Sonntag, 18. Oktober 2015

Der Mindestlohn als Refinanzierungsproblem (Teil 1)

Das Thema Mindestlohn zieht sich quer durch die Sozialwirtschaft. Das Problem ist hier, dass in vielen Einrichtungen Bereitschaftsdienste vorgehalten werden, die nun aufgrund der neuen Regelungen mit dem „Mindestlohn“ pro Zeitstunde entgolten werden müssen. Bisher gab es Regelungen, nach denen nicht die volle Zeitstunde für die Entgeltberechnung zugrunde gelegt wurde, sondern lediglich ein prozentualer Anteil (z.B. 25 %) davon. Durch das Mindestlohngesetz (MiLoG) ändert sich dies nun offenbar.

Nach § 7 des TVÖD-B-VKA wird Bereitschaftsdienst von Beschäftigten geleistet, „… die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen.“ Es handelt sich also um eine Sonderform der Arbeit, die also auf besondere Weise vergütet wird.

In § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz - MiLoG) steht: „Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.“ Die Höhe des Mindestlohns beträgt seit dem 1. Januar 2015 brutto 8,50 Euro je Zeitstunde (Abs. 2 Satz 1). Der Begriff der Zeitstunde ist im Gesetz nicht weiter definiert worden, so dass man davon ausgehen muss, dass tatsächlich eine 60 minütige Zeitdauer gemeint ist.

In § 8.1 TVÖD-B-VKA (bzw. § 46 BT-B-VKA) findet sich dagegen eine Vereinbarung zwischen den Tarifpartnern, wonach die während des Bereitschaftsdienstes geleistete Arbeitszeit nur anteilig als Arbeitszeit bewertet wird. In Absatz 1 lit. a) finden sich demzufolge verschiedene Stufen mit Faktoren, die von 15 % bis 55 % reichen. Wenn also ein Beschäftigter 10 Stunden Bereitschaftsdienst leistete, wurden 1,5 bis 5,5 Stunden, je nach betrieblicher Vereinbarung, mit dem entsprechenden Stundensatz für eine reguläre Zeitstunde vergütet. Auch nicht tarifgebundene Unternehmen haben sich eine solche Verfahrensweise zu eigen gemacht und vergüten i.d.R. 25 % einer regulären Zeitstunde für jede Stunde Anwesenheit während des Bereitschaftsdienstes.

Beträgt der Stundenlohn für eine reguläre Zeitstunde 20,00 Euro, würde der Stundenlohn während des Bereitschaftsdienstes auf 5,00 Euro sinken – also unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns. Wenn an jedem Tag des Jahres in der Zeit von 21 Uhr bis 6 Uhr des Folgetages Bereitschaftsdienst z.B. in einer stationären Wohngruppe von einer Person zu leisten wäre, würden sich jetzt noch, nach der alten Rechnung, Bruttolohnkosten von (3 + 6) Stunden x 20,00 Euro x 25 % x 365 Tage = 16.425 Euro ergeben; in Zukunft wären es dann aber (3 + 6) Stunden x 8,50 Euro x 365 Tage = 27.922,50 Euro.

In Tarifverträgen wurde vielfach auch ein Zeitzuschlag pro Anwesenheitsstunde gezahlt, der bei allen Berechnungen ebenfalls zu berücksichtigen wäre. Er müsste sogar berücksichtigt werden, weil im MiLoG keine Differenzierung vorgenommen wurde, aus welchen Bestandteilen ein Stundenlohn bestehen muss. Geht man von einem Zeitzuschlag von 15 % aus, würde der Stundenlohn von 5,00 Euro auf (20,00 x 15 %) + 5,00 Euro = 8,00 Euro steigen. Von daher würde sich das Problem reduzieren auf die Differenz zwischen Mindestlohn und tatsächlich gezahltem Stundenlohn.

Ein wenig erinnert dieses Problem an ein EuGH-Urteil zur Gleichstellung von Bereitschaftszeit mit Arbeitszeit. In der Folge verhandelten die Tarifpartner darüber, dass Bereitschaftszeit anders zu entlohnen und zu bemessen ist, aber sich dennoch in den Kontext der Arbeitszeitgesetze einfügt, ohne eine Kostenexplosion zu verursachen.

CGS




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