Montag, 10. Oktober 2016

Schulassistenten und Schulbegleitungen – Was mit Poolen oder Pooling gemeint ist

Wie können die Rahmenbedingungen für eine gelungene schulische Inklusion weiter verbessert werden? Indem die verschiedenen Integrationshilfen rechtssicher „gepoolt“ werden, nach Ansicht der Kostenträger. Nur: Was ist damit gemeint?

In 2015 gab es  im Bundesrat einen Beschluss (937. Sitzung am 16.10.2015, Drucksache 309/15), in dem die Bundesregierung gebeten wurde, im Rahmen des Gesetzesvorhabens zum Bundesteilhabegesetz die derzeitigen Vorschriften für Hilfen zur angemessenen Schulbildung weiter zu entwickeln. Vornehmlich ging es um den Bereich der Integrationshilfe und Schulbegleitungen (Integrationsassistenz) von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung an Regelschulen und Förderschulen (vgl. § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII bzw. § 35 a SGB VIII). Integrationshelfer und Schulbegleitungen sind Erwachsene, die als Assistenzkräfte behinderten Schülern während des Schulalltags Unterstützung geben.

Der Beschluss leitete sich aus Artikel 24 der UN-BRK ab. Der darin enthaltene Rechtsanspruch, nämlich wohnortnahen Zugang zu inklusivem Unterricht in Grund- und weiterführenden Schulen zu gewähren, sollte im neuen BTHG berücksichtigt werden.

Der Bundesrat sah das Problem, dass durch „zu viele Erwachsene im Schulalltag“, was sich aus der Gestellung von nicht-pädagogischem Assistenzpersonal und pädagogischer Fachkraft (Lehrer) ergibt, der Unterrichtsablauf sehr gestört wird. Weil die Teilhabe aller Schüler gesichert werden muss und damit ein Gemeinsames Lernen stattfinden kann, sollten alle Unterstützungsbedarfe in einem „Pool“ zusammengeführt und dann von nur noch wenigen nicht-pädagogische Assistenzkräfte abgedeckt werden.

Der Bundesrat sah die Erforderlichkeit, dass die Aufgaben der Jugend- und Sozialhilfe im Rahmen der Eingliederungshilfe bei Hilfen zur angemessenen Schulbildung „in Abgrenzung zur Verantwortung der Schule im Kernbereich ihrer pädagogischen Aufgaben“ klargestellt werden. Weiterhin sprach man davon, dass eine „systemübergreifende Verantwortung“ vorliegt, die besser „zu verankern“ sei. Der Bundesrat forderte, dass die vorhandenen Integrationshilfen (in einer Klasse) zusammengebracht werden („Poolen von Integrationshilfen“).

Gemeint ist damit, dass man die Anzahl der nicht-pädagogischen Assistenzkräften, die als Integrationshilfe / Integrationsassistenz oder Schulbegleitung im Unterricht dabei sind und ein behindertes Kind unterstützten, kürzt. Mehrere Kinder mit Unterstützungsbedarf in der Klasse sollen sich dann eine nicht-pädagogische Assistenzkraft teilen.

Mit „Poolen / Pooling“ gemeint ist die Mehrfachbetreuung.

Doch wo könnte es ein Problem geben?

Theoretisch erfolgt die Leistungsbewilligung nur für tatsächlich benötigten Unterstützungsbedarf, also nur für Zeit der Anwesenheit des Kindes und seiner Schulbegleitung. Würde das Kind krank werden, müsste die Schulbegleitung nicht kommen und der Leistungsträger bräuchte den Einsatz nicht bezahlen.

Wenn zwei Kinder in einer Klasse einen Unterstützungsbedarf haben, könnte der Leistungsträger prüfen, ob eine Schulbegleitung für beide Kinder gleichzeitig ausreichend wäre. Die Kosten würden sich dann rechnerisch halbieren. Doch wenn ein Kind aus Krankheit oder anderen Gründen mal ausfällt, würde plötzlich ein „doppelter“ Bedarf entstehen – der Bedarf für das anwesende Kind. Von daher muss der Leistungsträger diesen „Mehrbedarf“ akzeptieren, auch wenn die Bewilligung zuvor einen „halben“ Bedarf vorausgesetzt und genehmigt hat.

Wenn beide Kinder von unterschiedlichen Leistungsträgern kommen, müssen sich beide Leistungsträger über ihren Anteil an den Kosten am besten vorab einigen. Doch dies geht nur, wenn es sich um zwei Leistungsträger handelte, die Sozialleistungen nach den Sozialgesetzbüchern leisten müssen. Was ist nun, wenn andere, nicht mit einem anerkannten Unterstützungsbedarf, kurzfristig eine Hilfe benötigen?

Schulbegleitungen sind keine Schulassistenten. Sie dienen nicht als pädagogische Hilfen, sie unterstützen nicht die pädagogischen Fachkräfte. Ihre Aufgabe richtet sich primär an die Schülerinnen und Schüler mit Behinderung bzw. mit dem vom Jugendhilfe- oder Sozialhilfeträger geprüften Leistungsanspruch. Würden die Schulbegleitungen andere Aufgaben, die sich aus dem Unterrichtsablauf ergeben, übernehmen, müssten die Leistungsträger nicht bezahlen. Das ist zwar ein Problem, aber mit dem Bundesrat-Beschluss nicht gemeint.

In Schleswig-Holstein ist das Verfahren der Mehrfachbetreuung (neudeutsch: Poolen oder Pooling) schon gängige Praxis. Neu hinzugekommen sind die Schulassistenten, welche die pädagogische Fachkraft im Unterrichtsalltag unterstützen sollen, aber derzeit die Schulbegleitungen nicht ersetzen dürfen oder können. Was da praktiziert wird, steckt zwar noch ein wenig in den „Kinderschuhen“, aber es entwickelt sich. Die Kreise würden gerne eine Abgrenzung zwischen den Aufgaben der Schulbegleitungen und der Schulassistenten sehen. So fordert man von den Schulträgern konkrete Auskünfte über den Anteil der Mehrfachbetreuungen, um einen Teil der Kosten von den Schulträgern erstattet zu bekommen. Warum also für die Abdeckung des Hilfebedarfs bei einem behinderten Kind bezahlen, wenn die Leistung auch nicht behinderten Schülern zugutekommt?

CGS




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