Am 7. November 2016 vereinbarten das Bundesland
Schleswig-Holstein, „endvertreten“ durch den Ministerpräsidenten, und die
kommunalen Landesverbände (KLV) eine Beteiligung des Bundeslandes an den
Kosten der Integration auf kommunaler Ebene sowie weitere finanzielle
Entlastungsmaßnahmen. In der Vereinbarung findet sich ein Abschnitt zum
Streitpunkt „Schulbegleitung im Grundschulbereich“. Die Vertreter der Kommunen
erreichten jetzt, dass ein Teil der Kosten nun vom Land übernommen werden – bei
den Schulbegleitungen sehen sich die Kommunen nämlich „zu Unrecht“ mit diesen
Kosten belastet. Sollte damit der Streit endgültig begraben sein?
In einem Moratorium vom
19.6.2015 (Nichtberücksichtigung bei der Nachfinanzierung) hatte man offenbar
eine Ausgleichszahlung an die Kreise und kreisfreien Städte des Landes
vereinbart gehabt, die möglicherweise von den KLVs als nicht ausreichend
angesehen wurde. Bei der Nachfinanzierung handelt es sich übrigens um einen „nachträglichen
Ausgleich“, welcher sich auf die Mehrausgaben eines Jahres für Leistungen der
Sozialhilfe ohne Ausgaben für Geldleistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII (Grundsicherung
im Alter und bei Erwerbsminderung) bezieht.
In der Vereinbarung heißt es
nun, dass das Land diese „vereinbarte Ausgleichssumme um 1,5 Mio. Euro für die
Schuljahre 2016 / 2017 (und 2017 / 2018)“ erhöht (vgl. Ziffer IV der
Vereinbarung).
Doch das Ganze kommt nicht ohne
Bedingung, und es ist derzeit noch nicht bekannt, ob die Kommunen letztlich
diese Bedingungen annehmen werden, auch wenn der KLV alles für die Akzeptanz
unternehmen wird.
Im Gegenzug verlangt das Land,
dass die Annahme dieser Gelder eine Abgeltung für alle Ansprüche aus der
Gewährung von Maßnahmen zur Schulbegleitung durch die Jugend- und
Sozialhilfeträger bedeutet, und zwar dort, wo „Förderung und Unterstützung
nicht auf andere Weise sichergestellt ist“.
Offenbar gab es in den
Verhandlungen eine Verständigung darüber, dass eine „trennscharfe Abgrenzung
zwischen den Zuständigkeitsbereichen der Schule und der Eingliederungshilfe
nach SGB XII und SGB VIII nicht möglich ist.“ Das Problem sieht man im
schleswig-holsteinischen Landesschulgesetz, denn dort heißt es in § 4 Abs. 13
S. 2 SchulG-SH:
„Das Ziel einer inklusiven Beschulung steht dabei im Vordergrund.“
Somit sehen sich die Kommunen
als Leistungsträger nicht mehr in der Pflicht, irgendwelche Kosten für
Inklusionsmaßnahmen an den Schulen zu übernehmen (z.B. Schulbegleitung für
Kinder mit einer geistigen oder seelischen Behinderung, §§ 35 a SGB VIII oder
53 SGB XII).
Tatsächlich müssten
staatlicherseits entsprechende Ressourcen geschaffen werden bzw. es müssten die
einzelnen Schulträger dafür Sorge tragen, dass auch Kinder mit Einschränkungen
am Schulunterricht teilnehmen können. Doch wenn dann ein – tatsächlicher –
„Erhalt von Leistungen“ seitens des Schulträgers nicht geschieht, besteht eine
Leistungspflicht beim Sozialhilfeträger – dies hatte schon einmal das
Bundessozialgericht so entschieden, als es erklärte, dass § 2 SGB XII keine
Ausschlussnorm darstellt (Rz. 26 im BSG Urteil vom 22.03.2012, Az. B 8 SO 30/10
R). Außerdem traf das Verwaltungsgericht Schleswig in einem Eilverfahren eine
Grundsatzentscheidung zur Kostenübernahme bei der Schulbegleitung (Az.: 15 B
97/16). Das Gericht soll "deutlich" gemacht haben, dass
"Unzuständigkeit bzw. nachrangige Zuständigkeit" den beklagten
Jugendhilfeträger nicht von der bedarfsgerechten Bewilligung von
Schulbegleitungen befreit. Mit anderen Worten: Die Kosten müssen übernommen
werden, wenn die Unterstützungsleistungen der Schule tatsächlich nicht erbracht
werden. In einem anderen Verfahren vor einem Sozialgericht wurde dagegen ein
Vergleich im Sinne der klagenden Eltern vereinbart.
In der Verhandlung zwischen dem
Land und den KLVs wurde der Streit als eine Art „Schnittstellenproblem“
benannt. Es ist richtig, dass die notwendigen Ressourcen zuerst einmal von
denjenigen geschaffen werden müssen, die diese besonderen Aufgaben der
Inklusion und Barrierefreiheit übernommen haben. Doch es ist nicht richtig,
Hilfen zu versagen, weil eine Zuständigkeit nicht besteht. Vielmehr sollten
sich dann, wie nun geschehen, diejenigen, die jetzt zahlen müssen (und somit
ihren Bürgern helfen), mit denjenigen „streiten“, die ihre Zahlungspflicht
nicht einsehen wollen.
Nun verpflichten sich die KLVs im
Namen der (sich beteiligenden) Kommunen, auf die „noch abschließend zu
verabredenden Handlungsempfehlungen hinzuwirken und Schulbegleitung in den
Fällen zu bewilligen, in denen Förder- und Unterstützungsbedarf festgestellt
wird und die Förderung und Unterstützung nicht auf andere Weise sichergestellt
ist“. Dies liest sich, also ob nun endlich ein Schlussstrich unter die
anhaltende Problematik mit den Ablehnungsbescheiden zu Schulbegleitungen bzw.
Integrationsassistenten in einigen Landkreisen gezogen wird.
Man könnte auch sagen, dass
sich das Land freikauft. Doch auch dies geschieht nicht ganz bedingungslos. Es
besteht nämlich Einvernehmen darüber, so die Vereinbarung, dass die
Ausgleichszahlung von 1,5 Mio. Euro auf die Nachfinanzierungsmittel gem. § 10
AG-SGB XII angerechnet wird, wenn eine Doppelfinanzierung vorliegen könnte. Die
Ausgestaltung sei noch zu verabreden, steht damit noch nicht fest. Es ist jetzt
schon klar, dass das Land nur die Nachfinanzierung für die Mehrausgaben übernehmen
will, bei denen (sozusagen im Wege der Kulanz?) die Kommunen die Kosten für die
Inklusionsmaßnahmen übernommen haben, weil ein anderer Leistungsträger (also
die Schulträger) diese Leistungen nicht übernehmen konnten.
Für die Eltern behinderter
Schulkinder wird dies sicherlich eine gewisse Erleichterung bringen, doch wie
lange? Der Beschluss des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom
17.2.2014 über Schulbegleitungen und den „Kernbereich der pädagogischen Arbeit“
kann als Auslöser für die vielen Ablehnungsbescheide und jetzigem Gezanke der
Kommunen mit dem Land um finanziellen Ausgleich angesehen werden. Dieser Streit
scheint nun beigelegt zu sein, doch was passiert nach Ablauf des Schuljahres
2017/2018?
Und worauf können Kinder mit Hilfebedarf zählen, wenn sie
die Grundschule verlassen? Die nun von beiden Seiten getroffene Vereinbarung
spricht nicht über den Bereich der weiterführenden Schulen, sondern nur über
den Grundschulbereich.
CGS
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