Dienstag, 29. August 2023

Fristen im Rechtsbehelf

 

Kennen Sie den?

„Gegen diesen Bescheid/diese Verfügung/Anordnung/Entscheidung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch bei (Bezeichnung und Sitz der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat) erhoben werden.“

Und wann ist wann?

 

Wann ist was zu tun?

Fristen in behördlichen Schreiben (Verwaltungsakte, Bescheide) sollten unbedingt beachtet werden. Am besten ist es, bevor man sich überhaupt Gedanken darüber macht, worum es geht und was zu tun wäre, die Frist gleich im Kalender eintragen und eine Erinnerung setzen. Versäumt man eine Frist, sollte man sich sofort mit der Behörde in Verbindung setzen und (reumütig) eine Nachfrist beantragen. Zusätzlich sollte man fragen, welche Unterlagen und Stellungnahmen gebraucht werden – also Liste machen.

Kommt es zu solchen Fristsetzungen, befindet man sich in einem Verwaltungsverfahren, was ganz klaren Regeln folgt. Die Regeln dazu finden sich einerseits im sogenannten Verwaltungsverfahrens-Gesetz (VwVfG) für den Bund wie auch in (fast identischen) Wortlauten in Ländergesetzen. Im Steuerrecht gilt dagegen die Abgabenordnung (AO), im Sozialrecht wären es das Erste Buch Sozialgesetzbuch wie auch das Zehnte Buch Sozialgesetzbuch (SGB I und SGB X; siehe auch weiteres dazu in den untenstehenden Notizen). Umgekehrt sollte man als Antragsteller ebenfalls mit Fristsetzungen arbeiten, um das Verfahren in Gang zu halten. In jedem Fall wird am Ende des Verfahrens ein Hinweis auf den Rechtsbehelf abgegeben – wie zum Beispiel der ganz oben.

Behörden können eigene Texte als Rechtsbehelf-Hinweis verwenden oder sich an einem Muster orientieren. Unterschieden werden kann dabei in Rechtsbehelfe, die für sich genommen nur die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllen oder zusätzliche Hinweise auf Formerfordernisse beinhalten.

[Kurzer Hinweis: Im Folgenden wird an erster Stelle auf die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrens-Gesetzes verwiesen, und an zweiter Stelle, wo möglich, die maßgebenden Fundstellen für das Sozialrecht; nachfolgend abgekürzt mit SR.]

Wann was zu tun ist!

Grundsätzlich gilt, dass für die Berechnung von Fristen und die Bestimmung von Terminen die §§ 187 bis 193 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entsprechend anzuwenden sind, soweit nicht etwas anderes festgelegt worden ist (vgl. § 31 VwVfG und fortführend; SR: § 26 SGB X). Bei einem Verfahren muss man dazu allerdings wissen, dass die Bekanntgabe der behördlichen Entscheidung erst mit Zugang beim Antragsteller erfolgen muss, bevor überhaupt von einer Frist gesprochen werden kann. Die Bekanntgabe erfolgt bei postalischer Übersendung (als Schriftsache) aber nicht mit dem Datum der Schriftsache oder Verschickung, sondern mit der Zustellung. Beispielsweise gilt die Übersendung des schriftlichen Verwaltungsaktes im Inland durch die Post als am „dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben“ (§ 41 Abs. 2 S. 1 VwVfG; SR: § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X).

Der Empfänger könnte glaubhaft machen mittels Posteingangsstempel, wann die Bekanntgabe tatsächlich war; im Zweifel (!) hat die Behörde den Nachweis zu führen. Man selber sollte dann aber auch bestätigen können, dass die eigene Erreichbarkeit zu ordentlichen Werktagen gesichert war.

Der Lauf der Frist beginnt also in der Regel mit dem Tag nach der Bekanntgabe.

Der Widerspruch muss dagegen innerhalb einer Zeitdauer oder zu einem bestimmten Tag erfolgen. Fällt das mit der Zeitdauer „auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktags“ (z.B. § 41 Abs. 3 S. 1 VwVfG). Dabei sollte aber das mit dem „innerhalb“ schon genau genommen werden; dazu gleich ein Beispiel. Wird dagegen dem Empfänger mitgeteilt, dass es ein bestimmter Tag sein muss, muss unter Hinweis auf diese Vorschrift das dem Betroffenen mitgeteilt werden (§ 41 Abs. 3 S. 2 und Abs. 5 VwVfG; SR: § 26 Abs. 3 SGB X).

Im Zeitpunkt der Bekanntgabe wird jedenfalls ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen wirksam, welcher davon betroffen ist. Das wiederum bedeutet, dass der Widerspruch bzw. die eingeräumte Frist genau dafür keine Aufschiebung ermöglicht (z.B. § 43 VwVfG).

Ein Beispiel

Am 20.2.2023 (ein Montag) wird ein schriftlicher Verwaltungsakt von der Behörde erstellt und einen Tag später am 21.2.2023 (Dienstag) in die Post aufgegeben. Die Zustellung würde man grundsätzlich für den dritten Tag nach Aufgabe annehmen, wenn nicht ein früherer Posteingang beim Empfänger dokumentiert worden ist. Der dritte Tag wäre von daher nicht der 22.2., auch nicht der 23.2., sondern der 24.2.2023 (Freitag). Der Tag der Zustellung entspricht auch dem Tag der Bekanntgabe.

Die Frist für den Widerspruch gemäß Hinweis aus dem Rechtsbehelf beginnt zu laufen am Tag nach der Bekanntgabe, das wäre dann der 25.2.2023 (Sonnabend). Die Frist für den Widerspruch endet innerhalb eines Monats nach der Bekanntgabe. Die Widerspruchsfrist beginnt zu laufen am 26.2.2023 (Sonntag) und würde zu Ende gehen einen Monat später am 25.3.2023 (Sonnabend; der Februar 2023 hatte 28 Tage). Aufgrund der Bestimmungen im Verwaltungsverfahrens-Gesetz verschiebt sich das Ende auf den Ablauf des folgenden Werktags, welcher daher auf den 27.3.2023 (Montag) fällt.

Am 28.3.2023 (Dienstag) wäre ein Widerspruch nicht mehr fristgemäß.

Anstelle des Widerspruchs könnte in bestimmten Fällen die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand verlangt werden (§ 32 VwVfG; SR: § 27 SGB X). Eine solche Wiedereinsetzung kann in einer Rechtsvorschrift als unzulässig ausgeschlossen werden. Wenn eine Frist aufgrund eines „unverschuldeten“ Versäumnisses nicht beachtet wurde, kann ein entsprechender und begründeter Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses an die Behörde gerichtet werden. Die Behörde entscheidet über den Antrag (§ 32 Abs. 4 VwVfG; SR: § 27 Abs. 4 SGB X), wobei eine Nachholung des Versäumten innerhalb der zwei Wochen auch ohne formalen Antrag gewährt werden kann (Abs. 3).

CGS

 

 

 

Notizen:

Grundsätzlich sind die Verwaltungsverfahren im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) festgelegt, für die Verwaltungsgerichtsbarkeit wäre es die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). In den speziellen Leistungsgesetzen (und weiter dann zum Sozialgerichtsgesetz SGG) können diesbezüglich zwar eigene Regelungen stehen, diese sollten aber müssen nicht deckungsgleich bestimmt sein (z.B. findet sich in der VwGO keine Vorschrift über eine Bindungswirkung von Verwaltungsakten; § 77 SGG). Geht es also um etwas sozialrechtliches, sind die Sozialgesetzbücher SGB I und SGB X sowie das SGG zu beachten. Handelt es sich um eine Klärung im verwaltungsrechtlichen Bereich, würden das VwVfG und dann die VwGO maßgebend sein. Zum Glück aber sind die Verfahrensgesetze im Prinzip wesensgleich.

Im Sozialrecht findet sich noch die Besonderheit der wiederholten Antragstellung (§ 28 SGB X). Während in den übrigen Rechtsbereichen nicht erneut Bezug genommen werden kann auf einen zu entscheidenden Sachverhalt, wird im SR die Möglichkeit geschaffen, einen Antrag auf eine andere Sozialleistung zu stellen, wenn ein Antrag auf die zuvor begehrte Sozialleistung nicht gewährt oder vielleicht sogar zurückzuerstatten war (Abs. 1 S. 1) oder sogar der Antrag zurückgenommen wurde (S. 2). Die Nachholung kann bis zu einem Jahr zurückgehen, muss aber innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt werden, „in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist“ (S. 1).

Ist Unkenntnis im Spiel in Bezug auf die andere Sozialleistung (also die, die man eigentlich nicht hätte beantragen sollen; eine nicht vorrangige Sozialleistung), kann man die Antragstellung ebenfalls wiederholen.

Eine weitere Besonderheit ist in der Mitwirkungspflicht der antragstellenden Personen zu den Sozialleistungen zu finden (§ 60 ff. SGB I). Die Antragstellung muss bestimmte Tatsachen aufführen, um die Bearbeitung zu sichern. Ein Leistungsträger wird allerdings eine Ermessensentscheidung treffen müssen, die ein Antragsteller wiederum mit seinen Angaben im Antrag „auf Null reduzieren“ sollte (§ 39 SGB I). Eine Behörde ist verpflichtet, auf einen klaren und sachdienlichen Antrag hinzuwirken (§ 16 Abs. 3 SGB I). Unvollständige Angaben wären vom Antragsteller beizubringen. Fehlen diese und kann eine Entscheidung nicht gefällt werden, kann es zu einem Versagen oder den Entzug von Leistungen kommen, nachdem ein Leistungsträger schriftlich auf die Folgen hingewiesen hat und die fehlende Mitwirkung nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgeholt wurde (vgl. dazu § 66 Abs. 3 und § 67 SGB I).

 

Quelle:

Belehrung über Rechtsbehelfe nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG); hier: neue Muster

Bezug: Mein Rundschreiben vom 23. Mai 1997 – V II 1 – 132 120/6 – (GMBl 1997, S. 282); Das Rundschreiben vom 23. Mai 1997 (GMBl 1997, S. 282) wird aufgehoben.

– RdSchr. d. BMI v. 12.8.2013 – V II 1 – 132 120/6 –

Fundstelle: GMBl 2013, S. 1150


 

Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die Dinge dar. Und eine solche Sicht kann sich immer noch ändern. Brauchen Sie rechtliche Unterstützung, wenden Sie sich an die zuständigen Behörden, Sozial- und Betroffenenverbände oder rechtskundige Dritte. Lesen Sie bitte ebenfalls die Hinweise zum Rechtsstatus der Webseite, Urheberrechtsbestimmungen und Haftungsausschluss sowie die Datenschutzerklärung.

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