Samstag, 7. Januar 2023

Ein neues Jahr

Was im alten Jahr noch so passiert ist, gerade in Bezug auf das Thema Vergütungen, hat nun seine Brisanz verloren. Einige Erkenntnisse mussten schmerzlich wahrgenommen werden, in einigen anderen Fällen machte sich Erleichterung breit. Auch wenn die Entwicklungen bei den Kosten nach wie vor sehr kritisch zu sehen sind, es hat jetzt eher den Anschein, als ob es sich um technische Fragen handelt.

Die Vergütungen konnten jedenfalls gesteigert werden, die Energie- und Sachkosten werden sich erwartungsgemäß verteuern, ebenso wird es einen sehr politisch geprägten Tarifabschluss im öffentlichen Dienst / TVÖD geben.


Vergütungen 2023

In den letzten Monaten des Jahres gab es ein klein wenig Hin und Her. In Hamburg echauffierte sich ein Verbandsvertreter über die Mitglieder eines anderen, und in den Vergütungsvereinbarungen zu den besonderen Wohnformen tauchte scheinbar ein Rechenfehler auf. Einige Fragen mussten kurz vor den Feiertagen (bilateral) geklärt werden, aber wirkliche Probleme gab es offenbar nicht mehr.

Als wesentliche Erkenntnisse daraus können im Grunde genommen schon mal zwei Punkte genannt werden:

-        Die Steigerungssätze im Bereich der besonderen Wohnformen sind nicht automatisch und einheitlich an die jeweiligen Tarifklassen gebunden. Das bedeutet wiederum für die Verhandler, es muss für jede Vergütungskomponente ein eigener Steigerungssatz bestimmt werden.

-        Auch Sachkosten brauchen eine Basis-Korrektur oder eine inflationsbedingte Anpassung, wenn sich erst im Nachhinein eine überraschende Kostenentwicklung auftut. Man könnte zwar gemeinsam vereinbaren, dass die Anhebung nicht mehr rückwirkend erfolgt, allerdings es dürfte nun nicht dazu führen, dass die Basis dauerhaft gemindert bleibt.

Und was sich ebenfalls zeigte: zwei Trägerbudgetnehmer mussten die Tarifsteigerungen des Vorjahres ohne Kompensation hinnehmen. Die Mantelvereinbarungen zum Trägerbudget sahen solche Rückwirkungen einfach nicht vor. Das heißt aber nicht, dass man in der nächsten Runde nicht doch noch eine Entschädigung findet.

In Schleswig-Holstein gab es dagegen die Einführung von Interimsvereinbarungen, um allen Leistungserbringern, die noch keine Einzelverhandlungen führen konnten (aus welchen Gründen auch immer) eine Grundlage für Vergütungsvereinbarungen zu geben im neuen Jahr. Die KOSOZ erkannte für sich, dass eine zeitnahe Bearbeitung von neuen Leistungsvereinbarungen gar nicht möglich war. Um Spannungen herauszunehmen, wurde diese Sache mit den Interimsvereinbarungen angeboten und sogar von den Verbänden der Leistungserbringer begrüßt.

Damit nicht genug: Die KOSOZ erkannte ebenfalls, dass das Problem mit den rückwirkenden Tarifsteigerungen bei den (vielen) TVÖD-Arbeitgebern nur dadurch zu lösen war, dass man pauschal eine Steigerung hineinrechnete in die neue Vergütung für 2023; auf diese Weise wurde der Wind aus den Segeln all derjenigen genommen, die nun nachverhandeln wollten gem. § 127 Abs. 3 SGB IX. Die kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein sahen das anders und konnten bis kurz vor den Feiertagen kein entsprechendes Angebot unterbreiten. Diejenigen, die allerdings schon im Jahr 2022 eine Einzelverhandlung erfolgreich geführt hatten, konnten auf das KOSOZ-Angebot nicht zugreifen und gingen leer aus.

Als wesentliche Erkenntnisse daraus wiederum kann man sagen:

-        Die Leistungsträger ziehen nicht alle am gleichen Strang und es braucht einen einfachen Weg in den komplizierten und sehr verstrickten Verhandlungen rund um die Vergütungen.

-        Wenn man Einzelverhandlungen zum Abschluss gebracht hatte, muss man am Ball bleiben und gegebenenfalls zeitnah und zielführend Nachverhandlungen fordern.


Energie- und Sachkosten

Das Thema Energie konnte einfach nicht erfreulich und zur allgemeinen Zufriedenheit her gelöst werden. Die Verbraucherpreise kamen bis zum Jahresende nicht zum Stillstand, und die Energie-Kosten zogen weiter an. Anfang des Jahres gab es sogar eine Meldung, dass die „DB Energie“, eine Tochter der Deutschen Bahn, eine Arbeitspreis für Strom von 141 Cents verlangen wollte, viele andere Versorger lagen mit ihren Forderungen zwar deutlich darunter, aber nach wie vor in bislang unbekannter Höhe.

Die Finanzmärkte gehen schon seit Ende des letzten Jahres von einer möglichen Rezession aus. Wenn sich die Wirtschaften verschlechtern, wird die Nachfrage einbrechen und Energie nicht mehr gebraucht. Roh-Öl hatte sich tatsächlich seit seinem Hoch im Juli 2022 stetig abwärts bewegt und befindet sich eher in einem langanhaltenden Abverkauf. Die Preise für Erdgas sind ebenfalls stark eingebrochen, so dass man hier schon wieder von Normalität sprechen möchte. Nur bei Strom scheinen sich die Geister zu scheiden; mancher Experte meint, dass das Vorkrisen-Niveau nicht mehr erreicht wird und man sich mit einem dauerhaften Arbeitspreis von 30 Cents pro kWh anfreunden sollte; im Vergleich dazu bieten einige Versorger auf den Vergleichsportalen momentan knapp über 50 Cents an. Das zeigt eins: Wird die Inflation aufgrund dieser Rückgänge ebenfalls zurückgehen (Deflation), wird man diesen Rückgang ganz bestimmt bei den Kalkulationen zu den Vergütungen nachmachen.

Um sich das zu veranschaulichen, reicht als Beispiel schon ein Blick auf die Stromkosten. Hatte man vor einem halben Jahr noch mit einem Futures-Kontrakt zum Preis von 1000 Euro pro MW zu tun gehabt, sanken diese Kosten auf nur noch 400 Euro (auf den Januar 2023) und 420 Euro (auf den Januar 2024; Baseload). Die Inflation wiederum, die man im Oktober bei 10,4 % gesehen hatte (Jahresdurchschnitt damals mit 8,4 % hochgerechnet; Herbstgutachten), wird mittlerweile zum Dezember 2022 voraussichtlich 8,6 % betragen (Jahresdurchschnitt 2022 neu nur noch 7,9 %; DESTATIS, letzter Abruf am 6.1.2023).

Eine Deflation könnte einen mindernden Effekt auf die Vergütungen haben, vielleicht nicht für die vergangenen Zeiten, sicherlich aber im Hinblick auf die Zukunft.


Personalkosten

In den Tarifverhandlungen könnte sich das Bild einer hohen Einmalzahlung und eines bescheidenen Anstiegs abzeichnen. Zwar gab es nur die hohe Forderung von den Gewerkschaften, was man als Deckelung hinnehmen kann, Schützenhilfe kam auf jeden Fall von der Bundesregierung, als man diese steuer- und sozialversicherungsfreie Sonderzahlung über 3.000 Euro (Inflationsprämie) ins Gesetz schrieb (vgl. § 3 Nr. 11c EStG). Dieses Geld müsste einmalig und neben dem Arbeitsentgelt gezahlt werden, doch dafür braucht es eine tarifliche Grundlage. Treffen die Tarifparteien im Wege der nun anstehenden Tarifverhandlungen eine Sondervereinbarung, wäre schon mal ein großer Batzen der gewerkschaftlichen Forderungen erfüllt (3.000 Euro bezogen auf ein Jahresgehalt von 40.000 Euro = 7,5 %).

Der Rest könnte dann als ein linearer Anstieg, der über den langfristigen Inflationserwartungen von 2 % liegt, für die nächsten zwei Jahre festgeschrieben werden; somit 9,5 % von den einst geforderten 10,5 % -- überschaubar.

CGS

 

P.S.:

Diese Geschichte mit dem Verbandsvertreter, der sich da ereifert hatte, wurde mit einem „Kopfschütteln“ abgetan. Keiner scheint verstanden zu haben, worin das Problem nun bestanden hat.


 

Quellen:

Inflationsausgleichsprämie: Bis zu 3.000 Euro steuerfrei


§ 3 EStG (Stand per 3.11.2022)

„Steuer frei sind … (11c.) zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber in der Zeit vom 26. Oktober 2022 bis zum 31. Dezember 2024 in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährte Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise bis zu einem Betrag von 3 000 Euro; …“


Herbstprojektion 2022, Gemeinschaftsdiagnose

Die Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2022 wird vom RWI organisiert und am 29. September 2022 veröffentlicht.

 

 

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