Freitag, 22. Februar 2019

Trägerbudgets für Schulbegleitungen



Diesem Thema muss man sich von wirklich vielen verschiedenen Seiten nähern, denn eine Lösung braucht es, die alle irgendwie zufrieden stellt.

Im Folgenden geht es noch einmal um eine Wiederauffrischung, was man unter Schulbegleitung und Schulassistenz zu verstehen hat. Es muss sich hier etwas tun, weil die Finanzierung der Schulassistenten an den Grundschulen zeitlich begrenzt ist. Weil aber diese Stellen weiterhin gebraucht werden, hatte man schon überlegt, sie mit dem schulpsychologischen Dienst oder der Schulsozialarbeit zu verbinden. Was man nicht geschafft hatte, war die Schulbegleitung, welche eine Leistung der Eingliederungshilfe darstellt, abzubauen. Der Bedarf ist weiterhin groß, und es werden noch viel mehr Begleitungskräfte gebraucht.

Man sucht nach Einsparungsmöglichkeiten und experimentiert derzeit mit einem „Trägerbudget“ im Landkreis Pinneberg. Zwar hat man noch keine Ergebnisse bekannt gemacht, aber es ist gut möglich, dass mit dem kommenden Schuljahr diese Finanzierungsform zum Tragen kommt. Gleichzeitig wird man sehr verstärkt auf das „Poolmodell“ (engl. pooling) setzen, um wenigstens ein paar Synergie-Effekte zu gewinnen.


Um was geht es

Schulbegleitung (Integrationshilfe oder Integrationsassistenz) ist eine Maßnahme der Eingliederungshilfe (6. Kapitel SGB XII), für die bisher die Jugendhilfe (SGB VIII) oder – bei geistig behinderten Menschen – die Sozialhilfe (SGB XII) zuständig und Kostenübernehmer (Träger der Leistungen) gewesen sind. Diese beiden Leistungsträger übernehmen wie bisher die Kosten für Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung (vgl. auch §§ 12, 20 und 21 EGH-VO).

Die Hilfen sollen sich nach dem individuellen Bedarf des jeweiligen, leistungsberechtigten Schülers richten. Weil immer mehr Kinder mit besonderen Bedarfen eine Regelschule besuchen, allerdings die einzelne Lehrkraft ganz und gar mit der pädagogischen Arbeit zu tun hat, braucht es für die Unterstützung des Kindes eine spezialisierte Betreuungskraft; spezialisiert bedeutet hier, dass man sich auf die sozialen und pflegerischen Bedarfe des Kindes konzentriert. Aufgabe der Schulbegleitung ist es somit nicht, die Lehrkraft zu unterstützen in ihrer pädagogischen Arbeit.

Doch gerade wenn mehrere Kinder in einer Schulklasse „gleichzeitig“ einen solchen Bedarf an sozialer / pflegerischer Hilfe aufweisen, müssen mehrere Schulbegleitungen mit dabei sein. Dies könnte aber bedeuten, dass mehrere Erwachsene neben der Lehrkraft im Unterrichtsgeschehen dabei sind. Aber das geht nicht.

Diese Kinder zu „bündeln“ (engl., pooling), sie als Gruppe zu betreuen, wäre eine recht gute Lösung. Eine Schulbegleitung kümmert sich dann um die unterschiedlichen Bedarfe verschiedener Kinder in einer Klasse oder sogar in verschiedenen Klassen (oder sogar Jahrgangsstufen). Man kann die Einzelbetreuung auch zu Zeiten vornehmen, an denen ein besonderer Bedarf erwartet werden kann. Die Schulbegleitung braucht zudem nicht immer dabei zu sein, wenn die sonderpädagogische Fachkraft den Unterricht leitet. Bei Gruppen-Arbeiten bzw. Projekten unterstützen vielleicht sogar die Mitschüler als Team und kümmern sich um den schwächeren Schüler – ganz im Sinne eines Sozialraum-Konzepts. In den übrigen Zeiten könnte die Schulbegleitung andere Kinder betreuen.

Schulassistenten sollen vorrangig die Lehrkraft in ihrer Arbeit unterstützen. Natürlich geht es auch um die Förderung und bessere Integration im Klassenverband, doch diese Leistung richtet sich an alle Schülerinnen und Schüler mit und ohne Förderbedarf. Die Steuerung der Leistung bzw. die Leistungserbringung an sich wird von der Lehrkraft bestimmt (siehe dazu auch die Pressemitteilung vom 22.5.2015 des Bildungsministeriums; und wie es überhaupt dazu kam, siehe hierzu die früheren Beiträge). Auch wenn es sehr viele Ähnlichkeiten und womöglich sogar Überschneidungen gibt, die Arbeit der Schulassistenz hat einen ganz anderen Fokus im Vergleich zur Schulbegleitung.

Die Finanzierung der Schulassistenten würde bald auslaufen

Schulassistenten entstanden aus der Auseinandersetzung zwischen dem Land und seinen Kommunen über die Kosten von Schulbegleitungen. Das Problem bestand (und besteht mancherorts nach wie vor) darin, dass Schulbegleiter als Hilfslehrkraft angesehen wurden, wenn sie „motivierend“ auf ihre Schüler einwirkten und Hilfen bei der Aufgabenbewältigung leisteten. Solche Tätigkeiten wollte man als einen Eingriff in den „Kernbereich pädagogischer Arbeit“ verstehen und verlangte die Übernahme der Kosten ganz dem Nachrangprinzip folgend durch die jeweiligen Schulen; Schulen sollen nach Landesrecht „inklusiv“ sein.

Eine mit den Kommunen ausgehandelte „finanzielle Aufgabenverteilung“ führte dazu, dass die Kosten für Schulassistenz aus Mitteln des Bildungswesen bestritten werden, so wie auch die beiden anderen Maßnahmen Schulsozialarbeit (§ 6 Abs. 6 SchulG-SH) und schulpsychologischer Dienst (§ 132 SchulG-SH).

Im Erlass des schleswig-holsteinischen Ministeriums für Schule und Berufsbildung vom 20.7.2015 (III 202) heißt es:

Das Ministerium für Schule und Berufsbildung unterstützt den Aufbau Schulischer Assistenz in der Primarstufe ab dem Schuljahr 2015/16 durch die Gewährung von Zuwendungen im Rahmen einer Vollfinanzierung vorerst bis zum Schuljahr 2019/20 mit höchstens 125 Euro je Schülerin bzw. Schüler und Schuljahr.“ (Fettdruck von mir)

Die für diese Aufgabe gewonnenen Assistenzkräfte wurden allerdings, soweit bekannt ist, teilweise in eine unbefristete Anstellung übernommen. Wenn eine Verlängerung nicht stattfindet, was dann? – vermutlich wird es aber eine Verlängerung geben, da man die „Multiprofessionalität“ mittlerweile sehr schätzen gelernt hat.

Bedarfsdeckende Gestaltung der Leistung

Auch wenn quasi alles beim Alten bleibt, man wird die Kosten weiterhin im Blick behalten und auf Ebene der Verwaltung etwas unternehmen müssen. Mehr als zwei Erwachsene im Unterricht wird es nicht geben. Gleichzeitig wächst der Bedarf an sonder- und sozialpädagogischer Begleitung enorm. Schaut man sich die Bedarfe an (nachfolgend noch eine Grafik aus einem älteren Blog-Beitrag), muss man bei einer Klassengröße von 25 Schülern immer mit mindestens einem Kind rechnen, welches eine besondere Unterstützung braucht (4,1 % der Schüler, die „inklusiv“ an einer Regelschule beschult werden – siehe auch weiter unten).

Es bieten sich eigentlich nur zwei mögliche Ansatzpunkte hierbei an, wenn man Kosten sparen will und im selben Moment von einem steigenden Bedarf ausgehen muss. In der Regel wird man sich ein Budget gesetzt haben, mit dem die Leistungserbringung bezahlt werden muss. Weil das Budget nicht überschritten werden darf, muss man bei einem steigenden Bedarf entweder die Kosten pro Leistungsempfänger senken oder die Leistungserbringung pauschalieren (gleiches Geld für mehr Nachfrage).

Derartige Gedankenspiele sind altbekannt. Neue Wege geht man damit nicht. Das Senken von Kosten bedeutet, billigere Kräfte einzusetzen für die Leistungserbringung (z.B. FSJ’ler). In manchen Fällen wäre das auch durchaus gerechtfertigt. Schaut man sich die Grafik zu den verschiedenen Förderschwerpunkten an, dann muss man jedoch schnell erkennen, dass ein gewisses Maß an Fachlichkeit und Qualifikation in vielen Fällen vorhanden sein muss. Sozial erfahren zu sein reicht nicht aus. Gerade wenn man ein Pooling effektiv ausnutzen möchte, braucht es Professionalität, kontinuierliche Weiterentwicklung, Flexibilität und ständige Verfügbarkeit. Solche Anforderungen kann eine Organisation bieten, nicht aber jene Einzelperson, die über ein „Persönliches Budget“ finanziert wird (mit einem Stundensatz von 10 Euro).

Ein Trägerbudget und ein einzelner Leistungserbringer

Ein zweiter Ansatzpunkt ist, ebenfalls nicht seit neuestem, die Einrichtung eines Trägerbudgets (siehe hierzu auch die verschiedenen anderen Beiträge unter diesem Stichwort). Denkbar wäre es, dass man mit einem einzelnen Leistungserbringer für eine Region einen Rahmenvertrag abschließt. Beide Seiten verpflichten sich dann dazu, dass alle Anträge und Anforderungen nach Schulassistenz und Schulbegleitung an diesen einen Leistungserbringer weitergereicht werden gegen Zahlung einer immer gleich hohen Monatspauschale. Man erschafft sich damit quasi einen Monopolisten, wenn es aber gewünscht wäre, könnten Eltern die Leistungserbringung durch einen anderen Anbieter verlangen.

Vor über einem halben Jahr gab die Kreisverwaltung von Pinneberg bekannt, dass man nun ein „Neues Modell für Schulbegleitungen“ ausprobieren wolle (Quellenangabe unten). Man berichtete, dass mit einem einzelnen Leistungserbringer ein Vertrag geschlossen wurde, damit dieser die Schulbegleitung für Kinder mit Unterstützungsbedarfen in der Eingangsstufe (Klassen 1 und 2) in einer bestimmten Region des Landkreises sicherstellt. Die Begleitungsarbeit würde sich auf sieben Grundschulen und einem Förderzentrum erstrecken und soll zum Ziel haben, das „Poolmodell“ konsequent zu erproben bei einem unveränderten Budget (d.h. monatsgleiche Pauschalzahlungen an den Leistungserbringer). Der Vertrag ist derzeit noch befristet bis zum Ende des Schuljahres 2018/2019, dann wollte man über die Ergebnisse berichten. Es scheint aber schon ein erster positiver Eindruck vorzuliegen, so dass man im kommenden Schuljahr für den gesamten Landkreis dieses Verfahren zum Einsatz bringen wird.

Das „Poolmodell“ ist nicht neu. Es wird bereits an anderen Schulen erfolgreich praktiziert. Was aber noch fehlt, sind die verwaltungstechnischen Strukturen, damit sich alle Beteiligten in kleiner Runde zusammensetzen und entscheiden können. Gibt es viele verschiedene Leistungserbringer, ist die Organisation von Besprechungen schwierig. Ändert sich der Bedarf, entsteht ein Ping-Pong-Spiel zwischen Eltern, Schule, Leistungserbringer und zuständigen Leistungsträger.

Ein Beispiel: 
Schule plant eine Klassenfahrt. In der Klasse befinden sich zwei Kinder mit unterschiedlichen Förderschwerpunkten. Zuständig wären einmal Jugendhilfe und dann auch noch Sozialhilfe.
 Die beiden Elternpaare müssen ihre Anträge an zwei Ämter senden, die für ein und dieselbe Sache sachbearbeitend prüfen müssen. Dann wird die Kostenübernahme verschickt, aber nicht für alle Betreuungskosten. Die Eltern müssen weitere Anträge an die Schule richten, die diese weiterleiten muss an das übergeordnete Schulamt. Es müssen wiederum Fristen beachtet werden, die Anträge müssen vollständig sein, wenn Formalien nicht erfüllt sind oder es stehen seitens der Schule keine Ressourcen bereit, müssen wieder die Eltern einen neuen Antrag an die Ämter richten, die für die Eingliederungshilfe zuständig sind. Daneben sollte auch noch der oder die Leistungserbringer eingebunden werden. Und so weiter.

Es gibt auch andere Beispiele, die das schwierige Zusammenspiel gut wiedergeben. Man hat aber jetzt bereits ein paar Regelungen erdacht, um das bürokratische Verfahren zu vereinfachen. „Herrin des Verfahrens“ ist das Schulamt geworden, und es scheint sich alles nur im Bildungsbereich abzuspielen. Bei der Ressourcen-Planung mag das noch richtig sein, wenn es aber um die finanziellen Mittel geht, wer wird dann mitbestimmen? – die Träger der Eingliederungshilfe? Oder wird das Schulamt in den Verhandlungen um neue Vergütungssätze etwas zu sagen haben?

Es wird für eine Region an einen Leistungserbringer ein monatsgleicher Betrag gezahlt. Und wahrscheinlich wird man aus Gründen der Planungssicherheit einen mehrjährigen Vertrag eingehen. Doch was ist dann mit der Konkurrenz? Müsste man nicht mit dem Schulbegleitungs-Dienst einen Vertrag machen, der am „günstigsten“ ist? Hätten dann die Eltern noch ein Wahlrecht?

CGS















*) = Förderquoten

Die „Exklusionsquote“ für Schleswig-Holstein betrug lt. Überblick der Friedrich-Ebert-Stiftung 2,2 %. Die Inklusionsquote lag bei 4,1 %. Eigener Beitrag dazu.



Quellen:

Bericht der Landesregierung
Schulische Bildung in Schleswig-Holstein 2017
Ministerium für Schule und Berufsbildung
Drucksache 18/5280


Kreis Pinneberg
„Neues Modell für Schulbegleitungen wird eingeführt“
Projektarbeit im Rahmen der Qualitätsentwicklung schulischer Unterstützungssystem (QSUS)
Pressemitteilung vom 2.7.2018



Notiz:

Die Verbände der Leistungserbringer für solche sozialen Dienste könnten jetzt noch schnell eine Muster-Leistungsvereinbarung entwerfen, mit denen andere potentielle Dienste, die ein Interesse daran haben mitzuwirken, zu Verhandlungen auffordern.




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