Sonntag, 6. November 2016

Wenn das Renteneintrittsalter zu einem Grund wird, den Leistungsumfang in Tagesförderstätten zu kürzen

Weil das Renteneintrittsalter erreicht ist, soll ein älterer Mensch mit (geistiger) Behinderung nur noch eine „Tagesstruktur“ erhalten, so die bewilligende Sozialbehörde (Fachdienst Soziales). Diese Begründung erscheint problematisch, zumal damit auch das Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten eingeschränkt wird.

Gemeint ist in Wirklichkeit ein sehr niedrigschwelliges Betreuungsangebot, dass weniger kostet, als z.B. die Betreuung in einer Tagesförderstätte. Doch auch wenn man dem Leistungsträger gerne pauschal Kostenkürzung unterstellen mag, ein solches Angebot, dass sich an behinderte Menschen richtet, die schon überfordert sind, wenn sie eine Tagesförderstätte besuchen, ist sinnvoll – die Begründung im Leistungsbescheid dagegen problematisch.

Für Leistungserbringer kann dies zu einem Vergütungsausfall und / oder personellen Mehrkosten führen, weil immer mehr Menschen mit Behinderung das Alter für den Eintritt in die Altersrente erreichen. Wenn die bewilligende und kostenübernehmende Stelle das Renteneintrittsalter als Grund nennt, eine weitere Leistungsbewilligung abzulehnen, wo findet dann die Betreuung statt? In einer stationären Wohneinrichtung muss dies durch das Personal vor Ort sichergestellt werden. Ist diese Wohneinrichtung klein, eigentlich sogar tagsüber geschlossen, muss extra Personal eingesetzt werden. Doch lebt der behinderte Mensch in einer eigenen Wohnung, muss die rechtliche Betreuung die notwendigen Maßnahmen organisieren. Man kann dann auch nicht einfach auf einen Pflegedienst zugreifen, weil hierfür ein Pflegebedarf festgestellt werden muss, was tatsächlich nicht der Fall ist.

Wenn zukünftig die Flexi-Rente möglich ist, so dass Arbeitnehmer, die das Renteneintrittsalter erreichen, sich entscheiden können, weiter zu arbeiten, müsste doch auch behinderten Menschen dieses Recht zuteil kommen (Art. 3 Abs. 3 GG). Damit wäre es Leistungsträgern untersagt, eine Ablehnung wegen Erreichen des Renteneintrittsalters auszusprechen. Leistungsberechtigte dürften dann sogar verlangen, dass sie noch (weit) über diese Altersgrenze eine Tagesförderstätte mit umfangreichen Betreuungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten besuchen dürfen.

Doch auch heutzutage kann mit der bewilligenden Stelle über den Hilfebedarf und das tatsächlich vorhandene regionale Angebot gesprochen werden. Man muss es nur in vernünftiger Weise versuchen.

CGS






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