Sonntag, 23. Juli 2017

Regelschule oder Förderschule - Inklusion oder Exklusion

Es gibt Fragen, die wohl in vielen Familien sehr viel Zeit beanspruchen und Ressourcen binden. Natürlich kann man den Aufwand, der da betrieben wird, als übertrieben abkanzeln und belächeln. Es scheint aber so zu sein, dass heutzutage, mehr denn je, viele Eltern sich intensiv mit den Angeboten an Schulen und in den Schulen auseinandersetzen. Man will schließlich nur das Beste für das eigene Kind.

Doch es handelt sich nicht um eine Besonderheit bei Eltern von behinderten Schulkindern. Es gibt genügend Beispiele von anderen, die sich auf Elternabenden scheinbar endlos über die Gestaltung eines Klassenfestes auslassen können. Solche Diskussionen sind trivial im Vergleich zu den Fragestellungen, die Eltern von behinderten Kindern beantworten müssen. Was denen so begegnet, was andere so manches Mal von sich geben, ist keineswegs trivial, sondern gibt Anlass zur Sorge.

Die Ausgangsfragen lauten:
Förderschule oder Regelschule? Wo soll das schulpflichtige Kind nun hinkommen?

Mit diesen Fragen zermartern sich viele Eltern von behinderten Kindern wirklich den Kopf. Das ist aber auch gut so, denn es zeigt, dass sich diese Eltern um ihre Kinder und deren Zukunft sorgen. Viel schlimmer wäre es, wenn sie sich überhaupt nicht kümmern würden.

Doch es sind dann auch Sorgen, die ausgehalten werden müssen, die ein miteinander sehr schwierig machen. Und weil die berühmte Glaskugel fehlt, wissen die Eltern nicht, ob sie ihrem Kind eine Überforderung zumuten oder ihm schlichtweg seine Zukunft verbauen (denn die Förderschule versucht nur „lebenspraktische Kenntnisse“ zu vermitteln).

Problem im System

Genau hierin liegt ein Problem im System. Wünschenswert wäre es, wenn die Grundschule eine Fortsetzung des Kindergartens wäre und die weiterführenden Schulformen eine Fortsetzung der Grundschulzeit bedeuten würden. Leider ist das aber nicht so. Leider muss man einen Bruch sehen in den jeweiligen Übergängen, an dem viele Kinder erst einmal scheitern. Gerade behinderte Kinder brauchen immer ein wenig mehr Schutzzone und Orientierung, um am neuen Lernort „anzukommen“. Mit Hilfe der Schulbegleiter oder Integrationsassistenten kann dies ganz gut gelingen, wenn diese ein gewisses Maß an Kompetenz und Geduld mitbringen können. Eine weitere Stütze sind Pädagogen und Sonderpädagogen, die gemeinsam die Aufgaben für das Kind besprechen, auswählen, prüfen und erneut besprechen. Ebenfalls wichtig sind die Bemühungen der Schulverwaltung und der Schulbehörde, ein inklusives Lernumfeld zu schaffen, damit eine Motivation zum Lernen entsteht.

In den vergangenen Jahren gab es viel Streit in Schleswig-Holstein um die Bewilligung von Schulbegleitungen. Landkreise sahen die Pflicht hierfür bei den Schulen, die wiederum hatten keine Ahnung von den Teilhabe-Einschränkungen der Kinder. Zwar versuchte man dann auf ministerieller Ebene mit den Schulassistenten eine Notlösung herzustellen, doch eine wirkliche Systemänderung ist damit nicht gelungen. Noch immer müssen Eltern darum kämpfen, dass Schulbegleitungen bereitgestellt werden.

Privat geführte Schulen, sei es Waldorf, Montessori oder sonstige Konzeptformen, scheuen die Aufnahme von Kindern mit Einschränkungen. Und auch bei den staatlichen Schulträgern muss man leider immer wieder erleben, dass ihre Leitungen die Kinder abgeschoben sehen wollen in die Förderschulen. Es scheint, dass man ein Absinken des Leistungsniveaus in den Klassen befürchtet, wenn ein behinderter Mensch dort sitzt und – stört?

Eltern und Lehrer sehen eine Gefahr

Auch viele Eltern sehen die Hochbegabung ihrer Kinder in Gefahr, wenn so ein anderes Kind in der Klasse ist. Natürlich ist man gegen „Diskriminierung“ – das ist schließlich selbstredend. Doch weil es um die Zukunft der „normalen“ Kinder geht, muss man doch eine Ausgrenzung ansprechen dürfen – oder? Man will doch nichts Schlimmes! Immerhin kann so ein andersartiges Kind nicht mit dem hohen Lerntempo der Klasse mithalten – es wäre überfordert!

Gegen die Doppeldeutigkeit so mancher gutgemeinter Ansichten (Ambiguität) kann man schwer angehen – mit Logik ist kaum etwas auszurichten, wenn das Denken sich ausschaltet. Überspitzungen (Pointierungen) können helfen, weil dann die Gut-Menschen sich bewusst werden (können), dass sie gerade spezielle Anstalten für die Konzentration von bestimmten Menschen favorisieren. Ist das eine lebenswerte Gesellschaft?

Überfordert fühlen sich auch viele Lehrer. Wie soll man Kindern mit einem nicht vorhandenen oder stark beeinträchtigten Lernverhalten und gemindertem Konzentrationsvermögen etwas beibringen. Diese Überforderung ist aber eher als eine Hilflosigkeit zu verstehen, weil die Pädagogen selbst in ihrer Arbeit nicht unterstützt werden. Sie bräuchten Fortbildungen, kleinere Klassen und einfach mehr Zeit für jedes Kind.

Ist es zudem nicht gerade die Aufgabe von Staatsbediensteten, ein inklusives Umfeld für alle Menschen zu schaffen?

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Und es darf nicht vergessen werden, dass wir anderen uns bekennen zu den „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“.

CGS



PS:


Die Grundschule als Fortsetzung des Kindergartens? – Es gibt auch hier in manchen Regionen und bei einigen Trägern einen Verbesserungsbedarf. In Kiel z.B. soll eine Stelle mit einem Fachberater für die Umsetzung von Inklusion in Kindertageseinrichtungen besetzt werden. Aufgabe ist es, für alle städtischen Einrichtungen ein heilpädagogisches Beratungsangebot mit dem Leitgedanken der Inklusion umzusetzen. Die Beratung richtet sich dabei an alle Mitarbeiter auf allen Ebenen, an Eltern von Kindern mit eingeschränkter, sozialer Teilhabe und an die Verwaltung. Die fachliche Begleitung von der Einarbeitung neuer Kräfte bis hin zur Sicherstellung eines adäquaten Berichtswesens ist ebenso notwendig wie auch die Zusammenarbeit mit anderen Stellen im Bereich der Eingliederungshilfe.




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