifklassenwerte lag im Mittel bei 75 Tsd. Euro und rangierte zwischen niedrigen 70 Tsd. Euro (Nicht-Tarifanwender) und 81 Tsd. Euro (TVÖD/TV-AVH; alle Werte kaufmännisch gerundet). Der Tarifklassenwert für den höchsten Wert war im letzten Jahr um eine Tabellenerhöhung von 5,00 % erhöht worden, die so im neuen Jahr 2025 nicht erreicht wurde. Die Vertragspartner verhandelten daraufhin (anscheinend ziemlich erbittert) eine unterjährige Tarifanpassung von 3,00 %, die linear auf die übrigen Monate ab Inkrafttreten verteilt wurden (2,25 % ab April) – erbittert deswegen, weil der Sockelanteil nach Ansicht einiger Tarifanwender ungenügend berücksichtigt wurde. Und was ebenfalls sehr strittig thematisiert wurde, war die Heranziehung höherer Entgeltgruppen für die Bemessung der Tariferhöhung. 

Bei den Tarifanwendern zum AVR DD, dem TVÖD/TV-AVH und PTG kam es allerdings noch zu Festwert-Korrekturen im Kalkulationsmodell der besonderen Wohnformen. Die beiden erstgenannten Gruppen hatte neue Schicht- und Wechselschichtzulagen im Tarif zu übernehmen, die Anwender im PTG mussten aufgrund einer Änderung bei der Nettojahresarbeitszeit (NJAZ) eine Senkung hinnehmen. Diese Vorgehensweise sichert die Kompensation für höhere Kosten im Zusammenhang mit den besonderen Wohnformen, da vorausgesetzt wird, im ambulanten Dienst würde es keine Schichtarbeit geben (Früh- und Spätschichten). Dies ist allerdings nicht ganz richtig, wie sich zeigte, da zumindest ein großer Leistungsanbieter sein Personal flexibel in beiden Leistungsarten einsetzt und somit den Entgeltanspruch ungeteilt schuldet.  

Bei diesem und zwei weiteren Leistungsanbietern wurde zudem eine Sondererhöhung für besonders herausfordernde Tätigkeiten im Tarif vereinbart (§ 49a Abs. 3 TV-AVH BT-B: betriebliche Öffnung für Zulagen und höhere Zuschläge). Weil aber diese Vereinbarung nicht für alle Tarifanwender in der Tarifklasse verbindlich ist und zudem eine entsprechende betriebliche Regelung bisher nicht vereinbart wurde, verschiebt es sich demzufolge auf die nächsten Verhandlungen. 

Weiterhin wird, für alle Tarifklassen einheitlich, die Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge (ohne Unfallversicherung, aber inklusive Insolvenzgeldumlage) abgebildet mit einem simplen Vergleich der Prozentsätze. Für das Jahr 2026 wurde der Anteil der Arbeitgeber mit 21,30 % festgestellt, so dass sich ein Anstieg um 0,32 Prozentpunkte ergab. In den letzten Tischrunden wurde auf Vorgabe der Hamburger Finanzbehörde die Prognose der gesetzlichen Krankenversicherung von 17,8 auf 17,5 % korrigiert. 

Im Jahr 2024 wurde auf Basis des Herbstgutachtens angenommen, dass die Inflation 2,00 % erreichen würde. Mittlerweile hat man jedoch eine leicht höhere Inflationsrate von 2,10 % festgestellt, so dass die Basiskorrektur 0,10 Prozentpunkte ausmacht. Für 2026 werden nun 2,00 % angesetzt plus die eben erwähnte Basiskorrektur, was somit eine Steigerung der Sachkosten um 2,10 % ergibt. Die Sachkostensteigerung wird mit einem Anteil von 20 % in die Gesamtsteigerungsrate übernommen. 


Zu den Formeln

Das Kalkulationsmodell für die besonderen Wohnformen verwendet die Steigerungsraten aus der ersten Tabelle. Ziel ist, einen Tagessatz und eine monatliche Leistungspauschale zu ermitteln ausgehend von den Personalkosten in den Tarifklassen und weiteren Kostenbestandteilen, die in der Vergütung enthalten sein müssen – man erinnere sich zum Beispiel an die komplizierte Trennung der Fachleistung (SGB IX) von den Grundsicherungsleistungen (SGB XII). Das sind neben den Sachkosten somit auch Miet- und sonstige Beträge, die als Strukturkosten geltend gemacht werden können. Die Kostenhöhe, die im Zeitpunkt der Umstellung auf das neue Kalkulationsmodell nicht durch die gedeckelten Grundsicherungsleistungen übernommen werden konnten, wurde somit entsprechend dem Gedanken in § 42a Abs. 6 SGB XII und § 113 Abs. 5 SGB IX fortgeschrieben. 

Die gesteigerten Personal-, Sach- und Strukturkosten bilden das Ausgangsmaterial für die weitere Kalkulation. Um diese Gesamtkosten bedarfsgerecht aufzuteilen, werden zunächst die Personal- und Sachkosten in einen einheitlichen Stundensatz umgerechnet, indem mittels einer vereinbarten Nettojahresarbeitszeit (NJAZ) die durchschnittlichen Arbeitsstunden der Mitarbeitenden herangezogen werden. Die NJAZ kann pro Tarifklasse abweichend sein, womit die Unterschiede zwischen einem 40-Wochenstunden-Tätigen und einem 38-Wochenstunden-Tätigen berücksichtigt werden. Die Strukturkosten teilt man dagegen mittels eines geeinten Schlüssels (30,44 Tage je Monat) zu einem Tageswert. Diese Differenzierung wirkt etwas unsystematisch, gewährleistet damit allerdings, dass alle Leistungspauschalen rechnerisch den gleichen Anteil tragen und sich nur bei den Stunden pro Leistungsstufe unterscheiden. 

Da die Leistungsstunden pro Woche seinerzeit durch Gruppenbildung in vier Leistungsstufen festgelegt wurden (vgl. dazu § 125 Abs. 3 Satz 2 SGB IX), können diese Stunden auf einen Tag heruntergerechnet und mit dem Stundensatz zu einem Tageswert gerechnet werden. Neuerdings wird jedoch bei jedem Zwischenschritt schon auf zwei Nachkommastellen gerundet, so dass sich effektiv die vergüteten Leistungsstunden reduzieren in den Leistungsstufen 1 und 2. In den beiden anderen Leistungsstufen findet zwar dank der kaufmännischen Rundung eine Anhebung statt, weil es kaum Leistungsberechtigte in der letzten Leistungsstufe gibt, ist dieses Vorgehen als eine „versteckte Kürzung“ anzusehen. 

Immer dann, wenn ein Geldbetrag bestimmt werden muss, wie beispielsweise der Tagessatz oder die monatliche Leistungspauschale, sollte eine kaufmännische Rundung an zweiter Nachkommastelle geschehen. Überall zu runden, wäre zwar konsequent, führt bei vielen Zwischenschritten schon zu höheren Abweichungen. Und gerade dann, wenn fehlerhaft gerundet worden ist und die Ergebnisse zum Ausgangspunkt für die nächsten Verhandlungen verwendet werden, ist dies sehr ärgerlich. 


Zu den üblichen Ärgernissen

Ebenfalls ärgerlich ist auch die Verwendung verschiedener Steigerungsraten im Kalkulationsblatt. Während die Tarifklassen für das pädagogische Betreuungspersonal entsprechend der eigenen Tarifzugehörigkeit angehoben werden (z.B. Analog-Anwender, TV-L, TV-L SuE = 2,57 %; KTD und KTD-S = 2,82 %, AVR-DD, PTG und AVH mit Festwert-Korrekturen), ist für die Steigerung der Personalnebenkostenpauschale der TV-L maßgebend. Die dritte Komponente, die zu einem Stundensatz gerechnet wird, ist die Pauschale für Personal- und Sachkosten ohne Personalkosten Betreuung. Sie wird gesteigert mit einem Kombi-Wert aus 80 % der TV-L-Steigerungsrate und 20 % der Sachkosten-Steigerungsrate. Die Inventarinstandhaltung für den Betrieb aus dem ehemaligen Investitionsbetrag wird dagegen um die Sachkostensteigerung angehoben, wogegen die übrigen Komponenten individuell vereinbart werden müssten. 

Das sind fünf Steigerungsraten, die verwendet werden müssen, und was die Komplexität enorm anschwellen lässt. Das Problem ist zwar den Beteiligten bewusst, doch niemand will sich an eine Lösung heranmachen. Eine Lösung muss es aber geben, weil die vielen Rundungsschritte und neuen Rechenmethoden an der Ordnungsmäßigkeit zweifeln lassen. 

Da muss wohl alles wieder abgewartet werden. Die Vertragskommission hat wiederum in altbekannter Manier für den Fall einer notwendigen unterjährigen Verhandlung auf § 127 Abs. 3 SGB IX verwiesen. Dort heißt es, dass bei „unvorhergesehenen wesentlichen Änderungen der Annahmen, die der Vergütungsvereinbarung […] über die Vergütung zugrunde lagen, […] die Vergütung auf Verlangen einer Vertragspartei für den laufenden Vereinbarungszeitraum neu zu verhandeln [ist]“. Gleichzeitig aber wird festgelegt in der Vertragskommission, dass die Auswirkungen auf die Personal- und Sachkosten „erheblich“ sein müssen und „auf die Mehrheit der Leistungserbringer“ in der jeweiligen Tarifklasse gleichermaßen zutreffen. 

So ganz rund ist die Sache also nicht und wird es vermutlich auch nie werden. 

CGS



PS: Das Vereinfachte Abrechnungsverfahren für rechnungsbasierte Leistungen wurde von der Vertragskommission verlängert bis zum 31.12.2026. Dieses Verfahren gilt für Autismus, Familienassistenz, Frühförderung, Heilpädagogische Leistungen, qualifizierte pädagogische Assistenz und Fachleistungen für einfache Assistenz. 


Notizen:

1. Steigerungsraten in Prozent für die besonderen Wohnformen 


Die vorstehenden Prozentsätze und Regelungen gelten auch für die Trägerbudgetnehmer.

Der nach der 80/20-Regel errechnete Wert weicht um einen Basispunkt von dem vereinbarten Wert der Tarifklasse PTG vermutlich aufgrund eines Rundungsfehlers ab. Der vereinbarte Wert hat allerdings nur bedingt Vorrang, da die Vergütungen für die besonderen Wohnformen im Hamburger Kalkulationsmodell in Euro hoch-, auf Stundenbasis herunter- und schließlich zu Monatspauschalen umgerechnet werden. 


2. Öffnungsklausel nach § 49a 

Zur Öffnungsklausel nach § 49a kann gesagt werden, dass diese, wenn sie nicht von allen Tarifanwendern verbindlich eingeführt wird, auch nicht im Tarifklassenwert berücksichtigt werden. Eine verbindliche Vereinbarung steht derzeit noch aus, würde aber an den betreffenden Standorten eine Erhöhung um 2,50 Prozentpunkte ausmachen. Weil aber derartige Erhöhungen auf einen Tarifklassenwert zu rechnen sind, der für alle besonderen Wohnformen gelten muss, wird der durchschnittliche Steigerungseffekt deutlich niedriger ausfallen. Aufgrund der tariflichen Unterwerfung gehören diese Lohnbestandteile dennoch zur tariflichen Vergütung, wie sie in § 124 SGB IX angesprochen wird. Im Falle einer erneuten Durchschnittskostenerhebung wären sie von daher zu berücksichtigen.




Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die Dinge dar. Und eine solche Sicht kann sich immer noch ändern. Brauchen Sie rechtliche Unterstützung, wenden Sie sich an die zuständigen Behörden, Sozial- und Betroffenenverbände oder rechtskundige Dritte. Lesen Sie bitte ebenfalls die Hinweise zum Rechtsstatus der Webseite, Urheberrechtsbestimmungen und Haftungsausschluss sowie die Datenschutzerklärung.

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