Montag, 30. Januar 2023

Die Tarifverhandlungen im TVöD haben ihren ersten Tag

Die Termine stehen schon seit einiger Zeit fest. Am 24.1.2023 gab es das erste Treffen und die Parteien kamen – erwartungsgemäß – zu keiner Lösung. Ein Scheitern ist sozusagen schon eingepreist, denn man wird sich noch zweimal treffen und sehr wahrscheinlich Ende März die Lösung präsentieren.

Die Forderungen der Gewerkschaften sind durchaus verständlich. Die Ablehnung der Arbeitgeber allerdings auch. Man muss sich zwar damit auseinandersetzen, aber es geht mir dabei weniger um die Berechtigung oder sinnvolle Begründung des Ganzen, als vielmehr um die weiteren Konsequenzen. So ein Abschluss begünstigt zwar die Arbeitnehmer, er belastet die Arbeitgeber, die sich das Geld irgendwie wiederholen müssen.

Und wenn sie es geschafft haben, wie geht es dann weiter? – ein kleiner Blick in die Zukunft.


Die Forderungen der Gewerkschaften

Gefordert werden 10,5 % Steigerung, mindestens 500 Euro monatlich. Die Arbeitgeber lehnen ab. Die Arbeitnehmer-Seite beginnt mit dem Arbeitskampf.

Als jemand, der mit diesen Dingen immer rechnen muss, weiß ich, dass es im Durchschnitt und bezogen auf das eigene Personal weit mehr Prozente sind, als diese scheinbar mageren „10,5 %“. Es gilt der Grundsatz, ohne dass man groß rechnen muss: Je niedriger das Vollzeitentgelt, umso gravierender wirkt sich eine jede Sockelanhebung aus. 500 Euro sind schon eine kräftige Steigerung, wenn man sich die unteren Entgelte in der Tabelle einmal ansieht. Die Prozente wären nur für die oberen Tabellenentgelte ausschlaggebend. Auf diese Weise befriedigen die Gewerkschaften mit ihrer Forderung alle Hierarchien, auch wenn sich die Bandbreite zwischen den Hochbezahlten und den Niedrigentlohnten wieder mal einengt.

Noch interessanter wird es aber, wenn die Gewerkschaften ihre Forderungen in dem einen Tarifwerk durchsetzen können, um dann in den nächsten Verhandlungen zum anderen Tarifwerk nachzuziehen; ein Ping-Pong-Spiel.

Wie immer man darüber denken mag, Fakt ist, dass in Deutschland im vergangenen Jahr die Inflation gut 7,9 % erreicht hatte (Quelle: destatis). Für 2023 rechnen Ökonomen mit einer Inflation von 6,0 % (Quelle: COBA-Research, Januar 2023), was also, wenn man diese beiden Jahre zur Begründung für die hohe Forderung nimmt, ein Kostenanstieg von kumuliert 14,4 % herauskommt. Erst in 2024 wird man wieder eine etwas normalisierte Inflationsrate von 2 bis 3 % erleben, so die Prognosen.


Den Vergleich bemühen

Diesen Prognosen sollte man jedoch kein großes Gewicht beimessen, da nun keiner von uns die berüchtigte „Glaskugel“ vor sich stehen hat. Was man aber schon jetzt weiß, sind andere Tarifabschlüsse und – ganz interessant – eine ziemlich wegbereitende Gesetzgebung. Laut der IG Metall erreichten die Beschäftigten eine Entgelterhöhung von 5,2 % ab Juni 2023, weitere 3,3 % ab Mai 2024 sowie eine Inflationsausgleichsprämie von 1.500 Euro jeweils im Februar 2023 und dann noch im Februar 2024. Die IG Metall schrieb dazu: „Für Facharbeiter in der sogenannten Eckentgeltgruppe bringt der Tarifabschluss über die Laufzeit von 24 Monaten rund 7000 Euro mehr, davon 4000 Euro dauerhaft und 3000 Euro steuer- und abgabenfrei.“

7.000 Euro, von denen also dauerhaft 4.000 Euro verhandelt worden sind. Was würde das für eine Fachkraft in der Entgeltgruppe S8b und der Stufe 3 bedeuten?

Das Tabellenentgelt liegt seit dem 1.4.2022 bei monatlich 3.463,08 Euro, dazu dann die Jahressonderzahlung (West: 84,51 %) und das tarifliche Leistungsentgelt (2 %). Die SuE-Zulage von 130,00 Euro sollte fairerweise mitgerechnet werden, die anderen Zulagen, die im Zusammenhang stehen mit der Arbeit oder der Dienstart sollten ruhig außen vorbleiben. Damit ergeben sich zusammengerechnet im Jahr 46.112,87 Euro = 3.463,08 x (12,8451 + 0,02) + (12 x 130,00). *)

Käme es jetzt zu den Forderungen der Gewerkschaften, würde das Entgelt auf 52.545,42 Euro steigen = gerechnet mit dem höheren Wert von 3.463,08 x 1,105 oder den 3.463,08 + 500,00 sind 3.963,08 Euro; x (12,8451 + 0,02) + (12 x 130,00).

Das wären dann 6.432,55 Euro bzw. knapp 14,0 % (allerdings inkl. der SuE-Zulage).


Der Refinanzierungsbedarf zeichnet sich ab

Das mag alles berechtigt klingen und vergleichbar sein. Fakt ist leider auch, dass die Refinanzierung keinesfalls gesichert ist. Gerade in diesen unsicheren Zeiten mit großen Unbekannten muss man sich öfter zu Gesprächen treffen und notfalls akut handeln. In einer Mitteilung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands von Schleswig-Holstein vor knapp einer Woche aus dem Bereich der Jugendhilfe hieß es zu den Steigerungen bei den Personalkosten: „Es werden ab dem 01.01.2023 z.B. pauschale Anpassungen der Personalkosten in Höhe von 4,5 - 5% vorgeschlagen. Alternativ könnten im April die Personalkosten neu verhandelt werden. Dann blieben aber die Monate Januar bis April nicht berücksichtigt.“

Das wäre keine gute Lösung, da bekanntermaßen Tarifabschlüsse durchaus rückwirkend vereinbart werden. In der Mitteilung wurde allerdings ein Beschluss der Jugendhilfekommission in Hessen zitiert, wonach man sich gleich nach dem Tarifabschluss des TVöD-VKA wiedersehen wollte, um eine Neubewertung vorzunehmen. Das könnte eine gute Lösung sein, weil dann beide Seiten die rückwirkenden Effekte einbeziehen würden.

Der dauerhafte Anteil würde in einer dauerhaften Entgelterhöhung münden, die einmaligen steuer- und sozialversicherungsfreien Ausschüttungen wären mit einer befristeten Zulage zu vergüten. Ein guter Kompromiss, wobei das meiner Ansicht nach nur sehr kurz gedacht ist. Entwickelt sich das mit der Inflation so, wie man es prognostiziert hat, würden sich die 14,4 % auf gut 17,8 % steigern. Im Vergleich dazu hätten sich die Löhne für die S8b-3-Kräfte immerhin um 14,0 % erhöht, die Entgelte der Leistungserbringer würden sich dagegen um die Zulage (wir behaupten mal, das wäre die Hälfte) mindern.

Ich rechne mit einem 24-Monate-Abschluss. Damit werden die Vergütungsverhandlungen für 2024 eine gar nicht so kleine Minderung mit sich bringen, wenn die Sachkosten zwar weiterhin steigen (20 bis 30 % erhöhen sich um die prognostizierten 2 bis 3 %), die Personalkosten dagegen um die Zulage reduziert werden (70 bis 80 % vermindern sich). In 2025 könnte es wieder Nachholeffekte geben, die die Auseinandersetzungen zwischen Leistungserbringern und Leistungsträgern anfeuern.

CGS

 

 

Fußnote:

*) = Übrigens wäre noch zu klären, ob die neue SuE-Zulage zur Berechnungsgrundlage für das „durchschnittlich gezahlte monatliche Entgelt“ der Jahressonderzahlung zählt, da ausdrücklich nur das „zusätzlich für Überstunden und Mehrarbeit gezahlte Entgelt (mit Ausnahme der im Dienstplan vorgesehenen Überstunden und Mehrarbeit), Leistungszulagen, Leistungs- und Erfolgsprämien“ unbeachtet bleiben sollen. In 2022, als die SuE-Zulage zum ersten Mal zur Anwendung kommen sollte, gab es noch keine Auszahlungen in diesen drei Monaten.

 

Alle Quellen sind im Text angegeben oder hier noch zu finden:


IG Metall

Verhandlungsergebnis: Entgelterhöhung in zwei Stufen plus 3000 Euro

Letzter Aufruf am 24.1.2023

 

PARITÄTISCHER Wohlfahrtsverband Schleswig-Holstein e.V.

TVÖD Tarifanpassungen und Energiekosten in den Entgeltvereinbarungen

Veröffentlicht am 24.1.2023, letzter Aufruf am 30.1.2023

 

DESTATIS Statistisches Bundesamt

Verbraucherpreisindex und Inflationsrate (wird ständig aktualisiert)

Letzter Aufruf am 17.1.2023

 

COBA Research

Kapitalmarktprognosen, Stand Januar 2023

 

 

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