Mittwoch, 29. März 2017

Was sonst so in Einrichtungen der Behindertenhilfe passiert - Fortsetzung Team Wallraff

Auch wenn das Team Wallraff nichts mehr zu Misshandlungen an Menschen mit Behinderungen berichtet und auch wenn es ansonsten recht still geworden ist, es treten jetzt Einzelfälle hin und wieder zu Tage. Vorgestern berichtete eine Zeitung über einen Prozess gegen eine Betreuungskraft, die eine nicht-sprechende, geistig behinderte Frau geschubst und in Angst versetzt hatte. Leider wurde das Verfahren vor dem Amtsgericht eingestellt.

Maßstab ist die Unverletzbarkeit der Würde des Menschen (Art. 1 GG). Und dieser Maßstab wurde anscheinend verletzt von einer Betreuungskraft eines Heims für Menschen mit geistiger Behinderung. Die Betreuungskraft soll bei einem Spaziergang „eine schwer geistig behinderte Frau so grob mit sich gezerrt haben, dass die Frau gestolpert und in große Angst geraten sein soll“, berichtet die Bergische Landeszeitung am 27.3.2017 in ihrer Online-Ausgabe (Quellenangabe weiter unten).

Es wurde Anzeige erstattet und das Verfahren kam vor das Bensberger Amtsgericht. Weil nun an der nicht-sprechenden, behinderten Frau keine Verletzungen gefunden wurden und der Richter hier keine Eindeutigkeit feststellen konnte, der Fall „grenzwertig“ sei, wurde das Verfahren dann schließlich eingestellt.

Über eine solche Wendung des Verfahrens kann man sich empören, denn den Aussagen des Zeugen und den erlebten Angstzuständen des Opfers wurde weniger Gewicht beigemessen, als der Gegenrede der Angeklagten. Sie hätte ihrer Schutzbefohlenen schließlich etwas Gutes tun wollen, als sie sie zum Sparziergang mitnahm, so die Rechtfertigung. Die Angeklagte gab zwar zu, dass sie Schwierigkeiten mit dem Opfer gehabt hatte, aber es sei nicht zu verstehen, dass der Zeuge in dieser Situation nicht unterstützte. Die behinderte Frau wurde zwar von ihr mit einem „bestimmten Griff“ gepackt und ein „bisschen geschubst“, aber sie hätte sonst nicht gewusst, wie sie die Schutzbefohlene „nach Hause“ bekommen hätte. Und überfordert sei sie auch nicht gewesen, sondern es war lediglich „ein bisschen viel“.  

Der Arbeitgeber soll die Betreuungskraft fristlos entlassen haben. Immerhin schon mal ein gutes Zeichen dafür, dass man in diesem respektlosen, abwertenden Benehmen ein sehr deutliches Fehlverhalten erkannt hat. Ob aber vielleicht im Hintergrund noch eine arbeitsgerichtliche Klage gegen die Fristlosigkeit der Kündigung stattfindet, bleibt ungeklärt. Vermutlich hat der Amtsrichter im Missbrauchsprozess einen Interessenausgleich vorgenommen und versucht, eine erträgliche Lösung für alle Beteiligten zu finden. Das ist ihm sicherlich damit gelungen. Doch für alle anderen Prozessbeobachter fand hier eine (erneute) Entwürdigung statt.

Durch die Einstellung des Verfahrens wird sich die Angeklagte nur bestätigt fühlen. Und vermutlich spiegelt sich darin auch die Rechtsauffassung eines sehr großen Teils in der Bevölkerung wider – denn was ich bislang vermisse, ist eine größere Reaktion aufgrund der vom Team Wallraff gezeigten Misshandlungen und Machtmissbräuche an Menschen mit Einschränkungen.

CGS


„Prozess Frau mit geistiger Behinderung geschubst – Verfahren eingestellt“
Kölnische Rundschau – Bergische Landeszeitung – Ausgabe vom 27.3.2017
letzter Seitenaufruf am 29.3.2017





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Sonntag, 12. März 2017

Schulassistenten und Schulbegleitungen - Was man als Handlungsempfehlungen sich so ausdachte und warum

Noch im Dezember des letzten Jahres fanden zwischen dem Land und den Kommunen noch weitere Verhandlungen statt, quasi im Hintergrund. Was man vereinbarte kann als völlig übertrieben und abseits jeglicher Vernunft betrachtet werden, weil doch eigentlich die Frage der Kostenübernahme weit vorher geklärt erschien. Der Text der Vereinbarung spiegelt sehr gut das damals vorherrschende Rechtsverständnis wider. Und gleichzeitig gelingt es den Machern, alle Seiten so zu verpflichten, dass jegliche Abkehr von den „Handlungsempfehlungen“ eine moralische Schuld darstellen würde. 

(Achtung - es wird jetzt langatmig. Wer sich doch dafür interessiert, aber nicht noch einmal die Vorgeschichte lesen will, sollte die ersten vier Absätze überspringen)  

Das Landessozialgericht von Schleswig Holstein hatte noch am 17. Februar 2014 in einem Beschluss festgestellt, dass manche Tätigkeiten der Schulbegleitungen den „Kernbereich der pädagogischen Arbeit“ betreffen und somit nicht in den Aufgabenbereich der Eingliederungshilfe fallen. Aufgabe der Schule, so die Begründung des Landessozialgerichts, geht „laut Schulgesetz weit über die reine Wissensvermittlung hinaus“ hin zu einer inklusiven Schule. Daraufhin verweigerten viele Kommunen im Land die Kostenübernahme für Schulbegleitungen.

Damit der Schulbesuch an der Regelschule für Kinder mit Behinderungen nicht gefährdet war, trafen sich Landesregierung und kommunale Landesverbände im April 2015 und verständigten sich auf den Einsatz von Schulischen Assistenzkräften im Grundschulbereich (314 Stellen). Es zog sich allerdings noch weit über den angepeilten 1. August 2015 hin, weil nämlich zuerst die Finanzierung geklärt wie auch die Einstellungsverfahren in Gang gesetzt werden mussten. Was man als Lösung anpries, wurde dagegen von manchen Kommunen als Bestätigung ihrer Rechtsauffassung angesehen. Nicht die Kommunen als Eingliederungshilfeträger, sondern Schulen wären vorrangig zur Leistungsübernahme verpflichtet. In zwei Landkreisen wurden dann Bewilligungen unter dem Vorbehalt ausgestellt, dass bei Einsatz der Schulassistenten an den Grundschulen die Leistungsbescheide auslaufen würden bzw. nur bis zum Ende des ersten Schulhalbjahres im Januar 2016 gelten.

Dass hier die Kreise gegen geltendes Bundesrecht verstießen, blieb irgendwie unkommentiert. Schon in 2012 stellte das Bundessozialgericht klar, dass das Prinzip der Nachrangigkeit der Sozialhilfe gem. § 2 SGB XII nur dann eintritt, wenn Leistungen tatsächlich von einem anderen Leistungsträger (für Sozialleistungen) erbracht werden. Leistungen müssen tatsächlich „erhalten“ werden, damit ein Sozialhilfeträger sich erfolgreich seiner Leistungspflicht entziehen kann. Die betroffenen Eltern mussten somit Widerspruchsverfahren und sogar Klage erheben.

Am 7. November 2016 vereinbarten das Bundesland Schleswig-Holstein und die kommunalen Landesverbände eine Beteiligung des Bundeslandes an den Kosten der Integration auf kommunaler Ebene sowie weitere finanzielle Entlastungen. Die Vertreter der Kommunen erreichten jetzt, dass ein Teil der Kosten vom Land übernommen wurden für die Schuljahre 2016/2017 und 2017/2018 – man kann auch sagen, dass sich das Land irgendwie „freikaufte“.

Am 15. Dezember 2016 entstand dann ein Schriftstück mit der Überschrift „Empfehlungen des Ministeriums für Schule und Berufsbildung, des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung und den Kommunalen Landesverbänden zum Zusammenwirken von Schulbegleitung / Schulischer Assistenz an den Grundschulen“. Unterzeichner waren Vertreter von zwei Landesministerien wie auch Vertretern der Gemeinden, Städte und Landkreistag von Schleswig-Holstein. Diese Unterlage macht aber eher den Eindruck eines Vertrages, denn die Beteiligten vereinbaren, dass das gemeinsame und übergeordnete Ziel „die Unterstützung von Schülerinnen und Schülern mit (drohenden) Behinderungen aus einer Hand“ ist. Die Teilhabe dieser Kinder und Jugendlichen mit Behinderung ist „zu gewährleisten und zu fördern“ (S. 2). An dieses Ziel sollen sich alle Unterzeichner binden, und dafür werden nun Handlungsschritte vereinbart, mit denen dies erreicht werden kann.

Interessant und kritikwürdig an dieser Unterlage sind eigentlich alle Punkte, die nun als Handlungsempfehlungen betitelt sind:

-        In jedem Kreis soll eine „federführende Stelle als Ansprechpartner“ bestimmt werden, welche die Zusammenarbeit aller Beteiligten im Verfahren (Unterstützung behinderter Schüler zum Besuch an einer Regelschule) koordiniert. Eltern und Schüler sollen dabei umfassend einbezogen werden, damit Transparenz und Nachvollziehbarkeit der behördlichen Entscheidungen entsteht. Das bedeutet aber nicht, dass sich Eltern direkt an diese Stelle mit einem Antrag oder einer Beschwerde richten können – dazu müssten sie schließlich wissen, wer und wo diese Stelle wäre. Beteiligte sind zudem diejenigen, die über die Leistungsträgerschaft zu entscheiden haben (dazu später mehr).

-        Notwendige gutachterliche Prozesse sind zwischen Schule und Leistungsträger bestmöglich abzustimmen, damit es keine Doppelbegutachtungen gibt. Stellungnahmen von Ärzten, Therapeuten, Klassenlehrkraft und bisherigen Leistungserbringern wie auch den Eltern sollen zudem berücksichtigt werden. Am Ende soll dann ein Teilhabe- oder Förderplan stehen, der  „den Grundsätzen des Rehabilitationsrechts“ entspricht – klingt irgendwie nach einer Gesamtplankonferenz gem. § 58 SGB XII, allerdings ohne Mitspracherecht des behinderten Menschen und somit ohne Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechtes nach § 9 SGB XII.

-        Hinsichtlich der Leistungserbringung soll die Schulische Assistenz einbezogen werden. Hierzu würden sich die Sozialleistungsträger (!), der Träger der Schulische Assistenz (!) und Schule über ein fachlich orientiertes „Unterstützungssetting“ abstimmen. Mit Sozialleistungsträger sind sehr wahrscheinlich die Eingliederungshilfeträger und Jugendhilfeträger gemeint, nicht aber Krankenkassen als Rehabilitationsträger. Träger der Schulischen Assistenz sind dagegen in der Regel die Schulen selber, auch wenn die Einstellung durch das Land erfolgte. Nicht mit einbezogen bzw. hier nicht benannt ist der Leistungserbringer der Schulbegleitung.

-        Die Erbringung der als notwendig erachteten Unterstützungsleistungen soll im Wege der Zusammenarbeit zwischen den Trägern der Schulbegleitung und der Schulische Assistenz „im Benehmen mit der Schulleitung bzw. den Lehrkräften“ erfolgen. Das bedeutet, dass eine Steuerung der Leistungserbringung durch die Schule geschehen soll, was wiederum einer Orientierung nach den vorhandenen Ressourcen darstellt und nicht dem persönlichen, situationsbedingten Bedarf des Menschen mit Behinderung.

-        Ist die Leistungsträgerschaft weiterhin streitig, soll eine „Clearing/Task Force“-Stelle erneut alle möglichen und „vorhandenen Ressourcen einschließlich … Sonderpädagogik und die Schulische Assistenz“ prüfen, damit eine Unterstützung dennoch gewährleistet ist. Diese Stelle setzt sich zusammen aus Vertretern der Sozial- und Jugendhilfe sowie der jeweiligen Schule vor Ort. Wenn zudem dies gewünscht ist, sollen auch Vertreter der beiden  Landesministerien beteiligt sein, damit eine „gütliche Einigung“ gefördert wird. Die Clearing-Stelle soll in Aktion treten, bevor ein Widerspruchsverfahren abschließend entschieden wird.

Nachdem aber am 13. Januar 2017 das Landessozialgericht von Schleswig-Holstein sich nunmehr von seiner früheren Rechtsauffassung verabschiedete und erklärte, dass die schulrechtlichen Vorschriften nicht die Auslegung des SGB XII bestimmen können und die schulrechtlichen Bestimmungen nach einer inklusiven Schule keine Überschneidung mit den Aufgaben der Eingliederungshilfe entstehen lassen, gibt es meines Erachtens die in den „Empfehlungen“ dargestellte „gemischte Aufgaben- und Zuständigkeitssphäre von Schule und Eingliederungshilfe“ schlichtweg nicht. Und somit müssten sich die oben genannten Punkte erledigt haben.

Dass es zu einer solchen Sammlung von „Empfehlungen“ gekommen ist, kann man nachvollziehen. Wie gesagt, erst durch den Beschluss des Landessozialgerichts sah man die Verantwortlichkeit „insbesondere“ bei einer „anderen“ Stelle (§ 2 Abs. 1 SGB XII), die sich ihrer Pflicht somit nicht durch Verweis auf die Vorschriften der Sozialhilfe entziehen durfte (Abs.2). Doch weil damit die Beschulung behinderter Kinder und somit eine Exklusion drohte, mussten sofort Verhandlungen aufgenommen werden. Die Regelungen zur Kostenübernahme, auch wenn zeitlich befristet und nicht wirklich bedingungslos, waren nur ein Schritt. Man glaubte an eine „Grauzone“ zwischen den Bereichen Schulbegleitung als Leistung der Eingliederungshilfe und dem Auftrag der Schule, für eine inklusive Schule zu sorgen. Von daher war es notwendig, eine Verpflichtung für beide Seiten herzustellen, die man dann in „Handlungsempfehlungen“ einpackte. In diesem Schriftstück ging es nicht ums Geld, sondern um die Pflicht zur Leistung von unterstützenden Maßnahmen für Kinder mit und drohender Behinderung – und das ist ein Kunststück gewesen. Wer von den kommunalen Landesverbänden sich nun davon abkehrt, trägt die Schuld. Das Land hat nun alles getan und wird in jedem Einzelfall für die Findung einer Lösung bereitstehen. Doch auch die Kommunen sind in der Pflicht.

Man kann an der Kompetenz der Höheren Verwaltung des Landes und den Kommunen zweifeln, weil man die höchstrichterliche Rechtsprechung aus dem Jahr 2012 nicht zur Kenntnis nehmen wollte. Andererseits schafften die Kommunen es, sich ein wenig mehr Geld vom Land zu erstreiten. Doch dafür geopfert wurden die Eltern und ihre behinderten Kinder.

Wie geht es nun weiter? Werden die Schulassistenten abgeschafft oder weitet man ihren Einsatz sogar auf andere Bereiche aus? Werden notwendige Schulbegleitungen trotzdem nicht weiter bewilligt? Oder war es das – endlich?

CGS



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Mittwoch, 1. März 2017

Wie geht es nun weiter seit der TV-Ausstrahlung des Team Wallraff-Reports?

Anscheinend hat sich die Empörung in den anderen Mainstream-Medien nicht fortgesetzt. Trotzdem gibt es weiterhin Diskussionen auf verschiedenen Webseiten und Foren. Man berichtet, dass sogar die Mitarbeiter der einen Werkstatt unter Polizeischutz stehen müssen, weil die Menschen in der Region von einem Mitwissen und Mitmachen ausgehen. Sogar Lokalpolitiker melden sich zu Wort, was aber eher nach Populismus und Meinungsmache klingt. Und dann gibt es Systemkritiker, die hinter dem Wohlfahrtswesen eine Milliarden-Industrie sehen. Was also tun? Was geschieht nun weiter?

Man sollte die Meinungsmache mal am besten ausblenden und erst einmal Fakten sammeln. Das Team Wallraff hat schon seinen Beitrag dazu geleistet. Möglich ist aber, dass es sich nur um Momentaufnahmen handelte, die jetzt einfach nur falsch verstanden wurden. Man erinnere sich nur an das in einem anderen Artikel genannte Beispiel mit dem behinderten Mädchen, was zum Trinken „gezwungen“ wird, damit es sich nicht an seinen Medikamenten vergiftet. Was ist dann aber mit dem Bewohner, der vom Mitarbeiter weggeschubst wird, weil er neugierig, interessiert oder einfach nur kontaktsuchend sich an die Praktikantin wenden wollte. Wegschubsen ist keine Form der Hilfeleistung, sondern hat was mit Erniedrigung zu tun.

Die zuständigen Aufsichten und Prüfbehörden werden jetzt Befragungen durchführen und Einsicht in Dienstpläne, interne Richtlinien und Berichte nehmen. Wahrscheinlich wird man herausfinden, dass viele Misshandlungen in den gezeigten Einrichtungen schon seit sehr langer Zeit stattfinden. Jemanden Wegzuschubsen ist eine Handlung, die man sich angewöhnt hat im Umgang mit „nicht funktionierenden“ Bewohnern. Ebenso die Bestrafungsaktionen, die in einem Kuchen-Entzug, Zimmerarrest mit Verdunkelung und hochgestelltem Bett mündeten.

Die Geschäftsführung muss sich mit diesen Feststellungen auseinandersetzen und ihrerseits Gründe für ein Fehlverhalten suchen. Menschen benehmen sich so, weil sie vielleicht nicht (mehr) das gleiche Wertesystem teilen oder überfordert wurden. Sie reagieren in Stress-Momenten ohne weiteres Nachdenken, einfach impulsiv und reflexartig. Vielleicht konnten Sie sich nicht anders helfen. Es kann durchaus sein, dass sich diese Mitarbeiter schlichtweg alleine gelassen fühlten.

Wenn sich das Wertesystem von Menschen ändert, kann wahrscheinlich nicht mehr viel gemacht werden. Dazu müsste man schließlich auch das Privat-Leben dieser Leute kennen. Doch man kann mit einem Katalog an Fortbildungen, Supervisionen und bereichsübergreifenden Qualitäts-Debatten viel erreichen. Mit Gesprächen über das gemeinsame Ziel, Menschen mit Behinderung zu fördern und ihnen ein menschwürdiges Leben zu sichern, kann sich ein allgemeines Verständnis zusammen mit einem allgemein akzeptierten Leistungsstandard etablieren. Fühlen sich Menschen einer Gruppe zugehörig, identifizieren sie sich und ihre Leistung mit den gemeinsamen Werten. Caritas und Diakonie leiten zum Beispiel ihr Weltbild vom Christlichen Glaubensverständnis ab, die Lebenshilfen in Deutschland orientieren sich am Humanismus, die AWO wiederum entstammt aus der Arbeiterbewegung bzw. dem Sozialismus. Allen gemeinsam ist aber, dass sie sich dem Menschen verpflichtet fühlen und seine Würde schützen wollen.

Das Verständnis für Werte kann aber in Vergessenheit geraten – also nicht nur bei den einzelnen Mitarbeitern, sondern eben auch bei der Geschäftsführung (wozu man letztlich alle Hierarchien zählen darf): „Der Fisch stinkt vom Kopf her.“

Die Geschäftsführung berichtet stets an ihren Aufsichtsrat (im Falle von Kapitalgesellschaften) oder Vorstand (bei Stiftungen und Vereinen), doch dann geht es eher um den wirtschaftlichen Fortbestand des Betriebs. Kontrollieren diese Kontrolleure dann oder trifft man sich auf einen netten Plausch? Was überhaupt können sie kontrollieren und in Erfahrung bringen?

Aufsichtsräte berichten an Gesellschafter, Vorstände berichten an die Mitglieder, was allerhöchstens einmal im Jahr geschieht und einem Referat gleicht. Im Gegensatz zur Geschäftsführung, setzen sich Aufsichtsräte und Vorstände aus ihren Gesellschaftern und Mitgliedern zusammen. Mit anderen Worten, es sind hier Eltern und Angehörige, die sich aktiv einbringen. Man kann auch sagen, die Geschäftsführung ist hauptberuflich und somit darf man ein professionelles Verhalten erwarten, die Gremien wiederum bestehen aus „Ehrenämtlern“.

In manchen Organisationen gibt es zudem Beiräte und Fördervereine, in denen sich Einzelne ebenfalls engagieren können. Die Möglichkeiten zur Einflussnahme sind zwar gering, allerdings über die ehrenamtliche Mitarbeit in verschiedenen Diensten ist eine Einsichtnahme nicht unmöglich (meistens aber nur Tagdienste, keine Nachtdienste, vielleicht in Spät- und/oder Frühdiensten).

Es gibt dann auch noch die Landesverbände. Sie können sich allerdings nur einbringen, wenn sie von den Geschäftsführungen dazu gebeten werden. Es gibt Schulungsangebote zu einer Vielfalt an Themen, u.a. zu Fragen rund um Qualitätsmanagementsystemen und Prüfungsvereinbarungen als Teil der Vereinbarungen nach § 75 SGB XII. Was ist, wenn die Geschäftsführung diese Angebote aus Kostengründen oder Desinteresse nicht wahrnimmt?

Es sind hilflose Menschen geringschätzig und erniedrigt behandelt worden. Ihnen muss geholfen werden, damit Vertrauen wieder entsteht. Die Vertrauensarbeit wiederum muss von nun denjenigen geleistet werden, welche die Kollegen von denen sind, die sich dermaßen fehlverhalten haben. Und diese müssen sich jetzt fragen, warum sie nie etwas bemerkt haben – oder sich nie trauten, etwas zu sagen.

Sind sie dazu befähigt und erhalten Sie eine Unterstützung seitens der Geschäftsführung? Eine solche wertvolle Vertrauensrückgewinnungsarbeit braucht sehr viel Zeit und Geduld, Verständnis und Einfühlungsvermögen. Es reicht nicht, nach außen zu treten und ein Wertesystem zu propagieren, dass man sich wünscht. Es müssen nun Taten folgen.

Maßstab für alles ist die Unverletzbarkeit der Würde des Menschen (Art. 1 GG).


CGS


P.S.:


Seit dem 27.2.2017 gibt es in Hamburg eine Enquete-Kommission, die Kindesmisshandlungen versucht aufzuarbeiten und aufzuklären. Es geht dabei nicht um Schuldzuweisungen, sondern man versucht den Kinderschutz und die Kinderrechte zu stärken. Man will es besser machen. Abgeordnete der Bürgerschaft beraten mit Experten darüber, was in den Jugendämtern und in der Sozialbehörde falsch läuft. Auch wenn es hier einen anderen Personenkreis betrifft, Kontrollen und Prüfungs-Verfahren laufen häufig ins Leere. Was aber jetzt schon die ersten Teilnehmer sagen ist, man muss hinschauen und etwas dazu sagen.




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