In die breite
Diskussion einbezogen wird auch die sogenannte „SGB VIII-Reform“, die
eigentlich zum Ziel haben sollte, die bisherige sozialrechtliche Zuständigkeit
für alle Kinder und Jugendlichen mit und ohne Behinderung im SGB VIII (Kinder-
und Jugendhilfe) zu bündeln. Anscheinend wird es aber nicht ein „Mehr“ an
Inklusion geben, sondern einige gravierende Nachteile. Welche das genau sind,
kann derzeit an dieser Stelle noch nicht dargestellt werden. Doch die ersten
Informationen kommen an und lösen ein Nachdenken aus.
Vorgesehen ist eine Auflösung der individuellen
Rechtsansprüche der Eltern auf „Hilfe zur Erziehung“. Die öffentlichen Träger
sollen ein ausgeweitetes Ermessen erhalten und damit die Hilfesuchenden auf
Regelangebote verweisen können. Das bedeutet eine deutliche Standardisierung und
somit eine Abkehr der zielführenden, personen- und bedarfsorientierten
Hilfeleistung.
Vorgesehen ist auch eine Neuregelung im
Finanzierungsrecht, mit der die öffentlichen Träger in die Lage versetzt
werden, Ausschreibungen vorzunehmen. Damit besteht die Gefahr, dass bestehende
Vereinbarungen mit Trägern von Einrichtungen und Diensten gekündigt werden,
wenn die öffentlichen Träger glauben, sie seien zu teuer – oder es geht auch
billiger. Träger von Einrichtungen und Diensten würden so gezwungen werden,
Angebote einzureichen und sich um die öffentlichen Aufträge zu bewerben.
Es wird kritisiert, dass die jetzigen Arbeitsentwürfe
weder in einem fachlichen noch jugendhilferechtlichen Diskurs entwickelt worden
sind. Es scheint, als ob weder die Seite der (bisherigen Leistungsberechtigten),
noch die Seite der Leistungserbringer mit den Fach- und Sozialverbänden an der
Entwicklung beteiligt waren.
Dem muss begegnet werden, weil sich damit auch ein
Problem für Eltern von Kindern mit Behinderungen ergibt, die eine
Schulbegleitung / Integrationsassistenz sowie andere Hilfen nach dem SGB XII
erhalten. Nicht nur, dass Schulbegleitungen ohnehin immer früh zu beantragen
sind und die Entscheidung darüber erst in der Mitte der Sommerferien oder sogar
erst bei Schulbeginn getroffen wird, jetzt droht durch die möglichen, neuen
Strukturen die Angebotsverknappung und eine Zerstörung von wichtigen
Unterstützungsleistungen.
Wenn tatsächlich Leistungen verknappt werden aufgrund der
sozialrechtlichen Änderungen, aber die Schulen (unverändert) gesetzlich
verpflichtet sind, Inklusion zu betreiben, müssten die Schulträger rechtzeitig
zur Entwicklung der Haushaltspläne einen höheren Ressourcenbedarf geltend
machen. Dies setzt voraus, dass die Schulträger Pläne entwickelt haben, was
zielführend und bedarfsdeckend geschehen soll – und dies verlangt eine interne
Diskussion, wobei es noch besser wäre, wenn man die Diskussion mit den (Noch-)
Leistungsberechtigten führen würde.
Alles in allem ist die öffentliche Diskussion nötig,
damit ein gutes Verständnis entsteht und sich Leistungsberechtigte und ihre
Angehörigen sowie die Leistungserbringer mit den Fach- und Sozialverbänden
diesen gravierenden Änderungen gegenüber aufgeschlossen zeigen.
CGS
Notiz:
Zu den neuen Strukturen und Angeboten könnte man auch das
„Poolen“ von Leistungen zählen. Doch in Wirklichkeit handelt es sich nicht um
eine Neuerung. Der Begriff des „Poolen“ kommt aus dem Englischen und steht für „bündeln,
gruppieren und zusammenfassen“. Damit ist eine personenzentrierte, direkte Leistungserbringung
gemeint, die sich gleichzeitig an mehrere Leistungsberechtigte richtet. Mit dem
Bundesteilhabegesetz wird diese besondere Form der Leistungserbringung
kodifiziert und damit rechtlich bedeutsam (vgl. § 136 Abs. 1 Nr. 2 BTHG-Entwurf-2015).
In Schleswig-Holstein werden aktuell z.B. Schulassistenten und Schulbegleiter
für ein oder mehrere Kinder mit Hilfebedarf eingesetzt, und in Hamburg gibt es
Vergütungsvereinbarungen, die eine Abrechnung nach Gruppen und nicht nach
einzelnen Leistungsberechtigten ermöglichen, d.h. es ist nur ¼ des normalen
Stundensatzes abzurechnen bei Gruppenmaßnahmen.
Bitte lesen Sie die Hinweise
zum Rechtsstatus der Webseite, Urheberrechtsbestimmungen und Haftungsausschluss
sowie die Datenschutzerklärung.
Wollen Sie mit mir in Kontakt treten oder Ihre Meinung
sagen? Schicken Sie mir eine E-Mail oder bewerten Sie ganz einfach diesen
Beitrag.