In meinem letzten Beitrag hatte ich den Beschlusspunkt 5
der 92. ASMK nur kurz gestreift:
„5. Einführung eines bundesgesetzlichen
Rahmens für ein partizipatives und trägerübergreifendes Bedarfsermittlungs- und
–feststellungsverfahren, mit dem System- und Leistungsschnittstellen im
Interesse der Leistungsberechtigten überwunden und zu einem
wirkungsorientierten Leistungsgeschehen wie aus einer Hand zusammengeführt
werden,
Dahinter steckt viel mehr, als man auf dem ersten Blick
ahnen mag.
Bei Antragstellung (der an dieser Stelle noch kein
Leistungsberechtigter ist) bei einem sog. „erstangegangen Leistungsträger“ wird
im ersten Schritt bei diesem die Zuständigkeit geprüft (§ 14 Abs. 1 SGB IX). Wenn
dieser feststellt, dass er nicht zuständig ist, leitet er den Antrag
„unverzüglich“ weiter, und zwar an den nach seiner Auffassung zuständigen
Rehabilitationsträger. Muss für den Rehabilitationsbedarf ein Gutachten erstellt
werden, so entscheidet der Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach
Antragseingang (§ 14 Abs. 2 SGB IX). Wichtig sind zwar zum einen die gesetzlich
festgestellten Fristen, entscheidend ist aber, dass der Antragsteller sich
nicht um die Frage der Zuständigkeit kümmern muss. Dies übernimmt nicht nur der
ggf. leistende, aber unzuständiger Leistungsträger, er muss den
Leistungsberechtigten (der es nun geworden ist) sogar unterrichten (§ 14 Abs. 6
SGB IX).
In der Praxis läuft es eher schlecht mit der Einhaltung
der Fristen. Da wird Personalknappheit geltend gemacht oder man muss noch auf
die Entscheidung von „oben“ warten – kurzum: Fristen werden nicht eingehalten.
Für die Leistungsberechtigten stellt dies ein erhebliches
Problem dar, denn in der Notlage müssen sie ihren Bedarf abgedeckt bekommen.
Kann über den Antrag nicht innerhalb der in § 14 Abs. 2 SGB IX genannten
Fristen entschieden werden und teilt der Rehabilitationsträger dies dem
Leistungsberechtigten nicht oder nur unzureichend mit, kann der
Leistungsberechtigte nach erfolgloser Fristsetzung sich die Leistungen selbst
beschaffen (§ 15 Abs. 1 SGB IX). Problem dabei ist nur, dass (1) meistens keine
Mittel vorhanden sind, mit denen die Notlage beseitigt werden kann, und (2) Aufwendungen
ggf. nicht oder nur zum Teil erstattet werden (man beachte zudem die Ausnahmen,
die für Träger der Sozialhilfe, Jugendhilfe und Kriegsopferfürsorge gelten). Hinzu
kommt dann auch noch die Gefahr, dass der zu entscheidende Leistungsträger die
Notlage anzweifelt, wenn man sich vorübergehend oder mit der Hilfe anderer
behelfen konnte – für Schulden kommt die Sozialhilfe nicht auf. Diese Regelung
birgt also ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit, was zur Folge hat, dass
Leistungsberechtigte in der Notlage verharren.
Diese Regelungen in §§ 14 und 15 sind an sich notwendig
und richtig. Dem unkundigen Antragsteller soll ein unwürdiger Behördenmarathon
(zynisch auch als Behörden-Ping-Pong bekannt) erspart bleiben, andererseits
müssen Behörden erst einmal prüfen, ob der Antrag in ihren
Zuständigkeitsbereich hineinfällt. Wenn der Prüfungsvorgang aber zu lange
dauert, dann müssen sie leisten, denn die Notlage des Antragstellers muss
abgestellt werden. Das muss aber für den Antragsteller durchsetzbar sein. Über
die Gerichte zu gehen, ist zeitaufwändig und ressourcenbindend. Hinzu kommt,
dass ein unkundiger Antragsteller regelmäßig überfordert ist. Es wäre
hilfreich, wenn eine Vertrauensperson oder sogar ein fachkundiger Berater zur
Seite gestellt werden kann. Doch wer trägt die Kosten?
Ein strukturiertes Verfahren der Bedarfsermittlung und
Bedarfsfeststellung schafft Rechtssicherheit und Vertrauen. Hinzu kommt auch
noch, dass im Verfahren evtl. sogar weitere Zuständigkeiten aufgedeckt werden
könnten. Ideal wäre es, wenn die Leistungsträgerschaft weiterhin „aus einer
Hand“ erfolgen könnte, im Hintergrund aber der leistende, unzuständige
Leistungsträger sich die Kosten von den anderen erstatten lässt.
Warum also nicht eine zentrale Stelle einführen, an die
sämtliche Anträge in welcher Form auch immer gerichtet werden? Zusammen mit dem
Antragsteller werden die noch fehlenden Angaben ermittelt und dann an einen
Rehabilitationsträger weitergeben. Dieser ist dann vorrangiger Leistungsträger,
die zentrale Stelle bleibt aber erster Ansprechpartner. Wenn im weiteren
Verlauf festgestellt wird, dass die Leistungsträgerschaft woanders anzusiedeln
ist, dann kümmert sich die zentrale Stelle darum.
CGS
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