Es gibt
verschiedene Formen von Kalkulationsmodellen, mit denen in einer Arbeitsgruppe
„AG Kalkulation“ der Vertragskommission (VK SGB XII) die pauschalen
Fortschreibungssätze erarbeitet werden. Im ersten Teil dieser Mini-Serie wurde
beschrieben, wie auf einfache Weise ein Kompromiss erzielt werden kann. Im
jetzigen zweiten Teil änderte sich der Parameter für den Leistungsumfang. Im
dritten Teil folgen nun die Kritik und das Fazit.
Vorrangig ging es um die Einführung einer neuen
Leistungsstufe (oder Hilfebedarfsgruppe), bei der die Seite der Leistungsträger
eine Reduzierung des Gesamtbudgets erwartete (im ersten Beispiel betrug der
Anteil 5 % vom Vorjahres-Budget, im zweiten Beispiel dann 20 %). Dagegen
verlangte die Seite der Leistungserbringer, dass zuerst einmal der erwartete
Kostenanstieg refinanziert wird (6 %).
Beide Seiten stimmten darin überein, dass eine
differenzierte Ausgestaltung von Leistungsformen nötig geworden war (Stichwort:
Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe, o.ä.).
Beide Seiten stimmten auch darin überein, dass die
Finanzierbarkeit der Leistungserbringung gesichert bleiben muss – in der Praxis
hört es dann aber mit der Übereinstimmung auf, denn die Leistungsträger
verstehen unter Finanzierbarkeit sinkende Steuereinnahmen und erwarten von den
Leistungserbringern einen Finanzierungsbeitrag; umgekehrt erwarten die
Leistungserbringer, dass ihre prospektiven Gestehungskosten gedeckt werden,
damit auch die Angebotsstrukturen erhalten bleiben. Gerne betont man in solchen
Gesprächen auch, dass man sich auch als Fürsprecher der behinderten Menschen
versteht, aber solche Äußerungen sind nicht zielführend.
Um doch noch zu einem Abschluss zu kommen, musste ein
Interessenausgleich erfolgen. Zuerst wurde ein simples Kompromiss-Modell
entwickelt, welches nur im geringen Umfang das alte Leistungsangebot anpasste,
gleichzeitig eine Refinanzierung des erwarteten Kostenanstiegs anteilig
zusicherte. Zusätzlich stellte man in Aussicht, das neue niedrigschwellige
Leistungsangebot auszuweiten bei gleichzeitiger Anpassung der einzelnen,
trägerindividuellen Budgets, dabei sollten Bandbreiten ausgenutzt werden, in
denen eine Leistungserbringung erfolgte ohne Auswirkungen auf das zu zahlende
Budget (Korridorlösung).
Im zweiten Beispiel, mit einem viel höheren
Anpassungsbedarf beim Leistungsangebot, sollte die Festschreibung des
Vorjahres-Budgets einen kontinuierlichen Anpassungsprozess ermöglichen.
Andernfalls hätte die sofortige Umsetzung einen gehörigen Einschnitt für die
Leistungserbringer bedeutet, was womöglich die Trägerlandschaft und die damit
einhergehenden Angebote verworfen hätte (Konvergenzphase).
Was heißt das nun?
Grundsätzlich müssen beide Seiten ein gemeinsames Ziel
formulieren und an den Parametern arbeiten, die so zu ändern sind, damit das
gemeinsame Ziel erreicht werden kann. Die richtigen Parameter zu finden ist
allerdings entscheidend. In den vorgenannten Beispielen waren es nur zwei, doch
es gibt Kalkulationsmodelle mit weit mehr Stellschrauben (vgl. dazu auch meine
Diskussion zum Thema Neues Zeitbasiertes Kalkulationsverfahren). Ohne die
Akzeptanz des Ziels und der Parameter, wird es auch keine Akzeptanz bezüglich
des Ergebnisses geben. Vielmehr werden einzelne Träger, die sich übergangen
oder schlecht repräsentiert fühlen, offenen Widerstand leisten und damit den
gesamten Entwicklungsprozess gefährden.
Folgende Möglichkeiten sollte man in Betracht ziehen:
Nicht jeder Leistungserbringer ist gleichermaßen von den
Veränderungen in der Angebotsstruktur betroffen. Manche Träger haben eine
geringe Exposition, weil z.B. in ihrer Region kaum Bedarfe für
niedrigschwellige Angebote vorhanden sind. Sie können nach Überschreiten der
gesetzten Bandbreiten Nachberechnungen vornehmen (weil es z.B. eine
Überschreitung bei den Mengen gegeben hat). Andere Träger haben eine hohe
Exposition und müssten mit weiteren Erlösrückgängen rechnen.
Nicht jeder Leistungserbringer erhält den gleichen
Stundensatz (Vergütung). Sehr wahrscheinlich bilden die drei Komponenten
Grundpauschale, Maßnahmepauschale und Investitionsbetrag (§ 76 Abs. 2 SGB XII)
die zuzuordnenden Kostenarten nicht mehr adäquat ab, weil sie seit langem immer
nur pauschal fortgeschrieben und nicht mehr einzeln verhandelt wurden. Mit
anderen Worten: das Verhältnis
untereinander stimmt nicht mehr, so dass sich die drei Komponenten
„gegenseitig“ ausgleichen bzw. decken müssen.
Nicht jeder Leistungserbringer könnte mit der neuen
Angebotsstruktur seine Kosten decken.
Die meisten Vergütungssätze bilden lediglich einen Durchschnitt der
Gesamtkosten ab, ohne wirklich das Verhalten der Kosten bei unterschiedlichen
Auslastungsgraden zu berücksichtigen. Es gibt Kostenarten, die sich fix,
sprungfix oder variabel verhalten, die indirekt oder direkt im Zusammenhang mit
der Leistungserbringung stehen.
Nicht jeder Leistungserbringer kann seine
Personalstruktur flexibel gestalten. Die Aussprache von betriebsbedingten
Kündigungen kann langjährige Gerichtsverfahren nach sich ziehen. Ebenso können
Leistungserbringer Personalkosten nicht dadurch senken, dass sie einen
Tarifaustritt vollziehen. Der Austritt aus einem Tarifvertrag „friert“
gewissermaßen die Gehälter ein, bewirkt aber keine Kostenreduktion.
Nicht jeder Leistungserbringer kann fachlich einer
Entscheidung des Sozialhilfeträgers zur Einführung einer neuen Stufe folgen. Da
in wahrscheinlich allen Fällen eine systematisierte Form der Bedarfsbemessung
fehlt, wird es immer Kritik an der Ausgestaltung der Stufen geben. Auch bei der
Zuordnung der Leistungsberechtigten zu den einzelnen Stufen könnte es Probleme
geben, weil nicht der Leistungserbringer den Leistungsberechtigten vor der
bewilligenden Stelle vertritt – das ist schließlich Sache des
Leistungsberechtigten selber bzw. seines rechtlichen Betreuers.
Nicht jeder Leistungserbringer kann gesellschaftsrechtlich
sein Angebot erweitern. Trägerindividuelle Besonderheiten können dem
Strukturwandeln entgegenstehen.
Den Strukturwandel zu gestalten heißt, bestehende
Leistungsvereinbarungen aufzukündigen und neu zu verhandeln. Dieser Prozess
kann sehr viel Zeit veranschlagen und Ressourcen auf allen Seiten dauerhaft
binden.
Leistungsvereinbarungen blind aufzukündigen zwingt zwar
alle Beteiligten an den Verhandlungstisch, doch tragfähige Lösungen können
nicht mit brachialer Gewalt durchgesetzt werden; sie müssen gemeinsam
entwickelt und umgesetzt werden.
Fazit:
Allem überzuordnen wäre vorrangig die Frage, ob mit jedem
neuartigen Kalkulationsmodell eine personenzentrierte Bedarfsdeckung erfolgt.
Vielfach sind Kalkulationsmodelle erschaffen worden, um haushaltspolitische
Erwägungen zu berücksichtigen. Wenn Gruppen von Leistungsberechtigten gebildet
werden, ist der Ressourceneinsatz über die ermittelten Vergütungen tatsächlich
abgedeckt? Oder verhindern die Vergütungssätze gar eine ausreichende, am
konkreten Einzelfall auszurichtende Bedarfsabdeckung? Lässt sich über
Korridorlösungen eine Vereinfachung erreichen?
Je größer die Verwerfungen auf der Seite der einzelnen
Leistungserbringer sein können, desto großzügiger muss mit einer Übergangs-
oder Konvergenzphase gearbeitet werden. Nicht zuletzt kann es auch nicht im
Sinne der Sozialpolitik sein, die Trägerlandschaft auszudünnen.
CGS
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