Besondere Herausforderungen entstehen durch tarifliche Erhöhungen, unterjährige Anpassungen und neue Faktoren wie Regenerationstage. Diese führen zu komplexen Berechnungen, Korrekturen und teilweise fehleranfälligen Übertragungen. Hinzu kommen rechtliche Vorgaben aus dem SGB IX, die eine nachvollziehbare und angemessene Vergütung verlangen, ohne dass Forderungen automatisch übernommen werden. Der Weg zu einer Einigung bleibt daher anspruchsvoll und erfordert klare Verfahren, präzise Formeln und sorgfältige Abstimmungen.
Vergütungsverhandlungen brauchen klare Regeln und nachvollziehbare Berechnungen.
Vergütungsverhandlungen als Anbahnungsprozess
Das Verhandeln von Vergütungen lässt sich als Anbahnungsprozess beschreiben. Man befindet sich zuerst noch in der Vorermittlung oder Suche, und man wählt Daten, Argumente und Faktoren aus, die für die Sache maßgebend erscheinen. Der Austausch beginnt gemäßigt, man geht aufeinander zu.
Bei Mietverträgen über Fachleistungsflächen ist es relativ einfach, da es lange vorher einen Abstimmungsprozess gegeben hat und daher eine Mieterhöhung entsprechend berücksichtigt wird. Bei den übrigen Sachkosten stützen sich die Verhandlungspartner auf das „Herbstgutachten“ (Gemeinschaftsdiagnose), in dem eine Erwartungshaltung zur Inflation im neuen Jahr in Prozentsätzen wiedergegeben wird. Was die Personalkosten anbelangt, muss man einen anderen Weg beschreiten. Zum einen gibt es bundesgesetzliche Vorgaben zu beachten, zum anderen erhöhen sich die Gehälter mittlerweile auf die verschiedensten Arten. Was es von daher braucht, ist ein plausibler Rechenweg – und dafür hatten die Parteien ein Kalkulationsblatt entworfen.
Mit dem Kalkulationsblatt scheinen viele Faktoren festzustehen. Beide Seiten können daher mit diesem klaren Schema zu einem Wert gelangen und in die Vertragskommission zum Beschluss bringen. Nach Veröffentlichung der neuen Vergütungen werden die entsprechenden Vereinbarungen (z.B. nach §§ 123 ff. SGB IX für die Eingliederungshilfe) unterschrieben und die Zusammenarbeit kann weitergehen. Und trotzdem ist der Weg dahin steinig. Das Kalkulationsblatt erfordert zahlreiche Erläuterungen und Vorbereitungen. Viele Eintragungen ergeben sich nicht einfach von selbst, sondern benötigen weitere Kalkulationen und Arbeitsblätter für eine adäquate Herleitung der Faktoren. Wenn dann zudem Ergebnisse mal gerundet und mal ungerundet fortgeschrieben werden, führt dies zu Inkonsistenzen und erschwert die Nachvollziehbarkeit.
Herausforderungen bei der Anwendung des Kalkulationsblatts
Das mit den festgeschriebenen Faktoren ist nicht so einfach; ein Beispiel dafür wären die Regenerationstage und Umwandlungstage, die die Tarifparteien mitten im Jahr 2022 einbrachten, und die so gar nicht in das bis dato geltende Verfahren hineinpassten. In einer eigenen Nebenrechnung mussten typische Personalkosten pro Stelle und Tag erarbeitet und in Zusammenhang mit den zu gewährenden Regenerationstagen gebracht werden. Dieser Euro-Wert erhöhte schließlich den Tarifklassenwert des pädagogischen Betreuungspersonals.
Bei tariflichen Erhöhungen, wie nun im TVöD zum 1.4.2025 (+ 3,00 %, mindestens 110,00 Euro), entsteht nun das Problem, die richtige Steigerungsrate zu ermitteln. Da die Arbeitgeber-Seite einen Mindestbetrag pro Vollzeitstelle für das Entgelt des Beschäftigten zahlen müssen, ist im Falle einer niedrigeren Steigerung diese Mindesterhöhung maßgebend. Die Frage stellt sich nun, welche Entgeltgruppe und welche Erfahrungsstufe für die Bemessung herangezogen werden muss. Eine grundlegende Vereinbarung besteht darüber nicht zwischen den Vertragsparteien. Und so verwundert es auch nicht, dass die eine Seite nur 3,00 % vereinbaren wollte, die andere mit einem Durchschnitt der Entgeltgruppen, die für das pädagogische Betreuungspersonal anzusetzen wäre, von 3,10 % argumentierte – zum Schluss setzte sich der Leistungsträger durch und es blieb bei den 3,00 %.
Eine ganz andere Frage entsteht mit der Erhöhung mitten im Jahr. Eine nominale Erhöhung um einen Prozentsatz im April (Monat 4) verteilt sich nur auf die übrigen neun Monate, nicht aber auf die ersten drei Monate (Nullrunden). Im Folgejahr braucht es daher eine Korrektur, um die Steigerung auf den Prozentsatz nachzuholen. Das Verfahren sieht eine schlichte lineare Verteilung vor, so dass im obigen Beispiel die 3,00 % durch zwölf und anschließend mit neun Monaten auf 2,25 % hochgerechnet wurden.
Die Verteilung auf Monate entspricht allerdings nicht der Wirklichkeit mindestens in den Tarifwerken des öffentlichen Dienstes TVöD und TV-L. Eine Jahressonderzahlung (80 % vom durchschnittlichen Entgelt), die im Monat November ausgezahlt wird an die Beschäftigten, bemisst sich nach dem Mittelwert der Monate Juli, August und September (vgl. dazu Bemessungsgrundlage, Bemessungszeitraum und durchschnittliches Entgelt in § 20 TVÖD und § 20 TV-L). Bei einer unterjährigen Erhöhung würde sich die Jahressonderzahlung auf die bereits erhöhten Werte beziehen und nicht auf den Jahresdurchschnitt; konkret würden in dem Fall die Rest-Monate nicht 9 betragen, sondern 9,8 (als Nenner), und die gesamte Anzahl an Monaten im Jahr 12,8 (als Teiler) betragen.
Unterjährige Erhöhungen und Fehlerquellen in der Praxis
Weil es im Vereinbarungsjahr bei unterjährigen Erhöhungen oder tariflichen Einmalzahlungen einen Übertragungsfehler in das Folgejahr geben wird, braucht es eine weitere Komponente, die korrigierend eingreift: die Basiskorrektur. Mit der Basiskorrektur wird die ganzjährige Erhöhung in Prozenten um 1 gesteigert und anschließend um die anteilige Erhöhung aus der Vereinbarung des Vorjahres in Prozenten plus 1 dividiert. Im Anschluss zieht man vom Ergebnis in Prozenten 100 Basispunkte ab und erhält die Basiskorrektur. Hat es im Vorjahr Annahmen gegeben über Einmalzahlungen und einmalige strukturelle Anpassungen, können mittels eines Monats-Schemas die Wirkung der ganzjährigen Steigerungen viel sichtbarer beschrieben und berechnet werden. Was an dieser Stelle jedoch fehlt, sind die Formeln.
Formeln werden allerdings gebraucht, selbst wenn es keinen Prozentsatz geben soll für die Steigerung der Vergütungen. Die Tarifparteien hatten sich im TVöD für eine Steigerung der Schicht- und Wechselschichtzulagen ausgesprochen zum 1.7.2025. Auch hier wieder musste eine Berücksichtigung mitten im Jahr erfolgen bei gleichzeitiger Nicht-Berücksichtigung für Ambulante Dienste und stundenbasierten Leistungsformen – nur in einer besonderen Wohnform würden Schichtdienste anfallen, so dass Begründung. Festbeträge, unterjährige Erhöhung und spezielle Anwendung für die besonderen Wohnformen führten dazu, dass eine Festwert-Korrektur im Kalkulationsblatt-Zeit mit den Tarifklassen eingeführt wurde.
Selbst wenn alle Faktoren begründet und nachvollziehbar eingetragen wurden, diejenigen, die mit dem Eintragen beauftragt sind, verwenden Festwerte statt Formeln, runden oder löschen Nachkommastellen statt Nachkommastellen zuzulassen, runden nicht kaufmännisch. Das bedeutet, dass beide Seiten jeden Wert in einer Tabelle prüfen und nachrechnen müssen. Auch die Überträge von einem Registerblatt auf das nächste müssen nicht richtig sein, was die Sache sehr aufwändig macht (diese Fehlerquelle hat sich in all den Jahren keinesfalls verbessert, sondern eher noch verschlechtert).
Rechtliche Rahmenbedingungen
Dass es eine gewisse Ordnung geben muss, hängt mit den gesetzlichen Vorgaben aus § 124 Abs. 1 SGB IX zusammen. Ein öffentlicher Leistungsträger soll privatwirtschaftliche Anbieter nutzen, wenn diese geeignet und wirtschaftlich sind. Die Bezahlung nach einem Tarifwerk für die Beschäftigten sowie Entgelte nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen können dabei nicht als unwirtschaftlich angesehen werden, selbst wenn sie im Vergleich zu anderen Anbietern oberhalb des unteren Drittels liegen (Satz 6 sowie § 123 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 SGB IX). Die geforderte Vergütung muss also nachvollziehbar und angemessen sein, was ebenfalls die Tarifsteigerungen beinhaltet. Das heißt aber nicht, dass diese Forderungen einfach so übernommen werden müssen (siehe oben das Beispiel mit den 3,00 % im TVöD). Die sind nach wie vor Verhandlungssache.
Eine Basiskorrektur stellt wiederum keinen „nachträglichen Ausgleich“ dar (§ 123 Abs. 2 Satz 3 zweiter Halbsatz SGB IX). Gemeint ist damit eher die rückwirkende Berücksichtigung von Überraschungen oder Vergessenem. Keine Partei kann jedoch eine Rückrechnung fordern. Man muss sich dennoch verständigen und um eine Lösung ringen.
Das Verfahren zum Abschluss von Vereinbarungen nach §§ 123 ff. SGB IX ist niedergeschrieben in Anlage 5 zum Landesrahmenvertrag nach § 131 Abs. 1 SGB IX. Die Verfahrensvereinbarung gliedert sich dabei in die Anpassung der Vergütung bei Änderung der Leistungsvereinbarung (Abschnitt Nr. 3) sowie der einfachen Anpassung bei Fortgeltung der bestehenden Leistungsvereinbarungen (Abschnitt Nr. 4). Nach Abschluss der Verhandlungen erklärt ein Leistungserbringer im Wege des Listenverfahrens seine Teilnahme, einem standardisierten Verfahren per Eintragung in einer Liste, was der Vereinfachung und Beschleunigung dient. Oder es geht in Einzelverhandlungen.
CGS
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Vergütungsverhandlungen in Hamburg
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