Das Ganze Thema
noch einmal von vorne, weil diese Frage wirklich schwierig zu handhaben ist. Und der Versuch von Lösungen.
Umsatzsteuerpflicht, weil es eine Anerkennung oder
einen Vertrag nach Sozialrecht braucht?
Von der Umsatzsteuer befreit sind „die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich,
geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen"
(§ 4 Nr. 16 UStG). Im Weiteren finden sich 12 Einrichtungstypen oder Körperschaftsformen,
die von dieser Begünstigung profitieren; zum Beispiel im Buchstabe h), wonach
es sich um Einrichtungen handeln soll, „… mit denen eine Vereinbarung nach §
123 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder nach § 76 des Zwölften Buches
Sozialgesetzbuch besteht“ – also Eingliederungshilfe und Sozialhilfe.
Im Satz 2 folgt dann diese Einschränkung: „Leistungen … sind befreit, soweit es sich
ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Anerkennung, der Vertrag
oder die Vereinbarung nach Sozialrecht oder die Vergütung jeweils bezieht“.
Und genau dies kann als ein bedeutendes Kriterium
verstanden werden, warum auf einmal der Lebensunterhalt nicht mehr
umsatzsteuerbefreit sein soll. Die Vergütung, um die es geht, bezieht sich nur
noch auf die Eingliederungshilfe. Die Grundsicherungsleistung ist dagegen eine
Zahlung an den Leistungsberechtigten, welcher selbstbestimmt und eigenmächtig
entscheiden kann, wofür das Geld ausgegeben werden soll. Kein Vertrag oder eine
sonstige Vereinbarung nach Sozialrecht bezieht sich auf den Lebensunterhalt
(oder das Wohnen). Und damit würde diese Einschränkung im Satz 2 zur
Umsatzsteuerpflicht führen.
Hilfreich wäre es, wenn die BTHG-Macher diesen Punkt noch
schnell nachbessern könnten. Doch wirklich damit rechnen, wäre riskant. Von
daher braucht es eine Entscheidung, wie man als Leistungserbringer damit
umgeht. Leistungsberechtigte Verbraucher haben an dieser Stelle übrigens keine
Möglichkeit der Gestaltung oder Willensbekundung – wozu auch?
Umsatzsteuervoranmeldungen als Ergebnis der
Fachleistungstrennung?
Das muss jedoch nicht zwingend zum Nachteil des
Verbrauchers sein. Der in Rechnung gestellte Netto-Warenwert für den erbrachten
Lebensunterhalt könnte mit einer Umsatzsteuer von 7 % belegt werden (§ 12 Abs.
2 Nr. 8a UStG). Umgekehrt würde man nun gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG einen
Vorsteuerabzug tätigen auf Leistungen, die vielleicht zuvor mit 19 % oder einem
anderen Steuersatz in Rechnung gestellt wurden. Die Befürchtung, dass es jetzt
für die Leistungsberechtigten teurer wird, ist so nicht erkennbar (es gibt auch
eine andere Sicht darauf, bei der vielleicht ein wenig übertrieben wird).
Für den Leistungserbringer wird es dagegen aufwändiger,
weil sich die Verwaltungsarbeit schwieriger gestaltet. Die eigene Buchhaltung
muss so ausgestaltet werden, dass bei der Erfassung von Rechnungen ein
Umsatzsteuer-Schlüssel zugeordnet werden kann. Wenn es Rechnungen gibt, die gleichzeitig
den umsatzsteuerpflichtigen und den umsatzsteuerbefreiten Bereich betreffen, sollte
eine Aufteilung erfolgen (§ 15 Abs. 4 S. 1 UStG), notfalls kann dies aber auch
im Wege einer nachvollziehbaren Schätzung erfolgen (S. 2). Im Anschluss daran
brauchte es aber jemanden in der Abteilung, welcher die
Umsatzsteuervoranmeldung übernimmt. Wird dies alles nicht beachtet, drohen
Bußgelder gegen das geschäftsführende Organ (§ 26a UStG).
Was folgt wäre die Frage nach einer besseren
Personalausstattung. Die Leistungsträger werden sich aber nicht darauf
einlassen wollen, da sie nur für die Eingliederungshilfe „zuständig“ sind und
nicht für den Lebensunterhalt (das Wohnen wäre wiederum eine
umsatzsteuerbefreite Leistung mit Ausnahme der gastweisen Unterbringung, vgl.
dazu § 4 Nr. 12 S. 2 UStG).
Ändert sich das Wesen des Leistungserbringers durch
das BTHG?
Bei der Auslegung der fraglichen UStG-Vorschrift geht es
nicht um den Begriff der „Einrichtung“. Der Betrieb einer Einrichtung ist nicht
die Grundlage der Anwendbarkeit, sondern die mit der „Betreuung oder Pflege
körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen
Leistungen“ sind es, aber im Zusammenhang mit (1.) der Anerkennung, dem Vertrag
oder der Vereinbarung nach Sozialrecht, oder (2.) der Vergütung für die
Leistungen.
Wesen, Konzept oder Zweck der Leistungserbringer werden
durch das BTHG nicht geändert (auch schon mal gut hinsichtlich des Status der
Gemeinnützigkeit). Die Arbeit bleibt weiterhin die gleiche. Was sich lediglich
geändert hat, ist eine Unterscheidung innerhalb der Sozialleistungen. Von daher
sollte man seitens der Verbände der Leistungserbringer mit den Leistungsträgern
im jetzt abzuschließenden Landesrahmenvertrag nach § 131 SGB IX (ehem. § 79 SGB
XII) eine entsprechende Formulierung einbauen bezüglich des Lebensunterhalts.
Es geht dabei nicht um einen Versuch, diese Teil-Leistung in die Vergütung
aufzunehmen. Ziel sollte es sein, dass eine „Anerkennung“ geschieht, so dass
die enge Verbundenheit mit der Betreuung hergestellt wird.
Um ganz sicher zu gehen, sollten ebenso die
Finanzverwaltungen der Länder involviert werden, damit die Steuerbefreiung bestätigt
wird. Noch besser wäre es, wenn seitens des Bundesfinanzministeriums ein
Anwendungserlass diesen Punkt aufnehmen würde (so wie der vom 2.7.2008).
Hinsichtlich des zweiten Punkts, der Vergütung der
Leistungen, besteht bekanntermaßen bei dem Entgelt für den Lebensunterhalt
keine Unmittelbarkeit. Begünstigt wäre also nur die Vergütung, welche direkt und
eben „unmittelbar“ vom Leistungsträger an den Leistungserbringer gezahlt wird.
Im Falle des Lebensunterhalts ist dies aber nicht der Fall, da der Mensch
selbstbestimmt entscheiden soll, von wem oder wie er sich versorgen lassen will.
Im Falle von Leistungen der Jugendhilfe (§ 4 Nr. 25 UStG)
findet sich übrigens eine Formulierung, die zeigt, dass der soziale Charakter
des Leistungserbringers maßgeblich ist. In Satz 1 geht es um die Begünstigung
der Leistungen, die erbracht werden von einer „Einrichtung mit sozialem
Charakter“. Und in Satz 2 wird beispielsweise herausgestellt, dass es
ausreicht, wenn die Vergütung „zum überwiegenden Teil“ von einer öffentlichen
Stelle bzw. einem anerkannten Träger der Jugendhilfe erfolgt.
Die Leistungen koppeln
Auf eine Lösung im Landesrahmenvertrag kann man nicht
bauen. Was es wirklich bräuchte, wäre eine bundesweite Klarstellung, die es
vielleicht nicht geben wird.
Geht man vom Begriff der „eng verbundenen Leistungen“
aus, sollte im Vertrag über die Überlassung von Räumlichkeiten zu Wohnzwecken eine
Koppelung der vielen Einzelleistungen geschehen. Würde eine Entkoppelung
stattfinden und zum Beispiel wäre es dem Bewohner freigestellt, von welchem Leistungserbringer
auch immer die Betreuungstätigkeit kommt, müsste man in der Gesamtbetrachtung
davon ausgehen, dass ein strikt getrenntes Angebot an Leistungen verfolgt wird.
Die Verbindung wäre somit aufgehoben zwischen dem Wohnen und Lebensunterhalt
auf der einen Seite sowie der (umsatzsteuerlich begünstigten) Fachleistung auf
der anderen Seite. Daran würde eine Anerkennung im Landesrahmenvertrag nichts
mehr ändern.
Es wäre von daher hilfreicher, eine Zusammenhangsleistung
im Vertrag über die Wohnraum-Überlassung herzustellen. Das würde zwar die
Anwendung des WBVG verursachen, aber die enge Verbundenheit mit den anderen, „zum
überwiegenden Teil“ begünstigten Leistungen wäre anzunehmen.
Kriterium ist das bereitgestellte Angebot unabhängig
von der tatsächlichen Inanspruchnahme
Am 1.1.2020 wird es nach wie vor die gleichen Leistungen
geben, wie noch einen Tag, ein Jahr oder eine Dekade zuvor. Die
leistungsberechtigten Menschen, die nun zu Mietern werden, leben am gleichen
Ort, der für sie einen Schutzraum darstellt und in dem sie Leistungen am Leben
in der Gemeinschaft (Eingliederungshilfe) erhalten. Die Gesamtversorgung wird weiterhin
angeboten und kann entsprechend abgerufen bzw. verlangt werden. Betrachtet man also
das Neue, zeigen sich keine wesentliche Abweichung zum Alten.
Treten Wohnraum-Überlassungsverträge an die Stelle von
Wohnstätten-Verträge, das übergeordnete Ziel des Angebotes an die Verbraucher bleibt
die Eingliederungshilfe – nicht das Wohnen und nicht der Lebensunterhalt. Schon
alleine die Bereitstellung eines Katalogs an Einzelleistungen zeigt, dass es
Ähnlichkeiten zu einer vollstationären Einrichtung gibt (vgl. dazu § 71 Abs. 4 SGB
XI in der Fassung bis 2019).
Die tatsächliche Inanspruchnahme der angebotenen
Leistungen durch die Bewohner kann dagegen nicht als Maßstab herangezogen
werden; schon in früheren Jahren konnten Bewohner eine Selbstversorgung
versuchen mit Hilfe eines kleinen Budgets für eigene Lebensmitteleinkäufe (und
überhaupt wird der Wert für eine solche Versorgung auch in Zukunft höchst wahrscheinlich
einen niedrigstelligen Prozentsatz ausmachen). Selbst wenn die Versorgung
letztendlich durch einen Dritten übernommen wird, Organisation und Verantwortung
trägt der Leistungserbringer gegenüber dem Verbraucher.
Es spricht nach wie vor viel dafür, dass die Umsatzsteuerpflicht
nicht zum Tragen kommt, sollten die Wohnraum-Überlassung, die
Lebensmittelversorgung und der sonstige Unterhalt vertraglich gekoppelt werden
mit der Betreuungsleistung. In allen anderen Fällen müsste ein
Leistungserbringer den dann geltenden Landesrahmenvertrag prüfen, ob eine
Anerkennung hineinformuliert wird.
CGS
Weitere Informationen:
(letzter Aufruf am 15.6.2019)
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BTHG: Umsatzsteuerpflicht für die neuen Leistungen?