Samstag, 8. Oktober 2016

Neben dem Bundesteilhabegesetz wird es auch eine SGB VIII-Reform geben, welche die Eingliederungshilfe ebenso betreffen wird.

In die breite Diskussion einbezogen wird auch die sogenannte „SGB VIII-Reform“, die eigentlich zum Ziel haben sollte, die bisherige sozialrechtliche Zuständigkeit für alle Kinder und Jugendlichen mit und ohne Behinderung im SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) zu bündeln. Anscheinend wird es aber nicht ein „Mehr“ an Inklusion geben, sondern einige gravierende Nachteile. Welche das genau sind, kann derzeit an dieser Stelle noch nicht dargestellt werden. Doch die ersten Informationen kommen an und lösen ein Nachdenken aus.

Vorgesehen ist eine Auflösung der individuellen Rechtsansprüche der Eltern auf „Hilfe zur Erziehung“. Die öffentlichen Träger sollen ein ausgeweitetes Ermessen erhalten und damit die Hilfesuchenden auf Regelangebote verweisen können. Das bedeutet eine deutliche Standardisierung und somit eine Abkehr der zielführenden, personen- und bedarfsorientierten Hilfeleistung.

Vorgesehen ist auch eine Neuregelung im Finanzierungsrecht, mit der die öffentlichen Träger in die Lage versetzt werden, Ausschreibungen vorzunehmen. Damit besteht die Gefahr, dass bestehende Vereinbarungen mit Trägern von Einrichtungen und Diensten gekündigt werden, wenn die öffentlichen Träger glauben, sie seien zu teuer – oder es geht auch billiger. Träger von Einrichtungen und Diensten würden so gezwungen werden, Angebote einzureichen und sich um die öffentlichen Aufträge zu bewerben.

Es wird kritisiert, dass die jetzigen Arbeitsentwürfe weder in einem fachlichen noch jugendhilferechtlichen Diskurs entwickelt worden sind. Es scheint, als ob weder die Seite der (bisherigen Leistungsberechtigten), noch die Seite der Leistungserbringer mit den Fach- und Sozialverbänden an der Entwicklung beteiligt waren.

Dem muss begegnet werden, weil sich damit auch ein Problem für Eltern von Kindern mit Behinderungen ergibt, die eine Schulbegleitung / Integrationsassistenz sowie andere Hilfen nach dem SGB XII erhalten. Nicht nur, dass Schulbegleitungen ohnehin immer früh zu beantragen sind und die Entscheidung darüber erst in der Mitte der Sommerferien oder sogar erst bei Schulbeginn getroffen wird, jetzt droht durch die möglichen, neuen Strukturen die Angebotsverknappung und eine Zerstörung von wichtigen Unterstützungsleistungen.

Wenn tatsächlich Leistungen verknappt werden aufgrund der sozialrechtlichen Änderungen, aber die Schulen (unverändert) gesetzlich verpflichtet sind, Inklusion zu betreiben, müssten die Schulträger rechtzeitig zur Entwicklung der Haushaltspläne einen höheren Ressourcenbedarf geltend machen. Dies setzt voraus, dass die Schulträger Pläne entwickelt haben, was zielführend und bedarfsdeckend geschehen soll – und dies verlangt eine interne Diskussion, wobei es noch besser wäre, wenn man die Diskussion mit den (Noch-) Leistungsberechtigten führen würde.

Alles in allem ist die öffentliche Diskussion nötig, damit ein gutes Verständnis entsteht und sich Leistungsberechtigte und ihre Angehörigen sowie die Leistungserbringer mit den Fach- und Sozialverbänden diesen gravierenden Änderungen gegenüber aufgeschlossen zeigen.

CGS



Notiz:

Zu den neuen Strukturen und Angeboten könnte man auch das „Poolen“ von Leistungen zählen. Doch in Wirklichkeit handelt es sich nicht um eine Neuerung. Der Begriff des „Poolen“ kommt aus dem Englischen und steht für „bündeln, gruppieren und zusammenfassen“. Damit ist eine personenzentrierte, direkte Leistungserbringung gemeint, die sich gleichzeitig an mehrere Leistungsberechtigte richtet. Mit dem Bundesteilhabegesetz wird diese besondere Form der Leistungserbringung kodifiziert und damit rechtlich bedeutsam (vgl. § 136 Abs. 1 Nr. 2 BTHG-Entwurf-2015). In Schleswig-Holstein werden aktuell z.B. Schulassistenten und Schulbegleiter für ein oder mehrere Kinder mit Hilfebedarf eingesetzt, und in Hamburg gibt es Vergütungsvereinbarungen, die eine Abrechnung nach Gruppen und nicht nach einzelnen Leistungsberechtigten ermöglichen, d.h. es ist nur ¼ des normalen Stundensatzes abzurechnen bei Gruppenmaßnahmen.





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