Gemeinnützige Körperschaften sind nicht zwingend von der Steuer
befreit, das hatte schon mal ein BFH so festgestellt. Im Gesetz findet sich
dazu eine Ausnahme von der Ausnahme. Gerade dann nämlich, wenn es um besondere
Wohnformen geht, wird die Klassifizierung Mietwohngrundstück greifen und das
Ertragswertverfahren zum Zuge kommen. Wohnformen mit einem relativ hohen
Fachleistungsflächen-Anteil werden sich vermutlich als gemischt genutzte
Grundstücke wiederfinden, was das Sachwertverfahren heraufbeschwört. So
verschieden werden die Rechenwege im Grunde genommen jedoch nicht sein.
Zu bedenken ist bei dem Ganzen allerdings noch, dass der
Widerstand gegen diese Änderungen schon sehr groß geworden ist. Mit einer Reform
der Reform könnte man durchaus rechnen. Nichtsdestotrotz sind
Grundsteuerbescheide zu beachten und Abgaben fristgemäß zu leisten, damit es am
Ende für den Steuerpflichtigen nicht zu teuer wird.
Wohnungen sind stets steuerpflichtig
Wohnungen sind auch dann nicht von der Grundsteuer
befreit, wenn sie einer gemeinnützigen Körperschaft gehören und von dieser zu
steuerbegünstigten Zwecken verwendet werden. Die Bestimmung in § 5 Abs. 2 GrStG
ist einschlägig, und sie überwiegt die übrigen Vorschriften zu den Steuerbefreiungen
(beispielsweise in § 3 Abs. 1 Nr. 3 a GrStG). Man kann sagen: Die Ausnahme von
der Besteuerung, weil eine Körperschaft steuerbegünstigte Zwecke verfolgt, wird
von einer anderen Ausnahme wieder steuerpflichtig gemacht – oder noch kürzer:
eine Ausnahme von der Ausnahme.
Vor dem BFH wurde mal ein Revisionsverfahren geführt
(21.4.1999, Az. II R 5/97), bei dem sich eine Körperschaft des öffentlichen
Rechts gegen diese Vorschrift stellte. Das Problem damals war, dass diese
Körperschaft in ihren Pflegesatzvereinbarungen diese Steuer vergütungswirksam
nicht bedacht hatte. Die damaligen Leistungsträger wollten, dass die
leistungserbringenden Einrichtungsträger ihre Kosten nur prospektiv verhandeln
und gleichzeitig im Wege des „externen Vergleichs“ eine marktgerechte Vergütung
vereinbarten. Das Problem an der Stelle war nur, dass die anderen Einrichtungen
diese Kosten ebenfalls nicht bedacht hatten. Bei diesem externen Vergleich
verfolgte man eine Strategie der Vergütungskürzungen: Lag ein
Leistungserbringer nämlich im oberen Drittel des Marktes, wurde gekürzt bzw.
wurde mit dem Argument, die anderen wären schließlich „günstiger“, das
Vergütungsverlangen abgewimmelt. Da die Grundsteuer nicht wegzudiskutieren war,
musste an anderer Stelle gespart werden, bis die andere Seite endlich zu einem
Zugeständnis bereit war.
Die Körperschaft erklärte nun vor dem BFH, dass die
Leistungsberechtigten (im vorliegenden Fall handelte es sich um Menschen mit
seelischer Behinderung) in einer Wohnstätte zum Wohnen ohne eigene Küche oder
Bad lebten und die Türen nicht abschließbar waren. Die nicht-abschließbaren
Türen mussten sein, weil die Therapeuten einen ständigen Zutritt brauchten.
Damit würde es an den Eigenschaften einer Wohnung gem. § 181 Abs. 9 BewG
fehlen; § 5 Abs. 2 GrStG konnte also nicht angewendet werden.
Der BFH sah das anders und erklärte, dass zwar die
steuerbegünstigten Zwecke eindeutig verfolgt werden und die Voraussetzungen für
die Steuerbefreiung (ansonsten) erfüllt seien, doch nach § 5 Abs. 2 GrStG wäre
eine Steuerbefreiung grundsätzlich ausgeschlossen. Die Räumlichkeiten in der
Wohnstätte sind den dort lebenden Menschen zum Wohnen überlassen worden. Zwar
sei die Beschaffenheit ohne Kochgelegenheit und Sanitärbereich, doch die
Wohnräume konnten mit einer Tür verschlossen werden. Damit entstand eine
Abgrenzbarkeit, Therapeuten mussten sich stets Zutritt verschaffen (in einem
Pflegeheim oder Hospiz wäre dies allerdings anders zu beurteilen, so die
Meinung anderer). Das Führen eines selbstständigen Haushalts wäre also möglich,
entschied der BFH.
Das heißt, dass alleine schon eine abgrenzbare
Raumeinheit ausreicht, einen Grundbesitz, der normalerweise einem steuerlich
befreiten Zweck (gem. Abs. 1) dient, wieder steuerpflichtig zu machen (Abs. 2).
Die Abgrenzung zwischen Wohngrundstücken und gemischten Flächen
Überwiegen die Wohnzwecke, wird der Einheitswert des
Grundbesitzes im Ertragswertverfahren festgestellt. Mit dem Ertrag wird die
Jahresrohmiete um einen Faktor vervielfältig. Sofern es einige Besonderheiten
gibt, wird unter Umständen das Sachwertverfahren erforderlich sein.
Mit dem BTHG wurde die besondere Wohnform eingeführt, um
noch deutlicher die persönliche Haushaltsführung und die Wichtigkeit des Selbstbestimmten
Lebens in den Vordergrund zu stellen. Die Fachleistung tritt dabei zurück;
nicht mehr die Wohneinrichtung muss finanziert werden, sondern der
leistungsberechtigte Mensch hat einen Anspruch auf Unterstützung zum Leben wo
und wie der Mensch es möchte. Zwar gibt es Schutzgesetze, wie z.B. das WBVG,
welches eine Kopplung herstellt zwischen dem Wohnrecht und den
Unterstützungsleistungen, doch damit wird nicht der Selbstzweck des
Leistungserbringers angesprochen. Der Wohnzweck bestimmt also maßgeblich die
Grundstücksnutzung. Die Flächen der Fachleistung müssten aber herausgenommen
werden aus dem Ganzen, weil die nun wieder eindeutig steuerbegünstigten Zwecken
unterliegen (§ 3 Abs. 1 GrStG).
Klingt vielleicht alles kompliziert, aber man muss sich
das mal veranschaulichen. Die Grundsteuer entsteht aufgrund des Wohnzwecks. Der
Wohnzweck bestimmt sich anhand der Wohnflächen aus den überlassenen
Räumlichkeiten zuzüglich der gemeinschaftlich genutzten Flächen, wie zum
Beispiel ein gemeinsames Wohnzimmer, das große Esszimmer und die Gemeinschafts-Küche.
Die Fachleistungsflächen, zu denen man die Pflegebäder, Therapieräume, Büro,
Personalräume und Lager zählt, wären nicht hinzuzunehmen. Und das wiederum
bedeutet, dass es für die Vergütung daraus keine Relevanz entsteht.
Nochmal:
Dass Wohnungsbesitzer eine Grundsteuer übernehmen müssen,
ist systematisch richtig, denn schließlich müssen es andere Menschen ja auch
(vgl. dazu § 41 Abs. 3 Nr. 1 II. BV).
Leistungserbringer, die einen steuerbegünstigten Zweck
verfolgen (nämlich die Unterstützung von bestimmten Personen mit anerkannten
Hilfebedarfen), werden von der Steuer befreit.
Der Grundsteuerwert wird im Ertrags- oder Sachwertverfahren ermittelt
Sobald das Flächenverhältnis zwischen denen zum Wohnen zu
denen der Gesamtwohn- und Funktionsflächen bei über 80 % liegt, handelt es sich
um Mietwohngrundstücke. Dagegen wären Geschäftsgrundstücke solche, bei denen insbesondere
die Nutzung zu mehr als 80 % eigenen oder fremden betrieblichen oder
öffentlichen Zwecken dient. Bei gemischt genutzten Grundstücken muss man von
einem Teils-Teils ausgehen in Bezug auf die Wohnzwecke, eigenen oder fremden
betrieblichen oder öffentlichen Zwecken und nicht (!) Ein- und
Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke, Wohnungseigentum, Teileigentum oder
Geschäftsgrundstücke sind (vgl. dazu § 249 ff. GrdStRefG).
Eine besondere Wohnform sollte man zu Ersterem zählen,
auch wenn sich dort Büroräume usw. finden. Je kleiner allerdings die Wohnfläche
mit den Gemeinschaftsflächen ausfällt, umso gewissenhafter sollte man erneut die
Fachleistungsflächen prüfen; was und wie viel Quadratmeter nun genau zu einer
Wohnfläche zählen, siehe oben; § 249 Abs. 10 GrdStRefG). Bei einer anderen
Wohnform, die eben diese besonderen Kriterien nicht erfüllt, weil es sich eher
um Patienten-Zimmer handelt, würde die Zuordnung von daher anders ausfallen. Mietwohngrundstücke
werden nach dem Ertragswertverfahren bewertet (§§ 252 bis 257 GrdStRefG),
gemischt genutzte Grundstücke und Geschäftsgrundstücke nach dem
Sachwertverfahren (§§ 258 bis 260 GrdStRefG).
Das Ertragswertverfahren basiert auf der Summe des
sogenannten kapitalisierten Reinertrags und einem abgezinsten Bodenwert. Bei
dem diesem kapitalisierten Reinertrag schaut man sich die monatlichen Nettokaltmieten
je Quadratmeter Wohnfläche auf der Grundlage von Land, Gebäudeart, Wohnflächen
und Baujahr des Gebäudes im Wesentlichen an. Dieser sich daraus erste einmal
ergebende Rohertrag wird um Bewirtschaftungskosten gemindert, der wiederum
pauschal aus Erfahrungssätzen erarbeitet wurde. Das Ergebnis wird dann Vervielfältiger
hochgerechnet mithilfe des Liegenschaftszinssatzes je Gebäudenutzung und einer
Anerkennung der Restnutzungsdauer des Gebäudes. Im letzten Schritt hin zum
Grundsteuerwert wird noch der Bodenwert abgezinst.
Beim Sachwertverfahren wird ebenfalls differenziert
zwischen Gebäude und Boden, aber die Ermittlung des Gebäudesachwertes bezieht sich
auf Normalherstellungskosten. Das ist ein wenig ähnlich, wie bei den Mieten, nur
werden diese Kosten mittels Preisindizes hochgerechnet und mit einer
Alterswertminderung im Anschluss bedacht.
Auch wenn das alles jetzt klar ist, es gibt bereits jetzt
schon einen großen Widerstand gegen die Grundsteuerreform. Sie soll zwar
aufkommensneutral und gleichzeitig angemessen sein, aber es wird mit vielen
gerichtlichen Anträgen zu rechnen sein. Das wiederum könnte bedeuten, dass die
Reform erneut reformiert wird und sich einige Ansätze komplett ändern, doch das
wird eine Weile dauern. In 2025 ist mit neuen Bescheiden zu rechnen, und sich
da zu verweigern, wäre einfach nur unvernünftig. Soziale Unternehmen sollten
vorsorglich schon mal eine Hochrechnung versuchen und mit den neuen Werten kalkulieren,
um sie gegenüber ihren Mietern rechtzeitig kommunizieren zu können.
Die Steuerbefreiungen des Grundsteuergesetzes per 1.1.2022
wirken fort.
CGS
Quellen:
Eigener Beitrag vom 1.6.2015: „Grundsteuer auch aufWohnheime“
Bundesfinanzministerium, BMF
Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts
(Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG)
02.12.2019
Mit dem Urteil vom 10. April 2018 – 1 BvL 11/14, 1 BvL
12/14, 1 BvL 1/15,1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12 – hat das Bundesverfassungsgericht
die §§ 19 bis 23, 27, 76, 79 Absatz 5 sowie § 93 Absatz 1 Satz 2 des
Bewertungsgesetzes in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 und 3 des
Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes in der Fassung des Artikels 2 des
Gesetzes vom 22. Juli 1970 (BGBl. I S. 1118), soweit sie bebaute Grundstücke
außerhalb des Bereichs der Land- und Forstwirtschaft und außerhalb des in
Artikel 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiets betreffen, jedenfalls seit
dem 1. Januar 2002 für unvereinbar mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes
(GG) erklärt. Dem Gesetzgeber hat das Bundesverfassungsgericht eine Frist zur
Neuregelung spätestens bis zum 31. Dezember 2019 gesetzt. Bis zu diesem
Zeitpunkt dürfen die als unvereinbar mit Artikel 3 Absatz 1 GG festgestellten Regeln
über die Einheitsbewertung weiter angewandt werden. Nach Verkündung einer
Neuregelung dürfen die beanstandeten Regelungen für weitere fünf Jahre ab der
Verkündung, längstens aber bis zum 31. Dezember 2024, angewandt werden. ...
Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur
Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die
Dinge dar. Und eine solche Sicht kann sich immer noch ändern. Brauchen Sie
rechtliche Unterstützung, wenden Sie sich an die zuständigen Behörden, Sozial-
und Betroffenenverbände oder rechtskundige Dritte. Lesen Sie bitte ebenfalls die
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