Freitag, 25. November 2016

Schulassistenten und Schulbegleiter - Land und Kommunen einigen sich, doch ist der Streit damit endgültig beigelegt?

Am 7. November 2016 vereinbarten das Bundesland Schleswig-Holstein, „endvertreten“ durch den Ministerpräsidenten, und die kommunalen Landesverbände (KLV) eine Beteiligung des Bundeslandes an den Kosten der Integration auf kommunaler Ebene sowie weitere finanzielle Entlastungsmaßnahmen. In der Vereinbarung findet sich ein Abschnitt zum Streitpunkt „Schulbegleitung im Grundschulbereich“. Die Vertreter der Kommunen erreichten jetzt, dass ein Teil der Kosten nun vom Land übernommen werden – bei den Schulbegleitungen sehen sich die Kommunen nämlich „zu Unrecht“ mit diesen Kosten belastet. Sollte damit der Streit endgültig begraben sein?

In einem Moratorium vom 19.6.2015 (Nichtberücksichtigung bei der Nachfinanzierung) hatte man offenbar eine Ausgleichszahlung an die Kreise und kreisfreien Städte des Landes vereinbart gehabt, die möglicherweise von den KLVs als nicht ausreichend angesehen wurde. Bei der Nachfinanzierung handelt es sich übrigens um einen „nachträglichen Ausgleich“, welcher sich auf die Mehrausgaben eines Jahres für Leistungen der Sozialhilfe ohne Ausgaben für Geldleistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) bezieht.

In der Vereinbarung heißt es nun, dass das Land diese „vereinbarte Ausgleichssumme um 1,5 Mio. Euro für die Schuljahre 2016 / 2017 (und 2017 / 2018)“ erhöht (vgl. Ziffer IV der Vereinbarung).

Doch das Ganze kommt nicht ohne Bedingung, und es ist derzeit noch nicht bekannt, ob die Kommunen letztlich diese Bedingungen annehmen werden, auch wenn der KLV alles für die Akzeptanz unternehmen wird.

Im Gegenzug verlangt das Land, dass die Annahme dieser Gelder eine Abgeltung für alle Ansprüche aus der Gewährung von Maßnahmen zur Schulbegleitung durch die Jugend- und Sozialhilfeträger bedeutet, und zwar dort, wo „Förderung und Unterstützung nicht auf andere Weise sichergestellt ist“.

Offenbar gab es in den Verhandlungen eine Verständigung darüber, dass eine „trennscharfe Abgrenzung zwischen den Zuständigkeitsbereichen der Schule und der Eingliederungshilfe nach SGB XII und SGB VIII nicht möglich ist.“ Das Problem sieht man im schleswig-holsteinischen Landesschulgesetz, denn dort heißt es in § 4 Abs. 13 S. 2 SchulG-SH:

Das Ziel einer inklusiven Beschulung steht dabei im Vordergrund.

Somit sehen sich die Kommunen als Leistungsträger nicht mehr in der Pflicht, irgendwelche Kosten für Inklusionsmaßnahmen an den Schulen zu übernehmen (z.B. Schulbegleitung für Kinder mit einer geistigen oder seelischen Behinderung, §§ 35 a SGB VIII oder 53 SGB XII).

Tatsächlich müssten staatlicherseits entsprechende Ressourcen geschaffen werden bzw. es müssten die einzelnen Schulträger dafür Sorge tragen, dass auch Kinder mit Einschränkungen am Schulunterricht teilnehmen können. Doch wenn dann ein – tatsächlicher – „Erhalt von Leistungen“ seitens des Schulträgers nicht geschieht, besteht eine Leistungspflicht beim Sozialhilfeträger – dies hatte schon einmal das Bundessozialgericht so entschieden, als es erklärte, dass § 2 SGB XII keine Ausschlussnorm darstellt (Rz. 26 im BSG Urteil vom 22.03.2012, Az. B 8 SO 30/10 R). Außerdem traf das Verwaltungsgericht Schleswig in einem Eilverfahren eine Grundsatzentscheidung zur Kostenübernahme bei der Schulbegleitung (Az.: 15 B 97/16). Das Gericht soll "deutlich" gemacht haben, dass "Unzuständigkeit bzw. nachrangige Zuständigkeit" den beklagten Jugendhilfeträger nicht von der bedarfsgerechten Bewilligung von Schulbegleitungen befreit. Mit anderen Worten: Die Kosten müssen übernommen werden, wenn die Unterstützungsleistungen der Schule tatsächlich nicht erbracht werden. In einem anderen Verfahren vor einem Sozialgericht wurde dagegen ein Vergleich im Sinne der klagenden Eltern vereinbart.

In der Verhandlung zwischen dem Land und den KLVs wurde der Streit als eine Art „Schnittstellenproblem“ benannt. Es ist richtig, dass die notwendigen Ressourcen zuerst einmal von denjenigen geschaffen werden müssen, die diese besonderen Aufgaben der Inklusion und Barrierefreiheit übernommen haben. Doch es ist nicht richtig, Hilfen zu versagen, weil eine Zuständigkeit nicht besteht. Vielmehr sollten sich dann, wie nun geschehen, diejenigen, die jetzt zahlen müssen (und somit ihren Bürgern helfen), mit denjenigen „streiten“, die ihre Zahlungspflicht nicht einsehen wollen.

Nun verpflichten sich die KLVs im Namen der (sich beteiligenden) Kommunen, auf die „noch abschließend zu verabredenden Handlungsempfehlungen hinzuwirken und Schulbegleitung in den Fällen zu bewilligen, in denen Förder- und Unterstützungsbedarf festgestellt wird und die Förderung und Unterstützung nicht auf andere Weise sichergestellt ist“. Dies liest sich, also ob nun endlich ein Schlussstrich unter die anhaltende Problematik mit den Ablehnungsbescheiden zu Schulbegleitungen bzw. Integrationsassistenten in einigen Landkreisen gezogen wird.

Man könnte auch sagen, dass sich das Land freikauft. Doch auch dies geschieht nicht ganz bedingungslos. Es besteht nämlich Einvernehmen darüber, so die Vereinbarung, dass die Ausgleichszahlung von 1,5 Mio. Euro auf die Nachfinanzierungsmittel gem. § 10 AG-SGB XII angerechnet wird, wenn eine Doppelfinanzierung vorliegen könnte. Die Ausgestaltung sei noch zu verabreden, steht damit noch nicht fest. Es ist jetzt schon klar, dass das Land nur die Nachfinanzierung für die Mehrausgaben übernehmen will, bei denen (sozusagen im Wege der Kulanz?) die Kommunen die Kosten für die Inklusionsmaßnahmen übernommen haben, weil ein anderer Leistungsträger (also die Schulträger) diese Leistungen nicht übernehmen konnten.

Für die Eltern behinderter Schulkinder wird dies sicherlich eine gewisse Erleichterung bringen, doch wie lange? Der Beschluss des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 17.2.2014 über Schulbegleitungen und den „Kernbereich der pädagogischen Arbeit“ kann als Auslöser für die vielen Ablehnungsbescheide und jetzigem Gezanke der Kommunen mit dem Land um finanziellen Ausgleich angesehen werden. Dieser Streit scheint nun beigelegt zu sein, doch was passiert nach Ablauf des Schuljahres 2017/2018?

Und worauf können Kinder mit Hilfebedarf zählen, wenn sie die Grundschule verlassen? Die nun von beiden Seiten getroffene Vereinbarung spricht nicht über den Bereich der weiterführenden Schulen, sondern nur über den Grundschulbereich.

CGS




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