Montag, 21. März 2016

Weiterführende Gedanken zum Beschluss der ASMK

In meinem letzten Beitrag hatte ich den Beschlusspunkt 5 der 92. ASMK nur kurz gestreift:

5. Einführung eines bundesgesetzlichen Rahmens für ein partizipatives und trägerübergreifendes Bedarfsermittlungs- und –feststellungsverfahren, mit dem System- und Leistungsschnittstellen im Interesse der Leistungsberechtigten überwunden und zu einem wirkungsorientierten Leistungsgeschehen wie aus einer Hand zusammengeführt werden,

Dahinter steckt viel mehr, als man auf dem ersten Blick ahnen mag.

Bei Antragstellung (der an dieser Stelle noch kein Leistungsberechtigter ist) bei einem sog. „erstangegangen Leistungsträger“ wird im ersten Schritt bei diesem die Zuständigkeit geprüft (§ 14 Abs. 1 SGB IX). Wenn dieser feststellt, dass er nicht zuständig ist, leitet er den Antrag „unverzüglich“ weiter, und zwar an den nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger. Muss für den Rehabilitationsbedarf ein Gutachten erstellt werden, so entscheidet der Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang (§ 14 Abs. 2 SGB IX). Wichtig sind zwar zum einen die gesetzlich festgestellten Fristen, entscheidend ist aber, dass der Antragsteller sich nicht um die Frage der Zuständigkeit kümmern muss. Dies übernimmt nicht nur der ggf. leistende, aber unzuständiger Leistungsträger, er muss den Leistungsberechtigten (der es nun geworden ist) sogar unterrichten (§ 14 Abs. 6 SGB IX).

In der Praxis läuft es eher schlecht mit der Einhaltung der Fristen. Da wird Personalknappheit geltend gemacht oder man muss noch auf die Entscheidung von „oben“ warten – kurzum: Fristen werden nicht eingehalten.

Für die Leistungsberechtigten stellt dies ein erhebliches Problem dar, denn in der Notlage müssen sie ihren Bedarf abgedeckt bekommen. Kann über den Antrag nicht innerhalb der in § 14 Abs. 2 SGB IX genannten Fristen entschieden werden und teilt der Rehabilitationsträger dies dem Leistungsberechtigten nicht oder nur unzureichend mit, kann der Leistungsberechtigte nach erfolgloser Fristsetzung sich die Leistungen selbst beschaffen (§ 15 Abs. 1 SGB IX). Problem dabei ist nur, dass (1) meistens keine Mittel vorhanden sind, mit denen die Notlage beseitigt werden kann, und (2) Aufwendungen ggf. nicht oder nur zum Teil erstattet werden (man beachte zudem die Ausnahmen, die für Träger der Sozialhilfe, Jugendhilfe und Kriegsopferfürsorge gelten). Hinzu kommt dann auch noch die Gefahr, dass der zu entscheidende Leistungsträger die Notlage anzweifelt, wenn man sich vorübergehend oder mit der Hilfe anderer behelfen konnte – für Schulden kommt die Sozialhilfe nicht auf. Diese Regelung birgt also ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit, was zur Folge hat, dass Leistungsberechtigte in der Notlage verharren.

Diese Regelungen in §§ 14 und 15 sind an sich notwendig und richtig. Dem unkundigen Antragsteller soll ein unwürdiger Behördenmarathon (zynisch auch als Behörden-Ping-Pong bekannt) erspart bleiben, andererseits müssen Behörden erst einmal prüfen, ob der Antrag in ihren Zuständigkeitsbereich hineinfällt. Wenn der Prüfungsvorgang aber zu lange dauert, dann müssen sie leisten, denn die Notlage des Antragstellers muss abgestellt werden. Das muss aber für den Antragsteller durchsetzbar sein. Über die Gerichte zu gehen, ist zeitaufwändig und ressourcenbindend. Hinzu kommt, dass ein unkundiger Antragsteller regelmäßig überfordert ist. Es wäre hilfreich, wenn eine Vertrauensperson oder sogar ein fachkundiger Berater zur Seite gestellt werden kann. Doch wer trägt die Kosten?

Ein strukturiertes Verfahren der Bedarfsermittlung und Bedarfsfeststellung schafft Rechtssicherheit und Vertrauen. Hinzu kommt auch noch, dass im Verfahren evtl. sogar weitere Zuständigkeiten aufgedeckt werden könnten. Ideal wäre es, wenn die Leistungsträgerschaft weiterhin „aus einer Hand“ erfolgen könnte, im Hintergrund aber der leistende, unzuständige Leistungsträger sich die Kosten von den anderen erstatten lässt.

Warum also nicht eine zentrale Stelle einführen, an die sämtliche Anträge in welcher Form auch immer gerichtet werden? Zusammen mit dem Antragsteller werden die noch fehlenden Angaben ermittelt und dann an einen Rehabilitationsträger weitergeben. Dieser ist dann vorrangiger Leistungsträger, die zentrale Stelle bleibt aber erster Ansprechpartner. Wenn im weiteren Verlauf festgestellt wird, dass die Leistungsträgerschaft woanders anzusiedeln ist, dann kümmert sich die zentrale Stelle darum. 

CGS






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