Samstag, 22. Oktober 2016

Was die Kündigung eines Wohnstättenvertrags für den Träger der Wohneinrichtung bedeutet

Soziale Leistungen sind ein Leistungsversprechen des Sozialstaates an den bedürftigen Bürger. Versprochen wird immer nur die Deckung des jeweiligen Hilfebedarfs – alles andere, also das, was über diesen objektiv festgestellten Hilfebedarf hinausgeht, ist „Luxus“ und darf nicht vom Sozialstaat übernommen werden. Mit der Einführung des Bundesteilhabegesetzes wird man noch viel deutlicher der Instituts- und Einrichtungsfinanzierung (Stichwort: Strukturbildung) begegnen und das Leistungsversprechen des Sozialstaates auf die tatsächliche ziel- und personenorientierte Bedarfsdeckung beschränken. Doch bereits jetzt schon zeigen sich an mancher Stelle „Schnittstellenprobleme“ zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer. Wenn nun der Wohnstättenvertrag gekündigt wird, aber der Auszug schon vor dem Monatsletzten stattfindet, was bedeutet es für den Leistungserbringer?

Ein behinderter Mensch (Leistungsberechtigter), der in einer stationären Wohneinrichtung lebt und nun ausziehen möchte, kündigt den mit dem Träger der Wohneinrichtung (Leistungserbringer) abgeschlossenen Wohnstättenvertrag. Der Träger bestätigt die Kündigung zum Monatsende. Der Bewohner zieht aber nun ein paar Tage früher aus, was vom Träger der Wohneinrichtung auch an den Sozialhilfeträger (Leistungsträger) gemeldet wird.

Bis zu welchem Termin bezahlt der Sozialhilfeträger? Den Monatsletzten oder bis zum Tag des Auszugs, der ja nun davor liegt?

Weil der Bedarf tatsächlich nicht mehr bis zum Monatsletzten beim Leistungsberechtigten besteht, braucht der Leistungsträger ggü. dem Leistungsberechtigten keine weitere Kosten zu tragen bzw. Zahlungen an den Leistungserbringer vorzunehmen. Wenn der Leistungsberechtigte sogar in einer anderen stationären Wohneinrichtung umzieht, wird der Bedarf von dem anderen Leistungserbringer gedeckt, so dass eine Doppelzahlung unbegründet wäre.

Der Leistungserbringer hat aber tatsächlich strukturelle Kosten, die mit dem Auszug des Bewohners nicht sofort abgestellt werden können. Wenn im Landesrahmenvertrag oder in der Vergütungsvereinbarung hier keine Vereinbarung getroffen wurde, kann der Anspruch auf Deckung der Kosten nur noch ggü. dem ehemaligen Bewohner als Vertragspartner des Wohnstättenvertrags geltend gemacht werden.

Nochmal:

Mit dem Austritt des Bewohners hört i.d.R. die Zahlungspflicht auf – spätestens am Tag des Austritts. Und nur weil der Leistungsberechtigte im Wohnstättenvertrag Vertragspartner des Leistungserbringers ist, ist der Bewohner primär für die Zahlung bis zum Vertragsende in der Pflicht.

Und:

Der Bewohner ist nur dann leistungsberechtigt, wenn es um seinen Bedarf geht. Weil aber nun zwei Wohnplätze genutzt werden, der Bedarf aber nur auf einen Wohnplatz besteht, bezieht sich diese Leistungsberechtigung dann auch nur auf den aktuellen Wohnplatz; für den alten, nicht mehr genutzten Wohnplatz ist der Bewohner plötzlich nicht mehr leistungsberechtigt. Weil zudem der Bewohner ein Sozialhilfeempfänger ist, verfügt er ganz bestimmt nicht über Mittel zur Tilgung von Schulden bzw. sonstigen vertraglichen Erfüllungspflichten.

Damit bleibt der Leistungserbringer effektiv auf seinen Kosten sitzen.

Einzige Lösung für den Leistungserbringer besteht darin, einen Risikozuschlag bzw. eine Auslastungsquote unterhalb der Vollbelegung verhandelt zu bekommen. In Vergütungsverhandlungen sollte nach Möglichkeit die Dauer der Leerstände von Wohnplätzen und die Anzahl der Kündigung von Wohnstättenverträgen untersucht werden, um dieses Risiko zu qualifizieren. Es könnte dann auch sein, dass der Leistungsträger Kosten übernimmt, die gar nicht angefallen sind.

CGS




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