Was im alten Jahr noch so passiert ist, gerade in Bezug auf
das Thema Vergütungen, hat nun seine Brisanz verloren. Einige Erkenntnisse
mussten schmerzlich wahrgenommen werden, in einigen anderen Fällen machte sich
Erleichterung breit. Auch wenn die Entwicklungen bei den Kosten nach wie vor
sehr kritisch zu sehen sind, es hat jetzt eher den Anschein, als ob es sich um
technische Fragen handelt.
Die Vergütungen konnten jedenfalls gesteigert werden, die
Energie- und Sachkosten werden sich erwartungsgemäß verteuern, ebenso wird es
einen sehr politisch geprägten Tarifabschluss im öffentlichen Dienst / TVÖD geben.
Vergütungen 2023
In den letzten Monaten des Jahres gab es ein klein wenig
Hin und Her. In Hamburg echauffierte sich ein Verbandsvertreter über die
Mitglieder eines anderen, und in den Vergütungsvereinbarungen zu den besonderen
Wohnformen tauchte scheinbar ein Rechenfehler auf. Einige Fragen mussten kurz
vor den Feiertagen (bilateral) geklärt werden, aber wirkliche Probleme gab es
offenbar nicht mehr.
Als wesentliche Erkenntnisse daraus können im Grunde
genommen schon mal zwei Punkte genannt werden:
-
Die Steigerungssätze im Bereich der besonderen
Wohnformen sind nicht automatisch und einheitlich an die jeweiligen
Tarifklassen gebunden. Das bedeutet wiederum für die Verhandler, es muss für
jede Vergütungskomponente ein eigener Steigerungssatz bestimmt werden.
-
Auch Sachkosten brauchen eine Basis-Korrektur
oder eine inflationsbedingte Anpassung, wenn sich erst im Nachhinein eine
überraschende Kostenentwicklung auftut. Man könnte zwar gemeinsam vereinbaren,
dass die Anhebung nicht mehr rückwirkend erfolgt, allerdings es dürfte nun
nicht dazu führen, dass die Basis dauerhaft gemindert bleibt.
Und was sich ebenfalls zeigte: zwei Trägerbudgetnehmer
mussten die Tarifsteigerungen des Vorjahres ohne Kompensation hinnehmen. Die
Mantelvereinbarungen zum Trägerbudget sahen solche Rückwirkungen einfach nicht
vor. Das heißt aber nicht, dass man in der nächsten Runde nicht doch noch eine
Entschädigung findet.
In Schleswig-Holstein gab es dagegen die Einführung von
Interimsvereinbarungen, um allen Leistungserbringern, die noch keine
Einzelverhandlungen führen konnten (aus welchen Gründen auch immer) eine
Grundlage für Vergütungsvereinbarungen zu geben im neuen Jahr. Die KOSOZ
erkannte für sich, dass eine zeitnahe Bearbeitung von neuen
Leistungsvereinbarungen gar nicht möglich war. Um Spannungen herauszunehmen,
wurde diese Sache mit den Interimsvereinbarungen angeboten und sogar von den
Verbänden der Leistungserbringer begrüßt.
Damit nicht genug: Die KOSOZ erkannte ebenfalls, dass das
Problem mit den rückwirkenden Tarifsteigerungen bei den (vielen)
TVÖD-Arbeitgebern nur dadurch zu lösen war, dass man pauschal eine Steigerung
hineinrechnete in die neue Vergütung für 2023; auf diese Weise wurde der Wind aus
den Segeln all derjenigen genommen, die nun nachverhandeln wollten gem. § 127
Abs. 3 SGB IX. Die kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein sahen das anders
und konnten bis kurz vor den Feiertagen kein entsprechendes Angebot
unterbreiten. Diejenigen, die allerdings schon im Jahr 2022 eine
Einzelverhandlung erfolgreich geführt hatten, konnten auf das KOSOZ-Angebot
nicht zugreifen und gingen leer aus.
Als wesentliche Erkenntnisse daraus wiederum kann man sagen:
-
Die Leistungsträger ziehen nicht alle am gleichen
Strang und es braucht einen einfachen Weg in den komplizierten und sehr
verstrickten Verhandlungen rund um die Vergütungen.
-
Wenn man Einzelverhandlungen zum Abschluss
gebracht hatte, muss man am Ball bleiben und gegebenenfalls zeitnah und
zielführend Nachverhandlungen fordern.
Energie- und Sachkosten
Das Thema Energie konnte einfach nicht erfreulich und zur
allgemeinen Zufriedenheit her gelöst werden. Die Verbraucherpreise kamen bis
zum Jahresende nicht zum Stillstand, und die Energie-Kosten zogen weiter an.
Anfang des Jahres gab es sogar eine Meldung, dass die „DB Energie“, eine
Tochter der Deutschen Bahn, eine Arbeitspreis für Strom von 141 Cents verlangen
wollte, viele andere Versorger lagen mit ihren Forderungen zwar deutlich
darunter, aber nach wie vor in bislang unbekannter Höhe.
Die Finanzmärkte gehen schon seit Ende des letzten Jahres
von einer möglichen Rezession aus. Wenn sich die Wirtschaften verschlechtern,
wird die Nachfrage einbrechen und Energie nicht mehr gebraucht. Roh-Öl hatte
sich tatsächlich seit seinem Hoch im Juli 2022 stetig abwärts bewegt und
befindet sich eher in einem langanhaltenden Abverkauf. Die Preise für Erdgas
sind ebenfalls stark eingebrochen, so dass man hier schon wieder von Normalität
sprechen möchte. Nur bei Strom scheinen sich die Geister zu scheiden; mancher
Experte meint, dass das Vorkrisen-Niveau nicht mehr erreicht wird und man sich
mit einem dauerhaften Arbeitspreis von 30 Cents pro kWh anfreunden sollte; im
Vergleich dazu bieten einige Versorger auf den Vergleichsportalen momentan
knapp über 50 Cents an. Das zeigt eins: Wird die Inflation aufgrund dieser
Rückgänge ebenfalls zurückgehen (Deflation), wird man diesen Rückgang ganz
bestimmt bei den Kalkulationen zu den Vergütungen nachmachen.
Um sich das zu veranschaulichen, reicht als Beispiel
schon ein Blick auf die Stromkosten. Hatte man vor einem halben Jahr noch mit
einem Futures-Kontrakt zum Preis von 1000 Euro pro MW zu tun gehabt, sanken
diese Kosten auf nur noch 400 Euro (auf den Januar 2023) und 420 Euro (auf den
Januar 2024; Baseload). Die Inflation wiederum, die man im Oktober bei 10,4 %
gesehen hatte (Jahresdurchschnitt damals mit 8,4 % hochgerechnet;
Herbstgutachten), wird mittlerweile zum Dezember 2022 voraussichtlich 8,6 %
betragen (Jahresdurchschnitt 2022 neu nur noch 7,9 %; DESTATIS, letzter Abruf
am 6.1.2023).
Eine Deflation könnte einen mindernden Effekt auf die
Vergütungen haben, vielleicht nicht für die vergangenen Zeiten, sicherlich aber
im Hinblick auf die Zukunft.
Personalkosten
In den Tarifverhandlungen könnte sich das Bild einer
hohen Einmalzahlung und eines bescheidenen Anstiegs abzeichnen. Zwar gab es nur
die hohe Forderung von den Gewerkschaften, was man als Deckelung hinnehmen
kann, Schützenhilfe kam auf jeden Fall von der Bundesregierung, als man diese
steuer- und sozialversicherungsfreie Sonderzahlung über 3.000 Euro
(Inflationsprämie) ins Gesetz schrieb (vgl. § 3 Nr. 11c EStG). Dieses Geld
müsste einmalig und neben dem Arbeitsentgelt gezahlt werden, doch dafür braucht
es eine tarifliche Grundlage. Treffen die Tarifparteien im Wege der nun
anstehenden Tarifverhandlungen eine Sondervereinbarung, wäre schon mal ein
großer Batzen der gewerkschaftlichen Forderungen erfüllt (3.000 Euro bezogen
auf ein Jahresgehalt von 40.000 Euro = 7,5 %).
Der Rest könnte dann als ein linearer Anstieg, der über
den langfristigen Inflationserwartungen von 2 % liegt, für die nächsten zwei
Jahre festgeschrieben werden; somit 9,5 % von den einst geforderten 10,5 % --
überschaubar.
CGS
P.S.:
Diese Geschichte mit dem Verbandsvertreter, der sich da
ereifert hatte, wurde mit einem „Kopfschütteln“ abgetan. Keiner scheint verstanden
zu haben, worin das Problem nun bestanden hat.
Quellen:
Inflationsausgleichsprämie: Bis zu 3.000 Euro steuerfrei
§ 3 EStG (Stand per 3.11.2022)
„Steuer frei sind … (11c.) zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber in der Zeit vom 26. Oktober 2022 bis zum 31. Dezember 2024 in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährte Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise bis zu einem Betrag von 3 000 Euro; …“
Herbstprojektion 2022, Gemeinschaftsdiagnose
Die Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2022 wird vom RWI
organisiert und am 29. September 2022 veröffentlicht.
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Ein neues Jahr