In meinem
letzten Beitrag hatte ich mich ein wenig über die Leistungsbescheide der
Hamburger Sozialbehörde an Menschen mit dem Bedarf an
Eingliederungshilfe-Leistungen ausgelassen. Man kann mit diesen allerdings
recht wenig anfangen, weil das, was da drin steht, nicht viel aussagt. Was so
fehlt, sind Informationen zu den bewilligten Leistungen – was genau erbracht
werden soll und in welchem Umfang. Wozu braucht man also diese
Leistungsbescheide? Was gibt es sonst noch?
Der
Leistungsbescheid gibt zwar Auskunft, von wann bis wann die Behörde gedenkt,
die Kosten für die Leistungserbringung zu übernehmen, und auch darüber wie hoch
diese Kosten ausfallen dürfen, doch was genau gemacht werden soll, das fehlt. (Und
zudem werden diese Bescheide von der Hamburger Sozialbehörde aus
datenschutzrechtlichen Gründen nicht an die verschickt, welche eine
Hilfeleistung erbringen sollen; das nur am Rande).
Benötigt
wird ein Plan zur Förderung des hilfebedürftigen Menschen
Es
muss ein Plan aufgestellt werden darüber, was zu tun ist. Und vorher muss man
hinterfragen, was benötigt wird. Die Deckung des Bedarfs wird also zum Ziel für
die individuelle Hilfebedarfsdeckung.
Ziel
soll sein, individuelle Hilfebedarfe zu benennen und Hilfen bereitzustellen.
Dies geschieht aus dem Wissen heraus, dass alle Behinderungen und persönlichen
Bedarfe auf Teilhabe sehr unterschiedlich ausfallen. Von daher muss sich
derjenige, welcher es sich zur Aufgabe gemacht hat, einen hilfebedürftigen
Menschen zu helfen, herausfinden, was benötigt wird.
Diese
Aufgabe obliegt dem Staat, der dafür wiederum speziell geschulte Fachkräfte
beschäftigt. In vielen Publikationen spricht man von „Case Managern“ bzw.
Fallmanagern. Das Fallmanagement wird dabei als ein Instrument der
Systemsteuerung verstanden, weil es übergreifend eingesetzt werden soll und die
angemessene, benötigte Hilfeleistung beschreiben soll. Was von einem
Fallmanager ermittelt wird, soll dann in einer Unterlage zusammengefasst
werden. Erwarten sollte man, dass zwar die wesentlichsten Aspekte und die
verantwortlichen Stellen bzw. die geeignetsten Leistungserbringer darin
angegeben werden.
In
vielen Bereichen der Sozialhilfe gibt es hierzu sogenannte Leistungsabsprachen
(§ 12 SGB XII). Diese sollen sich nach Möglichkeit vor Beginn der
Leistungsaufnahme und auf die spezielle Situation der hilfebedürftigen, sich in
der Notlage befindlichen Person beziehen. Die Leistungsabsprache ist
schriftlich zu erstellen und dient der Dokumentation aller Entscheidungsgründe.
Zudem soll ein Plan zur Förderung aufgestellt werden, damit auch ein gewisses
Maß an Selbsthilfe angeregt wird. Allerdings fehlt es bei der
Leistungsabsprache an der Hinzuziehung weiterer Stellen (vgl. § 58 Abs. 2 SGB
XII), was wiederum für Menschen mit einer wesentlichen Behinderung wichtig ist.
Der
Leistungsabsprache vor geht dagegen der Gesamtplan (§ 58 SGB XII). Die Behörde,
als Herrin des Verfahrens, erstellt diesen „so frühzeitig wie möglich“ (Abs. 1)
und erlaubt es dem behinderten Menschen (als Leistungsberechtigten) wie auch
die „sonst im Einzelfall Beteiligten“ (Abs. 2) daran mitzuwirken. Letztere sind
vornehmlich andere Behörden und Vertreter von diesen, weniger diejenigen, die
später die Leistung tatsächlich erbringen müssen; doch es können auf Wunsch des
Leistungsberechtigten auch Dritte und Vertrauenspersonen zur
Gesamtplankonferenz eingeladen werden.
Weil
in diesen beiden Punkten immer von einem frühen Zeitpunkt für die
Planerstellung gesprochen wird, vertreten manche in der Behörde sogar die
Auffassung, erst mit der Einleitung beginnt die staatliche Leistungspflicht. Es
gibt auch die Auffassung, dass erst mit Abschluss oder sogar mit der
Unterschrift des Leistungsberechtigten auf der Unterlage die Leistungspflicht
beginnt. Und vorher nicht.
Der
Gesamtplan als verbindlicher Vertrag für die Leistungserbringung oder
Kooperation?
Der
Gesamtplan soll ebenfalls zum Ziel haben, die Mitwirkung des Hilfebedürftigen zu
„aktivieren“. Man kann sicherlich glauben, dass hier eine Art „Vertrag“
erarbeitet wird, in dem die Bedarfe und die Leistungsversprechen miteinander
gekoppelt werden. Dadurch könnte eine Kooperation gelingen, was aber dennoch als
sehr abstrakt anzusehen ist.
Was
nicht passieren darf, ist eine Verhaltenssteuerung. Weil vielleicht manche
bedarfsdeckende Leistungen als „zu teuer“ und „unangemessen“ gelten, kann hier
eine Drucksituation während der Gesamtplankonferenz entstehen. Der
hilfebedürftige Mensch könnte dann anderen Vorschlägen zustimmen, weil man ihn
dazu unterschwellig drängt. Unter Umständen entsteht dann eine die Würde
verletzende, nicht wertschätzende Situation für den Menschen in seiner Notlage.
Mit
Abschluss einer solchen „Vereinbarung“ überträgt sich sozusagen eine
Verbindlichkeit auf die Beteiligten, die dann schnell zu einer
unverhältnismäßigen Verhaltenskontrolle führen kann; schließlich hatte man per
Unterschrift diesen Gesamtplan-Vertrag angenommen und die Bedingungen
akzeptiert, könnte man denken. Von daher könnte ein Dritter beteiligt werden – zum
Beispiel derjenige, welcher die Leistung letztlich erbringen soll oder eine
Vertrauensperson – damit ein „Behüter des Schutzraums“ über mögliche
Forderungs-Gedanken wacht.
Der
Gesamtplan ist kein Verwaltungsakt, dem man widersprechen kann
Weder
der Gesamtplan noch die Leistungsabsprache mit dem Förderplan stellen
Verwaltungsakte dar, gegen die wirksam widersprochen werden kann. Es sind
allenfalls erläuternde Unterlagen, die eine voraussetzende Grundlage für den
Leistungsbescheid darstellen. Der Leistungsbescheid selber beinhaltet Angaben
zum Leistungszeitraum und Kosten der Leistungsübernahme. Häufig genug findet
man auch eine Entscheidung darüber, welche Kostenbeteiligung vom
Leistungsberechtigten erwartet wird. Und dann natürlich auch, welcher
Leistungserbringer beauftragt ist, den Gesamtplan (oder die Leistungsabsprache),
vielleicht auch nur in bestimmten Teilen, umzusetzen.
Zusammengefasst handelt
es sich hier um rein vertragliche Aspekte, welche in Verbindung stehen mit
Vereinbarungen gem. § 75 Abs. 3 SGB XII. Weil diese im Gesamtplan (oder der
Leistungsabsprache) fehlen, kann ein Leistungsberechtigter gerichtlich nur eine
Überprüfung des Gesamtplans verlangen kann, wenn ein Ermessensfehler vermutet
wird (vgl. Bieritz-Harder in LPK-SGB XII, 8. Auflage, Rz. 4 zu § 58 SGB XII).
Damit
ein solcher Ermessensfehler nicht unterstellt werden kann, braucht der
Leistungsträger eine gute Dokumentation, aus der die Entscheidungsgründe und
die Zielsetzungen abgelesen werden können – dies ist auch hilfreich, wenn es
hinter den Kulissen um die Kostenbeteiligung anderer „vorrangiger“
Leistungsträger geht. Ist die Dokumentation nicht schlüssig, ergibt sich eine
Unklarheit, die angreifbar wäre.
Nun
muss man allerdings einräumen, dass für eine solche Überprüfung eine gewisse
Kompetenz benötigt wird; ein Fachwissen, mit dem man einen zielführenden
Gesamtplan fordern könnte. Ein solches Fachwissen hätte zwar ein
Leistungserbringer, doch dafür müsste dieser den Gesamtplan von der Behörde erhalten.
Und dies geschieht nur, wenn der Leistungsberechtigte vorab dem zugestimmt hat
– per Unterschrift. In der Praxis wird diese „bürokratische Hürde“ auch mal
nicht beachtet, weil man sich einig darüber ist, dass die Inhalte nur vorläufig
sind.
Was
im Gesamtplan weiterhin enthalten sein sollte, ist eine Bestimmung des
mengenmäßigen Leistungsbedarfs – oder mit anderen Worten: wie viele Betreuungs-
und sonstige Leistungsstunden bewilligt werden. Das findet man allerdings
nicht, weil nicht die Leistungsmenge im Vordergrund steht, sondern die
effektive Hilfebedarfsdeckung.
Was
man stattdessen finden sollte, ist ein Intensitäts-Grad der Leistungserbringung
oder welches Ziel vorrangig zu erreichen ist. Mit diesem Gradmesser sind nicht
Untersuchungsbefunde, medizinische Diagnosen und Teilhabemöglichkeiten gemeint.
Es soll vielmehr ein sogenanntes „Assessments der Situations- und
Bedarfsanalyse“ vorliegen, in dem konkrete Arbeitsschwerpunkte und Ziele
benannt werden. Häufig bedient man sich bestimmter Systematiken (z.B.
Metzler-Verfahren), in denen verschiedene Fragestellungen (sog. Items) mit
Punkten bewertet werden – frei nach dem Motto: je mehr Punkte, umso höher der
Intensitäts-Grad, umso höher die Hilfebedarfsgruppe bzw. Leistungsstufe.
Braucht
es dann noch Leistungsbescheide?
Man
könnte nun sagen, dass der Gesamtplan damit den Leistungsbescheid obsolet
macht. Doch es muss beide Unterlagen geben, weil sonst die Gefahr der
effektiven Leistungsverweigerung aus Kostengründen entsteht. Im Gesamtplan enthalten
sind die Hilfearten und die Leistungsmengen (verklausuliert als Punkte), im
Leistungsbescheid stehen dagegen die Kosten der Maßnahmen. Wäre beides in einem
Dokument, könnte schnell der Verdacht aufkommen, Leistungen und Bedarfe sind
„geschönt“ worden, damit es nicht so viel kostet.
Der
Fallmanager kann basierend auf den erarbeiteten Schwerpunkten der Hilfebedarfe
und somit auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls eine
passende Ressource bzw. ein entsprechendes Leistungsangebot ausfindig machen.
Noch bis zu dieser Stelle im Verfahren dreht sich alles um die Deckung des
Hilfebedarfs, es geht nicht um die Kosten. Und ab jetzt, weil Umfeld und
Angebot stimmen, Zugänglichkeiten und Barrierefreiheit gegeben sind, und weil
ein freier Platz vorhanden ist, erfolgt die Auswahl des möglichen
Leistungserbringers. Dann vollzieht sich der Verwaltungsakt und es wird ein
Leistungsbescheid mit Nennung des jeweiligen Leistungserbringers, der Kosten
und des Zeitraums versendet – am Ende mit der obligatorischen
Rechtsbehelfsbelehrung.
Der
Gesamtplan kann sich inhaltlich und in Bezug auf seine Ziele jederzeit ändern.
Gerade wenn ein Teil-Ziel erreicht worden ist, entfällt der Grund für die
Leistungserbringung in diesem Aspekt. Damit aber dann das übergeordnete Ziel
nicht gefährdet wird, braucht es einen weiterhin gültigen und bestehenden
Leistungsbescheid. Auch wenn dieser Klauseln erhält, welche die Bestandskraft
„automatisch“ außer Kraft setzen, im Leistungsbescheid fehlt es an konkrete
genannten Zielen und Aufgaben. Vielmehr muss es dann eine neue
Gesamtplankonferenz geben, die dann zu einem neuen Leistungsbescheid führen
würde.
Das
System Gesamtplan und Leistungsbescheid hilft. Es handelt sich zudem um ein
Verfahren, dass auch in anderen Problemstellungen so zur Anwendung kommt.
CGS
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