Mittwoch, 19. August 2015

Das Trägerbudget findet noch immer Interesse (Fortsetzung vom 5.1.2015)

In Zeiten knapper Kassen, aber davon dürfte derzeit in Hamburg nicht die Rede sein, gilt weiterhin das Trägerbudget als das Steuerungsinstrument schlechthin. Vor einiger Zeit gab es hierzu ein Treffen interessierter Träger von Einrichtungen. Weil noch immer eine hohe Zahl an Leistungserbringern keine Vereinbarung über das Neue Zeitbasierte Kalkulationsverfahren abgeschlossen hat, könnte es sein, dass einige mit dem Gedanken eines Trägerbudgets spielen. Dies könnte zum Beispiel dadurch erfolgen, dass sich diese Träger zu einer Sozialgenossenschaft zusammenfinden; in einem solchen Fall würde die Behörde nur noch einen Vertragspartner haben.

Bei diesem Treffen berichtete ein (großer) Träger über seine Erfahrungen mit dem Trägerbudget. Die Behörde hatte seinerzeit ein solches Vergütungsmodell mit diesem Träger angestrebt, weil sie der Meinung war, man könnte hier etwas einsparen. Im Angesicht drohender Fallzahlen-Anstiege und Haushaltsüberschreitungen eine durchaus nachvollziehbare Überlegung.

Mit der Übermittlung der für die Umstellung benötigten Ausgangsparameter (Plätze, Stellen, HBG-Verteilung, Personalkosten) standen die Ergebnisse dann auch schnell fest. Von jetzt an waren nachträgliche Änderungen der Parameter nicht mehr möglich, es sei denn, man hätte einen gravierenden Fehler bei der Datenaufbereitung nachweisen können – wie immer obliegt die Beweislast demjenigen, der eine Verbesserung seiner Situation anstrebt.

Aus der Umstellung bildeten sich Nehmer- Träger (Gewinner) und Geber-Träger (Verlierer) heraus. Es gab zwar Versuche, die positiven Ergebnisse der Gewinne zu sozialisieren, aber welches Unternehmen wird sich darauf einlassen? In erster Linie ist jede Geschäftsführung seinen Eigentümern, den Kunden und den Mitarbeitern verpflichtet! Und es darf nicht vergessen werden, dass der „Gewinn“ nur dann zur Auszahlung über die Vergütung kommt, wenn sich in der Übergangsvereinbarung entsprechende Verpflichtungen seitens des Nehmer-Trägers wiederfinden. Von Seiten der Behörde will man natürlich eine Sicherstellung der Ergebnisqualität sehen, dementsprechend erklärt sich das gestiegene Interesse an entsprechenden Formulierungen in den Vereinbarungen. Die Nehmer-Träger möchten ihre Kostenstruktur refinanziert haben, was aber nicht zwingend ein gegenläufiges Ziel darstellen muss.

Für die Geber-Träger gilt es jetzt, Schadensbegrenzung zu betreiben. Die eine Möglichkeit, nämlich sich auf das geeinte Prozedere einzulassen und im Wege einer Übergangsvereinbarung die vorhandenen Strukturen anzupassen (z.B. Personalabbau, Zusammenlegung von Einrichtungen, Tarifaustritt) bei gleichzeitiger Sicherstellung der Erlöse, ist keine Lösung. Vielmehr ist eine echte Alternative zu suchen, welche das Überleben sichert und gleichzeitig den Wünschen der Behörde entgegen kommt.

Der Zusammenschluss zu einer Sozialgenossenschaft erscheint attraktiv, doch m.E. kann die Rechnung nicht aufgehen: Minus + Minus = weniger Minus?

Zusammenschlüsse kennt man auch als Fusionen von Unternehmen. So eine Fusion kann durchaus sinnvoll sein, wenn man eine marktbeherrschende Stellung ausbauen möchte oder gemeinsam einen neuen Markt entwickelt. Auch Kosteneinsparungseffekte (sogenannte Synergien oder Skalierungseffekte) sind gut Gründe für eine Fusion. Doch welche Kosten werden beim Zusammenschluss von mehreren stationären Wohneinrichtungen eingespart? – ja, es gibt einige Kostenarten, die „verschlankt“ werden könnten, doch mit Größe kämen auch ganz neue Aufwandsarten hinzu.

Angeblich hat die Behörde eine positive Einstellung gezeigt zum Thema Sozialgenossenschaften. Das hängt wohl eher damit zusammen, dass ein einzelner, großer Träger weniger Arbeit bereitet, als viele, kleinere Träger.

Also mal angenommen, es finden sich mehrere kleinere Träger zu einer Sozialgenossenschaft zusammen, worüber würde die Behörde mit so einem organisatorischen Verbund im Hinblick auf ein Trägerbudget verhandeln wollen?


• Steigende Fallzahlen bearbeiten zum Preis der alten Mengen (Erlösdeckelung).

• Kürzere Verbleibzeiten und Verselbständigung hin zu eigenem Wohnraum (Ambulantisierung von Bewohnern).

• Abbau von stationären Wohneinrichtungen und Aufbau einer ambulanten Betreuungsstruktur (Strukturumbau).

• Leistungsverschiebung hin in den Bereich der Pflege.

Man darf sich nichts vormachen: Die Anforderungen ändern sich nicht, nur weil man jetzt eine „Familie“ von Wohneinrichtungen vertritt. Die Deckelung der Erlöse bei gleichzeitigem Kostenanstieg aufgrund „teurer“ Tarifverhandlungen wird die Wohneinrichtungen dazu zwingen, Stellen abzubauen. Bis zu einem gewissen Grad könnten Dienstpläne effizienter besetzt werden oder man führt Rufbereitschaften ein. Aber der Austritt aus dem Tarif oder die Nicht-Übernahme von Tariferhöhungen bei tarifungebundenen Unternehmen führt nicht zu Kosteneinsparungen, vielmehr ist mit dem Austritt von Leistungsträgern in der Mitarbeiterschaft zu rechnen.

Andererseits kann auch ein Trägerbudget „ausgetrickst“ werden, wenn bestimmte Faktoren nicht beachtet werden. Denn weil das Trägerbudget fix ist, verteilt es sich auf alle Leistungsberechtigte im gesamten Zeitraum. Wiederkehrer und solche, die verschiedene Maßnahmen in Anspruch nehmen, werden ggf. doppelt gezählt. Ein Beispiel: Bewohner einer stationären Einrichtung, welcher gleichzeitig tagsüber eine Tagesförderstätte besucht, wird automatisch zweimal erfasst. Die Ausdifferenzierung von Leistungen bewirkt für sich genommen bereits zu einem Fallzahl-Anstieg, ohne dass dem tatsächlich ein Pro-Kopf-Anstieg zugrunde liegt. So erfüllt auf dem Papier ein Trägerbudget-Träger seine Ziele, ohne dass dem eine echte Qualitäts- und Effizienzverbesserung vorausgegangen ist.

Der Behörde geht es vorrangig darum, Haushaltsmittel einzusparen. Ziel wäre es, dass Bedarfe nicht aus Sozialhilfemitteln gedeckt werden, sondern aus den Ressourcen anderer Leistungsträger kommen (z.B. Pflegeversicherung). Auch besteht nach wie vor der Glaube, dass Ambulante Leistungen günstiger sind als Stationäre Leistungen. Die Träger mit dem Trägerbudget versuchen dagegen, Erlöse zu generieren mit Leistungen, die eben nicht Bestandteil der Rahmenvereinbarung zum Trägerbudget (z.B. heilpädagogische Krisenintervention) sind. Sie werden nur dann Strukturen verändern, wenn ihr Geschäftsmodell nicht gefährdet ist.

Damit das Trägerbudget ein Erfolg für beide Seiten wird, denn sonst würden die entsprechenden Rahmenvereinbarungen gekündigt werden und man müsste zurück auf „Start“, sozusagen, soll ein ständiges Begleitmanagement eingesetzt werden; ein paritätisch besetztes Gremium, ähnlich einer Lenkungs- oder Steuerungsgruppe. Bislang wurde sehr wenig bekannt über die Arbeit des Begleitmanagements. Es heißt, dass das Interesse auf beiden Seiten erlahmt ist. Ein Problem besteht wohl darin, dass die Daten, mit denen im Gremium gearbeitet wird, teilweise veraltet und teilweise nicht nachvollziehbar erhoben worden sind. Einen ordentlichen Data-Feed gibt es anscheinend auf keiner Seite. Und so verbringt das Begleitmanagement viel Zeit damit, Daten der Behörde und Daten des Trägers zu plausibilisieren. Wenn das stimmt, ist es kein Wunder, dass die Kräfte schnell erlahmen.

Wie zur Bestätigung fand ich in einem Vorwort diesen Satz:

 „Damals [d.h. in den Verhandlungen zu einem Trägerbudget, eig. Anm.] war unsere Überlegung: Wenn wir der Kürzung einzelner Leistungen zustimmen, wird die Anzahl weiterer Maßnahmen größer, weil mehr Menschen aufgrund kürzerer Betreuung häufiger wiederkommen. Das kann keine Form der Steuerung sein!“ (Quelle: S. 3, „Zahlen, Fälle und wie weiter? Zur Steuerung der psychiatrischen Versorgung in Berlin“, Ausgabe 3-2009, Paritätischer Berlin)

Im Trägerbudget sehe ich vorrangig ein Mittel, mit dem man die Trägerlandschaft neu aufteilen kann. Langfristig wird man immer wieder zu Vergütungen zurückfinden müssen, die pro Einzelfall und pro Maßnahme gezahlt werden.

CGS


PS:
Am 5.1.2015 hatte ich über zwei Rahmenvereinbarungen mit Trägerbudgets berichtet und die vertraglichen Inhalte ein wenig analysiert – zu finden über die Schlagworte „Trägerbudget“ oder „Rahmenvereinbarung“.




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