Die Termine stehen schon seit einiger Zeit fest. Am 24.1.2023 gab es das erste Treffen und die Parteien kamen – erwartungsgemäß – zu keiner Lösung. Ein Scheitern ist sozusagen schon eingepreist, denn man wird sich noch zweimal treffen und sehr wahrscheinlich Ende März die Lösung präsentieren.
Die Forderungen der Gewerkschaften sind durchaus
verständlich. Die Ablehnung der Arbeitgeber allerdings auch. Man muss sich zwar
damit auseinandersetzen, aber es geht mir dabei weniger um die Berechtigung
oder sinnvolle Begründung des Ganzen, als vielmehr um die weiteren
Konsequenzen. So ein Abschluss begünstigt zwar die Arbeitnehmer, er belastet
die Arbeitgeber, die sich das Geld irgendwie wiederholen müssen.
Und wenn sie es geschafft haben, wie geht es dann weiter? –
ein kleiner Blick in die Zukunft.
Die Forderungen der Gewerkschaften
Gefordert werden 10,5 % Steigerung, mindestens 500 Euro
monatlich. Die Arbeitgeber lehnen ab. Die Arbeitnehmer-Seite beginnt mit dem Arbeitskampf.
Als jemand, der mit diesen Dingen immer rechnen muss,
weiß ich, dass es im Durchschnitt und bezogen auf das eigene Personal weit mehr
Prozente sind, als diese scheinbar mageren „10,5 %“. Es gilt der Grundsatz, ohne
dass man groß rechnen muss: Je niedriger das Vollzeitentgelt, umso gravierender
wirkt sich eine jede Sockelanhebung aus. 500 Euro sind schon eine kräftige
Steigerung, wenn man sich die unteren Entgelte in der Tabelle einmal ansieht. Die
Prozente wären nur für die oberen Tabellenentgelte ausschlaggebend. Auf diese
Weise befriedigen die Gewerkschaften mit ihrer Forderung alle Hierarchien, auch
wenn sich die Bandbreite zwischen den Hochbezahlten und den Niedrigentlohnten
wieder mal einengt.
Noch interessanter wird es aber, wenn die Gewerkschaften
ihre Forderungen in dem einen Tarifwerk durchsetzen können, um dann in den
nächsten Verhandlungen zum anderen Tarifwerk nachzuziehen; ein Ping-Pong-Spiel.
Wie immer man darüber denken mag, Fakt ist, dass in
Deutschland im vergangenen Jahr die Inflation gut 7,9 % erreicht hatte (Quelle:
destatis). Für 2023 rechnen Ökonomen mit einer Inflation von 6,0 % (Quelle:
COBA-Research, Januar 2023), was also, wenn man diese beiden Jahre zur
Begründung für die hohe Forderung nimmt, ein Kostenanstieg von kumuliert 14,4 %
herauskommt. Erst in 2024 wird man wieder eine etwas normalisierte
Inflationsrate von 2 bis 3 % erleben, so die Prognosen.
Den Vergleich bemühen
Diesen Prognosen sollte man jedoch kein großes Gewicht
beimessen, da nun keiner von uns die berüchtigte „Glaskugel“ vor sich stehen
hat. Was man aber schon jetzt weiß, sind andere Tarifabschlüsse und – ganz
interessant – eine ziemlich wegbereitende Gesetzgebung. Laut der IG Metall
erreichten die Beschäftigten eine Entgelterhöhung von 5,2 % ab Juni 2023,
weitere 3,3 % ab Mai 2024 sowie eine Inflationsausgleichsprämie von 1.500 Euro
jeweils im Februar 2023 und dann noch im Februar 2024. Die IG Metall schrieb
dazu: „Für Facharbeiter in der sogenannten Eckentgeltgruppe bringt der
Tarifabschluss über die Laufzeit von 24 Monaten rund 7000 Euro mehr, davon 4000
Euro dauerhaft und 3000 Euro steuer- und abgabenfrei.“
7.000 Euro, von denen also dauerhaft 4.000 Euro
verhandelt worden sind. Was würde das für eine Fachkraft in der Entgeltgruppe
S8b und der Stufe 3 bedeuten?
Das Tabellenentgelt liegt seit dem 1.4.2022 bei monatlich
3.463,08 Euro, dazu dann die Jahressonderzahlung (West: 84,51 %) und das
tarifliche Leistungsentgelt (2 %). Die SuE-Zulage von 130,00 Euro sollte
fairerweise mitgerechnet werden, die anderen Zulagen, die im Zusammenhang
stehen mit der Arbeit oder der Dienstart sollten ruhig außen vorbleiben. Damit
ergeben sich zusammengerechnet im Jahr 46.112,87 Euro = 3.463,08 x (12,8451 +
0,02) + (12 x 130,00). *)
Käme es jetzt zu den Forderungen der Gewerkschaften,
würde das Entgelt auf 52.545,42 Euro steigen = gerechnet mit dem höheren Wert
von 3.463,08 x 1,105 oder den 3.463,08 + 500,00 sind 3.963,08 Euro; x (12,8451
+ 0,02) + (12 x 130,00).
Das wären dann 6.432,55 Euro bzw. knapp 14,0 %
(allerdings inkl. der SuE-Zulage).
Der Refinanzierungsbedarf zeichnet sich ab
Das mag alles berechtigt klingen und vergleichbar sein.
Fakt ist leider auch, dass die Refinanzierung keinesfalls gesichert ist. Gerade
in diesen unsicheren Zeiten mit großen Unbekannten muss man sich öfter zu
Gesprächen treffen und notfalls akut handeln. In einer Mitteilung des
Paritätischen Wohlfahrtsverbands von Schleswig-Holstein vor knapp einer Woche
aus dem Bereich der Jugendhilfe hieß es zu den Steigerungen bei den Personalkosten:
„Es werden ab dem 01.01.2023 z.B. pauschale Anpassungen der Personalkosten in
Höhe von 4,5 - 5% vorgeschlagen. Alternativ könnten im April die Personalkosten
neu verhandelt werden. Dann blieben aber die Monate Januar bis April nicht
berücksichtigt.“
Das wäre keine gute Lösung, da bekanntermaßen
Tarifabschlüsse durchaus rückwirkend vereinbart werden. In der Mitteilung wurde
allerdings ein Beschluss der Jugendhilfekommission in Hessen zitiert, wonach
man sich gleich nach dem Tarifabschluss des TVöD-VKA wiedersehen wollte, um
eine Neubewertung vorzunehmen. Das könnte eine gute Lösung sein, weil dann
beide Seiten die rückwirkenden Effekte einbeziehen würden.
Der dauerhafte Anteil würde in einer dauerhaften Entgelterhöhung
münden, die einmaligen steuer- und sozialversicherungsfreien Ausschüttungen
wären mit einer befristeten Zulage zu vergüten. Ein guter Kompromiss, wobei das
meiner Ansicht nach nur sehr kurz gedacht ist. Entwickelt sich das mit der Inflation
so, wie man es prognostiziert hat, würden sich die 14,4 % auf gut 17,8 %
steigern. Im Vergleich dazu hätten sich die Löhne für die S8b-3-Kräfte immerhin
um 14,0 % erhöht, die Entgelte der Leistungserbringer würden sich dagegen um
die Zulage (wir behaupten mal, das wäre die Hälfte) mindern.
Ich rechne mit einem 24-Monate-Abschluss. Damit werden
die Vergütungsverhandlungen für 2024 eine gar nicht so kleine Minderung mit sich
bringen, wenn die Sachkosten zwar weiterhin steigen (20 bis 30 % erhöhen sich
um die prognostizierten 2 bis 3 %), die Personalkosten dagegen um die Zulage
reduziert werden (70 bis 80 % vermindern sich). In 2025 könnte es wieder Nachholeffekte
geben, die die Auseinandersetzungen zwischen Leistungserbringern und
Leistungsträgern anfeuern.
CGS
Fußnote:
*) = Übrigens wäre noch zu klären, ob die neue SuE-Zulage
zur Berechnungsgrundlage für das „durchschnittlich gezahlte monatliche Entgelt“
der Jahressonderzahlung zählt, da ausdrücklich nur das „zusätzlich für
Überstunden und Mehrarbeit gezahlte Entgelt (mit Ausnahme der im Dienstplan
vorgesehenen Überstunden und Mehrarbeit), Leistungszulagen, Leistungs- und
Erfolgsprämien“ unbeachtet bleiben sollen. In 2022, als die SuE-Zulage zum
ersten Mal zur Anwendung kommen sollte, gab es noch keine Auszahlungen in
diesen drei Monaten.
Alle Quellen sind im Text angegeben oder hier noch zu finden:
IG Metall
Verhandlungsergebnis: Entgelterhöhung in zwei Stufen plus 3000 Euro
Letzter Aufruf am 24.1.2023
PARITÄTISCHER Wohlfahrtsverband Schleswig-Holstein e.V.
TVÖD Tarifanpassungen und Energiekosten in den Entgeltvereinbarungen
Veröffentlicht am 24.1.2023, letzter Aufruf am 30.1.2023
DESTATIS Statistisches Bundesamt
Verbraucherpreisindex und Inflationsrate (wird ständig aktualisiert)
Letzter Aufruf am 17.1.2023
COBA Research
Kapitalmarktprognosen, Stand Januar 2023
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Die Tarifverhandlungen im TVöD haben ihren ersten Tag