Wie können die Rahmenbedingungen für eine gelungene
schulische Inklusion weiter verbessert werden? Indem die verschiedenen
Integrationshilfen rechtssicher „gepoolt“ werden, nach Ansicht der Kostenträger. Nur: Was ist damit gemeint?
In 2015 gab es im Bundesrat einen Beschluss (937. Sitzung am
16.10.2015, Drucksache 309/15), in dem die Bundesregierung gebeten wurde, im
Rahmen des Gesetzesvorhabens zum Bundesteilhabegesetz die derzeitigen Vorschriften
für Hilfen zur angemessenen Schulbildung weiter zu entwickeln. Vornehmlich ging
es um den Bereich der Integrationshilfe und Schulbegleitungen
(Integrationsassistenz) von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung an
Regelschulen und Förderschulen (vgl. § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII bzw. § 35 a SGB
VIII). Integrationshelfer und Schulbegleitungen sind Erwachsene, die als
Assistenzkräfte behinderten Schülern während des Schulalltags Unterstützung
geben.
Der Beschluss leitete sich aus
Artikel 24 der UN-BRK ab. Der darin enthaltene Rechtsanspruch, nämlich
wohnortnahen Zugang zu inklusivem Unterricht in Grund- und weiterführenden
Schulen zu gewähren, sollte im neuen BTHG berücksichtigt werden.
Der Bundesrat sah das Problem,
dass durch „zu viele Erwachsene im Schulalltag“, was sich aus der Gestellung
von nicht-pädagogischem Assistenzpersonal und pädagogischer Fachkraft (Lehrer) ergibt,
der Unterrichtsablauf sehr gestört wird. Weil die Teilhabe aller Schüler
gesichert werden muss und damit ein Gemeinsames Lernen stattfinden kann, sollten
alle Unterstützungsbedarfe in einem „Pool“ zusammengeführt und dann von nur
noch wenigen nicht-pädagogische Assistenzkräfte abgedeckt werden.
Der Bundesrat sah die
Erforderlichkeit, dass die Aufgaben der Jugend- und Sozialhilfe im Rahmen der Eingliederungshilfe
bei Hilfen zur angemessenen Schulbildung „in Abgrenzung zur Verantwortung der
Schule im Kernbereich ihrer pädagogischen Aufgaben“ klargestellt werden.
Weiterhin sprach man davon, dass eine „systemübergreifende Verantwortung“
vorliegt, die besser „zu verankern“ sei. Der Bundesrat forderte, dass die
vorhandenen Integrationshilfen (in einer Klasse) zusammengebracht werden
(„Poolen von Integrationshilfen“).
Gemeint ist damit, dass man die
Anzahl der nicht-pädagogischen Assistenzkräften, die als Integrationshilfe /
Integrationsassistenz oder Schulbegleitung im Unterricht dabei sind und ein
behindertes Kind unterstützten, kürzt. Mehrere Kinder mit Unterstützungsbedarf
in der Klasse sollen sich dann eine nicht-pädagogische Assistenzkraft teilen.
Mit „Poolen / Pooling“ gemeint
ist die Mehrfachbetreuung.
Doch wo könnte es ein Problem geben?
Theoretisch erfolgt die
Leistungsbewilligung nur für tatsächlich benötigten Unterstützungsbedarf, also
nur für Zeit der Anwesenheit des Kindes und seiner Schulbegleitung. Würde das
Kind krank werden, müsste die Schulbegleitung nicht kommen und der
Leistungsträger bräuchte den Einsatz nicht bezahlen.
Wenn zwei Kinder in einer
Klasse einen Unterstützungsbedarf haben, könnte der Leistungsträger prüfen, ob
eine Schulbegleitung für beide Kinder gleichzeitig ausreichend wäre. Die Kosten
würden sich dann rechnerisch halbieren. Doch wenn ein Kind aus Krankheit oder
anderen Gründen mal ausfällt, würde plötzlich ein „doppelter“ Bedarf entstehen –
der Bedarf für das anwesende Kind. Von daher muss der Leistungsträger diesen
„Mehrbedarf“ akzeptieren, auch wenn die Bewilligung zuvor einen „halben“ Bedarf
vorausgesetzt und genehmigt hat.
Wenn beide Kinder von
unterschiedlichen Leistungsträgern kommen, müssen sich beide Leistungsträger über
ihren Anteil an den Kosten am besten vorab einigen. Doch dies geht nur, wenn es
sich um zwei Leistungsträger handelte, die Sozialleistungen nach den
Sozialgesetzbüchern leisten müssen. Was ist nun, wenn andere, nicht mit einem
anerkannten Unterstützungsbedarf, kurzfristig eine Hilfe benötigen?
Schulbegleitungen sind keine
Schulassistenten. Sie dienen nicht als pädagogische Hilfen, sie unterstützen
nicht die pädagogischen Fachkräfte. Ihre Aufgabe richtet sich primär an die Schülerinnen
und Schüler mit Behinderung bzw. mit dem vom Jugendhilfe- oder
Sozialhilfeträger geprüften Leistungsanspruch. Würden die Schulbegleitungen
andere Aufgaben, die sich aus dem Unterrichtsablauf ergeben, übernehmen,
müssten die Leistungsträger nicht bezahlen. Das ist zwar ein Problem, aber mit
dem Bundesrat-Beschluss nicht gemeint.
In Schleswig-Holstein ist das
Verfahren der Mehrfachbetreuung (neudeutsch: Poolen oder Pooling) schon gängige
Praxis. Neu hinzugekommen sind die Schulassistenten, welche die pädagogische
Fachkraft im Unterrichtsalltag unterstützen sollen, aber derzeit die Schulbegleitungen
nicht ersetzen dürfen oder können. Was da praktiziert wird, steckt zwar noch
ein wenig in den „Kinderschuhen“, aber es entwickelt sich. Die Kreise würden
gerne eine Abgrenzung zwischen den Aufgaben der Schulbegleitungen und der
Schulassistenten sehen. So fordert man von den Schulträgern konkrete Auskünfte
über den Anteil der Mehrfachbetreuungen, um einen Teil der Kosten von den
Schulträgern erstattet zu bekommen. Warum also für die Abdeckung des
Hilfebedarfs bei einem behinderten Kind bezahlen, wenn die Leistung auch nicht
behinderten Schülern zugutekommt?
CGS
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