Auch wenn das Team
Wallraff nichts mehr zu Misshandlungen an Menschen mit Behinderungen berichtet
und auch wenn es ansonsten recht still geworden ist, es treten jetzt
Einzelfälle hin und wieder zu Tage. Vorgestern berichtete eine Zeitung über
einen Prozess gegen eine Betreuungskraft, die eine nicht-sprechende, geistig
behinderte Frau geschubst und in Angst versetzt hatte. Leider wurde das
Verfahren vor dem Amtsgericht eingestellt.
Maßstab ist die
Unverletzbarkeit der Würde des Menschen (Art. 1 GG). Und dieser Maßstab wurde
anscheinend verletzt von einer Betreuungskraft eines Heims für Menschen mit
geistiger Behinderung. Die Betreuungskraft soll bei einem Spaziergang „eine schwer geistig behinderte Frau so grob mit sich
gezerrt haben, dass die Frau gestolpert und in große Angst geraten sein soll“,
berichtet die Bergische Landeszeitung am 27.3.2017 in ihrer Online-Ausgabe
(Quellenangabe weiter unten).
Es wurde Anzeige erstattet und
das Verfahren kam vor das Bensberger Amtsgericht. Weil nun an der
nicht-sprechenden, behinderten Frau keine Verletzungen gefunden wurden und der
Richter hier keine Eindeutigkeit feststellen konnte, der Fall „grenzwertig“
sei, wurde das Verfahren dann schließlich eingestellt.
Über eine solche Wendung des
Verfahrens kann man sich empören, denn den Aussagen des Zeugen und den erlebten
Angstzuständen des Opfers wurde weniger Gewicht beigemessen, als der Gegenrede
der Angeklagten. Sie hätte ihrer Schutzbefohlenen schließlich etwas Gutes tun
wollen, als sie sie zum Sparziergang mitnahm, so die Rechtfertigung. Die
Angeklagte gab zwar zu, dass sie Schwierigkeiten mit dem Opfer gehabt hatte,
aber es sei nicht zu verstehen, dass der Zeuge in dieser Situation nicht
unterstützte. Die behinderte Frau wurde zwar von ihr mit einem „bestimmten
Griff“ gepackt und ein „bisschen geschubst“, aber sie hätte sonst nicht
gewusst, wie sie die Schutzbefohlene „nach Hause“ bekommen hätte. Und überfordert
sei sie auch nicht gewesen, sondern es war lediglich „ein bisschen viel“.
Der Arbeitgeber soll die Betreuungskraft
fristlos entlassen haben. Immerhin schon mal ein gutes Zeichen dafür, dass man in
diesem respektlosen, abwertenden Benehmen ein sehr deutliches Fehlverhalten
erkannt hat. Ob aber vielleicht im Hintergrund noch eine arbeitsgerichtliche
Klage gegen die Fristlosigkeit der Kündigung stattfindet, bleibt ungeklärt.
Vermutlich hat der Amtsrichter im Missbrauchsprozess einen Interessenausgleich
vorgenommen und versucht, eine erträgliche Lösung für alle Beteiligten zu
finden. Das ist ihm sicherlich damit gelungen. Doch für alle anderen
Prozessbeobachter fand hier eine (erneute) Entwürdigung statt.
Durch die Einstellung des
Verfahrens wird sich die Angeklagte nur bestätigt fühlen. Und vermutlich
spiegelt sich darin auch die Rechtsauffassung eines sehr großen Teils in der
Bevölkerung wider – denn was ich bislang vermisse, ist eine größere Reaktion
aufgrund der vom Team Wallraff gezeigten Misshandlungen und Machtmissbräuche an
Menschen mit Einschränkungen.
CGS
„Prozess Frau mit geistiger
Behinderung geschubst – Verfahren eingestellt“
Kölnische Rundschau – Bergische
Landeszeitung – Ausgabe vom 27.3.2017
Online-Ausgabe: http://www.rundschau-online.de/26264670 ©2017
letzter Seitenaufruf am
29.3.2017
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