Sonntag, 16. Juli 2017

Die Einkommensgrenze im SGB XII - Oder ab welchem Einkommen man beteiligt wird an den Kosten

Zukünftig wird es vielleicht immer mehr leistungsberechtigte, behinderte Menschen geben, die einen Kostenbeitrag (als Eigenbeteiligung) entrichten müssen. Ein solcher wird dann fällig, wenn das ermittelte, anrechenbare Einkommen eine bestimmte Einkommensgrenze übersteigt. Getreu dem Prinzip, dass Sozialhilfe nachrangig zu leisten ist, muss man allerdings einen Weg finden, ein Einkommen wenigstens anteilig hinzuzunehmen. Andererseits ist es aber ebenfalls wichtig, einige unabwendbare Aufwendungen zu berücksichtigen. Schließlich muss sich Sozialhilfe, als Leistung zur Überwindung einer Notlage, grundsätzlich nach den persönlichen Besonderheiten richten. Darum kann man schon jetzt sagen, dass die Kostenbeteiligung bei jedem verschieden ausfällt.

+++ Nachtrag vom 4.11.2019 +++

Zum Thema Unterhaltsrückgriff / Verwandtenrückgriff gibt es ab sofort ein paar Beiträge. Bitte schauen Sie hier weiter.

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Was ein Einkommen ist

Was ein Einkommen ist, findet sich definiert in § 82 SGB XII. Doch man kann schon jetzt davon ausgehen, dass darunter sehr viele Einkunftsarten fallen: z.B. Urlaubsgeld, Jahressonderzahlungen, Versorgungsbezüge und diverse Renten. Nicht zu vergessen sind Kapitalerträge; klingt absurd, aber es gibt manchmal sehr erstaunlich vermögende Antragsteller. Von den Einkünften abgrenzen sollte man tunlichst Privat-Darlehen – es gibt nämlich Fälle, in denen bei einer Einmal-Zahlung die Behörde einen dauerhaften Unterhalt angenommen hatte und die Ernsthaftigkeit der Schuldentilgung anzweifelte. Solche Privat-Darlehen sollten formal vereinbart werden und sich auf eine klar bestimmbare Anschaffung beziehen (z.B. Kühlschrank, Bett).

Welche Aufwandsarten anerkannt sind

Dagegen abzusetzen sind drei Aufwandsarten nach § 85 SGB XII. Zuerst einmal wird ein Grundbetrag ermittelt, der sich aus dem zweifachen der RBS 1 ergibt. In 2017 lag der RBS 1 bei 409 Euro, so dass sich 818 Euro für die Anerkennung ergeben. Es ist aber so, dass nach § 86 SGB XII die Träger der Sozialhilfe bzw. die Länder einen höheren Grundbetrag für bestimmte Arten der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel der Einkommensgrenze festlegen können. Somit könnte je nach beantragter Leistung ein anderer Betrag, als der, der in § 85 Abs. 1 Ziff. 1 SGB XII berechnet werden soll, angesetzt werden.

Weiterhin werden Aufwendungen für die Unterkunft herangezogen, wobei hier eine Prüfung der Angemessenheit stattfindet. Eine solche Prüfung berücksichtigt die Besonderheiten des Einzelfalls. Was diese Besonderheiten sind, muss man in § 35 SGB XII und fortführend herauslesen. Nun kann es aber sein, dass der Träger der Sozialhilfe eine Pauschale für „angemessene“ Mietkosten verwendet. Eine solche Pauschale kann tatsächliche unterhalb der örtlichen Mietkosten liegen. Um eine Kürzung zu verhindern bzw. eine niedrigere Anerkennung abzuwenden, müssen die Besonderheiten im Lebensumfeld oder bezogen auf die Wohnung herausgearbeitet werden. Dazu zählen würde ich z.B. die (Un-) Zumutbarkeit eines Wohnungswechsels, die erreichte Integration im Umfeld und/oder ein ggf. vorhandenes Schutzbedürfnis. Wenn dennoch der Träger der Sozialhilfe auf Anwendung der Pauschale besteht, sollten die Besonderheiten an späterer Stelle (siehe gleich weiter unten) zur Anwendung kommen. Es darf aber nicht passieren, was schon sehr viele Kritiker des BTHG eingebracht haben, dass der Wohnungswechsel in eine Heimunterbringung seitens des Leistungsträgers damit "forciert" wird.

Ein dritter Betrag für die Anrechnung nennt sich Familienzuschlag und soll Unterhaltskosten in Höhe von 70 % der RBS 1 abdecken. Aktuell könnten somit maximal 286,30 Euro mit angerechnet werden; faktisch handelt es sich allerdings um einen durchlaufenden Posten.

Was die Einkommensgrenze ist

Alle drei Aufwandsarten bilden in Summe die Einkommensgrenze. Das zuvor ermittelte anrechenbare Einkommen wird um diese Einkommensgrenze gemindert und das Ergebnis dann faktorisiert bzw. es kommt zu einem anteiligen Einsatz des Einkommens. Hierzu muss der Leistungsträger beachten, dass "die Aufbringung der Mittel in angemessenem Umfang zuzumuten" ist (§ 87 Abs. 1 S. 1 SGB XII). Dies bedeutet konkret, dass ein Abschlag zur persönlichen Verfügung angesetzt werden muss. Wie hoch dieser Abschlag ausfällt oder mit welchem Wert die Berechnung des einzusetzenden Einkommens erfolgen soll, wird landesrechtlich unterschiedlich definiert sein. Wichtig zu wissen, die individuellen Besonderheiten, wenn sie nicht schon berücksichtigt wurden, können hier den Faktor für die Ermittlung des anteiligen Einkommens nochmal mindern.

Wenn also vom Träger der Sozialhilfe pauschal ein Faktor von z.B. 70 % für eine alleinlebende Person angewendet werden soll, könnte eine weitere Absenkung verhandelt werden. Bei bestimmten Leistungsberechtigten ist zudem der Einsatz des Einkommens vom Gesetzgeber mit einer Obergrenze versehen worden. So ist für Pflegebedürftige oder sehbehinderte Menschen der Einsatz des Einkommens "in Höhe von mindestens 60 vom Hundert nicht zuzumuten" (S. 3) – d.h. maximal 59 %.

Welche Konsequenzen dies für den Leistungserbringer hat

Für Leistungserbringer kann ein solcher Kostenbeitrag bzw. eine Eigenbeteiligung bedeuten, dass nun zwei Rechnungen verschickt werden müssen - also einmal an den Träger der Sozialhilfe und dann zusätzlich noch an den Leistungsberechtigten persönlich. Der Leistungsberechtigte ist Selbstzahler in Höhe seines Kostenbeitrags, so dass damit die Bewilligung des öffentlichen Leistungsträgers begrenzt ist.

Nochmal: Man muss diese Begrenzung wie eine Selbstbeteiligung verstehen, so dass Kosten bis zu dieser Höhe vom Leistungsberechtigten selbst getragen werden müssen. Alle Hilfen darüber hinaus, werden vom Träger der Sozialhilfe übernommen – soweit es sich um Leistungen gem. Gesamtplan handelt.

Endet die Leistungserbringung, dann richtet sich die letzte Abrechnung von Leistungen bis zur Höhe der Eigenbeteiligung an den selbstzahlenden Leistungsberechtigten. Erst danach, sozusagen nachrangig, ist der Träger der Sozialhilfe zur Kostenübernahme verpflichtet (§ 2 Abs. 1 SGB XII).

CGS



Quellen:

Fachanweisungen der Stadt Hamburg zur Anwendung der Einkommensgrenze, §§ 85 – 89 SGB XII

Tableau der Regelbedarfssätze – Anhang zu § 28 SGB XII



Notizen:

In der Praxis der Kostenabrechnung stellt sich in diesen Fällen die Frage, wie man eine Leistung in solchen Fällen abgerechnet bekommt – immerhin kann auch nur für eine Leistung ein Rechnungsempfänger ausgewählt werden. Wenn programmseitig keine andere Handhabung möglich ist, empfiehlt sich die Einrichtung der Kostenbeteiligung als zwei weitere Abrechnungsfaktoren.

In Leistungsbescheiden der Hamburger Sozialbehörde finden sich die Berechnungen auf dem vorletzten Blatt. Leistungsberechtigte und ihre rechtlichen Betreuer sollten umgehend Rücksprache nehmen mit dem Sachbearbeiter vor Ort, wenn diese Berechnungen nicht nachvollziehbar erscheinen.

Für viele ist es ein Problem, die mehrseitigen und häufig im Jahr erscheinenden Leistungsbescheide der Hamburger Sozialbehörde zu verstehen. In den meisten Fällen werden diese Leistungsbescheide deswegen neu erstellt, weil sich einige Beträge geändert haben. Auf der ersten Seite steht dann: "Die Einkommensberechnung hat ergeben, daß ein Kostenbeitrag entrichtet werden muss." - wird aber dennoch immer übersehen. 





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