Mittwoch, 26. August 2015

Das Trägerbudget findet noch immer Interesse (Fortsetzung vom 19.8.2015)

Dem Trägerbudget geht eine Rahmenvereinbarung vor. Darin verpflichtet sich der Leistungserbringer die Bedarfsdeckung zu garantieren, wenn er eine bestimmte (pauschale) Gesamt-Vergütung erhält. Einige Besonderheiten können ausgenommen werden, aber im Grunde handelt es sich um eine sehr große, fixe Vergütung für alle Leistungsformen.

Könnten weitere Erlöse darüber hinaus erzielt werden?

Vertragspartner der Rahmenvereinbarung sind einerseits der Leistungserbringer und andererseits die Stadt Hamburg als Leistungsträger, weitere Leistungsträger wurden zumindest in Hamburg nicht an den Verhandlungen beteiligt. Die Rahmenvereinbarung wird so verstanden, dass sie der bisherigen Gesamtvereinbarung mit den einzelnen Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII vorgeht bzw. die Gesamtvereinbarung „ummantelt“. Tatsächlich regelt die Rahmenvereinbarung lediglich die besonderen Beziehungen zwischen der Stadt Hamburg als Leistungsträgerin und dem jeweiligen Leistungserbringer. Von der Rahmenvereinbarung ausgeschlossen sind dagegen auswärtige Leistungsträger, Bezieher von Persönlichen Budgets und Selbstzahler. Wären diese „nicht ausgeschlossen“, würde es sich beim Trägerbudget um eine einrichtungsbezogene Vergütung handeln. Genau das hat die Stadt Hamburg bisher strikt abgelehnt. Nicht zuletzt würde sich dann auch die Frage stellen, warum ein paar Träger finanziell sichergestellt werden, viele andere dagegen nicht.

Für die übrigen Leistungsträger, Bezieher von Persönlichen Budgets und Selbstzahler gilt weiterhin die Gesamtvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII mit ihrer Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung, wobei man auch hier differenzieren müsste, ob es sich um reine Selbstzahler handelt oder abgerechnet wird gegenüber anderen Sozialhilfeträger. In den Vergütungsvereinbarungen können sich Formulierungen wiederfinden, die eine Ungleichbehandlung ausschließen sollen. In Hamburg heißt es aber, dass die vom Sozialhilfeträger verlangte Vergütung nicht höher sein darf, als die von Selbstzahlern. Umgekehrt wäre eine Ungleichbehandlung möglich?

Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind die Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII „bindend“ für alle übrigen Träger der Sozialhilfe. Dies schließt aber nicht die Rahmenvereinbarung ein. Weil die Inhalte der Rahmenvereinbarung lediglich die besonderen Beziehungen zwischen dem jeweiligen Leistungserbringer und der Stadt Hamburg regeln, kommt für die übrigen Leistungsträger usw. die Gesamtvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII zur Anwendung.

Es stellt sich somit die Frage, mit welchen Gesichtspunkten die Verhandlungen zu den Gesamtvereinbarungen geführt worden und wie die Beträge in der Vergütungsvereinbarung zustande gekommen sind!

Die Beträge in den Vergütungsvereinbarungen kommen – eigentlich – im üblichen Verhandlungsweg zustande. Im Falle von Investitionsmaßnahmen und den daraus resultierenden Folgekosten gilt § 76 Abs. 2 SGB XII. Da Vergütungen immer für zukünftige Zeiträume abzuschließen sind, muss ggf. eine Anhebung vom Leistungserbringer vorher verlangt werden. Kommt eine Einigung innerhalb von sechs Wochen nicht zustande, darf der Leistungserbringer die Schiedsstelle nach § 77 Abs. 1 SGB XII verlangen. Diese entscheidet dann über die strittigen Punkte.

Dass es zu einem Anruf der Schiedsstelle kommen wird, kann ausgeschlossen werden. Einerseits müssen die Vertragspartner der Rahmenvereinbarung eine einvernehmliche Regelung finden, andererseits widersprechen umfangreiche Entgeltverhandlungen der Zielsetzung Bürokratieabbau der Rahmenvereinbarung. Trotzdem hat der Leistungserbringer aus zwei Gründen das Ziel, dass die Vergütungssätze möglichst hoch ausfallen:

Erstens gelten die Entgelte aus der Vergütungsvereinbarung fort, wenn die Rahmenvereinbarung ausläuft oder gekündigt worden ist. Je höher diese Beträge sind, umso unwahrscheinlicher wird eine Kündigung seitens des Leistungsträgers.

Zweitens richtet sich die Höhe der gegenüber Dritten abzurechnenden Leistungen nach den Entgelten aus der Vergütungsvereinbarung. Je höher die Beträge, umso höher die Erlöse pro fremdbesetzten Platz.

Die Anhebung von Vergütungssätzen liegt also in jedem Fall im Interesse des Leistungserbringers – sowohl für die Zeit nach dem Trägerbudget wie auch gegenüber den auswärtigen Leistungsträgern oder anderen Zahlern. Die Durchsetzung dieser Interessen wird begrenzt durch die Möglichkeiten der Rahmenvereinbarungen. Weil Einvernehmen zu erzielen ist in so ziemlich jeder Frage, werden Entgeltverhandlungen bis hin zur Schiedsstelle nicht zu führen sein. Aber auch der andere Vertragspartner weiß, wie sehr ein Leistungserbringer auf zusätzliche Erlöse angewiesen ist. Er wird also zustimmen müssen, wenn ein gut begründetes Erhöhungsverlangen vorliegt. Er wird aber nicht in dem Umfang prüfen, den er gegenüber anderen Leistungsträgern aufwendet.

Man kann also davon ausgehen, dass die erstmaligen Verhandlungen im Hinblick auf ein mögliches Scheitern der Rahmenvereinbarung geführt worden sind. Doch weil auf der öffentlichen Seite ein gewisser Bürokratieabbau und Einsparungseffekt gewünscht worden ist, verlagern sich die zukünftigen Entgeltverhandlungen in das Gremium des Begleitmanagements. Damit sollte der Arbeitsaufwand beträchtlich steigen, denn Entgeltverhandlungen im üblichen Rahmen sind aufwändige Ereignisse.

Ich gehe davon aus, dass man sich weniger mit Details beschäftigen wird, als vielmehr mit dem gewünschten Ergebnis. Da, wie gesagt, das Interesse an hohen Vergütungssätzen durchaus beim Leistungserbringer gegeben ist, der Leistungsträger durch das Trägerbudget gut abgesichert erscheint, könnte eine neuen Vergütungsvereinbarung Entgelte enthalten, die nicht mit der bekannten Sorgfalt geprüft und verhandelt worden sind.

Selbst wenn es so nicht wäre, die Diskrepanz ist alleine dadurch vorhanden, dass das Trägerbudget eine riesige Pauschale darstellt und keine Einzelabrechnungen gegenüber dem Vertragspartner aus der Rahmenvereinbarung mehr vorgenommen wird. Die Vergütung pro Leistungsberechtigten ist damit in jedem Fall eine andere.

Ergo muss es betriebswirtschaftliches Ziel sein, die Anzahl der freien Plätze mit solchen Bewohnern oder Nutzern zu füllen, die einen Leistungsbescheid von einem auswärtigen Leistungsträger mit sich bringen oder Selbstzahler bzw. Persönliches Budget-Nehmer sind; das Trägerbudget ist ja fix. Damit dies aber nicht bis ins Extrem geschieht, wird es Aufgabe des Begleitmanagements sein, die Zahl der mit eigenem Leistungsbescheid besetzten Plätze zu kontrollieren. Wie man aber die Statistik ausbremsen kann, darüber hatte ich in einem früheren Beitrag kurz berichtet (es wäre aber wichtig, wenn man über die Probleme noch genauer berichten könnte).

Ein weiteres Ziel ist die Platzausweitung bzw. die Schaffung zusätzlicher Leistungsformen und auch ständig besetzter Plätze. Zwar wird auch hier das Begleitmanagement ein Auge haben, doch weil die personenzentrierte Bedarfsdeckung im Vordergrund steht, wird man nichts gegen neue Leistungsformen einwenden können. Das Trägerbudget erlaubt es und die Rahmenvereinbarung sieht es sogar vor, dass man neue Leistungsformen ausprobiert.

Zurück zur Ausgangsfrage: Könnten weitere Erlöse darüber hinaus erzielt werden? – Ja, aber es gibt Grenzen, die beachtet werden müssen. Man kann gespannt sein, wie sich die Erlöse der vier Hamburg Trägerbudget-Nehmer entwickeln werden.

CGS



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Mittwoch, 19. August 2015

Das Trägerbudget findet noch immer Interesse (Fortsetzung vom 5.1.2015)

In Zeiten knapper Kassen, aber davon dürfte derzeit in Hamburg nicht die Rede sein, gilt weiterhin das Trägerbudget als das Steuerungsinstrument schlechthin. Vor einiger Zeit gab es hierzu ein Treffen interessierter Träger von Einrichtungen. Weil noch immer eine hohe Zahl an Leistungserbringern keine Vereinbarung über das Neue Zeitbasierte Kalkulationsverfahren abgeschlossen hat, könnte es sein, dass einige mit dem Gedanken eines Trägerbudgets spielen. Dies könnte zum Beispiel dadurch erfolgen, dass sich diese Träger zu einer Sozialgenossenschaft zusammenfinden; in einem solchen Fall würde die Behörde nur noch einen Vertragspartner haben.

Bei diesem Treffen berichtete ein (großer) Träger über seine Erfahrungen mit dem Trägerbudget. Die Behörde hatte seinerzeit ein solches Vergütungsmodell mit diesem Träger angestrebt, weil sie der Meinung war, man könnte hier etwas einsparen. Im Angesicht drohender Fallzahlen-Anstiege und Haushaltsüberschreitungen eine durchaus nachvollziehbare Überlegung.

Mit der Übermittlung der für die Umstellung benötigten Ausgangsparameter (Plätze, Stellen, HBG-Verteilung, Personalkosten) standen die Ergebnisse dann auch schnell fest. Von jetzt an waren nachträgliche Änderungen der Parameter nicht mehr möglich, es sei denn, man hätte einen gravierenden Fehler bei der Datenaufbereitung nachweisen können – wie immer obliegt die Beweislast demjenigen, der eine Verbesserung seiner Situation anstrebt.

Aus der Umstellung bildeten sich Nehmer- Träger (Gewinner) und Geber-Träger (Verlierer) heraus. Es gab zwar Versuche, die positiven Ergebnisse der Gewinne zu sozialisieren, aber welches Unternehmen wird sich darauf einlassen? In erster Linie ist jede Geschäftsführung seinen Eigentümern, den Kunden und den Mitarbeitern verpflichtet! Und es darf nicht vergessen werden, dass der „Gewinn“ nur dann zur Auszahlung über die Vergütung kommt, wenn sich in der Übergangsvereinbarung entsprechende Verpflichtungen seitens des Nehmer-Trägers wiederfinden. Von Seiten der Behörde will man natürlich eine Sicherstellung der Ergebnisqualität sehen, dementsprechend erklärt sich das gestiegene Interesse an entsprechenden Formulierungen in den Vereinbarungen. Die Nehmer-Träger möchten ihre Kostenstruktur refinanziert haben, was aber nicht zwingend ein gegenläufiges Ziel darstellen muss.

Für die Geber-Träger gilt es jetzt, Schadensbegrenzung zu betreiben. Die eine Möglichkeit, nämlich sich auf das geeinte Prozedere einzulassen und im Wege einer Übergangsvereinbarung die vorhandenen Strukturen anzupassen (z.B. Personalabbau, Zusammenlegung von Einrichtungen, Tarifaustritt) bei gleichzeitiger Sicherstellung der Erlöse, ist keine Lösung. Vielmehr ist eine echte Alternative zu suchen, welche das Überleben sichert und gleichzeitig den Wünschen der Behörde entgegen kommt.

Der Zusammenschluss zu einer Sozialgenossenschaft erscheint attraktiv, doch m.E. kann die Rechnung nicht aufgehen: Minus + Minus = weniger Minus?

Zusammenschlüsse kennt man auch als Fusionen von Unternehmen. So eine Fusion kann durchaus sinnvoll sein, wenn man eine marktbeherrschende Stellung ausbauen möchte oder gemeinsam einen neuen Markt entwickelt. Auch Kosteneinsparungseffekte (sogenannte Synergien oder Skalierungseffekte) sind gut Gründe für eine Fusion. Doch welche Kosten werden beim Zusammenschluss von mehreren stationären Wohneinrichtungen eingespart? – ja, es gibt einige Kostenarten, die „verschlankt“ werden könnten, doch mit Größe kämen auch ganz neue Aufwandsarten hinzu.

Angeblich hat die Behörde eine positive Einstellung gezeigt zum Thema Sozialgenossenschaften. Das hängt wohl eher damit zusammen, dass ein einzelner, großer Träger weniger Arbeit bereitet, als viele, kleinere Träger.

Also mal angenommen, es finden sich mehrere kleinere Träger zu einer Sozialgenossenschaft zusammen, worüber würde die Behörde mit so einem organisatorischen Verbund im Hinblick auf ein Trägerbudget verhandeln wollen?


• Steigende Fallzahlen bearbeiten zum Preis der alten Mengen (Erlösdeckelung).

• Kürzere Verbleibzeiten und Verselbständigung hin zu eigenem Wohnraum (Ambulantisierung von Bewohnern).

• Abbau von stationären Wohneinrichtungen und Aufbau einer ambulanten Betreuungsstruktur (Strukturumbau).

• Leistungsverschiebung hin in den Bereich der Pflege.

Man darf sich nichts vormachen: Die Anforderungen ändern sich nicht, nur weil man jetzt eine „Familie“ von Wohneinrichtungen vertritt. Die Deckelung der Erlöse bei gleichzeitigem Kostenanstieg aufgrund „teurer“ Tarifverhandlungen wird die Wohneinrichtungen dazu zwingen, Stellen abzubauen. Bis zu einem gewissen Grad könnten Dienstpläne effizienter besetzt werden oder man führt Rufbereitschaften ein. Aber der Austritt aus dem Tarif oder die Nicht-Übernahme von Tariferhöhungen bei tarifungebundenen Unternehmen führt nicht zu Kosteneinsparungen, vielmehr ist mit dem Austritt von Leistungsträgern in der Mitarbeiterschaft zu rechnen.

Andererseits kann auch ein Trägerbudget „ausgetrickst“ werden, wenn bestimmte Faktoren nicht beachtet werden. Denn weil das Trägerbudget fix ist, verteilt es sich auf alle Leistungsberechtigte im gesamten Zeitraum. Wiederkehrer und solche, die verschiedene Maßnahmen in Anspruch nehmen, werden ggf. doppelt gezählt. Ein Beispiel: Bewohner einer stationären Einrichtung, welcher gleichzeitig tagsüber eine Tagesförderstätte besucht, wird automatisch zweimal erfasst. Die Ausdifferenzierung von Leistungen bewirkt für sich genommen bereits zu einem Fallzahl-Anstieg, ohne dass dem tatsächlich ein Pro-Kopf-Anstieg zugrunde liegt. So erfüllt auf dem Papier ein Trägerbudget-Träger seine Ziele, ohne dass dem eine echte Qualitäts- und Effizienzverbesserung vorausgegangen ist.

Der Behörde geht es vorrangig darum, Haushaltsmittel einzusparen. Ziel wäre es, dass Bedarfe nicht aus Sozialhilfemitteln gedeckt werden, sondern aus den Ressourcen anderer Leistungsträger kommen (z.B. Pflegeversicherung). Auch besteht nach wie vor der Glaube, dass Ambulante Leistungen günstiger sind als Stationäre Leistungen. Die Träger mit dem Trägerbudget versuchen dagegen, Erlöse zu generieren mit Leistungen, die eben nicht Bestandteil der Rahmenvereinbarung zum Trägerbudget (z.B. heilpädagogische Krisenintervention) sind. Sie werden nur dann Strukturen verändern, wenn ihr Geschäftsmodell nicht gefährdet ist.

Damit das Trägerbudget ein Erfolg für beide Seiten wird, denn sonst würden die entsprechenden Rahmenvereinbarungen gekündigt werden und man müsste zurück auf „Start“, sozusagen, soll ein ständiges Begleitmanagement eingesetzt werden; ein paritätisch besetztes Gremium, ähnlich einer Lenkungs- oder Steuerungsgruppe. Bislang wurde sehr wenig bekannt über die Arbeit des Begleitmanagements. Es heißt, dass das Interesse auf beiden Seiten erlahmt ist. Ein Problem besteht wohl darin, dass die Daten, mit denen im Gremium gearbeitet wird, teilweise veraltet und teilweise nicht nachvollziehbar erhoben worden sind. Einen ordentlichen Data-Feed gibt es anscheinend auf keiner Seite. Und so verbringt das Begleitmanagement viel Zeit damit, Daten der Behörde und Daten des Trägers zu plausibilisieren. Wenn das stimmt, ist es kein Wunder, dass die Kräfte schnell erlahmen.

Wie zur Bestätigung fand ich in einem Vorwort diesen Satz:

 „Damals [d.h. in den Verhandlungen zu einem Trägerbudget, eig. Anm.] war unsere Überlegung: Wenn wir der Kürzung einzelner Leistungen zustimmen, wird die Anzahl weiterer Maßnahmen größer, weil mehr Menschen aufgrund kürzerer Betreuung häufiger wiederkommen. Das kann keine Form der Steuerung sein!“ (Quelle: S. 3, „Zahlen, Fälle und wie weiter? Zur Steuerung der psychiatrischen Versorgung in Berlin“, Ausgabe 3-2009, Paritätischer Berlin)

Im Trägerbudget sehe ich vorrangig ein Mittel, mit dem man die Trägerlandschaft neu aufteilen kann. Langfristig wird man immer wieder zu Vergütungen zurückfinden müssen, die pro Einzelfall und pro Maßnahme gezahlt werden.

CGS


PS:
Am 5.1.2015 hatte ich über zwei Rahmenvereinbarungen mit Trägerbudgets berichtet und die vertraglichen Inhalte ein wenig analysiert – zu finden über die Schlagworte „Trägerbudget“ oder „Rahmenvereinbarung“.




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Mittwoch, 12. August 2015

Heilpädagogische Krisenintervention

In Hamburg gibt es mittlerweile drei Kalkulationssysteme für Leistungen im stationären Wohnen: Trägerbudget, Zeitbasiert und Stellenbasiert.

Das Trägerbudget wurde von den vier größten Anbietern mit der Hamburger Sozialbehörde verhandelt und beinhaltet das Versprechen, ein individuelles Hilfeangebot unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechtes des Leistungsberechtigten anzubieten. Dafür wird dann eine monatlich gleichbleibende Pauschalvergütung, unabhängig von der Anzahl der Leistungsberechtigten, von der Stadt überwiesen.

Das (neue) Zeitbasierte Kalkulationsverfahren berücksichtigt von vornherein den individuellen Hilfebedarf und fasst diesen in eine bestimmte Wochenstundenzahl. Denkbar wäre, dass dann eine Vergütung pro Stunde gezahlt wird, derzeit erfolgt allerdings die Zuordnung zu einer von vier Leistungsstufen und der entsprechenden Vergütung.

Das (altbekannte) Stellen- und Kostenbasierte Kalkulationsverfahren stellt auf die in der Leistungsvereinbarung enthaltenen Stellen bzw. den dort vorhandenen Stellenschlüssel (Personalschlüssel) ab. Da grundsätzlich eine Platzkapazität vertraglich bestimmt worden ist, ergibt sich hieraus der Stellenbedarf, welcher wiederum über Kostenansätze für Personal- und Sachkosten zu einer Vergütung führt. Auch wenn differenzierte Hilfebedarfsgruppen mittlerweile bestimmt worden sind, die Hilfebedarfsdeckung richtet sich nicht nach Zeiteinheiten, sondern nach Stellenanteilen der Einrichtung.

Doch wie geht man innerhalb der jeweiligen Leistungssysteme mit  besonderen Betreuungsbedarfen um, wie z.B. der heilpädagogischen Krisenintervention?

Eine heilpädagogische Krisenintervention ist eine außergewöhnliche Maßnahme für Menschen, die in einer psychischen Krise stecken. Man geht bei einer solchen Maßnahme davon aus, dass sie erstens nicht im Rahmen der Gesamtplankonferenz bzw. der individuellen Hilfeplanung als Regelleistung bewilligt worden ist und zweitens nur von kurzfristiger Dauer. Die Behörde spricht in diesem Fall von einer Zusammenhangsleistung für besondere Betreuungsbedarfe, mitunter auch von Einzelfallhilfen.

Beispielsweise können Menschen mit einer Lernbehinderung oder Intelligenzminderung  aufgrund des Verlustes eines nahen Angehörigen oder wegen eines anderen substantiellen Erlebnisses (Gewalt, Einrichtungsumzug, Krankheit und dergleichen) hohen Stress erleben, welchen sie adäquat nicht verarbeiten können. Impulsives, aggressives Verhalten gegenüber anderen und sogar sich selber, mangelnde Eigenkontrolle / Selbststeuerung, Angstzustände usw. müssen dann durch Psychologen behandelt werden – also spezielle Fachleute, die normalerweise in einer Wohngruppe nicht tätig sind.

Während bei den zeit- und stellenbasierten Kalkulationsverfahren durchaus eine befristete Anhebung der vergüteten Hilfebedarfsgruppe (i.d.R. HBG 4 zu HBG 5, oder LS 3 zu LS 4) zu einer erweiterten Leistungserbringung führen kann, erfolgt im Trägerbudget keine gesonderte Budgetanhebung. Leistungserbringer mit Trägerbudget haben ein pauschales Leistungsversprechen abgegeben und müssen mit den vorhandenen Ressourcen auskommen. Im Endeffekt sollte es dennoch keine Minderleistung geben; gerade diejenigen Träger, welche ein Trägerbudget vereinbaren konnten, verfügen im Gegensatz zu kleineren Einrichtungsträgern über die Möglichkeit, Skalierungseffekte auszunutzen.

Die Anhebung der vergüteten Hilfebedarfsgruppe ermöglicht ein zusätzliches Budget, mit dem Leistungen eingekauft werden können. Eine Einrichtung kann mit diesen Mitteln eigenes Personal finanzieren, aber auch Honorarkräfte beauftragen. Alternativ dazu kann die bewilligende Behörde die Mittel, die sich aus der Differenz zwischen den zwei Hilfebedarfsgruppen ergeben, auch an den Leistungsberechtigten im Rahmen eines persönlichen Budgets direkt auszahlen (damit hätte man ein viertes Kalkulationssystem im Konzert der anderen Vergütungssysteme). Die Auswahl und Einstellung erfolgt dann durch den Leistungsberechtigten bzw. den rechtlichen Betreuer. Anstelle einer Budgetierung nach Hilfebedarfsgruppen ist natürlich auch eine Ermittlung von Stunden und einem standardmäßig vereinbarten Stundensatz für die Fachleistungen möglich.

Im Ambulanten Bereich geht die bewilligende Behörde übrigens in der Regel davon aus, dass eine Aufstockung der Wochenstundenzahl um 20 % ausreichend ist. Im Stationären Bereich liegt der Rahmen bei 25 Stunden über einen Zeitraum von 3 Monaten.

CGS




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